Urteil des BVerwG vom 16.02.2010

Vergütung, Tarifvertrag, Behandlung, Überwachung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
BVerwG 6 P 5.09
VGH PL 15 S 2634/07
In der Personalvertretungssache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Februar 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge,
Vormeier, Dr. Bier und Dr. Möller
beschlossen:
Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-
Württemberg vom 25. November 2008 wird aufgehoben.
Die Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss des
Verwaltungsgerichts Freiburg vom 9. Oktober 2007 wird
zurückgewiesen.
G r ü n d e :
I
Der Antragsteller ist der Personalrat der Städtischen Bühnen F., die als Eigen-
betrieb geführt werden. Er bemühte sich beim Beteiligten vergeblich darum,
Einblick in die nicht anonymisierten Vergütungslisten für die Solomitglieder und
die überwiegend künstlerisch tätigen Bühnentechniker zu erhalten. Das von ihm
angerufene Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass der Beteiligte dem Vorsit-
zenden des Antragstellers und einem weiteren vom Antragsteller zu bestim-
menden Mitglied Einblick in die Bruttolohn-, Gehalts- und Gagenlisten der So-
lomitglieder (§ 1 Abs. 2 NV Bühne) und der Bühnentechniker (§ 1 Abs. 3
NV Bühne) in der Weise zu gewähren hat, dass die entsprechenden Vergütun-
gen der einzelnen Beschäftigten individuell zugeordnet werden können, ohne
dass bei der Einsichtnahme ein Vertreter des Beteiligten anwesend ist, der den
Antragsteller überwacht oder mit seiner Überwachung beauftragt ist.
Auf die Beschwerde des Beteiligten hat der Verwaltungsgerichtshof den erstin-
stanzlichen Beschluss geändert und den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat
er ausgeführt: Die Festlegung des über die Mindestgage hinausgehenden Teils
der monatlich zu zahlenden Gage stelle keine Konkretisierung tariflicher Vorga-
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ben dar und unterliege damit nicht der Überwachung der Personalvertretung.
Dieser Vergütungsbestandteil sei vielmehr ebenso wie die besondere Vergü-
tung nach § 58 Abs. 2 bzw. § 67 Abs. 2 NV Bühne der freien individuellen Ver-
einbarung überlassen, die der Intendant in erster Linie auf der Grundlage sei-
nes künstlerischen Konzepts treffe. Für die dem Antragsteller in Bezug auf die
verbindlichen Regelungen und ausfüllungsbedürftigen Vorgaben des § 58 bzw.
§ 67 NV Bühne obliegenden Überwachungsaufgaben sei die Kenntnis, welchen
Beschäftigten die gezahlten Gagen zuzuordnen seien, nicht erforderlich. Diese
Aufgaben könnten vielmehr auch dann in sachgerechter und effektiver Weise
wahrgenommen werden, wenn der Beteiligte - wie er es angeboten habe und
wozu er verpflichtet sei - dem Antragsteller die Liste der gezahlten Gagen in
anonymisierter Form vorlege. Das gelte auch für die Überwachung der Rege-
lung in § 58 Abs. 3 NV Bühne hinsichtlich der Angemessenheit der besonderen
Vergütung, die in erster Linie nach objektiven Kriterien zu bestimmen sei. Die
Notwendigkeit, die Gagenlisten in individualisierter Form zu erhalten, ergebe
sich auch nicht aus dem Auftrag an die Personalvertretung, darüber zu wachen,
dass alle Angehörigen der Dienststelle nach Recht und Billigkeit behandelt
würden, insbesondere dass jede unterschiedliche Behandlung von Personen
wegen ihrer Abstammung, Religion, Nationalität, Herkunft, politischen oder ge-
werkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts
unterbleibe. Die Bemessung der Gagen erfolge nach ausschließlich künstleri-
schen Maßstäben. Die unterschiedliche Höhe der Gagen, die den Solomitglie-
dern und Bühnentechnikern gezahlt würden, gebe daher noch keinen Hinweis
darauf, dass eine Recht und Billigkeit widersprechende Behandlung der Be-
schäftigten vorliege. Erst wenn sich konkrete Anhaltspunkte für eine den Dis-
kriminierungsverboten widersprechende Behandlung ergeben sollten, habe der
Antragsteller Anlass, dem nachzugehen und vom Beteiligten weitere Informati-
onen, insbesondere etwa die Namen von Empfängern bestimmter Gagen, zu
fordern.
