Urteil des BVerwG vom 27.08.2008

Berufserfahrung, Einreihung, Berufliche Erfahrung, Tarifvertrag

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 6 P 3.08
OVG 5 A 11127/07
Verkündet
am 27. August 2008
Bech
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Personalvertretungssache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 27. August 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn,
Büge, Vormeier und Dr. Bier
für Recht erkannt:
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz
(Fachsenat für Personalvertretungssachen - Land -) vom
22. Februar 2008 wird aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwal-
tungsgerichts Mainz (Fachkammer für Personalvertre-
tungssachen - Land -) vom 10. Oktober 2007 wird zurück-
gewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e :
I
Mit Schreiben vom 9. Januar und 21. Februar 2007 bat der Beklagte den Kläger
um Zustimmung zur Einstellung einer Lehramtsanwärterin und einer Sozialpä-
dagogin sowie zur Eingruppierung in die angegebenen Entgeltgruppen. In sei-
nen Sitzungen vom 23. Februar und 1. März 2007 stimmte der Kläger den Ein-
stellungen zu, verweigerte aber seine Zustimmung zu den Eingruppierungen im
Wesentlichen mit der Begründung, sein Mitbestimmungsrecht beziehe sich
auch auf die Stufenzuordnung. Dem trat der Beklagte zuletzt mit Schreiben vom
1. März 2007 im Wesentlichen mit der Begründung entgegen, bei der Stu-
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fenzuordnung handele es sich um eine nicht mitbestimmungspflichtige Einzel-
fallentscheidung.
Das daraufhin vom Kläger angerufene Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass
bei Einstellungen die Stufenzuordnung innerhalb der Entgeltgruppen gemäß
§ 16 Abs. 2 TV-L der Mitbestimmung des Klägers unterliegt. Auf die Berufung
des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil ge-
ändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Klä-
ger könne sein Begehren nicht auf sein Mitbestimmungsrecht bei Eingruppie-
rung stützen. Ausgangspunkt der Eingruppierung sei allein die Tätigkeit des
Beschäftigten, unabhängig von personenbezogenen Merkmalen. Von solchen
Merkmalen hänge indessen die von der Eingruppierung zu trennende Stufen-
zuordnung ab. Denn § 16 Abs. 2 TV-L stelle auf einschlägige Berufserfahrung
bzw. auf die Förderlichkeit einer vorherigen beruflichen Tätigkeit für die vorge-
sehene Tätigkeit ab. Nach dem Tarifvertrag hänge die Höhe des Entgelts von
zwei verschiedenen Entscheidungen, nämlich der Eingruppierung einerseits
sowie der Stufenzuordnung andererseits ab. Die begriffliche Unterscheidung
spiegele sich in den jeweils andersgearteten Kriterien wieder, die für die Ein-
gruppierung und die Stufenzuordnung maßgeblich seien. Der Kläger sei ferner
nicht unter dem Gesichtspunkt der Allzuständigkeit zur Mitbestimmung bei der
Stufenzuordnung berufen. Dem stünden die Mitbestimmungstatbestände zur
Eingruppierung sowie zur Lohngestaltung entgegen. Denn hierbei handele es
sich um abschließende Regelungen über die Mitbestimmungsbefugnisse des
Personalrats bei der Gestaltung des Arbeitsentgelts. An diesem Konzept habe
der Gesetzgeber nach dem Inkrafttreten des neuen Tarifrechts festgehalten. Bei
den Änderungen des Landespersonalvertretungsgesetzes habe er die Stu-
fenzuordnung nicht durch eine Erweiterung des Beteiligungskataloges der Mit-
bestimmung unterworfen.
Der Kläger trägt zur Begründung seiner Revision vor: Die Mitbestimmung bei
Eingruppierung sei nicht begrenzt auf die Zuordnung von tätigkeitsbezogenen
Einreihungsmerkmalen. Auch personenbezogene Merkmale könnten der Mit-
beurteilung des Personalrats bei der Eingruppierung unterliegen. Zwar enthalte
die bisher maßgebliche Vergütungsordnung des BAT Tarifmerkmale bei der
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Eingruppierung, die vornehmlich auf die vorgesehene Tätigkeit bezogen seien.
Doch seien durch den BAT auch personenbezogene Merkmale der Eingruppie-
rung zugeordnet und der Mitbestimmung bei der Eingruppierung unterworfen
gewesen. § 16 Abs. 2 TV-L sehe bei der Einstellung von Beschäftigten vor,
dass die Stufenzuordnung innerhalb der Entgeltgruppen nach personenbezo-
genen Merkmalen erfolge, nämlich nach einschlägiger Berufserfahrung oder
nach förderlicher Tätigkeit. Enthalte die Tarifordnung solche personenbezoge-
nen Merkmale für die erstmalige Einreihung des Beschäftigten in das Vergü-
tungssystem, müsse das Verständnis des beteiligungsrechtlichen Eingruppie-
rungsbegriffs dem Rechnung tragen. Die Differenzierung nach mitbestim-
mungspflichtigen Tätigkeitsmerkmalen und mitbestimmungsfreien personenbe-
zogenen Merkmalen sei nicht haltbar, da beide Merkmale ineinander übergehen
könnten und nicht strikt trennbar seien. So enthalte das Merkmal der ein-
schlägigen Berufserfahrung in § 16 Abs. 2 TV-L nicht ausschließlich ein perso-
nenbezogenes Element, sondern auch ein tätigkeitsbezogenes, da bei diesem
Merkmal davon ausgegangen werde, dass der Beschäftigte gerade wegen sei-
ner einschlägigen Berufserfahrung die vorgesehene Tätigkeit qualifizierter aus-
üben und ausfüllen könne. Gleiches gelte für das Merkmal einer vorherigen
beruflichen Tätigkeit, die für die vorgesehene Tätigkeit förderlich sei. Die tarif-
vertragliche Unterteilung in Eingruppierung in die Entgeltgruppe und Stufenzu-
ordnung führe nicht zum Ausschluss der Mitbestimmung hinsichtlich der Stu-
fenzuordnung. Denn die Mitbestimmung bei der Eingruppierung sei ein einheit-
liches Verfahren, das die Einreihung des Beschäftigten in die jeweilige Tarif-
ordnung in allen ihren Teilen erfasse. Für die Frage, ob eine mitbestimmungs-
pflichtige Eingruppierung vorliege, komme es nicht darauf an, wie die einzelnen
Stufen oder Kategorien des Vergütungssystems bezeichnet seien. Andernfalls
werde der Sinn der Mitbestimmung bei Eingruppierung verfehlt, der einheitli-
chen und gleichmäßigen Anwendung der Vergütungsordnung in gleichen und
vergleichbaren Fällen zu dienen.
