Urteil des BVerwG vom 19.03.2012

Allgemeines Verwaltungsrecht, Polizei, Begriff, Versetzung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
BVerwG 6 P 6.11
OVG 60 PV 2.10
In der Personalvertretungssache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. März 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge, Dr. Möller, Hahn und
Prof. Dr. Hecker
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten wird der Be-
schluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-
Brandenburg - Fachsenat für Personalvertretungssachen
des Landes Berlin - vom 27. Januar 2011 geändert und die
Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des
Verwaltungsgerichts Berlin - Fachkammer für Personalver-
tretungssachen Berlin - vom 14. Januar 2010 zurückge-
wiesen.
G r ü n d e :
I
Im Streit ist das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers hinsichtlich der vorü-
bergehenden dienstlichen Verwendung von Beamten bei einer anderen Organi-
sationseinheit des Polizeipräsidenten in Berlin.
Zwischen den Verfahrensbeteiligten sind Kontroversen hinsichtlich der vorüber-
gehenden Zuweisung bestimmter bislang beim Beteiligten eingesetzter Beam-
ter an die Zentrale Serviceeinheit (ZSE) beim Polizeipräsidenten in Berlin auf-
getreten. Nachdem diese nicht beigelegt werden konnten, hat der Antragsteller
das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet. Das Verwal-
tungsgericht hat seinen Antrag, die Verletzung seines Mitbestimmungsrechts
durch die Abordnung der in Rede stehenden Beamten festzustellen, zurückge-
wiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Eine Abordnung
im Sinne von § 86 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BlnPersVG liege nicht vor. Diese setze
einen Dienststellenwechsel voraus. Bei den einzelnen Direktionen und bei der
ZSE handele es sich jedoch nicht um eigenständige Dienststellen im dienst-
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rechtlichen Sinn. Alleine der Polizeipräsident in Berlin erfülle den dienstrechtli-
chen Behördenbegriff. Dass es sich bei den Direktionen und der ZSE um
Dienststellen im personalvertretungsrechtlichen Sinne handele, sei ohne Be-
lang. Die Abordnung im Sinne von § 86 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BlnPersVG sei am
dienstrechtlichen Behördenbegriff orientiert.
Auf die Beschwerde des Antragstellers hat das Oberverwaltungsgericht den
Beschluss des Verwaltungsgerichts geändert und festgestellt, dass die vorü-
bergehende Verwendung von Beamten aus der Direktion 5 bei der ZSE mitbe-
stimmungspflichtig sei, wenn sie voraussichtlich länger als drei Monate andaue-
re. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Es könne dahinstehen,
ob die Direktionen und die ZSE den allgemeinen dienstrechtlichen Behörden-
begriff erfüllen würden. Sie seien jedenfalls Dienststellen im personalvertre-
tungsrechtlichen Sinn. Eine mitbestimmungspflichtige Abordnung im Sinne von
§ 86 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BlnPersVG liege auch bei einer mehr als drei Monate
währenden Verwendung bei einer anderen Dienststelle im personalvertretungs-
rechtlichen Sinne vor, selbst wenn diese den dienstrechtlichen Behördenbegriff
nicht erfülle. Der Gesetzgeber habe an verschiedenen Stellen des Gesetzes
zum Ausdruck gebracht, dass es ihm für die Mitbestimmung auf den personal-
vertretungsrechtlichen Dienststellenbegriff ankomme, so in § 5 BlnPersVG, in
§ 86 Abs. 3 Satz 3 BlnPersVG und in § 86 Abs. 3 Satz 4 BlnPersVG. Hierfür
spreche auch die Begründung des Gesetzentwurfs, der zur Verabschiedung
des Berliner Personalvertretungsgesetzes in der Fassung vom 22. Juli 1968
geführt habe.