Der Antragsteller trägt zur Begründung seiner von dem Senat zugelassenen
Rechtsbeschwerde vor: Den Aufgaben der Personalvertretung werde durch die
Möglichkeit, anonymisierte Listen einzusehen, nicht Rechnung getragen. Der
Personalrat müsse überprüfen können, ob die einzelne Tarifnorm bezogen auf
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jeden einzelnen Beschäftigten richtig angewandt werde. Eine Anonymisierung
vereitele die Wahrnehmung dieser Aufgabe. Anonymisierte Vergütungsangaben
versetzten den Personalrat ferner nicht in die Lage, Verstöße gegen die
Diskriminierungsverbote aufzudecken.
Der Antragsteller beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Be-
schwerde des Beteiligten gegen den erstinstanzlichen Be-
schluss zurückzuweisen.
Der Beteiligte beantragt,
die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluss.
II
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist begründet. Der Be-
schluss des Verwaltungsgerichtshofs beruht auf der unrichtigen Anwendung
von Rechtsnormen (§ 86 Abs. 2 BaWüPersVG i.d.F. der Bekanntmachung vom
1. Februar 1996, GBl S. 205, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom
30. Juli 2009, GBl S. 365, i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Er ist daher auf-
zuheben; da der Sachverhalt geklärt ist, entscheidet der Senat in der Sache
selbst (§ 96 Abs. 1 Satz 2 ArbGG i.V.m. § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 3 ZPO). Dies
führt zur Zurückweisung der Beschwerde des Beteiligten gegen den erstin-
stanzlichen Beschluss. Der Antragsteller kann verlangen, dass sein Vorsitzen-
der und ein weiteres seiner Mitglieder Einblick in die nicht anonymisierte Fas-
sung der Vergütungslisten für Solomitglieder und Bühnentechniker erhält.
1. § 95 BaWüPersVG schließt für künstlerische Mitglieder von Theatern, um die
es im vorliegenden Fall geht, die speziellen Beteiligungsrechte auf Mitbestim-
mung, Mitwirkung und Anhörung in weitem Umfang aus. Nicht ausgenommen
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von der Anwendung sind dagegen die allgemeinen Regelungen zur Beteiligung
des Personalrats in §§ 66 bis 68 BaWüPersVG. Auf diese Vorschriften kann
sich daher auch der Personalrat einer städtischen Bühne ohne Einschränkun-
gen berufen.
2. Rechtsgrundlage für das streitige Begehren ist § 68 Abs. 2 Satz 1 und 2
BaWüPersVG. Danach ist die Personalvertretung zur Durchführung ihrer Auf-
gaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten; ihr sind die dafür erforderli-
chen Unterlagen vorzulegen. Die Pflicht des Dienststellenleiters zur Vorlage von
Unterlagen ist somit Bestandteil seiner Informationspflicht gegenüber der
Personalvertretung. Sie besteht in dem Umfang, in welchem die Personalver-
tretung zur Durchführung ihrer Aufgaben die Kenntnis der Unterlagen benötigt
(vgl. Beschlüsse vom 23. Januar 2002 - BVerwG 6 P 5.01 - Buchholz 250 § 68
BPersVG Nr. 17 S. 1 und vom 20. März 2002 - BVerwG 6 P 6.01 - Buchholz
250 § 77 BPersVG Nr. 16 S. 8). Im vorliegenden Fall benötigt der Antragsteller
den Einblick in die nicht anonymisierten Listen der Vergütungen für Solomit-
glieder und Bühnentechniker, um seine allgemeinen Aufgaben aus § 67 Abs. 1
Satz 1 und § 68 Abs. 1 Nr. 2 BaWüPersVG erfüllen zu können.
