Urteil des BVerwG vom 07.10.2003

Theater, Public Relations, Ausschluss, Stadt

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
BVerwG 6 P 4.03
OVG 1 A 600/98.PVL
In der Personalvertretungssache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. Oktober 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. H a h n , B ü g e , Dr. G r a u l i c h und V o r m e i e r
beschlossen:
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Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Be-
schluss des Fachsenats für Landespersonalvertretungssachen
des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen
vom 18. Dezember 2002 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren
auf 4 000 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
I.
Aufgrund des Dienstvertrages vom 30. April 1997, der für die Stadt Köln durch den
Direktor des Orchesters sowie den Geschäftsführenden Direktor des Gürzenich-
Orchesters Kölner Philharmoniker unterzeichnet ist, ist Frau H. seit 1. Juni 1997 als
dramaturgische Mitarbeiterin und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit angestellt. Nach
§ 4 des Dienstvertrages bestimmt sich das Dienstverhältnis im Übrigen nach dem
Normalvertrag Solo in der jeweils gültigen Fassung und den ihn ändernden und er-
gänzenden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen. Die Beteiligte setzte mit
Schreiben vom 5. Juni 1997 den Antragsteller von der Einstellung lediglich in Kennt-
nis.
Das vom Antragsteller angerufene Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Be-
teiligte das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers bei der Einstellung der Frau H.
als Referentin für Öffentlichkeitsarbeit verletzt hat. Auf die Beschwerde der Beteilig-
ten hat das Oberverwaltungsgericht den erstinstanzlichen Beschluss geändert und
den Antrag,
festzustellen, dass Personalmaßnahmen im Sinne des § 72
Abs. 1 Satz 1 NWPersVG, welche die als "dramaturgische Mit-
arbeiterin und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit" beschäftigte
Frau H. betreffen, auch ohne Antrag der Beschäftigten der Mit-
bestimmung des Antragstellers unterliegen,
abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Mitbestimmungsrechte des An-
tragstellers in Personalangelegenheiten der Beschäftigten H. seien durch § 72 Abs. 1
Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 3 NWPersVG vollständig ausgeschlossen. Die Beschäftigte sei
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an einem Theater beschäftigt. Denn das Gürzenich-Orchester sei Teil der in ihrer
Gesamtheit als Theater anzusehenden Bühnen der Stadt Köln. Die Beschäftigung
von Frau H. erfolge nach dem Bühnennormalvertrag. Dabei handele es sich um die
Sammelbezeichnung für die drei Normalverträge, die die einzelnen Sparten der
Bühnenkünstler umfassten. Dementsprechend seien der Normalvertrag Solo, der
Normalvertrag Chor und der Normalvertrag Tanz zu unterscheiden. Ausweislich des
Dienstvertrages sei Frau H. nach dem Normalvertrag Solo beschäftigt. Insoweit sei
nicht die Feststellung erforderlich, dass sie ausschließlich künstlerisch tätig sei.
Durch die genannte Vorschrift solle die künstlerische Gestaltungsfreiheit des Inten-
danten sichergestellt und dessen Alleinverantwortung Rechnung getragen werden.
Mit der im Dienstvertrag getroffenen Vereinbarung einer Beschäftigung nach dem
Normalvertrag Solo hätten die Vertragsparteien von der grundsätzlich unbedenkli-
chen Möglichkeit Gebrauch gemacht, das Arbeitsverhältnis durch Einzelarbeitsver-
trag dem Tarifrecht zu unterstellen.
Der Antragsteller trägt zur Begründung seiner Rechtsbeschwerde vor: Die Beschäf-
tigte H. sei befasst mit der Erstellung von Druckerzeugnissen (Jahresprospekt, Pla-
kate und Programmhefte) und Presseerklärungen sowie der Vorbereitung von Pres-
sekonferenzen, halte Kontakte zu Journalisten und sei zuständig für die Betreuung
von Abonnenten, Sponsoren und des Fördervereins sowie für Öffentlichkeitsaktio-
nen, die Kontakte mit Verantwortlichen in Politik und Verwaltung und für Jugendar-
beit. Diese Tätigkeit sei keinem der Berufsbilder nach § 1 Abs. 2 Normalvertrag Solo
zuzuordnen. Damit entfalle die Voraussetzung für den gesetzlichen Ausschlusstat-
bestand. Die lediglich arbeitsvertragliche Vereinbarung der formalen Geltung eines
Tarifvertrages könne das Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung nicht aus-
schließen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Beschwerde
der Beteiligten gegen den erstinstanzlichen Beschluss nach
Maßgabe des in der Beschwerdeinstanz gestellten Antrages
zurückzuweisen.
