Urteil des BVerwG vom 05.10.2011

Geschäftsführung, Behandlung, Bier, Einfluss

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
BVerwG 6 P 7.10
OVG 12 LB 2/09
In der Personalvertretungssache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. Oktober 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge, Vormeier, Dr. Bier und
Dr. Möller
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Be-
schluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungs-
gerichts - Fachsenat für Mitbestimmungssachen/Land -
vom 12. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
I
Im Mai 2007 entschied die Vorsitzende der Geschäftsführung der Deutschen
Rentenversicherung Nord, die Beteiligte zu 1, mit Zustimmung des Gesamtper-
sonalrats, des Beteiligten zu 2, dass die Deutsche Rentenversicherung Nord
am 27. und 28. Dezember 2007 geschlossen bleibt. Am 20. September 2007
rief der Antragsteller, der Personalrat für die Dienststelle Hamburg der Deut-
schen Rentenversicherung Nord, das Verwaltungsgericht an und beantragte
dort, die Schließung der Dienststelle Hamburg für unwirksam zu erklären, ihm
ein dahingehendes Mitbestimmungsrecht zuzusprechen und der Beteiligten
zu 1 zu untersagen, die Dienststelle Hamburg ohne seine Zustimmung am
27. und 28. Dezember 2007 zu schließen. Diese Anträge lehnte das Verwal-
tungsgericht ab. Die Beschwerde des Antragstellers mit dem Antrag,
den erstinstanzlichen Beschluss zu ändern und festzustel-
len
1. dass der Beschluss der Beteiligten zu 1, die Dienststelle
Hamburg am 27. und 28. Dezember 2007 zu schließen,
unwirksam war,
2. dass er bei der Schließung der Dienststelle Hamburg
am 27. und 28. Dezember 2007 mitzubestimmen hatte,
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wies das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 31. Januar 2008 - 12 LB
2/07 - zurück. Zur Begründung führte es aus: Für die Mitbestimmung sei hier
der Gesamtpersonalrat zuständig. Die Schließung am 27. und 28. Dezember
2007 stelle eine dienststellenübergreifende Angelegenheit dar, weil diese für
alle drei Standorte als organisatorische Frage einheitlich geregelt worden sei.
Die Angelegenheit habe nicht durch die einzelnen örtlichen Personalräte in ih-
rem jeweiligen Geschäftsbereich geregelt werden können. Vielmehr habe ein
zwingendes Erfordernis für eine einheitliche Regelung bestanden. Dies ergebe
sich aus der organisatorischen Verflechtung der Deutschen Rentenversiche-
rung Nord. Diese Verflechtung bringe denknotwendig einen hohen Abstim-
mungsbedarf mit sich und gewährleiste eine effektive und sinnvolle Sachbear-
beitung nur bei gleichzeitiger Erreichbarkeit aller Bereiche.
Die gegen den vorgenannten Beschluss des Oberverwaltungsgerichts eingeleg-
te Rechtsbeschwerde nahm der Antragsteller am 29. September 2008 zurück.
Im April 2008 entschied die Beteiligte zu 1 mit Zustimmung des Beteiligten zu 2,
die Deutsche Rentenversicherung Nord am 29. und 30. Dezember 2008 sowie
am 2. Januar 2009 zu schließen; den Beschäftigten wurden anheimgestellt, für
die Tage entweder Erholungsurlaub oder Freizeitausgleich zu nehmen. Der An-
tragsteller hat erneut das Verwaltungsgericht angerufen und dort - jeweils be-
zogen auf den Standort Hamburg - die Feststellung seines Mitbestimmungs-
rechts sowie der Unwirksamkeit der Schließungsentscheidung begehrt. Die An-
träge hat das Verwaltungsgericht abgelehnt. Die Beschwerde des Antragstellers
mit dem Antrag,
den erstinstanzlichen Beschluss zu ändern und festzustel-
len, dass
1. der Beschluss der Beteiligten zu 1, den Standort Ham-
burg am 29. und 30. Dezember 2008 sowie am 2. Januar
2009 zu schließen, unwirksam ist,
2. er bei der vorbezeichneten Schließung mitzubestimmen
hatte und
3. er bei zukünftigen Weihnachtsregelungen mitzubestim-
men hat, soweit Beschäftigte aus dem Verwaltungsbereich
Hamburg betroffen sind,
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hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat es auf
seinen Beschluss vom 31. Januar 2008 zur Weihnachtsregelung 2007 Bezug
genommen.