3. Gemäß § 68 Abs. 1 Nr. 2 BaWüPersVG hat die Personalvertretung die Auf-
gabe, darüber zu wachen, dass die zugunsten der Beschäftigten geltenden Ta-
rifverträge durchgeführt werden. Gegenstand der Überwachung durch den Per-
sonalrat ist bei dem hier in Rede stehenden Personenkreis nicht der Tarifver-
trag für den öffentlichen Dienst (TVöD); denn dieser Tarifvertrag gilt nicht für
künstlerisches Theaterpersonal und technisches Theaterpersonal mit überwie-
gend künstlerischer Tätigkeit (§ 1 Abs. 2 Buchst. n TVöD). Anzuwenden ist hier
vielmehr der Normalvertrag Bühne (NV Bühne) vom 15. Oktober 2002, zuletzt
geändert durch den Dritten Änderungstarifvertrag vom 1. Juli 2008. Dessen
Geltungsbereich erfasst Solomitglieder sowie Bühnentechniker, die überwie-
gend künstlerisch tätig sind (§ 1 Abs. 1 bis 3 NV Bühne). § 12 NV Bühne enthält
eine Reihe von allgemeinen Bestimmungen zur Vergütung, welche für den
gesamten vom Normalvertrag Bühne erfassten Personenkreis gelten. Im Übri-
gen verweist er auf die für die einzelnen Beschäftigtengruppen geltenden Son-
derregelungen (§ 12 Abs. 1 NV Bühne). Es sind dies § 58 NV Bühne für die
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Solomitglieder und § 67 NV Bühne für die Bühnentechniker. Der Antragsteller
benötigt Einsicht in nicht anonymisierte Vergütungslisten, um überprüfen zu
können, ob §§ 58, 67 NV Bühne im Zuständigkeitsbereich des Beteiligten voll-
ständig eingehalten werden.
a) § 58 NV Bühne hat folgenden Wortlaut:
§ 58
Vergütung - Solo
(1) Im Arbeitsvertrag ist eine Gage zu vereinbaren. Sie be-
trägt mindestens 1 600,- € monatlich.
Mit der Gage sind die von dem Solomitglied nach diesem
Tarifvertrag zu erbringenden Arbeitsleistungen abgegol-
ten, soweit sich aus den Absätzen 2 und 3 nichts anderes
ergibt.
(2) Neben der Gage können mit dem Solomitglied beson-
dere Vergütungen wie Spielgelder oder Übersinghonorare
vereinbart werden.
(3) Für die Mitwirkung
a) in weiteren an dem selben Tag stattfindenden Auffüh-
rungen,
b) in zwei gleichzeitig stattfindenden Aufführungen, wenn
mit der Doppelbeschäftigung eine Erschwernis ver-
bunden ist,
ist eine besondere angemessene Vergütung zu vereinba-
ren.
Die Vergütung für die Mitwirkung in den in dem Unterab-
satz 1 Buchst. a genannten Fällen ist im Arbeitsvertrag zu
vereinbaren.
(4) Werden die Arbeitsentgelte der unter BAT und TVöD
bzw. einen diese Tarifverträge ersetzenden Tarifvertrag
fallenden Beschäftigten durch Tarifvertrag allgemein ge-
ändert, sind die Gagen diesen Änderungen durch Tarifver-
trag sinngemäß anzupassen.