Falle die Stufenzuordnung nicht unter den Mitbestimmungstatbestand der Ein-
gruppierung, so sei die Mitbestimmung aufgrund der Allzuständigkeit des Per-
sonalrats gegeben. Gerade der enge Zusammenhang der Stufenzuordnung mit
der Eingruppierung eröffne die Anwendung der Allzuständigkeit. Denn die Stu-
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fenzuordnung komme der Eingruppierung in ihrer Auswirkung auf die Dienst-
stelle und die Beschäftigten etwa gleich. Die Entwicklung der Gesetzgebung
seit Inkrafttreten des neuen Tarifvertrages stehe nicht entgegen, da die Frage
der Mitbestimmung bei der Stufenzuordnung nicht Gegenstand der gesetzge-
berischen Erörterung und Entscheidung gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des
Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuwei-
sen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt ebenso wie der Vertreter des Bundesinteresses das angefochtene
Urteil.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil be-
ruht auf der Verletzung revisiblen Rechts (Art. 99 GG i.V.m. § 137 Abs. 1 VwGO
und § 121 Abs. 2 RhPPersVG i.d.F. der Bekanntmachung vom 24. November
2000, GVBl S. 529, zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Oktober 2007, GVBl
S. 193). Es ist daher unter Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils
aufzuheben. Die bei Einstellungen vorzunehmende Stufenzuordnung innerhalb
der Entgeltgruppen gemäß § 16 Abs. 2 des Tarifvertrages für den öffentlichen
Dienst der Länder (TV-L) vom 12. Oktober 2006 i.d.F. des Ände-
rungstarifvertrages Nr. 1 vom 13. März 2008 unterliegt der Mitbestimmung des
Klägers bei Eingruppierung.
1. Nach § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 RhPPersVG bestimmt der Personalrat
bei Eingruppierung mit. Darunter ist die Einreihung des Arbeitnehmers in ein
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kollektives Entgeltschema zu verstehen (vgl. Beschlüsse vom 21. März 2005
- BVerwG 6 PB 8.04 - Buchholz 251.51 § 68 MVPersVG Nr. 1 S. 2 sowie vom
22. Oktober 2007 - BVerwG 6 P 1.07 - PersR 2008, 23 <25> unter Bezugnah-
me auf BAG, Beschluss vom 6. August 2002 - 1 ABR 49/01 - BAGE 102, 135
<141>).
a) Welches kollektive Entgeltschema im vorliegenden Fall anzuwenden ist, be-
stimmt sich nach dem TV-L. Denn von dessen Geltungsbereich werden die ab
1. November 2006 im Zuständigkeitsbereich des Beklagten eingestellten Ar-
beitnehmer erfasst (§ 1 TV-L). Die entgeltrelevanten Regelungen finden sich in
Abschnitt III des TV-L (§ 12 ff.). Danach erhält der Arbeitnehmer monatlich ein
Tabellenentgelt (§ 15 Abs. 1 Satz 1 TV-L). Die Höhe bestimmt sich nach der
Entgeltgruppe, in die er eingruppiert ist, und nach der für ihn geltenden Stufe
(§ 15 Abs. 1 Satz 2 TV-L).
b) Zweifelsfrei und zwischen den Beteiligten unstreitig ist, dass die Einreihung
des Arbeitnehmers in die Entgeltgruppe mitbestimmungspflichtige Eingruppie-
rung ist.
aa) Die Grundsätze über die Einordnung in die Entgeltgruppen werden künftig
in §§ 12, 13 TV-L im Zusammenhang mit der neuen Entgeltordnung geregelt.
Das maßgebliche Übergangsrecht enthält der Tarifvertrag zur Überleitung der
Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts
(TVÜ-Länder) vom 12. Oktober 2006 i.d.F. des Änderungstarifvertrages Nr. 1
vom 13. März 2008. Danach gelten die §§ 22, 23 BAT einschließlich der Vergü-
tungsordnung (Anlage 1a zum BAT) über den 31. Oktober 2006 hinaus fort.
Diese Regelungen finden auf ab dem 1. November 2006 neu eingestellte Ar-
beitnehmer nach Maßgabe des TVÜ-Länder Anwendung. An die Stelle des
Begriffs Vergütung tritt der Begriff Entgelt (§ 17 Abs. 1 TVÜ-Länder). Für Ein-
gruppierungen ab dem 1. November 2006 bis zum Inkrafttreten der neuen Ent-
geltordnung werden die Vergütungsgruppen der allgemeinen Vergütungsord-
nung (Anlage 1a zum BAT) gemäß Anlage 4 den Entgeltgruppen des TV-L zu-
geordnet (§ 17 Abs. 7 Satz 1 TVÜ-Länder).