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Die Beteiligte beantragt,
die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Der Be-
schluss des Oberverwaltungsgerichts beruht nicht auf der Nichtanwendung oder der
unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm (§ 79 Abs. 2 Satz 1 NWPersVG vom
3. Dezember 1974, GV. NRW S. 1514, zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes
vom 27. November 2001, GV. NRW S. 811 ber. 2002 S. 22, i.V.m. § 93 Abs. 1
ArbGG).
1. Gegen die Zulässigkeit des in der Beschwerdeinstanz gestellten und im Rechts-
beschwerdeverfahren weiterverfolgten Feststellungsbegehrens gemäß § 256 Abs. 1
ZPO bestehen keine Bedenken. Namentlich trägt die jetzige Antragsfassung unter
dem Gesichtspunkt des Feststellungsinteresses in sachgerechter Weise dem Um-
stand Rechnung, dass es dem Antragsteller um die Klärung seiner gegenwärtigen
und künftigen Kompetenzen in Personalangelegenheiten der Beschäftigten H. gehen
muss, nicht aber darum, ob seine Kompetenzen im Zusammenhang mit der vollzo-
genen Einstellung der Beschäftigten übergangen worden sind.
2. Der Feststellungsantrag ist jedoch nicht begründet. Die Mitbestimmung des An-
tragstellers in Personalangelegenheiten der Beschäftigten H. ist ausgeschlossen.
Denn nach § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 3 NWPersVG gilt das Mitbestimmungs-
recht des Personalrats in Personalangelegenheiten nicht für Beschäftigte an Thea-
tern, die nach dem Bühnennormalvertrag beschäftigt werden. Zu diesem Personen-
kreis gehört die Beschäftigte H.
a) Der Bühnennormalvertrag im Sinne der vorbezeichneten Bestimmung ist eine
Sammelbezeichnung für diejenigen tarifvertraglichen Regelwerke, die die Arbeitsver-
hältnisse der Bühnenkünstler in verschiedenen Sparten normativ gestalten. Es waren
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dies bis 31. Dezember 2002 der Normalvertrag Solo vom 1. Mai 1924, zuletzt
geändert durch Tarifvertrag vom 12. Juli 1993, sowie der Normalvertrag Chor/Tanz
vom 2. November 2000, geändert durch Tarifvertrag vom 17. April 2001 (vgl. Be-
schluss vom 18. März 1981 - BVerwG 6 P 26.79 - Buchholz 238.37 § 72 NWPersVG
Nr. 5 S. 2; BAG, Urteil vom 10. Februar 1999 - 7 AZR 733/97 -).
Die Verweisung auf das Bühnentarifrecht in § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 3
NWPersVG ist dynamisch. Die gegenwartsbezogene Formulierung der Vorschrift ("…
beschäftigt werden") belegt, dass die maßgeblichen Bestimmungen des Büh-
nentarifrechts in der jeweiligen aktuellen Fassung zugrunde zu legen sind, die in
demjenigen Zeitpunkt gelten, in welchem die etwaige personalvertretungsrechtliche
Beteiligung ansteht. Diese Wertung ist zudem mit Blick auf die offene Definition des
fraglichen Personenkreises im Normalvertrag Solo gerechtfertigt, die der Gesetzge-
ber sowohl bei der erstmaligen Fassung des Ausschlusstatbestandes in § 70 Satz 2
Buchst. d NWPersVG vom 28. Mai 1958, GV. NRW S. 209, als auch bei Fortschrei-
bung der Regelung im Landespersonalvertretungsgesetz vom 3. Dezember 1974 vor
Augen hatte. § 1 Abs. 2 NVSolo bestimmte nämlich, dass unter Bühnenmitgliedern
Einzeldarsteller, Kapellmeister, Spielleiter, Dramaturgen, Singchordirektoren, Tanz-
meister, Repetitoren, Inspizienten und Souffleure sowie Personen in ähnlicher Stel-
lung zu verstehen sind. Das Auffangmerkmal "Personen in ähnlicher Stellung" war
nicht nur auf eine Weiterentwicklung des erfassten Personenkreises in Verwaltungs-
praxis und Rechtsprechung angelegt. Es war darüber hinaus damit zu rechnen, dass
die Tarifvertragsparteien neue Tendenzen des modernen Theaterbetriebes zum An-