Mit der vom Senat zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Beteiligte die
Aufhebung des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts und begründet dies
im Wesentlichen wie folgt: Die für das Mitbestimmungsrecht relevante Frage,
wann eine Abordnung vorliege, beantworte sich gemäß der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts nach dem Dienst- bzw. Organisationsrecht. Die
Direktionen sowie die ZSE beim Polizeipräsidenten in Berlin würden nicht den
dienstrechtlichen Behördenbegriff erfüllen. Das Landesrecht weise nur dem Po-
lizeipräsidenten und nicht zusätzlich seinen Untergliederungen Behördeneigen-
schaft zu. Etwas anderes folge nicht aus § 2 Abs. 2 des Verwaltungsreform-
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Grundsätze-Gesetzes (VGG), der Behördenteilen Aufgaben und Kompetenzen
zuweise, ohne ihnen jedoch Behördeneigenschaft zuzusprechen, noch aus
dem Erlass über die Gliederung der Berliner Polizei vom 1. Oktober 2009. Im
Übrigen seien die Befugnisse der Direktionsleiter begrenzt, wie dies beispielhaft
die Bereiche der Personalbewirtschaftung, des Disziplinarwesens sowie der
Haushaltswirtschaft und -planung zeigen würden. Soweit bei dem Polizeipräsi-
denten in Berlin eine dezentrale Fach- und Ressourcenverantwortung prakti-
ziert werde, würde diese die gesetzgeberischen Zuweisungen der Behörden-
eigenschaft nicht modifizieren.
Der Antragsteller verteidigt den angefochtenen Beschluss und trägt im Wesent-
lichen vor: Der Beteiligte habe seine Rechtsbeschwerde nicht ordnungsgemäß
begründet, da diese sich nicht mit allen Ausführungen im Beschluss des Ober-
verwaltungsgerichts befasse; insbesondere fehle es an einer inhaltlichen Aus-
einandersetzung mit der vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen Be-
gründung des Gesetzentwurfs anlässlich der Neufassung des Personalvertre-
tungsgesetzes am 22. Juli 1968. Die vom Oberverwaltungsgericht angestellten
Erwägungen seien rechtlich zutreffend. Dafür würde neben den im Beschluss
herangezogenen Gründen auch die Regelung in § 99c BlnPersVG sprechen,
die ausweislich des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Au-
gust 2005 (BVerwG 6 P 11.04 - Buchholz 251.2 § 86 BlnPersVG Nr. 5) den Be-
griff der Versetzung nicht im Sinne des einschlägigen Beamten- und Tarifrechts
verwende. Ferner tritt der Antragsteller unter Hinweis auf die den einzelnen Di-
rektionsleitern übertragene Personal- und Sachverantwortung sowie auf § 2 des
Berliner Verwaltungsreform-Grundsätze-Gesetzes und den Erlass über die
Gliederung der Berliner Polizei vom 1. Oktober 2009 der Auffassung des Betei-
ligten entgegen, die Direktionen sowie die ZSE beim Polizeipräsidenten in Ber-
lin würden nicht den dienstrechtlichen Behördenbegriff erfüllen.
II
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Beschluss des Oberverwal-
tungsgerichts beruht auf der unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm (§ 91
Abs. 2 BlnPersVG i.V.m. § 93 Abs. 1 ArbGG), nämlich auf der nicht zutreffen-
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den Annahme, dass vorübergehende Verwendungen von Beamten aus der Di-
rektion 5 des Polizeipräsidenten in Berlin bei dessen Zentraler Serviceeinheit
(ZSE) Abordnungen im Sinne von § 86 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BlnPersVG darstel-
len, die bei über dreimonatiger Dauer der Mitbestimmung durch die Personal-
vertretung unterliegen. Der Begriff der Abordnung gemäß dieser Vorschrift ist
am dienstrechtlichen Behördenbegriff orientiert, der durch Untergliederungen
des Polizeipräsidenten in Berlin wie die einzelnen Direktionen oder die ZSE
nicht erfüllt wird. Dies führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Be-
schlusses.
1. Die Beschwerdebegründung des Beteiligten genügt den Anforderungen des
§ 94 Abs. 2 ArbGG. Gemäß Satz 2 dieser Vorschrift ist in der Beschwerdebe-
gründung unter anderem anzugeben, welche Bestimmungen durch den ange-
fochtenen Beschluss verletzt sein sollen und worin die Verletzung bestehen
soll. Dazu ist eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der ange-
fochtenen Entscheidung erforderlich sowie die Darlegung, weshalb die Begrün-
dung des Beschwerdegerichts unrichtig sein soll (BAG, Beschluss vom 19. No-
vember 2003 - 7 ABR 25/03 - AP Nr. 55 zu § 19 BetrVG 1972 m.w.N.). Die Be-
schwerdebegründung des Beteiligten vom 8. September 2011 rügt auf Seite 2
eine unrichtige Auslegung des § 86 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BlnPersVG durch das
Oberverwaltungsgericht und legt auf den Seiten 2 bis 10 dar, weshalb dessen
rechtliche Bewertung fehlerhaft sein soll. Entgegen der Auffassung des Antrag-
stellers musste der Beteiligte auf die vom Oberverwaltungsgericht herangezo-
gene Begründung des Gesetzentwurfs vom 24. Mai 1968 (Abg.-Haus Drs. V Nr.