Der Antragsteller trägt zur Begründung seiner Rechtsbeschwerde vor: Die örtli-
chen Personalräte seien zur Beteiligung berufen, wenn es um die Schließung
ihrer Dienststellen zum Jahresende gehe. Dies belege die Schließung im Jahre
2005, welche unter seiner Beteiligung zustande gekommen sei. Organisatori-
sche Verflechtungen und die Vermeidung ungerechtfertigter Ungleichbehand-
lung seien Aspekte, die beliebig angeführt werden könnten, um die Mitbestim-
mung der örtlichen Personalräte auszuhöhlen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und nach
seinem zweitinstanzlichen Antrag zu erkennen.
Die Beteiligten zu 1 und 2 beantragen,
die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigen den angefochten Beschluss.
II
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Der
Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruht nicht auf der Nichtanwendung
oder der unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm (§ 88 Abs. 2 MBGSH vom
11. Dezember 1990, GVOBl Schl.-H. S. 577, zuletzt geändert durch Art. 3 des
Gesetzes vom 4. Februar 2011, GVOBl Schl.-H. S. 34, i.V.m. § 93 Abs. 1
Satz 1 ArbGG).
A. Die im Rechtsbeschwerdeverfahren weiterverfolgten Anträge sind nur teil-
weise zulässig.
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1. Unzulässig sind die Anträge zu 1 und 2. Die Schließung der Deutschen Ren-
tenstelle Nord am 29. und 30. Dezember 2008 sowie am 2. Januar 2009 (Weih-
nachtsregelung 2008) hat sich durch Zeitablauf erledigt. Demgemäß sind die
Anträge zu 1 und 2 dahin zu verstehen, dass der Antragsteller die Feststellung
begehrt, dass er bei der Schließung des Standortes Hamburg mitzubestimmen
hatte und dass die Schließung wegen Missachtung seines Mitbestimmungs-
rechts rechtsunwirksam war. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundes-
arbeitsgerichts fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Feststellung be-
gehrt wird, dass eine bestimmte, bereits abgeschlossene Maßnahme unwirk-
sam sei oder dass an ihr ein Beteiligungsrecht bestanden habe, falls die Maß-
nahme im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keine Rechtswirkung mehr
entfaltet. In diesem Fall könnte die Entscheidung einem Verfahrensbeteiligten
lediglich bescheinigen, dass er Recht oder Unrecht gehabt habe. Es ist aber
nicht Aufgabe der Gerichte, gutachtlich tätig zu werden. Dieser Rechtsprechung
ist der Senat für den Bereich des Personalvertretungsrechts gefolgt (vgl. Be-
schluss vom 9. Juli 2007 - BVerwG 6 P 9.06 - Buchholz 250 § 46 BPersVG
Nr. 30 Rn. 13 m.w.N.).
2. Zulässig ist dagegen der Antrag zu 3, der die Mitbestimmung bei künftigen
Weihnachtsregelungen betrifft. Für dieses abstrakte Begehren ist das Feststel-
lungsinteresse unter dem Gesichtpunkt der Wiederholungsgefahr gegeben. Die
Rechtskraft des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts vom 31. Januar
2008 - 12 LB 2/07 - steht nicht entgegen. Gegenstand dieser Entscheidung war
kein abstraktes, sondern ein konkretes, auf die Weihnachtsregelung 2007 be-
zogenes Begehren.
B. Der Antrag zu 3 ist jedoch nicht begründet. Die Entscheidungen der Beteilig-
ten zu 1, die Dienststelle Deutsche Rentenversicherung Nord zum Jahresende
an bestimmten Tagen zu schließen, unterliegt der Mitbestimmung des Gesamt-
personalrats, des Beteiligten zu 2. Der für die Dienststelle Hamburg gebildete
Personalrat, der Antragsteller, ist nicht zur Beteiligung berufen.
1. Auf die Deutsche Rentenversicherung Nord ist das Mitbestimmungsgesetz
Schleswig-Holstein anzuwenden (vgl. Beschlüsse vom 17. Juli 2010 - BVerwG
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6 PB 6.10 - juris Rn. 4 ff. und vom 30. November 2010 - BVerwG 6 PB 16.10 -
juris Rn. 4).