(5) Im Arbeitsvertrag kann vereinbart werden, dass abwei-
chend von Absatz 4
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a) das neu engagierte Solomitglied nicht an einer Gagen-
anpassung teilnimmt, die für die ersten zwölf Monate
seiner Tätigkeit tarifvertraglich wirksam wird,
b) das Solomitglied nicht an einer Gagenanpassung teil-
nimmt, die für die ersten zwölf Monate nach einer ar-
beitsvertraglichen Gagenanpassung tarifvertraglich
wirksam wird,
c) das Solomitglied nicht an einer Gagenanpassung teil-
nimmt, die für die Spielzeit tarifvertraglich wirksam wird,
in der ihm bezahlter Gastierurlaub von insgesamt min-
destens 40 Tagen gewährt wird,
d) das Solomitglied an keiner Gagenanpassung teilnimmt,
wenn seine Gage höher ist als der dreifache Betrag der
Mindestgage.
aa) Um feststellen zu können, ob die Vorschrift über die Mindestgage in § 58
Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 NV Bühne eingehalten wird, benötigt der Antragstel-
ler Einblick in die nicht anonymisierte Gagenliste nicht. Wenn diese Liste für
jedes Solomitglied an den Städtischen Bühnen die Gage gesondert ausweist,
so kann sich der Antragsteller auch bei Unkenntlichmachung der zugehörigen
Namen davon vergewissern, dass die Mindestgage gezahlt wird.
bb) § 58 Abs. 2 NV Bühne ist keine Tarifvorschrift, über deren Einhaltung der
Personalrat wachen muss. Die Bestimmung stellt die Vereinbarung besonderer
Vergütungen ins Belieben der Parteien des Arbeitsvertrages, ohne selbst zwin-
gende Vorgaben zu machen.
cc) Dagegen verlangt § 58 Abs. 3 Unterabs. 1 NV Bühne, dass die Solomitglie-
der unter den dort genannten Voraussetzungen eine besondere angemessene
Vergütung erhalten. Der Personalrat muss überprüfen, ob diese Tarifnorm in
der Dienststelle eingehalten wird. Dies kann er nur, wenn er aus der Liste erse-
hen kann, welche namentlich benannten Solomitglieder die besondere ange-
messene Vergütung erhalten und welche sie nicht erhalten. Eine anonymisierte
Liste ist in dieser Hinsicht unbrauchbar. Aus ihr kann der Personalrat nicht er-
kennen, ob alle Solomitglieder, die an einem Tag in mehreren Aufführungen
oder - unter Hinnahme einer damit verbundenen Erschwernis - in zwei gleich-
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zeitig stattfindenden Aufführungen mitwirken, die ihnen zustehende besondere
angemessene Vergütung erhalten.
dd) Die Überprüfung, ob die Gagen der Entgeltentwicklung nach dem TVöD
entsprechend angepasst werden (§ 58 Abs. 4 NV Bühne i.V.m. dem jeweiligen
Anpassungstarifvertrag), verlangt als solche nicht die Vorlage nicht anonymi-
sierter Listen. Werden alle Gagen um einen bestimmten Prozentsatz oder einen
Festbetrag erhöht, so kann der Personalrat die korrekte Umsetzung anhand
anonymisierter Listen nachvollziehen, wenn ihm die bisherige Höhe der
Vergütung bekannt ist oder ihm die alten Listen zum Vergleich zugänglich ge-
macht werden.
ee) Anders liegt es, wenn eine Anpassung nach § 58 Abs. 5 NV Bühne nicht
stattfindet. Ob dies ausschließlich in den tarifvertraglich vorgesehenen Fällen
geschieht, kann der Personalrat - jedenfalls in den Fällen nach § 58 Abs. 5
Buchst. a bis c NV Bühne - nur überprüfen, wenn die Namen der davon betrof-
fenen Solomitglieder in den Listen ausgewiesen sind.
b) § 67 NV Bühne hat folgenden Wortlaut:
§ 67
Vergütung - Bühnentechniker
(1) Im Arbeitsvertrag ist eine Gage zu vereinbaren. Sie be-
trägt mindestens 1 600,- € monatlich. Wird die regelmäßi-
ge wöchentliche Arbeitszeit nach § 64 Abs. 1 Satz 2 ar-
beitsvertraglich verlängert, erhöht sich die Mindestgage
nach Satz 2 für jede Stunde der Verlängerung um 11,- €.
Wird mit einem Bühnentechniker nach § 5 Abs. 3 eine
Teilzeit vereinbart, kann die Mindestgage nach Unterab-
satz 1 unterschritten werden, jedoch um nicht mehr, als
sich aus dem Maß der vereinbarten durchschnittlichen
wöchentlichen Arbeitszeit ergibt.