lass nehmen würden, den von den speziellen Bestimmungen des Bühnentarifrechts
erfassten Personenkreis weiter zu konkretisieren und zu ergänzen. Eine dynamische
Verweisung in einem Gesetz auf tarifvertragliche Regelungen ist verfassungsrecht-
lich zulässig, wenn der Inhalt der Bezugsregelungen, auf die die staatliche Rechts-
norm verweist, im Wesentlichen feststeht (vgl. Urteil vom 21. Dezember 2000
- BVerwG 2 C 42.99 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 37 S. 3 m.w.N.). Das ist hier der
Fall. Durch die dem Gesetzgeber bei der Fassung des in Rede stehenden Aus-
schlusstatbestandes bekannte Beschreibung des Personenkreises, der als "Büh-
nenmitglieder" dem persönlichen Anwendungsbereich des Normalvertrages Solo
unterfällt, in § 1 Abs. 2 NVSolo ist bestimmt, welche Personen insoweit von dem
Ausschluss des Mitbestimmungsrechts betroffen sein sollen. Dadurch sind Inhalt und
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Grenzen der Verweisung in verfassungsrechtlich gebotener Weise hinreichend fest-
gelegt.
Handelt es sich bei § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 3 NWPersVG somit um eine
dynamische Verweisung, so hat als Bühnennormalvertrag im Sinne dieser Vorschrift
nunmehr der Normalvertrag Bühne - NVBühne - vom 15. Oktober 2002 zu gelten, der
ab 1. Januar 2003 den Normalvertrag Solo und den Normalvertrag Chor/Tanz
abgelöst hat (vgl. § 1 Buchst. a und s des Begleittarifvertrages zum NVBühne). Die
einschlägigen Bestimmungen des Normalvertrages Bühne hat der Senat daher sei-
ner Entscheidung über das zukunftsgerichtete Feststellungsbegehren des An-
tragstellers zugrunde zu legen (vgl. Beschluss vom 29. Januar 2003 - BVerwG 6 P
15.01 - Buchholz 251.95 § 51 MBGSH Nr. 4 S. 19 m.w.N.).
b) Die Mitarbeiterin H. wird nach dem Normalvertrag Bühne beschäftigt. Denn sie ist
als dramaturgische Mitarbeiterin und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit des Gürze-
nich-Orchesters Kölner Philharmoniker Solomitglied nach § 1 Abs. 1 und 2 NVBühne.
aa) Dies ergibt sich allerdings entgegen der Auffassung der Beteiligten und des
Oberverwaltungsgerichts nicht bereits daraus, dass sich nach § 4 des Dienstvertra-
ges vom 30. April 1997 das Dienstverhältnis nach dem Normalvertrag Solo in der
jeweils gültigen Fassung und den an seine Stelle tretenden Tarifverträgen bestimmt.
§ 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 3 NWPersVG beantwortet die Frage nach dem
Ausschluss der Mitbestimmung in Personalangelegenheiten durch Verweisung auf
den Inhalt eines Tarifvertrags. Damit verträgt es sich nicht, wenn durch die bloße
Bezugnahme auf den jeweiligen Bühnentarifvertrag die Mitbestimmung des Perso-
nalrats arbeitsvertraglich beseitigt werden könnte. Bei dieser Sichtweise wäre es für
den öffentlichen Arbeitgeber mit Rücksicht auf seine starke Position bei der Einstel-
lung von Bewerbern ein Leichtes, die personalvertretungsrechtliche Beteiligung zu
umgehen. § 4 NWPersVG verbietet den Ausschluss der personalvertretungsrechtli-
chen Beteiligung durch Kollektivvertrag. Durch Individualarbeitsvertrag kommt dies
erst recht nicht in Frage.
bb) Abzustellen ist vielmehr darauf, ob der betreffende Beschäftigte nach seiner ar-
beitsvertraglich festgelegten beruflichen Funktion unter den persönlichen Geltungs-
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bereich des Normalvertrags Bühne fällt. Auf die Tarifgebundenheit des öffentlichen
Arbeitgebers sowie des Beschäftigten kommt es dagegen nicht an. Denn dieser Ge-
sichtspunkt ist für die Reichweite personalvertretungsrechtlicher Beteiligungsrechte
ohne Bedeutung.