2. Zu Recht ist ein Gesamtpersonalrat bei der Deutschen Rentenversicherung
Nord gebildet worden (§ 45 Abs. 1, § 84 Abs. 5 Satz 1 MBGSH). Bei dieser
handelt es sich um eine der Aufsicht des Landes Schleswig Holstein unterste-
hende Körperschaft des öffentlichen Rechts ohne Gebietshoheit (§ 29 Abs. 1
SGB IV). Bei ihr bestehen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Ausfüh-
rung organisationsrechtlicher Bestimmungen des Sechsten Buchs des Sozial-
gesetzbuchs (RVOrgG-AusfG) vom 28. September 2005, GVOBl Schl.-H.
S. 342, mehrere Personalräte, nämlich jeweils einer in den Dienststellen Lü-
beck, Hamburg und Neubrandenburg (vgl. Beschluss vom 17. Juli 2010 a.a.O.
Rn. 15 ff. und 19 ff.).
3. Für die Abgrenzung der Zuständigkeiten der drei örtlichen Personalräte ei-
nerseits und des Gesamtpersonalrats andererseits gilt daher § 61 MBGSH; dies
wird in § 2 Abs. 2 Satz 3 RVOrgG-AusfG ausdrücklich klargestellt. Nach § 61
Abs. 1 Satz 1 MBGSH ist der Gesamtpersonalrat nur zuständig für die Behand-
lung von Angelegenheiten, die mehrere in ihm zusammengefasste Dienstellen
betreffen und die nicht durch die einzelnen Personalräte innerhalb ihres Ge-
schäftsbereichs geregelt werden können.
a) Erste Voraussetzung für die Zuständigkeit des Gesamtpersonalrats ist da-
nach, dass die beteiligungspflichtige Angelegenheit mehrere in ihm zusammen-
gefasste Dienststellen betrifft. Die Angelegenheit muss dienststellenübergrei-
fende Wirkung haben (vgl. Landtagdrucks. 12/996 S. 122). Dagegen verbleibt
es bei der Zuständigkeit des örtlichen Personalrats, wenn von der beabsichtig-
ten Maßnahme ausschließlich die Beschäftigten einer Dienststelle betroffen
werden. § 2 Abs. 2 Satz 1 RVOrgG-AusfG bestätigt dies für den Bereich der
Deutschen Rentenversicherung Nord. Danach beteiligt deren Geschäftsführung
als gemeinsame Dienststellenleitung für alle drei Dienststellen in Hamburg, Lü-
beck und Neubrandenburg (§ 2 Abs. 1 Satz 2 RVOrgG-AusfG) in den Fällen, in
denen Beschäftigte einer dieser Dienststellen betroffen sind, den dort gebilde-
ten Personalrat unmittelbar (vgl. Landtagdrucks. 16/202 S. 7 f.).
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b) Die vorbezeichnete erste Voraussetzung für die Zuständigkeit des Gesamt-
personalrats ist bereits dann erfüllt, wenn der Dienststellenleiter beabsichtigt,
eine dienststellenübergreifende Maßnahme zu treffen. Dies reicht jedoch für die
Begründung der Zuständigkeit des Gesamtpersonalrats noch nicht aus. § 61
Abs. 1 Satz 1 MBGSH verlangt vielmehr zusätzlich, dass die Angelegenheit
nicht durch die einzelnen Personalräte innerhalb ihres Geschäftsbereichs gere-
gelt werden kann. Diese zweite Voraussetzung unterwirft die dienststellenüber-
greifende Absicht des Dienststellenleiters einem Rechtfertigungszwang. Nur
wenn die Maßnahme gerade als dienststellenübergreifende geboten ist, ist der
Gesamtpersonalrat an Stelle der sonst zuständigen örtlichen Personalräte zur
Mitbestimmung berufen.
aa) § 61 Abs. 1 Satz 1 MBGSH ist der Regelung in § 50 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1
BetrVG nachgebildet. Diese Vorschrift lautet: „Der Gesamtbetriebsrat ist zu-
ständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen
oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte in-
nerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können“. Es liegt daher nahe, sich bei
der Auslegung der Regelung in § 61 Abs. 1 Satz 1 MBGSH an der Rechtspre-
chung des Bundesarbeitsgerichts zu § 50 Abs. 1 BetrVG zu orientieren (vgl. in
diesem Zusammenhang zum Ausschluss der Mitbestimmung bei leitenden An-
gestellten: Beschluss vom 22. März 2006 - BVerwG 6 P 10.05 - Buchholz
251.95 § 84 MBGSH Nr. 1 Rn. 24 f.).