Mit der Gage sind die von dem Bühnentechniker nach
diesem Tarifvertrag zu erbringenden Arbeitsleistungen
abgegolten, soweit sich aus den Absätzen 2 und 3 nichts
anderes ergibt.
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Die Vergütung der Überstunde (§ 64 Abs. 4) beträgt 1/145
der Gage. Bei Teilzeitarbeitszeit (§ 5 Abs. 3) und bei Ver-
längerung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit
(§ 64 Abs. 1) ist Berechnungsgrundlage die auf eine wö-
chentlich regelmäßige Arbeitszeit von 40 Wochenstunden
umgerechnete Gage.
(2) Neben der Gage können mit dem Bühnentechniker
besondere Vergütungen vereinbart werden.
(3) Werden die Arbeitsentgelte der unter BAT oder TVöD
bzw. einen diese Tarifverträge ersetzenden Tarifvertrag
fallenden Beschäftigten durch Tarifvertrag allgemein ge-
ändert, sind die Gagen diesen Änderungen durch Tarifver-
trag sinngemäß anzupassen.
(4) Im Arbeitsvertrag kann vereinbart werden, dass abwei-
chend von Absatz 3
a) der neu engagierte Bühnentechniker nicht an einer Ga-
genanpassung teilnimmt, die für die ersten zwölf Mona-
te seiner Tätigkeit tarifvertraglich wirksam wird,
b) der Bühnentechniker nicht an einer Gagenanpassung
teilnimmt, die für die ersten zwölf Monate nach einer
arbeitsvertraglichen Gagenanpassung tarifvertraglich
wirksam wird,
c) der Bühnentechniker nicht an einer Gagenanpassung
teilnimmt, die für die Spielzeit tarifvertraglich wirksam
wird, in der ihm bezahlter Gastierurlaub von insgesamt
mindestens 40 Tagen gewährt wird,
d) der Bühnentechniker an keiner Gagenanpassung teil-
nimmt, wenn seine Gage höher ist als der dreifache Be-
trag der Mindestgage.
aa) Soweit es um die Mindestgage, die besondere Vergütung, die tarifvertragli-
che Anpassung der Gagen sowie deren Ausschluss geht (§ 67 Abs. 1
Unterabs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 bis 4 NV Bühne), gelten die obigen Ausfüh-
rungen zur Vergütung der Solomitglieder (Abschnitt II 3.a, aa, bb, dd und ee der
Gründe) sinngemäß auch für die Vergütungen der Bühnentechniker. Der Per-
sonalrat benötigt daher jedenfalls in den Fällen des § 67 Abs. 4 Buchst. a bis c
NV Bühne Listen mit den Namen der betroffenen Bühnentechniker, um feststel-
len zu können, ob diese zu Recht von der tariflichen Gagenanpassung ausge-
nommen werden.
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bb) Ferner benötigt der Personalrat Einblick in die nicht anonymisierten Listen,
soweit er zu überprüfen hat, ob die erhöhte Mindestgage bei Verlängerung der
regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit, die Unterschreitung der Mindestgage
bei Teilzeitvereinbarung und die Überstundenvergütung bei den jeweils betrof-
fenen Bühnentechnikern korrekt berechnet werden (§ 67 Abs. 1 Unterabs. 1
Satz 3, Unterabs. 2 bis 4 NV Bühne).
4. Gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 BaWüPersVG hat die Personalvertretung
- ebenso wie die Dienststelle - darüber zu wachen, dass alle Angehörigen der
Dienststelle nach Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass
jede unterschiedliche Behandlung von Personen wegen ihrer Abstammung,
Religion, Nationalität, Herkunft, politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung
oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts unterbleibt. Um überprüfen zu
können, ob bei der Bemessung der Vergütung jede sachwidrige Diskriminierung
unterbleibt, ist der Personalrat darauf angewiesen, Listen einsehen zu können,
in denen sämtliche Vergütungsbestandteile den jeweils betroffenen Solomit-
gliedern und Bühnentechnikern namentlich zugeordnet sind. Die Wahrnehmung
dieser Aufgabe auf der Grundlage vollständiger Unterrichtung ist besonders
wichtig, weil der Tarifvertrag den künstlerisch Verantwortlichen bei der Bemes-
sung der Vergütungen für Solomitglieder und Bühnentechniker großen Spiel-
raum lässt.