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bb) Entsprechendes gilt für die angestellten Lehrkräfte, deren Interessen der
klagende Bezirkspersonalrat zu vertreten hat (§ 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
RhPPersVG). Hier ist allerdings zu beachten, dass nach Nr. 5 der Vorbemer-
kungen zu allen Vergütungsgruppen die Anlage 1a zum BAT für angestellte
Lehrkräfte grundsätzlich nicht gilt. Deswegen ist auch § 22 BAT nicht anwend-
bar (vgl. BAG, Urteile vom 30. September 2004 - 8 AZR 551/03 - juris Rn. 21
sowie vom 5. Juli 2006 - 4 AZR 555/05 - AP Nr. 103 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer
Rn. 23 ff.). Stattdessen gelten kraft einzelvertraglicher Vereinbarung die Richtli-
nien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder über die Eingruppierung der im
Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte (Lehrerrichtlinien). Die Lehrer-
richtlinien unterscheiden zwischen Lehrkräften, bei denen die fachlichen und
pädagogischen Voraussetzungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis
erfüllt sind („Erfüller“), und sonstigen Lehrkräften im Angestelltenverhältnis
(„Nichterfüller“). Bei den „Erfüllern“ ist nach Maßgabe von Abschnitt A der Leh-
rerrichtlinien zu fragen, welcher Besoldungsgruppe die Lehrkraft als Beamter
angehören würde, und sodann die entsprechende Zuordnung zur Vergütungs-
gruppe nach dem BAT vorzunehmen. Für die „Nichterfüller“ enthält Abschnitt B
der Lehrerrichtlinien im Einzelnen die Tätigkeitsmerkmale und die dazugehöri-
gen Vergütungsgruppen. Die Zuordnung zu den Entgeltgruppen des TV-L er-
folgt wiederum nach § 17 Abs. 7 Satz 1 TVÜ-Länder und Anlage 4 zum TVÜ-
Länder.
c) Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 TV-L bestimmt sich die Höhe des dem Arbeitnehmer
zustehenden Tabellenentgelts nicht nur nach der Entgeltgruppe, in die er
eingruppiert ist, sondern auch nach der für ihn geltenden Stufe. Grundsätzlich
umfassen die Entgeltgruppen 9 bis 15 fünf Stufen und die Entgeltgruppen 2
bis 8 sechs Stufen (§ 16 Abs. 1 Satz 1 TV-L). Die Entgeltgruppe 1 umfasst die
Stufen 2 bis 6 (§ 16 Abs. 4 TV-L). Wie sich das Zusammenspiel von Entgelt-
gruppen und Stufen auf das Tabellenentgelt für die Arbeitnehmer des Tarifge-
biets West auswirkt, ist für die Zeit ab 1. Januar 2008 aus der Anlage A 2 zum
TV-L zu ersehen (§ 15 Abs. 2 Satz 1 TV-L). Für die Stufenzuordnung bei Ein-
stellung bestimmt § 16 Abs. 2 TV-L:
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„Bei der Einstellung werden die Beschäftigten der Stufe 1
zugeordnet, sofern keine einschlägige Berufserfahrung
vorliegt. Verfügen Beschäftigte über eine einschlägige Be-
rufserfahrung von mindestens einem Jahr aus einem vor-
herigen befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis
zum selben Arbeitgeber, erfolgt die Stufenzuordnung unter
Anrechnung der Zeiten der einschlägigen Berufserfahrung
aus diesem vorherigen Arbeitsverhältnis. Ist die ein-
schlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr in
einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber
erworben worden, erfolgt die Einstellung in die Stufe 2,
beziehungsweise - bei Einstellung nach dem 31. Januar
2010 und Vorliegen einer einschlägigen Berufserfahrung
von mindestens drei Jahren - in Stufe 3. Unabhängig da-
von kann der Arbeitgeber bei Neueinstellungen zur De-
ckung des Personalbedarfs Zeiten einer vorherigen beruf-
lichen Tätigkeit ganz oder teilweise für die Stufenzuord-
nung berücksichtigen, wenn diese Tätigkeit für die vorge-
sehene Tätigkeit förderlich ist.“
Nach der eingangs erwähnten Definition ist Eingruppierung im Sinne des Mit-
bestimmungstatbestandes die Einreihung des Arbeitnehmers in ein kollektives
Entgeltschema. Diese Definition lässt es zu, die Stufenzuordnung, die bei ei-
nem einzustellenden Arbeitnehmer zugleich mit seiner Einordnung in die Ent-
geltgruppe vorzunehmen ist, als von der Eingruppierung mitumfasst anzusehen.
Sie legt dies sogar nahe, weil die Festlegung der Entgeltgruppe und die
Stufenzuordnung zusammen das Tabellenentgelt bestimmen. Erst das Zu-
sammenwirken beider Faktoren macht die Einreihung vollständig.
2. Die Begrifflichkeit des Tarifvertrages weist allerdings in die entgegengesetzte
Richtung. § 15 Abs. 1 Satz 2 TV-L ordnet den Begriff „eingruppiert“ ausschließ-
lich der Entgeltgruppe, nicht jedoch der Stufe zu. Dies muss jedoch die Einbe-
ziehung der Stufenzuordnung in die Mitbestimmung bei Eingruppierung nicht
hindern.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats bestehen zwar grundsätzlich keine
Bedenken dagegen, hinsichtlich der in den Mitbestimmungstatbeständen ver-
wandten Begriffe auf das Verständnis und die Definitionen gleichlautender Be-
griffe in den einschlägigen tarifvertraglichen und beamtenrechtlichen Vorschrif-
ten zurückzugreifen. Dies steht jedoch unter dem Vorbehalt des jeweils mit der
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Mitbestimmung verfolgten Gesetzeszwecks (vgl. Beschluss vom 12. September
2005 - BVerwG 6 P 1.05 - Buchholz 251.7 § 72 NWPersVG Nr. 34 Rn. 16
und 20). Soweit dieser es gebietet, muss bei der personalvertretungsrechtlichen
Beurteilung von dem tarifvertraglichen bzw. dienstrechtlichen Verständnis
abgewichen werden.
b) Freilich war die personelle Mitbestimmung nach den Personalvertretungsge-
setzen - insbesondere in Bezug auf Eingruppierung, Höher- und Rückgruppie-
rung sowie Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit -
sehr stark an den Begrifflichkeiten des BAT und der ihm nachgebildeten Tarif-
werke des öffentlichen Dienstes orientiert. Diese Tarifwerke hatten die Gesetz-
geber in Bund und Ländern bei der Regelung ihrer Personalvertretungsgesetze
vorgefunden. Wenn sie sich bei der Formulierung der Mitbestimmungstatbe-
stände der in den Tarifwerken verwandten Begriffe bedienten, so war mangels
anderweitiger Anhaltspunkte davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die
Begriffe in dem Sinne verwenden wollte, wie sie in den beteiligten Kreisen des
öffentlichen Dienstes allgemein verstanden wurden (vgl. BAG, Urteil vom
27. November 1991 - 4 AZR 29/91 - BAGE 69, 96 <100 f.> sowie Beschluss
vom 27. Juli 1993 - 1 ABR 11/93 - BAGE 74, 10 <24 f.>).