Dagegen spricht nicht, dass der Gesamtbetriebsrat durch Entsendung von Mit-
gliedern der Betriebsräte des Unternehmens gebildet wird (§ 47 Abs. 2 BetrVG),
während der Gesamtpersonalrat unmittelbar von den Beschäftigten der beteilig-
ten Dienststellen gewählt wird (§ 45 Abs. 3 MBGSH). Denn die dienststellen-
übergreifende Legitimation des Gesamtpersonalrats spielte für den Gesetzge-
ber nach der Konzeption der Regelung in § 61 Abs. 1 Satz 1 MBGSH keine
entscheidende Rolle. Diese Regelung verlangt zur Begründung der Zuständig-
keit des Gesamtpersonalrats eine materielle Rechtfertigung. Fehlt es daran, so
muss sich der Dienststellenleiter mit seinem Anliegen an die örtlichen Personal-
räte wenden. Dass diese - unter der Voraussetzung einer dezentralen Rege-
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lungsmöglichkeit - legitimiert sind, die von ihnen vertretenen Beschäftigten zu
repräsentieren, unterliegt keinem Zweifel.
bb) Unter sinngemäßer Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesarbeits-
gerichts zu § 50 BetrVG ergibt sich Folgendes: Das Erfordernis, wonach die
Angelegenheit nicht durch die einzelnen Personalräte innerhalb ihres Ge-
schäftsbereichs geregelt werden kann, setzt nicht notwendig die objektive Un-
möglichkeit einer dienststellenbezogenen Regelung voraus. Ausreichend, aber
regelmäßig auch zu verlangen ist vielmehr, dass ein sachlich zwingendes Er-
fordernis für eine dienststellenübergreifende Regelung besteht. Dieses Erfor-
dernis kann sich aus technischen oder rechtlichen Gründen ergeben. Reine
Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte genügen nicht. Maßgeblich sind stets die kon-
kreten Umstände der Gesamtdienststelle und der ihr zugehörigen einzelnen
Dienststellen (vgl. BAG, Beschlüsse vom 3. Mai 2006 - 1 ABR 15/05 - BAGE
118, 131 Rn. 25 und vom 14. November 2006 - 1 ABR 4/06 - BAGE 120, 146
Rn. 22). Der Gleichbehandlungsgrundsatz begrenzt die Regelungsmacht der
Partner der Dienststellenverfassung, hat jedoch keinen Einfluss auf die Zustän-
digkeitsverteilung zwischen den verschiedenen Personalvertretungen (vgl.
BAG, Beschlüsse vom 23. März 2010 - 1 ABR 82/08 - AP Nr. 135 zu § 87
BetrVG 1972 Lohngestaltung Rn. 17 und vom 18. Mai 2010 - 1 ABR 96/08 - AP
Nr. 34 zu § 50 BetrVG 1972 Rn. 17). Sofern der Gesamtpersonalrat im Sinne
von § 61 Abs. 1 Satz 1 MBGSH für die Behandlung einer Angelegenheit origi-
när zuständig ist, hat er diese Angelegenheit insgesamt mit dem Dienststellen-
leiter zu regeln. Eine Aufspaltung der Zuständigkeiten auf Gesamtpersonalrat
und örtliche Personalräte verbietet sich aus Gründen der Rechtssicherheit und
Rechtsklarheit (vgl. BAG, Beschluss vom 14. November 2006 a.a.O. Rn. 35).
4. Nach den vorgenannten Grundsätzen unterliegt die Entscheidung der Betei-
ligten zu 1 darüber, ob und ggf. an welchen Werktagen die Deutsche Renten-
versicherung Nord am Jahresende geschlossen werden soll, der Mitbestim-
mung des Gesamtpersonalrats, des Beteiligten zu 2.