388 vom 24. Mai 1968) nicht eingehen. § 94 Abs. 2 ArbGG verlangt dem Be-
schwerdeführer nicht ab, jeder einzelnen Auslegungserwägung im angefochte-
nen Beschlusses argumentativ entgegenzutreten. Den vom Antragsteller inso-
weit angeführten Belegstellen (Matthes, in: Germelmann u.a., Arbeitsgerichts-
gesetz, 7. Aufl. 2009, § 94 Rn. 20; BAG, Beschluss vom 10. April 1984 - 1 ABR
73/82 - AP Nr. 3 zu § 81 ArbGG 1979) ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen.
Die Beschwerdebegründung des Beteiligten verdeutlicht hinreichend, aus wel-
chen Gründen dieser die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Ausle-
gung von § 86 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BlnPersVG für unzutreffend hält.
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2. Der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, wonach eine Abordnung im
Sinne von § 86 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BlnPersVG bereits bei Zuweisung zu einer
anderen Dienststelle im personalvertretungsrechtlichen Sinne des § 5
BlnPersVG vorliege und es nicht darauf ankomme, ob diese Dienststelle den
dienstrechtlichen Behördenbegriff erfülle, vermag der Senat nicht zu folgen. Er
hält an seiner entgegenstehenden bisherigen Rechtsprechung fest. Dass die
Direktionen des Polizeipräsidenten in Berlin ebenso wie dessen ZSE gemäß
Nr. 5 Buchst. b, e der Anlage zum Berliner Personalvertretungsgesetz als
Dienststellen im Sinne von § 5 Abs. 1 BlnPersVG anzusehen sind, führt daher
nicht zu einem Mitbestimmungsrecht des Antragstellers.
a. Zur Klärung des Begriffs der Abordnung im Sinne von § 86 Abs. 3 Satz 1
Nr. 3 BlnPersVG ist auf das tradierte Verständnis des Dienstrechts abzustellen
(Beschluss vom 12. September 2002 - BVerwG 6 P 11.01 - Buchholz 251.2
§ 86 BlnPersVG Nr. 4 S. 2). Danach besteht das Wesen der Abordnung in der
vorübergehenden Zuweisung einer Tätigkeit bei einer anderen Dienststelle (Be-
hörde) desselben oder eines anderen Dienstherrn, wobei die Zugehörigkeit zur
bisherigen Stammdienststelle aufrechterhalten bleibt (Beschlüsse vom 12. Sep-
tember 2002 a.a.O. und vom 28. Mai 2002 - BVerwG 6 P 9.01 - Buchholz 251.7
§ 72 NWPersVG Nr. 27 S. 18; Urteil vom 10. Mai 1984 - BVerwG 2 C 18.82 -
BVerwGE 69, 208 <209> = Buchholz 232 § 55 BBG Nr. 4 S. 3). Dieses Ver-
ständnis liegt ersichtlich auch der Vorschrift des § 27 Abs. 1 LBG Bln zugrunde,
wonach Beamte aus dienstlichen Gründen „vorübergehend ganz oder teilweise
zu einer dem übertragenen Amt entsprechenden Tätigkeit an eine andere
Dienststelle desselben oder eines anderen Dienstherrn abgeordnet werden
(können)“.