Zwar gibt der Umstand allein, dass Gagen und sonstige Vergütungsbestandteile
in unterschiedlicher Höhe gezahlt werden, keinen Aufschluss für eine sach-
widrige Ungleichbehandlung der Bühnenmitglieder. Die genannten tarifvertrag-
lichen Bestimmungen lassen weiten Raum für eine Differenzierung nach künst-
lerischen Maßstäben. Dennoch ist der Einblick in die nicht anonymisierten Ver-
gütungslisten durch den Personalrat zur Aufdeckung von Diskriminierungen
geeignet und erforderlich. Sie kann z.B. Anhaltspunkte dafür liefern, dass weib-
liche, nicht deutsche oder gewerkschaftlich organisierte Bühnenmitglieder ge-
nerell benachteiligt werden. Sie ist das einzige Mittel für den Personalrat, solche
und vergleichbare im Verborgenen unternommene Diskriminierungen aufzude-
cken.
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5. Das nach dem Vorstehenden zu bejahende Einsichtsrecht des Antragstellers
in dem vom Verwaltungsgericht zugesprochenen Umfang ist durchgreifenden
personalvertretungsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Einwänden nicht
ausgesetzt.
a) Die Vorlagepflicht des Beteiligten ist von der Darlegung eines besonderen
Anlasses, namentlich einer zu besorgenden Rechtsverletzung unabhängig. Nur
der Einblick in die nicht anonymisierten Unterlagen setzt den Antragsteller in die
Lage, Rechtsverstößen und Unbilligkeiten bereits im Vorfeld effektiv entge-
genwirken zu können (vgl. Beschlüsse vom 22. Dezember 1993 - BVerwG 6 P
15.92 - Buchholz 250 § 68 BPersVG Nr. 14 S. 17 ff., vom 22. April 1998
- BVerwG 6 P 4.97 - Buchholz 251.91 § 73 SächsPersVG Nr. 1 S. 7, vom
23. Januar 2002 - BVerwG 6 P 5.01 - juris Rn. 15, insoweit bei Buchholz a.a.O.
nicht abgedruckt, und vom 24. Februar 2006 - BVerwG 6 P 4.05 - Buchholz
251.91 § 77 SächsPersVG Nr. 1 Rn. 17).
Abweichendes ergibt sich nicht aus dem Senatsbeschluss vom 22. April 1998
(a.a.O.). Dort hat der Senat dem Einsichtsbegehren des Personalrats in dem
hier streitigen Umfang entsprochen. Die Darlegung eines Anlasses hat er dabei
ausdrücklich nicht verlangt, wie aus der im vorstehenden Absatz wiedergege-
benen Zitatstelle ersichtlich ist. Abgestellt hat er allein auf die Überwachungs-
aufgabe, wobei er den Gedanken des Diskriminierungsschutzes generalisierend
mit behandelt hat (a.a.O. S. 6 f.). Deswegen konnte er davon absehen, auf die
spezielle Aufgabe des Diskriminierungsschutzes als eines eigenständigen
Grundes für die Einsichtnahme zurückzugreifen (juris Rn. 47, insoweit bei Buch-
holz a.a.O. nicht abgedruckt). Demgegenüber bleibt klarzustellen, dass der Ein-
sichtsanspruch weder zur Wahrnehmung der Überwachungsaufgabe nach § 68
Abs. 1 Nr. 2 BaWüPersVG noch zur Wahrnehmung der Aufgabe des Diskrimi-
nierungsschutzes nach § 67 Abs. 1 Satz 1 BaWüPersVG die Darlegung eines
besonderen Anlasses voraussetzt (so bereits Beschluss vom 23. Januar 2002
a.a.O. juris Rn. 15).