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a) Diese Entscheidung betrifft gleichermaßen die drei Dienststellen in Lübeck,
Hamburg und Neubrandenburg und damit mehrere Dienststellen im Zuständig-
keitsbereich des Beteiligten zu 2.
b) Sie kann im Bereich der Deutschen Rentenversicherung Nord nicht durch die
einzelnen Personalräte in den Dienststellen Lübeck, Hamburg und Neubran-
denburg geregelt werden. Mit Rücksicht auf die organisatorische Struktur bei
der Deutschen Rentenversicherung Nord besteht ein zwingendes Erfordernis
für eine dienststellenübergreifende Weihnachtsregelung.
aa) Das Oberverwaltungsgericht hat im angefochtenen Beschluss auf seinen
Beschluss vom 31. Januar 2008 - 12 LB 2/07 - betreffend die Weihnachtsrege-
lung 2007 Bezug genommen. Dort hat es ein zwingendes Erfordernis für eine
einheitliche Schließungsregelung zum Jahresende aus der organisatorischen
Verflechtung der Deutschen Rentenversicherung Nord hergeleitet. Es hat an-
genommen, dass unternehmenseinheitliche und dienststellenübergreifende Er-
fordernisse für eine einheitliche Weihnachtsregelung bestünden. Es hat dabei
Bezug genommen auf die Darlegungen der Beteiligten zu 1 im Schriftsatz vom
4. Oktober 2007, die es ihrem wesentlichen Inhalt nach wiedergegeben und als
überzeugend beurteilt hat (Beschluss vom 31. Januar 2008 S. 4 f. und 10).
Daraus ist zu schließen, dass das Oberverwaltungsgericht von der Richtigkeit
der Darstellung ausgegangen ist, die die Beteiligte zu 1 in tatsächlicher Hinsicht
von der Organisationsstruktur der Deutschen Rentenversicherung Nord im
Schriftsatz vom 4. Oktober 2007 (S. 2 bis 4) nebst Anlagen (Ag 1 und Ag 2) ge-
geben hat. Daraus ergibt sich folgendes Bild:
(1) Die Deutsche Rentenversicherung Nord ist unterhalb der Geschäftsführung
in fünf Abteilungen untergliedert: Leistungen, Organisation und Personal, All-
gemeine Verwaltung, Sozialmedizinischer Dienst, Finanzen. Die Abteilungen
sind in Dezernate und diese wiederum in Teams unterteilt. Alle Abteilungen sind
standortübergreifend organisiert. Ihnen nachgeordnete Dezernate oder Teams
finden sich in allen Standorten. Die Leiter der Dezernate Personal, Organisati-
on, Auskunfts- und Beratungsdienst (Dezernat 10 der Abteilung Leistungen),
Betriebsprüfdienst (Dezernat 11 der Abteilung Leistungen) sowie Rechtsmittel
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(Dezernat 12 der Abteilung Leistungen) sind ebenfalls dienststellenübergreifend
zuständig.
(2) Die Dezernate Leistungssachbearbeitung (Dezernate 1 bis 9 der Abteilung
Leistungen) verteilen sich mit ihren Teams zwar auf alle drei Standorte. Eine
Reihe von Mitarbeitern sind aber für spezielle, nach Fachthemen und Normen
bestimmte Aufgaben zentrale Ansprechpartner für alle Mitarbeiter der Abteilung
Leistungen in allen drei Dienststellen.
(3) Ähnliches gilt für die Beschaffungsstellen der Abteilung Allgemeine Verwal-
tung. Zwar verfügt jeder Standort über ein Team Beschaffung. Diese Teams
haben allerdings die Arbeiten so organisiert, dass jedes für bestimmte Angele-
genheiten zuständig ist (Team Hamburg: Zentrale Beschaffung; Team Neu-
brandenburg: Telefongeschäft; Team Lübeck: Kraftfahrereinsatz und Software-
lizenzen).
bb) Mit Blick auf die vorbezeichnete standortübergreifende Organisationsstruk-
tur hat das Oberverwaltungsgericht im Beschluss vom 31. Januar 2008 im
Rahmen seiner tatsächlichen Würdigung festgestellt, dass die Verflechtung bei
der Deutschen Rentenversicherung Nord denknotwendig einen hohen Abstim-
mungsbedarf mit sich bringt und eine effektive und sinnvolle Sachbearbeitung
nur bei gleichzeitiger Erreichbarkeit aller Bereiche gewährleistet ist und dass die
Sachbearbeitung der jeweiligen Fachbereiche auf Grund der beschriebenen
Organisationsstruktur jeweils den gesamten Zuständigkeitsbereich der Deut-
schen Rentenversicherung Nord betrifft (BA S. 10). Diese Feststellung ist
Grundlage für die rechtliche Beurteilung durch den Senat.
cc) Auf der Grundlage dieser Tatsachenfeststellungen ist eine dienststellen-
übergreifende Weihnachtsregelung zwingend erforderlich.