b. Die Frage, ob der für das Vorliegen einer Abordnung im Sinne von § 86
Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BlnPersVG notwendige Wechsel der Dienststelle vorliegt, ist
konsequenterweise auf Grundlage des dienstrechtlichen Behördenbegriffs zu
beantworten (Beschluss vom 12. September 2002 a.a.O. S. 2 f.; vgl. auch Be-
schlüsse vom 10. Oktober 1991 - BVerwG 6 P 23.90 - Buchholz 250 § 76
BPersVG Nr. 22 S. 22 und vom 3. Juli 1990 - BVerwG 6 P 10.87 - Buchholz 250
§ 76 BPersVG Nr. 18 S. 10). Hiernach handelt es sich - im Einklang mit dem
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allgemeinen organisationsrechtlichen Verständnis - bei Behörden um mit ge-
wisser Selbständigkeit ausgestattete organisatorische Einheiten von Personen
und Sachen, die dazu berufen sind, staatliche Aufgaben wahrzunehmen (Be-
schlüsse vom 11. November 2009 - BVerwG 6 PB 25.09 - Buchholz 251.92
§ 67 SAPersVG Nr. 2 S. 7 und vom 12. September 2002 a.a.O. S. 3; Urteil vom
24. Januar 1991 - BVerwG 2 C 16.88 - BVerwGE 87, 310 <312> = Buchholz
237.7 § 28 NWLBG Nr. 8 S. 3).
c. Der Senat ist bereits in seinem Beschluss vom 12. September 2002 der An-
nahme entgegen getreten, der Begriff der Abordnung im Sinne von § 86 Abs. 3
Satz 1 Nr. 3 BlnPersVG umfasse auch die vorübergehende Zuweisung von Be-
amten an solche Organisationseinheiten, die lediglich den personalvertretungs-
rechtlichen Dienststellenbegriff im Sinne von § 5 BlnPersVG, nicht aber den
dienstrechtlichen Behördenbegriff erfüllen (BVerwG 6 P 11.01 - Buchholz 251.2
§ 86 BlnPersVG Nr. 4; ebenso zu Parallelnormen in anderen Gesetzen: Be-
schlüsse vom 11. November 2009 a.a.O., vom 10. Oktober 1991 - BVerwG
6 P 23.90 - Buchholz 250 § 76 BPersVG Nr. 22 S. 22 und vom 3. Juli
1990 - BVerwG 6 P 10.87 - Buchholz 250 § 76 BPersVG Nr. 18 S. 10). Hieran
wird auch im Lichte der von Seiten des Antragstellers und der im angefochte-
nen Beschluss angestellten Erwägungen festgehalten.
aa. Verwendet der Gesetzgeber eines Personalvertretungsgesetzes Begriffe
aus dem Dienstrecht - wie hier den Begriff der Abordnung -, spricht eine Vermu-
tung dafür, dass er ihn in seinem dienstrechtlichen Sinngehalt normieren will.
Zwar ist der Gesetzgeber nicht gehindert, dienstrechtlichen Begriffen im Perso-
nalvertretungsgesetz eine abweichende Bedeutung beizumessen. Davon darf
aber nur ausgegangen werden, wenn er hinreichend deutlich zum Ausdruck
gebracht hat, dass und in welcher Weise er vom dienstrechtlichen Begriffsinhalt
abweichen wollte (vgl. Beschlüsse vom 12. September 2002 a.a.O. S. 2 und
vom 2. August 2005 - BVerwG 6 P 11.04 - Buchholz 251.2 § 86 BlnPersVG
Nr. 5 S. 6). Ein Abweichungswille muss mit Hilfe der üblichen Auslegungsme-
thoden nachweisbar sein. Führt die Auslegung nicht zu einem eindeutigen Be-
fund, kommt die vorgenannte Vermutung zum Tragen. Andernfalls könnte das
Gesetz in seiner Funktion geschwächt werden, den zur Rechtsanwendung be-
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rufenen Stellen eine berechenbare Handlungsgrundlage zu vermitteln. Hieran
kann - wie ohne weiteres unterstellt werden darf - dem Gesetzgeber nicht gele-
gen sein. Es liegt gerade auch in seinem Interesse, dass Gesetzesbegriffen nur
aufgrund eindeutiger Anhaltspunkte im Wege der Auslegung ein Sinngehalt
entnommen wird, der von der allgemein gebräuchlichen Begriffsdeutung ab-
weicht.