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b) § 68 Abs. 2 Satz 3 BaWüPersVG, wonach Personalakten nur mit Zustim-
mung des Beschäftigten vom Personalrat eingesehen werden können, ist hier
weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden (vgl. Beschluss vom
23. Januar 2002, Buchholz a.a.O. S. 4 f. m.w.N.). Im Übrigen ist den Persön-
lichkeitsrechten der Beschäftigten im Rahmen der bereichsspezifischen Rege-
lung in § 68 Abs. 2 Satz 1 und 2 BaWüPersVG dadurch Rechnung getragen,
dass die Personalratsmitglieder der Schweigepflicht nach § 10 Abs. 1
BaWüPersVG unterliegen. Deren Verletzung kann zu schwerwiegenden ar-
beitsrechtlichen, personalvertretungsrechtlichen und strafrechtlichen Konse-
quenzen führen. Unter Umständen kann der Ausschluss aus dem Personalrat
nach § 28 Abs. 1 BaWüPersVG und darüber hinaus die Bestrafung nach § 203
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StGB in Betracht kommen (vgl. Beschluss vom 23. Januar
2002 a.a.O. S. 6). Personalratsmitglieder sind daher bei Verletzung der
Schweigepflicht einem ähnlich scharfen Sanktionsregime ausgesetzt wie der
Dienststellenleiter und nachgeordnete Mitarbeiter, die wegen amtlicher Befas-
sung mit den Vergütungen unvermeidlich Einblick erhalten, und sie sind auch
nicht weniger vertrauenswürdig.
c) Die Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ist nicht berührt, wenn der
Personalrat Einsicht in die Vergütungslisten zu dem Zweck nimmt, die Einhal-
tung der zugunsten der künstlerischen Mitarbeiter geltenden tarifvertraglichen
Bestimmungen zu überwachen. Die künstlerische Freiheit der Theaterleitung,
soweit sie sich in der Vereinbarung bestimmter Entgelte für die am Theater täti-
gen Personen ausdrückt, wird dadurch nicht eingeschränkt (vgl. Beschluss vom
22. April 1998 a.a.O. S. 4 f.; BAG, Beschluss vom 13. Februar 2007 - 1 ABR
14/06 - BAGE 121, 139 Rn. 31). Die Einsichtnahme zum Zweck des Diskrimi-
nierungsschutzes dient gerade dazu, die Festlegung der Vergütungen aus
kunstfremden Motiven zu verhindern (vgl. Beschluss vom 9. Januar 2007
- BVerwG 6 P 6.06 - Buchholz 251.7 § 72 NWPersVG Nr. 36 Rn. 25).
Dr. Bardenhewer
Büge
Vormeier
Dr. Bier
Dr. Möller
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B e s c h l u s s
Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Rechtsbe-
schwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt (§ 23 Abs. 3 Satz 2, § 33 Abs. 1
und 8 Satz 1 Halbs. 1 RVG i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG analog).
Büge
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Personalvertretungsrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
BaWüPersVG
§§ 67, 68, 95
NV Bühne
§§ 58, 67
Stichworte:
Informationsrecht des Personalrats; Einblick in die Gagenlisten für Solomitglie-
der und Bühnentechniker.
Leitsatz:
Der Bühnenpersonalrat benötigt den Einblick in die nicht anonymisierten Listen
der Vergütungen für Solomitglieder und Bühnentechniker, um seine allgemei-
nen Aufgaben aus § 67 Abs. 1 Satz 1 und § 68 Abs. 1 Nr. 2 BaWüPersVG er-
füllen zu können.
Beschluss des 6. Senats vom 16. Februar 2010 - BVerwG 6 P 5.09
I. VG Freiburg vom 09.10.2007 - Az.: VG PL 9 K 1344/07 -
II. VGH Mannheim vom 25.11.2008 - Az.: VGH PL 15 S 2634/07 -