aa) Die traditionelle terminologische Harmonie zwischen Tarif- und Personal-
vertretungsrecht beeinträchtigte die Effizienz der Mitbestimmung bei Eingrup-
pierungen nicht. Bezog sich diese nach Maßgabe von § 22 BAT ausschließlich
auf die Einreihung in die Vergütungsgruppe der Vergütungsordnung, so war
damit doch die förmliche Beteiligung des Personalrats an derjenigen Arbeitge-
berentscheidung sichergestellt, durch welche die Höhe der Grundvergütung auf
der Grundlage auslegungsbedürftiger Merkmale wesentlich bestimmt wurde. Im
Gegensatz dazu war die Zuordnung zu den Lebensaltersstufen nach Maßgabe
von § 27 Abschnitt A BAT ein mehr oder weniger „mechanischer“ Vorgang; hier
war eine Richtigkeitskontrolle durch den Personalrat im Wege der Mitbestim-
mung nicht geboten, und für eine gelegentlich erforderliche Fehlerkorrektur
reichte die allgemeine Aufgabe nach § 69 Abs. 1 Nr. 2 RhPPersVG aus. Die
wesentliche Prägung der Grundvergütungshöhe durch die Einordnung in die
Entgeltgruppe - und damit zugleich die Beschränkung der Mitbestimmung bei
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Eingruppierung auf diesen Aspekt - wurde durch die 1990 eingeführte Vorweg-
gewährung von Lebensaltersstufen zur Deckung des Personalbedarfs nach
§ 27 Abschnitt C BAT nicht grundsätzlich in Frage gestellt (vgl. zur Gewährung
von „Ballungsraumzulagen“: BAG, Urteile vom 26. Mai 1994 - 6 AZR 955/93 -
AP Nr. 5 zu § 27 BAT und vom 25. Juli 1996 - 6 AZR 179/95 - BAGE 83, 338
sowie - 6 AZR 774/95 - BAGE 83, 348).
bb) Von einer begrifflichen und damit inhaltlichen Deckungsgleichkeit zwischen
Tarifrecht und Mitbestimmung kann aber nach Inkrafttreten des neuen Tarif-
rechts nicht mehr ohne Weiteres ausgegangen werden, mit welchem die Le-
bensaltersstufen durch ein leistungs- und qualifikationsorientiertes Stufensys-
tem abgelöst wurden. Namentlich die hier im Mittelpunkt stehende Regelung in
§ 16 Abs. 2 TV-L, welche die Anrechnung einschlägiger Berufserfahrungen ge-
bietet und die Berücksichtigung vorheriger förderlicher Berufstätigkeit gestattet,
macht deutlich, dass die Stufenzuordnung jetzt nicht mehr bloßer mechanischer
Annex der Einreihung in die Entgeltgruppe ist. Vielmehr kommt ihr nunmehr
eine wesentliche, eigenständige Bedeutung für die Bemessung der Grundver-
gütung zu. Während auf der Grundlage des alten Tarifrechts die auf die Einrei-
hung in die Vergütungsgruppe beschränkte Mitbestimmung bei der Eingruppie-
rung der Personalvertretung einen wesentlichen Einfluss auf die Bemessung
der Grundvergütung einräumte, würde eine Aussparung der Stufenzuordnung
nach neuem Tarifrecht diesen Einfluss wesentlich reduzieren.
Die Neuartigkeit des aktuellen Tarifrechts kann nicht unter Hinweis auf die be-
reits erwähnte Vorweggewährung von Lebensaltersstufen nach § 27 Ab-
schnitt C BAT geleugnet werden. Diese Regelung betraf nur einen - eher mar-
ginalen - Teilaspekt des alten Modells und findet seine Fortsetzung nicht in § 16
Abs. 2 TV-L, sondern allenfalls in § 16 Abs. 5 TV-L. Die Sätze 3 und 4 dieser
Bestimmung, welche die Stufenvorweggewährung als widerrufliche Zulage cha-
rakterisieren, zeigen zudem, dass für das System der Stufenzuordnung bei
Einstellung nach neuem Tarifrecht die Regelung in § 16 Abs. 2 TV-L dominant
ist.
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c) Haben sich somit die Voraussetzungen für die bisher angenommene De-
ckungsgleichheit von Tarifrecht und Mitbestimmung wesentlich verändert, so
kann bei der Frage, ob eine mitbestimmungspflichtige Eingruppierung vorliegt,
nicht mehr in derselben Weise wie bisher auf die Bezeichnung der einzelnen
Kategorien des Vergütungsschemas im Tarifvertrag abgestellt werden. Viel-
mehr muss zur Beantwortung dieser Frage in erster Linie auf den sachlichen
Hintergrund des vom Gesetzgeber eingeräumten Mitbestimmungsrechts und
auf den damit verfolgten Zweck zurückgegriffen werden. Maßgeblich ist also, ob
der Gesetzeszweck unter den veränderten Bedingungen des neuen Tarifrechts
die Einbeziehung der Stufenzuordnung in die Mitbestimmung erfordert. Diese
eine sachbezogene Fortentwicklung des Mitbestimmungstatbestandes
ermöglichende Betrachtungsweise liegt deswegen umso näher, weil auch das
bisherige und übergangsweise weiter geltende Tarifrecht hinsichtlich der für die
Eingruppierung maßgeblichen Tätigkeitsmerkmale (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1
BAT) keineswegs von einem engen Verständnis ausgeht, welches die Einbe-
ziehung personenbezogener Merkmale, wie sie nunmehr für die Stufenzuord-
nung charakteristisch ist, von vornherein ausschließt. So lautet Vergütungs-
gruppe I a Fallgruppe 1 a der Anlage 1a zum BAT: „Angestellte mit abge-
schlossener wissenschaftlicher Hochschulbildung und entsprechender Tätigkeit
sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer
Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, deren Tätigkeit sich durch
das Maß der damit verbundenen Verantwortung erheblich aus der Vergütungs-
gruppe I b Fallgruppe 1 a heraushebt.“ Schon daraus geht hervor, dass für die
Einordnung in die Vergütungsgruppe nicht nur die auszuübende Tätigkeit und
die damit verbundene Verantwortung, sondern auch die eingebrachte Qualifika-
tion und bisherige berufliche Erfahrungen maßgeblich sind. Es genügt, dies
anhand von zwei weiteren Beispielen zu verdeutlichen: „Fachärzte mit entspre-
chender Tätigkeit nach achtjähriger ärztlicher Tätigkeit in Vergütungsgruppe I b“
(Vergütungsgruppe I a Fallgruppe 4) sowie „Zahnärzte nach fünfjähriger zahn-
ärztlicher Tätigkeit“ (Vergütungsgruppe I b Fallgruppe 22). Folgerichtig stellt
§ 22 Abs. 2 Unterabs. 5 BAT klar: „Ist in einem Tätigkeitsmerkmal als Anforde-
rung eine Voraussetzung in der Person des Angestellten bestimmt, muss auch
diese Anforderung erfüllt sein.“
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Im Einklang damit wird in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wie-
derholt darauf hingewiesen, dass die in einer Vergütungsordnung festgelegte
Lohn- oder Gehaltsgruppe meist durch bestimmte Tätigkeitsmerkmale, biswei-
len aber auch durch Merkmale wie Lebensalter oder die Zeit der Berufstätigkeit
beschrieben ist (vgl. Beschlüsse vom 23. September 2003 - 1 ABR 35/02 -
BAGE 107, 338 <342>, vom 19. August 2004 - 8 ABR 40/03 - juris Rn. 30 und
- 8 ABR 52/03 - juris Rn. 12 sowie vom 26. Oktober 2004 - 1 ABR 37/03 -
BAGE 112, 238 <248>).