Die Deutsche Rentenversicherung Nord weist unterhalb der Geschäftsführung
an ihren drei Standorten nicht lediglich parallele Organisationsstrukturen auf.
Vielmehr handelt es sich um einen integrierten Organismus, der bezogen auf
die drei Standorte teilweise asymmetrisch aufgebaut ist und in welchen die Auf-
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gabenbereiche dienststellenübergreifend miteinander verzahnt sind. Dies gilt in
vertikaler Hinsicht, weil die Kompetenzen der Abteilungsleiter und einiger De-
zernatsleiter sich auf die ihnen nachgeordneten Stellen in allen drei Standorten
erstrecken. Dies trifft aber auch in horizontaler Hinsicht zu, weil Mitarbeiter in
nicht unerheblichem Umfang - insbesondere in der großen Abteilung Leistun-
gen - auf die Zuarbeit von Mitarbeitern an anderen Standorten angewiesen
sind.
Daraus ergibt sich, dass im Bereich der Deutschen Rentenversicherung Nord
eine verlässliche dienststellenübergreifende Kommunikation und Erreichbarkeit
sichergestellt sein muss. Daran fehlt es aber von vornherein, wenn an den in
Betracht zu ziehenden Tagen des Jahresendes von den drei Dienststellen in
Lübeck, Hamburg und Neubrandenburg eine geöffnet und zwei geschlossen
sind oder umgekehrt. In einem solchen Fall können Führungskräfte und Mitar-
beiter der geöffneten Dienststelle auf notwendige Zuarbeiten der Mitarbeiter in
den geschlossenen Dienststellen nicht zurückgreifen. Differenzierte dienststel-
lenbezogene Weihnachtsregelungen sind daher einer effizienten Bewältigung
öffentlicher Aufgaben abträglich. Mit unterschiedlichen Regelungen muss aber
gerechnet werden, wenn es bei der Zuständigkeit der örtlichen Personalräte
verbleibt. Die notwendige einheitliche Lösung, nämlich die Deutsche Renten-
versicherung Nord an allen drei Standorten entweder zu schließen oder geöff-
net zu halten, führt zur Zuständigkeit des Gesamtpersonalrats.
dd) Das zwingende Erfordernis für eine dienststellenübergreifende Weihnachts-
regelung ergibt sich noch aus einem anderen Grund. Wie der Senat im Be-
schluss vom heutigen Tage - BVerwG 6 P 6.10 - entschieden hat, ist der Ge-
samtpersonalrat, der Beteiligte zu 2, für den Abschluss der Dienstvereinbarung
zur serviceorientierten flexiblen Arbeitszeit zuständig. Gegenstand dieser
Dienstvereinbarung ist auch die Regelung des Zeitausgleichs (vgl. § 9 der
Dienstvereinbarung vom 18. September 2007). Mit der Weihnachtsregelung
wird festgelegt, dass die Beschäftigten für die Schließungstage entweder Ur-
laub nehmen oder diese Tage in den Zeitausgleich einbringen müssen. Die
Weihnachtsregelung ist daher Teil der Arbeitszeitregelung bei der Deutschen
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Rentenversicherung Nord, welche insgesamt der Mitbestimmung des Gesamt-
personalrats, des Beteiligten zu 2, unterliegt.
ee) Dass die Beteiligten zu 1 für die Weihnachtsregelung 2005 unter dem
4. November 2005 die Zustimmung der örtlichen Personalräte erbeten und so-
dann erhalten hat, hat keinen Einfluss auf die Auslegung und Anwendung der
gesetzlichen Zuständigkeitsregelung in § 61 Abs. 1 MBGSH. Dabei handelte es
sich mit Blick darauf, dass die Deutsche Rentenversicherung Nord erst kurz
vorher, nämlich am 30. September 2005, entstanden war, offensichtlich um die
Inanspruchnahme von Übergangsrecht (vgl. § 5 RVOrgG-AusfG).
Neumann
Büge
Vormeier
Dr. Bier
Dr. Möller
B e s c h l u s s
Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Rechtsbe-
schwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt (§ 23 Abs. 3 Satz 2, § 33 Abs. 1
und 8 Satz 1 Halbs. 1 RVG i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG analog).
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