Sinn und Zweck der in § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 3 NWPersVG getroffenen
Regelung gehen dahin, dem für die künstlerische Leitung des Theaters Verantwortli-
chen bei der Auswahl derjenigen Personen, die für den künstlerischen Prozess am
Theater von besonderer Bedeutung sind, sowie bei allen sonstigen insoweit zu tref-
fenden personellen Entscheidungen einen von der personalvertretungsrechtlichen
Mitbestimmung unbeeinflussten Spielraum zu belassen. Dem liegt die Erwägung
zugrunde, dass die Tarifvertragsparteien aufgrund ihrer spezifischen Erfahrung am
ehesten in der Lage sind, den Kreis derjenigen Personen zu definieren, deren Ar-
beitsverhältnisse aufgrund ihrer besonderen Nähe zum künstlerischen Geschehen
am Theater besonderer Regelungen bedürfen, die sich von sonst im öffentlichen
Dienst geltenden wesentlich unterscheiden. Für die Bestimmung des von § 72 Abs. 1
Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 3 NWPersVG erfassten Personenkreises sind daher diejenigen
Tarifnormen maßgeblich, die den persönlichen Geltungsbereich des Normalvertrags
Bühne beschreiben. Einschlägig sind hier § 1 Abs. 1 und 2 NVBühne.
cc) Dass § 1 Abs. 2 NVBühne mit seiner Definition des Solomitgliedes namentlich mit
Blick auf die umfassende Aufzählung beruflicher Funktionen über die Definition des
Bühnenmitglieds in § 1 Abs. 2 NVSolo hinausgeht, wirft in Bezug auf die Anwendung
im Rahmen von § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 3 NWPersVG keine Bedenken auf.
Zwar mögen die in § 1 Abs. 2 NVBühne neu aufgenommenen Theaterberufe nicht
alle bereits vom Begriff der Person in ähnlicher Stellung gemäß § 1 Abs. 2 NVSolo
erfasst gewesen sein (vgl. zu den damals zu beachtenden Maßstäben: BAG, Urteil
vom 16. November 1995 - 6 AZR 229/95 - AP Nr. 49 zu § 611 BGB
Bühnenengagementsvertrag; Urteil vom 26. August 1998 - 7 AZR 263/97 - BAGE 89,
339, 342 f.). Mit seiner Verweisung auf das jeweils aktuelle Bühnentarifrecht hat der
Gesetzgeber jedoch zugelassen, dass die Tarifvertragsparteien den Entwicklungen
des modernen Theaterbetriebes folgend den Kreis der Bühnenmitglieder ausweiten
würden. Mit dieser zukunftsoffenen Vorstellung des Gesetzgebers steht im Einklang,
dass § 1 Abs. 2 NVBühne als Solomitglieder nunmehr ausdrücklich auch Presserefe-
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renten und Referenten für Öffentlichkeitsarbeit aufführt. Denn hierbei handelt es sich
um ein Berufsfeld, welches für das Theater zunehmend wichtig geworden ist. Die
Theater sind vermehrt dazu übergegangen, sich für den Bereich der Public Relations
professioneller Mitarbeiter zu bedienen (vgl. Bolwin/Sponer, Bühnentarifrecht, § 1
NVBühne Rn. 102). Diese Beschäftigten wirken zwar nicht selbst an der Produktion
des Bühnenwerks mit; sie haben jedoch die wichtige Aufgabe, das künstlerische
Produkt in der Öffentlichkeit zu "verkaufen". Ihre Tätigkeit ist kunstbezogen. Dieser
Zusammenhang rechtfertigt es, dass die Tarifvertragsparteien nunmehr Presserefe-
renten und Referenten für Öffentlichkeitsarbeit am Theater grundsätzlich demselben