3. Sinn und Zweck der Mitbestimmung bei Eingruppierung erfordern die Einbe-
ziehung der Stufenzuordnung.
Nach ständiger Senatsrechtsprechung soll die Mitbestimmung bei der Eingrup-
pierung von Arbeitnehmern die Personalvertretung in den Stand setzen, mitprü-
fend darauf zu achten, dass die beabsichtigte Eingruppierung mit dem anzu-
wendenden Tarifvertrag oder dem sonst anzuwendenden Entgeltsystem im Ein-
klang steht. Sie soll der Personalvertretung Gelegenheit geben, auf die Wah-
rung des Tarifgefüges in der Dienststelle zu achten und damit zur Verwirkli-
chung des arbeitsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes innerhalb der Dienststelle
und innerhalb des dort angewendeten Entgeltsystems sowie zur Wahrung des
Friedens in der Dienststelle beizutragen. Im Interesse der betroffenen Arbeit-
nehmer soll verhindert werden, dass durch eine unsachliche Beurteilung im
Rahmen bestehender Auslegungsspielräume einzelne Arbeitnehmer bevorzugt,
andere dagegen benachteiligt werden (vgl. Beschluss vom 8. Dezember 1999
- BVerwG 6 P 3.98 - BVerwGE 110, 151 <160> = Buchholz 250 § 75 BPersVG
Nr. 100 S. 14 f. m.w.N.). In ähnlicher Weise besagt die Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts, dass die Beteiligung des Betriebsrats bei Eingruppie-
rung nach § 99 BetrVG der einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung der
Vergütungsordnung in gleichen und vergleichbaren Fällen und damit der inner-
betrieblichen Lohngerechtigkeit und der Transparenz der betrieblichen Vergü-
tungspraxis dient (vgl. Beschlüsse vom 31. Oktober 1995 - 1 ABR 5/95 - AP
Nr. 5 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung Bl. 1246 R sowie vom 2. April 1996
- 1 ABR 50/95 - AP Nr. 7 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung Bl. 1698). Die
den Vergütungsgruppen zugeordneten Merkmale sind oft sehr allgemein gehal-
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ten. Häufig werden unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet, deren Anwendung
im Einzelfall schwierig sein kann und die einen erheblichen Beurteilungsspiel-
raum eröffnen. Hier bietet die Mitbeurteilung des Personalrats eine größere
Gewähr für die Richtigkeit der Eingruppierung (vgl. BAG, Beschluss vom
26. Oktober 2004 a.a.O. S. 248).
Die genannten Gesichtspunkte sprechen dafür, die Mitbestimmung des Perso-
nalrats bei Eingruppierung auf alle bedeutsamen Parameter zu erstrecken, die
für den Kernbestandteil des tariflichen Entgelts maßgeblich sind. Die Richtig-
keitskontrolle bleibt unvollständig, wenn sie sich auf die Einreihung in die Ent-
geltgruppe beschränkt, andere für die Bemessung des Grundgehalts wesentli-
che Merkmale, bei denen ebenfalls ein Kontrollbedürfnis besteht, aber nicht
erfasst. Ist daher bei der Einstellung eines Arbeitnehmers neben der Einord-
nung in die Entgeltgruppe für die Bemessung des tariflichen Grundgehalts die
Zuordnung zu einer Stufe innerhalb der Entgeltgruppe vorzunehmen, so erge-
ben beide Vorgänge zusammen die mitbestimmungspflichtige Eingruppierung.
a) Das Tabellenentgelt nach § 15 TV-L ist der Kernbestandteil des tariflichen
Entgelts. Es unterscheidet sich von anderen Entgeltbestandteilen wie Leis-
tungsentgelt, Erschwerniszuschläge, Jahressonderzahlung und Entgeltfortzah-
lung im Krankheitsfall (§§ 18 ff. TV-L).
Für die Bemessung des Tabellenentgelts ist die Einordnung des Arbeitnehmers
in die Entgeltgruppe die strukturell wichtigste Entscheidung. Denn die höhere
Entgeltgruppe vermittelt bei gleicher Stufe stets ein höheres Entgelt als jede
niedrigere Entgeltgruppe.