bb. Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts tritt ein entspre-
chender Abweichungswille, demzufolge dem dienstrechtlichen Begriff der Ab-
ordnung im Sinne von § 86 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BlnPersVG ein personalvertre-
tungsrechtlicher Dienststellenbegriff zugrundeläge, nicht aus § 5 BlnPersVG
hervor. Diese Regelung ist erkennbar darauf ausgerichtet, die Bildung einer
Personalvertretung auch bei solchen Einheiten zu ermöglichen, die hierfür bei
Zugrundelegung des dienstrechtlichen Behördenbegriffs nicht in Frage kämen,
und speziell zu diesem Zweck den personalvertretungsrechtlichen Dienststel-
lenbegriff von letzterem zu entkoppeln. Besonders augenscheinlich wird dies
bei den Regelungen in § 5 Abs. 2 BlnPersVG (Fingierung bestimmter Beschäf-
tigtengruppen als Dienststellen) sowie bei der im Zusammenhang mit § 5
BlnPersVG stehenden Regelung des § 6 BlnPersVG (Zusammenlegung und
Trennung von Dienststellen). Der Gesetzgeber knüpft hier an bestimmte Eigen-
heiten - personeller, räumlicher, aufgabenmäßiger oder organisatorischer Art -
an, die aus seiner Sicht - zwingend oder fakultativ - für eine eigenständige kol-
lektive Interessensrepräsentanz sprechen, mit der die für ein sachgerechtes
Wirken der Personalvertretung erforderliche Nähe zwischen Personalrat und
Beschäftigten gewährleistet werden soll. Auch bei den in der Anlage zum Ge-
setz aufgeführten Dienststellen im Sinne von § 5 Abs. 1 BlnPersVG kann die
personalvertretungsrechtliche Verselbständigung überwiegend auf dieses Kal-
kül zurückgeführt werden. Namentlich bei den in Nr. 5 des Anhangs erfassten
Untergliederungen des Polizeipräsidenten sprechen Gesichtspunkte der räumli-
chen Nähe, der organisatorischen Absonderung und teilweise auch die Eigen-
ständigkeit der Aufgabenstellung für die Bildung jeweils eigener Personalräte.
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Spezifisch personalvertretungsrechtliche Zweckmäßigkeitsüberlegungen der
vorgenannten Art schlagen nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich
nicht auf die Abgrenzung der Versetzungen, Abordnungen und Umsetzungen
betreffenden Mitbestimmungstatbestände durch (Beschluss vom 11. November
2009 - BVerwG 6 PB 25.09 - Buchholz 251.92 § 67 SAPersVG Nr. 2 S. 7; vgl.
auch Beschluss vom 6. April 1984 - BVerwG 6 P 12.82 - Buchholz 238.36 § 6
PersVG ND Nr. 1 S. 2). Sie können es nur dann tun, wenn ihnen als zusätzli-
ches Motiv zugrunde läge, mithilfe der personalvertretungsrechtlichen Verselb-
ständigung der fraglichen Einheiten zugleich die Reichweite der sachlichen Be-
teiligungspflichten zu erhöhen. Für eine entsprechende Weiterung des Rege-
lungskalküls liegen aber in Bezug auf § 5 BlnPersVG keine greifbaren Anhalts-
punkte vor. Der Vergleich mit der Vorschrift des § 4 BlnPersVG, die schon aus-
weislich ihrer Überschrift („Begriffsbestimmungen“) Definitionen mit Maßgeb-
lichkeit für sämtliche gesetzlichen Regelungszusammenhänge vornehmen will,
offenbart sogar gegenteilige Anhaltspunkte.
cc. Auch der vom Oberverwaltungsgericht angeführte § 86 Abs. 3 Satz 4
BlnPersVG belegt nicht mit hinreichender Deutlichkeit einen Abweichungswillen
des Gesetzgebers im oben genannten Sinne. Zwar ist die Vorschrift vor dem
Hintergrund des dienstrechtlichen Behördenbegriffs in der Tat weitgehend ent-
behrlich, da die Dienstkräfte der Schulen mit Ausnahme der Schulsekretäre und
Hausmeister einer einzigen Dienstbehörde, nämlich der für das Schulwesen
zuständigen Senatsverwaltung, angehören (§ 105 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1
Satz SchulG Bln) und mithin der Wechsel von einer zur anderen Schule von
vorneherein regelmäßig keine Versetzung darstellen kann. Andererseits er-
schließt sich aber etwa der Regelung in § 86 Abs. 3 Satz 3 BlnPersVG und des
Weiteren auch der vom Oberverwaltungsgericht insoweit nicht erwähnten Rege-
lung in § 86 Abs. 3 Satz 2 BlnPersVG kein sinnvoller Anwendungsbereich,
wenn man davon ausginge, der Gesetzgeber habe den Mitbestimmungstatbe-
ständen in § 86 Abs. 3 BlnPersVG den personalvertretungsrechtlichen Dienst-
stellenbegriff des § 5 BlnPersVG zugrunde gelegt (so bereits Beschluss vom
12. September 2002 - BVerwG 6 P 11.01 - Buchholz 251.2 § 86 BlnPersVG
Nr. 4 S. 4). In Anbetracht dieses Gesamtbildes vermag § 86 Abs. 3 Satz 4
BlnPersVG die an die Verwendung einer dienstrechtlichen Begrifflichkeit durch
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den Gesetzgeber anknüpfende Vermutungswirkung nicht hinreichend zu ent-
kräften.