Regelwerk unterwerfen wie die Einzeldarsteller und alle sonstigen Personen, die tra-
ditionell zu den Bühnenmitgliedern zählen. Die Einbeziehung dieses Personenkreises
in den Ausschlusstatbestand des § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 3 NWPersVG ist
von der die aufgezeigten verfassungsrechtlichen Grenzen zu beachtenden
dynamischen Verweisung auf den Bühnennormalvertrag gedeckt. Die hier in Rede
stehenden Personen sind in ähnlicher Weise kunst- und bühnenbezogen tätig wie
diejenigen Personen, die in der Aufzählung des § 1 Abs. 2 NVSolo enthalten waren
und die der Gesetzgeber bei der Schaffung des Ausschlusstatbestandes im Blick
hatte. Presse-, Öffentlichkeits- und Medienarbeit sind Bereiche, die wie die Kunst
dem Tendenzschutz unterfallen (vgl. § 118 Abs. 1 BetrVG sowie § 55 WDR-Gesetz
vom 25. April 1998, GV. NRW S. 265, zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. Sep-
tember 2001, GV. NRW S. 708). Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Dienst der
Kunst am Theater kann daher in ähnlicher Weise wie die künstlerische Tätigkeit
selbst eine Sonderrolle im Rahmen der Personalpolitik des öffentlichen Dienstes be-
anspruchen. Der Gesetzgeber kann die Position eines Referenten für Öffentlich-
keitsarbeit bei einem Theater als Vertrauensstellung ansehen, deren Besetzung er
der Theaterleitung allein überlassen will. Dass diese tarifliche Weiterentwicklung Leit-
vorstellungen des nordrhein-westfälischen Landesgesetzgebers im Bereich des
Personalvertretungsrechts zuwiderläuft, kann nicht festgestellt werden.
dd) Die Beschäftigte H. unterfällt mit ihrer arbeitsvertraglich festgelegten Tätigkeit als
dramaturgische Mitarbeiterin und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit der Regelung in
§ 1 Abs. 2 NVBühne. Diese Vorschrift zählt die Referenten der Öffentlichkeitsarbeit
ausdrücklich zu den vom Geltungsbereich des Tarifvertrages erfassten Solomitglie-
dern.
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Die Eigenschaft der Beschäftigten H. als Solomitglied wird durch den arbeitsvertrag-
lichen Zusatz "dramaturgische Mitarbeiterin" nicht in Frage gestellt, sondern bestä-
tigt. § 1 Abs. 2 NVBühne zählt zu den Solomitgliedern auch Dramaturgen. Zu deren
vielfältigem Tätigkeitsbereich gehört auch die Öffentlichkeitsarbeit wie z.B. die Erstel-
lung von Programmheften, die Betreuung der Presse und die Herausgabe einer
hauseigenen Theaterzeitschrift (vgl. Bolwin/Sponer, a.a.O., Rn. 73 ff.). Durch den
Zusatz "dramaturgische Mitarbeiterin" sind der Beschäftigten H. somit dienstvertrag-
lich Teile der Tätigkeit eines Dramaturgen übertragen worden, der bereits zu den in
§ 1 Abs. 2 NVSolo ausdrücklich aufgeführten Bühnenmitgliedern zählte. Damit steht
fest, dass die Beschäftigte H. mit allen Aspekten ihrer arbeitsvertraglich festgelegten
Tätigkeit als Solomitglied nach § 1 Abs. 2 NVBühne anzusehen ist.
ee) Die Beschäftigte H. ist auch Solomitglied an einer von einer deutschen Gemeinde
getragenen Bühne im Sinne von § 1 Abs. 1 NVBühne. Denn das Gürzenich-
Orchester Kölner Philharmoniker gehört zu den Bühnen der Stadt Köln.