Gleichwohl steht die Stufenzuordnung in ihrer Bedeutung dahinter nicht we-
sentlich zurück. Nach § 16 Abs. 1 TV-L umfassen die Entgeltgruppen bis zu
sechs Stufen. Die Arbeitnehmer erreichen die jeweils nächste Stufe nach be-
stimmten Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgelt-
gruppe bei ihrem Arbeitgeber; diese Stufenlaufzeit ist progressiv gestaffelt (§ 16
Abs. 3 Satz 1 TV-L). Bei der Einstellung werden die Arbeitnehmer der Stufe 1
zugeordnet, sofern keine einschlägige Berufserfahrung vorliegt (§ 16 Abs. 2
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Satz 1 TV-L). Werden dagegen Zeiten einschlägiger Berufserfahrung sowie
Zeiten vorheriger förderlicher Berufstätigkeit anerkannt, so rückt der Arbeit-
nehmer nach Maßgabe von § 16 Abs. 2 Satz 2 bis 4 TV-L in eine höhere Stufe
seiner Entgeltgruppe vor. Diese Entscheidung des Arbeitgebers bei der Einstel-
lung ist maßgeblich dafür, wie lange der Arbeitnehmer benötigt, um die Endstu-
fe seiner Entgeltgruppe zu erreichen. Zugleich wirkt sich diese Entscheidung
auf jede spätere Höhergruppierung des Arbeitnehmers aus, wie die Besitz-
standsregelung in § 17 Abs. 4 TV-L zeigt. Je höher der Arbeitnehmer in seiner
Entgeltgruppe eingestuft ist, umso höher fällt auch seine Einstufung in der neu-
en, höheren Entgeltgruppe aus. Die Entscheidung über die Einstufung des Ar-
beitnehmers in seiner Entgeltgruppe ist daher geeignet, die Höhe seines Ent-
gelts bis zum Ende seines Arbeitslebens zu bestimmen. Die stufenbezogenen
Größenunterschiede sind beachtlich: Wie aus der Anlage A 2 des TV-L hervor-
geht, liegt die Spannweite zwischen der Eingangsstufe und der Endstufe in den
Entgeltgruppen 2 bis 15 zwischen 500 € und 1 500 €. Auch die Intervalle zwi-
schen benachbarten Stufen derselben Entgeltgruppe erreichen und übersteigen
mitunter 500 €.
b) Die Regelungen in § 16 Abs. 2 Satz 2 und 3 TV-L machen die Einordnung in
eine höhere Stufe von Zeiten einschlägiger Berufserfahrung aus einem vorheri-
gen Arbeitsverhältnis abhängig. Diese unbestimmten Rechtsbegriffe versuchen
die Protokollerklärungen der Tarifvertragsparteien zu § 16 Abs. 2 TV-L zu kon-
kretisieren. So definiert Nr. 1 die einschlägige Berufserfahrung als eine berufli-
che Erfahrung in der übertragenen oder einer auf die Aufgabe bezogen ent-
sprechenden Tätigkeit, nach Nr. 2 gelten bestimmte Berufspraktika als Erwerb
einschlägiger Berufserfahrung und Nr. 3 enthält zeitliche Festlegungen zum
Bestehen eines vorherigen Arbeitsverhältnisses. Dadurch wird jedoch der Inter-
pretationsspielraum bei Anwendung der Regelung in § 16 Abs. 2 Satz 2 und 3
TV-L nicht wesentlich eingeengt. Es bleibt daher ein erhebliches Interesse an
einheitlicher und gleichmäßiger Handhabung, dem die Richtigkeitskontrolle des
Personalrats dient (ebenso Vogelgesang, ZfPR 2008, 47 <50 f.>; Kaiser, PersR
2008, 195 <196>; Kallenberg, ZfPR 2007, 20 <22>; Vaslet, PersR 2007, 145
<147 f.>).
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Das Mitbestimmungsrecht des Personalrats besteht unabhängig davon, ob dem
Arbeitgeber bei der Einstufung nach § 16 Abs. 2 Satz 2 und 3 TV-L ein gericht-
lich nicht überprüfbarer Beurteilungsspielraum zukommt. Auch in diesem Fall
verbleibt ein sinnvoller Bereich für die Kontrolle durch den Personalrat. Diese ist
geeignet, sachwidrigen Entscheidungen entgegenzuwirken. Dieser wichtige
Aspekt rechtfertigt schon allein seine Beteiligung (vgl. zur Personalratsbeteili-
gung im künstlerischen Bereich: Beschluss vom 9. Januar 2007 - BVerwG 6 P
6.06 - Buchholz 251.7 § 72 NWPersVG Nr. 36 Rn. 25).
c) Nach § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L kann der Arbeitgeber - unabhängig von den
Regelungen in § 16 Abs. 2 Satz 2 und 3 TV-L - bei Neueinstellungen zur De-
ckung des Personalbedarfs Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit ganz
oder teilweise für die Stufenzuordnung berücksichtigen, wenn diese Tätigkeit für
die vorgesehene Tätigkeit förderlich ist. Hier steht dem Arbeitgeber ein echter
Ermessensspielraum zu. Seinem Gestaltungsrecht entspricht das Recht des
Personalrats zur Mitgestaltung. Hat die Dienststelle - unter Beachtung des Mit-
bestimmungsrechts bei der Lohngestaltung nach § 80 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8
RhPPersVG - Grundsätze zur Anrechnung förderlicher Berufstätigkeit aufge-
stellt, so erstreckt sich die Mitbestimmung des Personalrats bei Eingruppierung
nach § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 RhPPersVG vor allem auf die Einhaltung
jener Grundsätze. Aber auch wenn der Arbeitgeber ohne Bindung an Richtlinien
von Fall zu Fall über die Anerkennung förderlicher Berufstätigkeit entscheidet,
so sind diese Entscheidungen im Interesse einer einheitlichen und gleichmäßi-
gen Entscheidungspraxis der Kontrolle des Personalrats im Wege der
Mitbestimmung zugänglich.