dd. Zu keiner abweichenden Beurteilung führt der Umstand, dass die Verfasser
des Entwurfs, der zur Verabschiedung des Berliner Personalvertretungsgeset-
zes vom 22. Juli 1968 (GVBl S. 1004) geführt hat, sich im Rahmen der Einzel-
begründung zu § 68 Abs. 2 Satz 1 der Entwurfsfassung (= § 86 Abs. 3 Satz 2
heutiger Fassung) dagegen ausgesprochen haben, die Beteiligung des Perso-
nalrats bei Änderungen von Geschäftsverteilungen, mit denen die Dienstkraft
den Zuständigkeitsbereich des Personalrats wechselt, vom „formalen Verset-
zungsbegriff“ im beamtenrechtlichen Sinne abhängig zu machen, und ferner der
vorgeschlagenen - und schließlich auch ins Gesetz eingeflossenen - „Erweite-
rung“ des Versetzungsbegriffs an der betreffenden Stelle Maßgeblichkeit für
„alle Fälle …, in denen das Personalvertretungsgesetz von Versetzung spricht“
beigemessen haben (Abg.-Haus Drs. V Nr. 388 vom 24. Mai 1968, S. 14). Un-
abhängig davon, dass die betreffende Passage der Entwurfsbegründung nicht
das Institut der Abordnung betraf (die in Berlin erst mit der Novelle vom 2. Au-
gust 1974 mitbestimmungspflichtig wurde; GVBl S. 1669), sind die Entwurfsver-
fasser offenbar selbst von der grundsätzlichen Maßgeblichkeit des dienstrecht-
lichen Begriffsverständnisses ausgegangen (vgl. a.a.O.: „ohne besondere Be-
stimmung im Personalvertretungsgesetz (ist) vom beamtenrechtlichen Verset-
zungsbegriff auszugehen“). Damit logisch im Einklang stehend haben sie die
Eröffnung der Mitbestimmung in dem von § 68 Abs. 2 Satz 1 BlnPersVG a.F.
erfassten Spezialfall der Geschäftsverteilungsänderung als „Erweiterung“ be-
zeichnet. Die Auffassung der Entwurfsverfasser, diese „Erweiterung“ solle auch
in weiteren Regelungszusammenhängen gelten, in denen es um Versetzungen
gehe, hat indes im Gesetz keinen Niederschlag gefunden. Dabei wäre es rege-
lungstechnisch ohne weiteres möglich gewesen, eine entsprechende Bestim-
mung einzufügen (beispielsweise: „Für Versetzungen gilt der in § 5 geregelte
Dienststellenbegriff“). Vor dem Hintergrund der von den Entwurfsverfassern
angenommenen grundsätzlichen Maßgeblichkeit des beamtenrechtlichen Ver-
setzungsbegriffs und in Anbetracht dessen, dass für die Konstellation der Ge-
schäftsverteilungsänderung eigens eine „Erweiterung“ vorgeschlagen wurde,
hätte der Erlass einer solchen Bestimmung für den Gesetzgeber auch nahege-
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legen, falls er der Überlegung der Entwurfsverfasser hätte folgen wollen, vom
beamtenrechtlichen Versetzungsbegriff in sämtlichen gesetzlichen Verwen-
dungszusammenhängen Abstand zu nehmen. Da dies nicht erfolgt ist, kann
nicht mit der gebotenen Verlässlichkeit davon ausgegangen werden, dass der
Gesetzgeber sich die besagte Vorstellung der Entwurfsverfasser zu Eigen ge-
macht hat.