(1) Der Begriff "Bühne" meint den Ort, an dem Bühnenwerke zur Aufführung kom-
men. Dies ist der nach dem Zuschauerraum hin geöffnete, abgegrenzte und für die
Aufführung bestimmte Teil des Theaters (vgl. Bolwin/Sponer, a.a.O., Rn. 208). Im
textlichen Zusammenhang des § 1 Abs. 1 NVBühne sind darunter jedoch die Büh-
nenunternehmen zu verstehen, die Bühnenwerke zur Aufführung bringen. Der Tarif-
vertrag gebraucht die Begriffe "Bühne" und "Theater" synonym. So bestimmt § 2
Abs. 3 Buchst. a NVBühne, dass im Arbeitsvertrag die Bühne, für die das Mitglied
angestellt wird, angegeben sein muss. In Ausführung dieser Bestimmung heißt es in
§ 1 des Musterarbeitsvertrages Solomitglied gemäß Anlage 2 zum NVBühne:
"Frau/Herr … wird als Solomitglied mit der Tätigkeitsbezeichnung … (§ 1 Abs. 2
NVBühne) für das/die … (Theater) in … eingestellt." Nach der Satzung des Deut-
schen Bühnenvereins sind Theater selbständig betriebene Bühnen, die überwiegend
mit von ihnen angestellten Künstlern dramatische, musikalische oder choreographi-
sche Bühnenwerke aufführen und eine eigene Spielstätte unterhalten (vgl. Bol-
win/Sponer, a.a.O., Rn. 209). Ob danach ein Orchester für sich gesehen bereits als
Bühne betrachtet werden kann, kann auf sich beruhen. Denn jedenfalls das Orches-
ter einer Stadt, welches regelmäßig Dienst für die Oper derselben Stadt versieht,
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gehört zu den Bühnen dieser Stadt. Die Dienstleistung des Orchesters ist notwendi-
ger Bestandteil des in der Oper aufgeführten musikalischen Bühnenwerks.
Das Gürzenich-Orchester Kölner Philharmoniker erfüllt die vorbezeichneten Voraus-
setzungen. So bestimmt seine Geschäftsanweisung in Nr. 1.2, dass das Orchester
regelmäßig Dienst in der Oper versieht. Dementsprechend ist die Terminplanung mit
der Oper der Stadt Köln abzustimmen (Nr. 2.1.1 Abs. 5 der Geschäftsanweisung).
Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts entfallen von der Spielzeit
des Gürzenich-Orchesters im Jahresdurchschnitt etwa 70 % auf die Oper.
(2) Dass sich die Tätigkeit der Beschäftigten H. auf die Konzerttätigkeit des Orches-
ters beschränkt, ist unerheblich. Bereits das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend
darauf hingewiesen, dass sich eine derartige Beschränkung aus dem Text des
Dienstvertrages vom 30. April 1997 nicht ergibt. Vielmehr könnte danach von der
Beschäftigten H. verlangt werden, dass sich ihre Öffentlichkeitsarbeit auch auf die
Leistungen des Orchesters für die Oper erstreckt, welche einen wesentlichen Teil
seiner musikalischen Darbietungen ausmachen. Wenn dies tatsächlich unterbleibt,
etwa weil dafür im Rahmen der internen Arbeitsteilung der Pressereferent bei der
Oper zuständig ist, ist dies für die tarifliche Einordnung, die den Gleichbehandlungs-
grundsatz zu beachten hat, nicht ausschlaggebend.
c) Für den Ausschluss der Mitbestimmung in Personalangelegenheiten verlangt § 72
Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 3 NWPersVG nach seinem Wortlaut zusätzlich, dass es
sich um Beschäftigte "an Theatern" handeln muss. Diesem Merkmal kommt im vor-
liegenden Zusammenhang keine selbständige Bedeutung zu. Die Feststellung, dass
die Mitarbeiterin H. nach dem Normalvertrag Bühne beschäftigt wird, setzt - wie dar-
gelegt - voraus, dass sie Solomitglied an einer Bühne ist; der Normalvertrag Bühne
unterscheidet zwischen Bühne und Theater nicht.
Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift spricht nicht gegen diese Wertung.
Bereits § 70 Satz 2 Buchst. d NWPersVG vom 28. Mai 1958, GV. NRW S. 209, be-
stimmte, dass die Beteiligung des Personalrats in Personalangelegenheiten entfiel
für Bedienstete an Theatern, soweit sie im Bühnennormalvertrag beschäftigt werden.
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Demgegenüber hatte sich § 72 Satz 1 des Gesetzentwurfs der Landesregierung
noch auf die Regelung einer antragsabhängigen Beteiligung für Bedienstete mit vor-
wiegend künstlerischer Tätigkeit beschränkt (vgl. LTDrucks 3/589 S. 28). Als vorwie-
gend künstlerisch wurde dabei die Arbeit der Bühnenkünstler und Orchestermitglie-
der verstanden (a.a.O., S. 51). Nach dem Beschluss des Ausschusses für innere
Verwaltung vom 19. März 1958 wurde in § 72 Satz 2 Buchst. d der Ausschluss der
Beteiligung in Personalangelegenheiten vorgesehen "für Bedienstete an Theatern
und in Orchestern mit vorwiegend künstlerischer Tätigkeit, soweit sie im Bühnen-
normalvertrag beschäftigt werden" (LTDrucks 3/705 S. 28). Durch weiteren Be-
schluss des Ausschusses vom 7. Mai 1958 erhielt die Regelung diejenige Fassung,
die dann als Gesetz verabschiedet wurde (LTDrucks 3/749 S. 28). Die jetzige Fas-
sung der Vorschrift in § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 3 NWPersVG brachte eine
geringfügige sprachliche Umformung ohne inhaltliche Änderungen mit sich.