Schließlich bleibt für die Mitbestimmung des Personalrats auch in den Fällen
Raum, in denen die Dienststelle generell davon absieht, förderliche Berufstätig-
keit nach § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L anzurechnen. Auch in dieser Hinsicht unter-
liegt die Einstufung der Richtigkeitskontrolle durch den Personalrat, weil die
Unterscheidung zwischen einschlägiger Berufserfahrung, welche anzurechnen
die Dienststelle nach Maßgabe von § 16 Abs. 2 Satz 2 und 3 TV-L verpflichtet
ist, und förderlicher Berufstätigkeit, die zum Zwecke der Bedarfsdeckung nur im
Ermessenswege angerechnet wird, häufig nicht leicht zu treffen ist. Aber selbst
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wenn zwischen Dienststelle und Personalrat Einigkeit darüber besteht, dass
sich eine etwaige Anrechnung nach § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L beurteilt, kann der
Personalrat seine Beteiligung sinnvoll dadurch ausfüllen, dass er sachliche Ge-
sichtspunkte aufzeigt, welche die Einordnung des Arbeitnehmers in eine höhere
Stufe zu rechtfertigen vermögen.
4. Systematik und Entstehungsgeschichte der landesrechtlichen Regelung zur
Mitbestimmung bei entgeltrelevanten Maßnahmen bestätigen das Auslegungs-
ergebnis.
a) Nach § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2, Nr. 3 und Nr. 5 RhPPersVG ist die Mit-
bestimmung des Personalrats vorgesehen bei Eingruppierung, Höher- oder
Rückgruppierung, Zuordnung zu einer anderen Fallgruppe innerhalb derselben
Lohn- oder Vergütungsgruppe sowie bei dauernder oder vorübergehender
Übertragung einer Tätigkeit, die einen Anspruch auf Zahlung einer Zulage aus-
löst, und bei Widerruf einer solchen Übertragung. Diese Aufzählung gibt zu er-
kennen, dass der Gesetzgeber die wesentlichen entgeltrelevanten Maßnahmen
der Dienststelle der Mitbestimmung des Personalrats zuführen will. Diesem
Konzept entspricht es, die Mitbestimmung bei der Eingruppierung auf alle Pa-
rameter zu beziehen, die für die Festlegung des tariflichen Grundgehalts maß-
geblich sind.
Die Gesetzgebungsgeschichte zeigt eine Tendenz zur Vervollständigung der
Mitbestimmung bei entgeltrelevanten Maßnahmen. Erstmals das Personalver-
tretungsgesetz für das Land Rheinland-Pfalz vom 8. Dezember 1992, GVBl
S. 333, hat die Mitbestimmung beim Fallgruppenwechsel sowie bei Übertragung
einer zulagenpflichtigen Tätigkeit eingeführt. Damit hat der Landesgesetzgeber
in mitbestimmungsfreundlicher Weise die Konsequenzen gezogen aus einer
höchstrichterlichen Rechtsprechung, welche für eine dahingehende Beteiligung
des Personalrats nach dem herkömmlichen Bestand der personellen Mitbe-
stimmung keinen Raum gesehen hatte (vgl. Beschlüsse vom 14. Dezember
1962 - BVerwG 7 P 5.62 - BVerwGE 15, 215 <216>, vom 30. Januar 1979
- BVerwG 6 P 66.78 - BVerwGE 57, 260, vom 26. Juli 1979 - BVerwG 6 P
44.78 - Buchholz 238.3 A § 75 BPersVG Nr. 11 sowie vom 18. Dezember 1979
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- BVerwG 6 P 15.79 - Buchholz 238.3 A § 75 BPersVG Nr. 14); den mit einem
automatischen Zeitaufstieg verbundenen Fallgruppenwechsel hat der Senat
erst mit Beschluss vom 8. Oktober 1997 - BVerwG 6 B 5.95 - (BVerwGE 105,
241) der Mitbestimmung bei Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit
zugeführt. Es steht daher mit Willen und Tendenz des Gesetzgebers im
Einklang, wenn die entgeltrelevante Mitbestimmung auf Maßnahmen wie die
Stufenzuordnung erstreckt wird, die für die Bemessung des Kerngehalts des
tariflichen Entgelts bestimmend sind.
b) Gegen diese Wertung spricht nicht, dass der Landesgesetzgeber das Inkraft-
treten des TV-L nicht zum Anlass genommen hat, die Mitbestimmungskataloge
zu ergänzen.
aa) Die Anpassung des Landespersonalgesetzes an den TV-L in Art. 2 des
8. Landesgesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 20. März
2007, GVBl S. 59, erschöpfte sich darin, die Unterteilung der Arbeitnehmer in
Angestellte und Arbeiter insbesondere in §§ 4, 15 und 78 RhPPersVG auf-
zugeben. Eine tiefergehende materielle Durchdringung des neuen Tarifrechts
hat anlässlich der genannten Gesetzesänderung nicht stattgefunden. So wurde
an der Mitbestimmung beim Fallgruppenwechsel festgehalten, obwohl Bewäh-
rungs-, Fallgruppen- und Tätigkeitsaufstiege ab dem 1. November 2006 nicht
mehr stattfinden (§ 17 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 TVÜ-Länder); die Besitzstandsre-
gelungen in §§ 8, 9 TVÜ-Länder lösen keinen entsprechenden mitbestim-
mungspflichtigen Vorgang mehr aus.
bb) Zudem bestimmt § 3 RhPPersVG, dass durch Tarifvertrag das Personalver-
tretungsrecht nicht abweichend vom Landespersonalvertretungsgesetz geregelt
werden kann. Den Tarifvertragsparteien kommt somit keine Definitionshoheit
über die Mitbestimmungstatbestände zu. Diesem Rechtsgedanken widersprä-
che es grundlegend, wollte man den Gesetzgeber für verpflichtet halten, die
personalvertretungsrechtlichen Mitbestimmungskataloge jeweils an verändertes
Tarifrecht anzupassen.
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5. Soweit sich aus dem Senatsbeschluss vom 8. Dezember 1999 (a.a.O. S. 156
bzw. S. 12) ergibt, dass die Einreihung in ein Vergütungssystem nicht mitbe-
stimmungspflichtig ist, wenn für sie persönliche Merkmale maßgebend sind, ist
daran aus den genannten Gründen nicht festzuhalten. Weiter gültig sind die
Ausführungen im zitierten Senatsbeschluss zum Sinn und Zweck der Mitbe-
stimmung bei Eingruppierung. Diese aber gebieten die Einbeziehung der Stu-
fenzuordnung nach § 16 Abs. 2 TV-L in die Mitbestimmung bei Eingruppierung,
wie oben ausgeführt wurde.