ee. Nichts anderes folgt schließlich aus der vom Antragsteller angesprochenen
Vorschrift in § 99c Abs. 2 Satz 2 BlnPersVG, wonach bei der Versetzung von
Überhangkräften zum sogenannten Stellenpool der Personalrat der bisherigen
Dienststelle mitwirkt. Da die Versetzung im Sinne von § 99c Abs. 2 Satz 2
BlnPersVG nicht den Tatbestand des § 86 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2
BlnPersVG erfüllt, ist mit dieser Vorschrift ein bisher nicht gegebenes Beteili-
gungsrecht erstmals begründet worden (Beschluss vom 2. August
2005 - BVerwG 6 P 11.04 - Buchholz 251.2 § 86 BlnPersVG Nr. 5 S. 8). Die
Vorschrift ist somit eher als Indiz dafür zu werten, dass der Gesetzgeber hin-
sichtlich der in § 86 Abs. 3 BlnPersVG verwendeten Begriffe von der Maßgeb-
lichkeit des herkömmlichen dienstrechtlichen Begriffsverständnisses ausgegan-
gen ist.
3. Somit hängt die Mitbestimmungspflichtigkeit der vorübergehenden Zuwei-
sung von Beamten aus Direktionen an andere Untergliederungen des Polizei-
präsidenten in Berlin wie dessen ZSE davon ab, ob diese Untergliederungen
den dienstrechtlichen Behördenbegriff erfüllen. Hierbei ist auf die Aussagen in
den einschlägigen organisationsrechtlichen Bestimmungen abzustellen (Be-
schluss vom 11. November 2009 - BVerwG 6 PB 25.09 - Buchholz 251.92 § 67
SAPersVG Nr. 2 S. 7 m.w.N.; vgl. auch Beschluss vom 12. September
2002 - BVerwG 6 P 11.01 - Buchholz 251.2 § 86 BlnPersVG Nr. 4 S. 3 f.). Da-
raus ergibt sich im vorliegenden Fall, dass nur der Polizeipräsident in Berlin und
nicht seinen Untergliederungen Behördeneigenschaft zukommt.
a. Gemäß § 5 Abs. 1 ASOG Bln ist nur der Polizeipräsident in Berlin „Polizei im
Sinne dieses Gesetzes“. Die Dienstkräfte der Polizei - mithin des Polizeipräsi-
denten - sind befugt, Amtshandlungen im gesamten Land Berlin vorzunehmen
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(§ 6 ASOG Bln). Anders als in anderen Polizeigesetzen (siehe etwa § 91 Abs. 2
Nr. 2 SOG HE, § 87 Abs. 1 Nds. SOG), darunter auch aus Stadtstaaten (siehe
§ 70 Abs. 1 Nr. 2 BremPolG), wird im Berliner ASOG Untergliederungen der
Polizei keine Behördeneigenschaft zugesprochen. Auch im Zuständigkeitsrecht
des Landes Berlin ist als Polizeidienststelle nur der Polizeipräsident erwähnt
(Nr. 23 des Zuständigkeitskatalogs Ordnungsaufgaben, Anlage zu § 2 Abs. 4
Satz 1 ASOG Bln).
b. Weder im ASOG Bln noch im Zuständigkeitsrecht des Landes Berlin werden
die Direktionen des Polizeipräsidenten oder dessen ZSE überhaupt erwähnt.
Soweit ersichtlich, werden im sonstigen Landesrecht die Direktionen außer im
Anhang zu § 5 PersVG Bln nur noch an zwei Stellen angesprochen: Zum einen
in § 8 Abs. 2 Satz 4 der Arbeitszeitverordnung, wonach der Dienst in Direkti-
onshundertschaften im Durchschnitt 41 Stunden in der Woche beträgt; zum an-
deren in der Anlage I des Landesbesoldungsgesetzes, wonach der Leiter einer
Direktion nach der Besoldungsgruppe B 2 vergütet wird und - bezeichnender-
weise - die Amtsbezeichnung „Direktor beim Polizeipräsidenten“ trägt. Auf-
schlussreich ist in diesem Zusammenhang auch, dass § 1 Abs. 2 der Polizei-
aufgaben-Wahrnehmungsverordnung von Überhangskräften spricht, „die zur
Geschwindigkeitsüberwachung zum Polizeipräsidenten in Berlin abgeordnet
sind“. Käme den Untergliederungen des Polizeipräsidenten Behördeneigen-
schaft zu, hätte es für den Verordnungsgeber nahe gelegen, sie in dieser Be-
stimmung zu berücksichtigen.