Der beschriebene Hergang, insbesondere der Vergleich der beiden Beschlussfas-
sungen im Innenausschuss vom 19. März und 7. Mai 1958, zeigt zweierlei: Der Weg-
fall der Passage "mit vorwiegend künstlerischer Tätigkeit" belegt, dass es für die Be-
stimmung der vom Mitbestimmungsausschluss betroffenen Personen nicht darauf
ankommt, ob und in welchem Umfang sie künstlerisch tätig sind. Der Wegfall des
Merkmals "in Orchestern" könnte dafür sprechen, dass sich der Ausschluss der Mit-
bestimmung in Personalangelegenheiten nicht auch auf die Musiker in Kulturorches-
tern nach § 1 des Tarifvertrages für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) vom 1. Juli
1972, zuletzt geändert durch Tarifvertrag vom 16. Dezember 2002, erstreckt. Die
Rechtfertigung für die personalvertretungsrechtliche Bevorzugung dieser Gruppe von
Künstlern - das sind gemäß § 6 Abs. 1 TVK die Orchestermitglieder, die ein Instru-
ment spielen - könnte darin liegen, dass deren Arbeitsverhältnisse grundsätzlich auf
unbestimmte Zeit angelegt sind (§ 3 Abs. 1 Unterabs. 2 TVK), während für alle vom
Normalvertrag Bühne erfassten Personen gilt, dass der Arbeitsvertrag mit Rücksicht
auf die künstlerischen Belange der Bühne ein Zeitvertrag ist (§ 2 Abs. 2 NVBühne).
Dies ist auch der wesentliche Grund dafür, weshalb die zum 1. Januar 2003 in Kraft
getretene Vereinheitlichung des Bühnentarifrechts die Orchestermusiker nicht einge-
schlossen hat (vgl. Bolwin/Schröder, ZTR 2003, 2, 3). Diese Überlegungen kommen
aber von vornherein nicht zum Zuge bei den in § 1 Abs. 2 NVBühne besonders auf-
gezählten und dem Orchesterbereich zuzuordnenden Personen wie Dirigenten, Ka-
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pellmeistern, Orchestergeschäftsführern sowie bei Pressereferenten und Referenten
für Öffentlichkeitsarbeit an einem Kulturorchester, die nicht vom persönlichen Gel-
tungsbereich des Tarifvertrages für Kulturorchester, sondern von demjenigen des
Normalvertrages Bühne erfasst werden. Soweit dies - wie hier - der Fall ist, handelt
es sich stets zugleich auch um Beschäftigte "an Theatern" im Sinne von § 72 Abs. 1
Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 3 NWPersVG.
3. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 8 Abs. 2 Satz 2, § 10 Abs. 1
BRAGO.
Bardenhewer Hahn Büge
Graulich Vormeier
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Personalvertretungsrecht
Fachpresse:
ja
Rechtsquellen:
NWPersVG
§ 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 3
Normalvertrag Bühne
§ 1
Stichworte:
Ausschluss der Mitbestimmung in Personalangelegenheiten; persönlicher Geltungs-
bereich des Normalvertrags Bühne; Bühnenkünstler und Bühnentechniker; Referen-
ten für Öffentlichkeitsarbeit bei einem Kulturorchester.
Leitsatz:
Der Ausschluss der Mitbestimmung in Personalangelegenheiten nach § 72 Abs. 1
Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 3 NWPersVG bezieht sich seit 1. Januar 2003 auch auf die
Referenten für Öffentlichkeitsarbeit bei einem Kulturorchester.
Beschluss des 6. Senats vom 7. Oktober 2003 - BVerwG 6 P 4.03
I. VG Köln vom 10.12.1997 - Az.: 34 K 5569/97.PVL -
II. OVG Münster vom 18.12.2002 - Az.: 1 A 600/98.PVL -