Das Auslegungsergebnis steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bun-
desarbeitsgerichts zur Mitbestimmung des Betriebsrats bei Eingruppierung
nach § 99 BetrVG. Danach umfasst diese im Sinne einer Einheitlichkeit und
Vollständigkeit des Eingruppierungsvorgangs sämtliche Parameter, die für die
Bemessung des Tarifgehalts maßgebend sind, also z.B. die Einreihung in die
Vergütungsgruppe und in die Fallgruppe sowie die Festsetzung der Lebensal-
tersstufen (vgl. Beschlüsse vom 27. Juni 2000 - 1 ABR 36/99 - AP Nr. 23 zu
§ 99 BetrVG 1972 Eingruppierung Bl. 532 R, 533, vom 6. August 2002 - 1 ABR
49/01 - BAGE 102, 135 <141> sowie vom 19. August 2004 - 8 ABR 40/03 - juris
Rn. 30, 41 f., 55 und - 8 ABR 52/03 - juris Rn. 12, 24, 37).
6. Nach § 73 Abs. 1 RhPPersVG bestimmt der Personalrat in personellen An-
gelegenheiten mit, soweit nicht eine abschließende tarifvertragliche Regelung
besteht, die einen Beurteilungs- oder Ermessensspielraum ausschließt. Diese
Vorschrift steht der Mitbestimmung bei der Stufenzuordnung nach § 16 Abs. 2
TV-L nicht entgegen.
a) Nach ihrem Wortlaut könnte die Regelung in § 73 Abs. 1 RhPPersVG dahin
verstanden werden, dass die Mitbestimmung immer schon dann ausgeschlos-
sen ist, wenn die anzuwendende Tarifvertragsnorm den Dienststellenleiter bin-
det, ihm also weder Beurteilungs- noch Ermessensspielraum belässt. Dies ist
aber offensichtlich nicht gemeint. Andernfalls entfiele die Mitbestimmung bei der
Eingruppierung, die der vollen gerichtlichen Überprüfung durch die Arbeits-
gerichte unterliegt. Die Regelung in § 73 Abs. 1 RhPPersVG ist daher im Sinne
des klassischen Tarifvorrangs zu verstehen, wie er in allen Personalvertre-
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tungsgesetzen - zumeist im Kontext mit den Mitbestimmungskatalogen - vorge-
sehen ist. So wird es auch in der Kommentarliteratur zum rheinland-pfälzischen
Personalvertretungsgesetz gesehen (vgl. Jacobi/Küssner/Meerkamp, Personal-
vertretungsgesetz für Rheinland-Pfalz, § 73 Rn. 45 ff.; Ruppert/Lautenbach,
Personalvertretungsrecht Rheinland-Pfalz, § 73 Rn. 48).
b) Eine die Mitbestimmung des Personalrats ausschließende tarifliche Regelung
ist dann gegeben, wenn darin ein Sachverhalt unmittelbar geregelt ist, es also
zum Vollzug keines Ausführungsaktes bedarf. Eine solche Regelung besitzt
Ausschließlichkeitscharakter, weil sie vollständig, umfassend und erschöpfend
ist. Wenn jedoch aufgrund einer tariflichen Regelung die Ausgestaltung der
einzelnen Maßnahmen dem Dienststellenleiter überlassen ist, unterliegt dessen
Entscheidung - auch bei rein normvollziehenden Maßnahmen ohne Ermes-
sensspielraum - der Richtigkeitskontrolle des Personalrats im Wege der Mitbe-
stimmung (vgl. Beschluss vom 18. Mai 2004 - BVerwG 6 P 13.03 - BVerwGE
121, 38 <41> = Buchholz 251.0 § 79 BaWüPersVG Nr. 17 S. 2 f. m.w.N.).
c) Die Regelungen in § 16 Abs. 2 Satz 2 und 3 TV-L bedürfen des Vollzuges
durch den Dienststellenleiter. Sie enthalten unbestimmte Rechtsbegriffe, die
einen Wertungsspielraum eröffnen. Die Entscheidung des Dienststellenleiters
ist daher der Richtigkeitskontrolle durch den Personalrat zugänglich. § 16
Abs. 2 Satz 4 TV-L räumt als Ermessensbestimmung dem Dienststellenleiter
Gestaltungsspielraum ein, so dass der Tarifvorrang hier nicht eingreifen kann.
d) In diesem Zusammenhang nicht weiterführend ist der Hinweis des Beklagten
auf das Verfahren nach § 17 Abs. 2 Satz 4 bis 6 TV-L. Danach ist für die Bera-
tung von Beschwerden der Arbeitnehmer gegen eine Verlängerung der Stufen-
laufzeit eine Kommission zuständig, die von Dienststellenleitung und Personal-
rat paritätisch besetzt wird. Diese Regelung hat mit dem Tarifvorrang nichts zu
tun. Dieser greift ein, wenn der Gegenstand des gesetzlichen Mitbestimmungs-
rechts durch Tarifvertrag erschöpfend geregelt ist. Dies ist weder bei der hier
interessierenden Stufenzuordnung nach § 16 Abs. 2 TV-L noch bei der Verlän-
gerung der Stufenlaufzeit nach § 17 Abs. 2 TV-L der Fall, weil beide Maßnah-
men vollzugsfähig und -bedürftig sind. Eine andere Frage ist, ob der Tarifver-
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trag personalvertretungsrechtliche Fragen regeln kann. Dies ist - abweichend
von der Rechtslage für das Betriebsverfassungsrecht (§ 1 Abs. 1, § 3 Abs. 2
TVG) - nach § 3 RhPPersVG eindeutig zu verneinen. Die Regelungen in § 17
Abs. 2 Satz 4 bis 6 TV-L können daher eine etwaige Mitbestimmung bei der
Verlängerung der Stufenlaufzeit nicht ersetzen und noch weniger das Mitbe-
stimmungsrecht des Personalrats bei der Stufenzuordnung nach § 16 Abs. 2
TV-L verdrängen.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Dr. Bardenhewer Dr. Hahn Büge
Vormeier Dr. Bier
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes für das Revisionsverfahren wird auf 5 000 €
festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG).
Dr. Bardenhewer Büge Vormeier
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