c. Erweist sich somit bereits anhand der einschlägigen Gesetzes- bzw. Verord-
nungsbestimmungen, dass den Untergliederungen des Polizeipräsidenten in
Berlin keine Behördeneigenschaft zukommt, so untermauert der von der Se-
natsverwaltung für Inneres und Sport verfügte Erlass über die Gliederung der
Berliner Polizei vom 1. Oktober 2009 (Az.: III C – 0392/511) dieses Ergebnis. In
ihm heißt es, „die Berliner Polizeibehörde“ trage den Namen „Der Polizeipräsi-
dent in Berlin“ und sei „eine der Senatsverwaltung für Inneres und Sport nach-
geordnete Sonderbehörde“ (Ziff. I.1.). Gemäß Ziff. I.2. des Erlasses gliedert sich
„die Polizeibehörde“ in die Behördenleitung, die örtlichen Direktionen, die Direk-
tion Zentrale Aufgaben, das Landeskriminalamt und die Zentrale Serviceeinheit,
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die in Ziff. II.3 als „Organisationseinheiten“ - und nicht als Behörden - bezeich-
net werden.
d. Keinen gegenteiligen Schluss gebietet die Vorschrift in § 2 Abs. 2 des Ver-
waltungsreform-Grundsätze-Gesetzes (VGG), welche die Zuordnung personel-
ler und sächlicher Mittel an „Leistungs- und Verantwortungszentren“ mit dem
Ziel einer dezentralen Fach- und Ressourcenverantwortung vorgibt. Als „Leis-
tungs- und Verantwortungszentren“ sind ausweislich von § 2 Abs. 2 Satz 1
VGG „Abteilungen und Ämter“ zu organisieren, bei denen es sich gemäß § 2
Abs. 1 Satz 1 VGG um Untergliederungen von „Behörden“ handelt. Zu einer
erweiterten Zuerkennung der Behördeneigenschaft führt das betreffende Ge-
setz somit eindeutig nicht.
e. Angesichts dieses klaren Befundes erübrigt sich die Auseinandersetzung mit
den Hinweisen des Antragstellers auf den Umfang der den einzelnen Direkti-
onsleitern übertragenen Personal- und Sachverantwortung, denen der Beteilig-
te zudem entgegengetreten ist. Ob alleine die Einräumung eines gewissen Ma-
ßes an Entscheidungs- und Ressourcenautonomie an untergeordnete Stellen
unter bestimmten Umständen zur behördlichen Verselbständigung dieser Stel-
len führen kann oder ob es hierfür stets einer entsprechenden gesetzlichen Re-
gelung bedarf (für letzteres, sofern die betreffenden Einheiten für außenwirk-
same Tätigkeiten zuständig sein sollen: Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines
Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2010, S. 277; Maurer, Allgemeines Verwaltungs-
recht, 18. Aufl. 2011, S. 555), mag dahinstehen. Jedenfalls besteht hierfür dann
kein Raum, wenn - wie im Falle Berlins - der Gesetzgeber klar zu erkennen ge-
geben hat, dass der in Rede stehende administrative Wirkungsbereich dem
Rechtssinne nach nur in einer einzigen Behörde zusammengefasst sein soll.
Neumann
Büge
Dr. Möller
Hahn
Prof. Dr. Hecker
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Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Personalvertretungsrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquelle:
BlnPersVG § 86 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3
Stichworte:
Personalvertretungsrecht; Mitbestimmung bei Abordnungen; Maßgeblichkeit
des dienstrechtlichen Begriffsinhalts; dienstrechtlicher Behördenbegriff; perso-
nalvertretungsrechtlicher Dienststellenbegriff.
Leitsätze:
1. Die Frage, ob der für das Vorliegen einer Abordnung notwendige Wechsel
der Dienststelle vorliegt, ist auf Grundlage des dienstrechtlichen Behörden-
begriffs und nicht des personalvertretungsrechtlichen Dienststellenbegriffs zu
klären.
2. Nur dem Polizeipräsidenten in Berlin, nicht aber seinen Untergliederungen
kommt Behördeneigenschaft zu.
Beschluss des 6. Senats vom 19. März 2012 - BVerwG 6 P 6.11
I. VG Berlin
vom 14.01.2010 - Az.: VG 61 K 29.09 PVL -
II. OVG Berlin-Brandenburg
vom 27.01.2011 - Az.: OVG 60 PV 2.10 -