Urteil des BVerwG vom 08.10.2007

Einheit, Luftwaffe, Abgrenzung, Anwendungsbereich

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
BVerwG 6 P 3.07
OVG 1 A 5145/05.PVB
In der Personalvertretungssache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Oktober 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Hahn, Büge, Vormeier und Dr. Bier
beschlossen:
Der Beschluss des Fachsenats für Bundespersonalvertre-
tungssachen des Oberverwaltungsgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen vom 13. Oktober 2006 sowie der
Beschluss der Fachkammer für Bundespersonalvertre-
tungssachen des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom
9. Dezember 2005 werden aufgehoben.
Die Wahl des Gesamtpersonalrats beim Einsatzführungs-
bereich 2 vom 13. und 14. Dezember 2004 wird in der
Gruppe der Soldaten für ungültig erklärt.
G r ü n d e :
I
Durch Organisationsbefehl Nr. 83/2004 (Lw) des Bundesministeriums der Ver-
teidigung wurde zum 1. Oktober 2004 der Einsatzführungsbereich 2 am Stand-
ort Erndtebrück aufgestellt. Seine Aufgabe besteht laut Stärke- und Ausrüs-
tungsnachweis (STAN) vom 15. Januar 2004 vor allem im Führen der ortsfesten
Luftwaffenkampfführungsanlage bei Einsätzen und Übungen im Rahmen des
Aufgabenspektrums der NATO und der EU sowie nationaler Vorgaben. Die der
Strukturebene 5 im Sinne der Anlage zur Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) 1/50
angehörende Dienststelle gliedert sich wie folgt: Stab des Einsatz-
führungsbereichs 2, Einsatzführungskompanie 21, Stabs- und Unterstützungs-
kompanie 22, Einsatzführungsausbildungsinspektion 23, Abgesetzter Techni-
scher Zug 241 und Abgesetzter Technischer Zug 242. Im Herbst 2004 leisteten
460 Soldaten und 88 Zivilbeschäftigte beim Einsatzführungsbereich 2 ihren
Dienst.
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Gemäß § 12 Abs. 2 BPersVG ist dem Einsatzführungsbereich 2 das Program-
mierzentrum der Luftwaffe für Luftverteidigung zugeteilt, in welchem im
Herbst 2004 zwei Zivilbeschäftigte und 38 Soldaten ihren Dienst leisteten. Am
11. Oktober 2004 beschlossen die Beschäftigten des Abgesetzten Technischen
Zuges 242 (Standort: Brakel) ihre personalvertretungsrechtliche Verselbststän-
digung.
Am 13. und 14. Dezember 2004 fand die Wahl zum Gesamtpersonalrat beim
Einsatzführungsbereich 2 statt. Zur Wahl zugelassen waren die Zivilbeschäftig-
ten des Einsatzführungsbereichs sowie die Zivilbeschäftigten und Soldaten des
Programmierzentrums. Das Wahlergebnis wurde am 16. Dezember 2004 be-
kanntgemacht.
Am 29. Dezember 2004 hat der Antragsteller wegen der Nichteinbeziehung der
Soldaten des Einsatzführungsbereichs die Wahl angefochten. Den Antrag, die
Wahl in der Gruppe der Soldaten für ungültig zu erklären, hat das Verwaltungs-
gericht abgelehnt. Die Beschwerde des Antragstellers hat das Oberverwal-
tungsgericht im Wesentlichen aus folgenden Gründen zurückgewiesen: Auch
ortsfeste militärische Dienststellen müssten als Einheiten angesehen werden,
wenn die sie prägenden Aufgaben - ähnlich den Verhältnissen in den kämpfen-
den Truppenteilen - vernünftigerweise nur von Soldaten wahrgenommen wür-
den. Die Aufgabenstellung des Einsatzführungsbereichs 2 sei maßgeblich von
Einsatzaufgaben geprägt, die für mobile Einheiten typisch seien. Insbesondere
das Anwenden von Maßnahmen des elektronischen Kampfes, das Überwachen
von Luftraumordnungsmaßnahmen, das Sicherstellen der Einsatzführung flie-
gender und bodengebundener Kräfte, das Leiten der Kampfführung zugeordne-
ter Flugabwehrraketenverbände, das Leiten von Abfangjägern sowie deren
Rückführung beträfen Aufgabenstellungen, die vernünftigerweise nur von Sol-
daten wahrgenommen werden könnten. Das in der Dienststelle zahlenmäßig
dominierende soldatische Element sei militärischer Notwendigkeit geschuldet.
Dass verschiedene Einrichtungen des Verbandes für sich, das heißt isoliert be-
trachtet, vom Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 SBG ausgeschlossen wären,
sei unschädlich. Die Zuordnung des Stabs eines Verbandes zum Bereich des
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§ 2 SBG lasse es nicht zu, abweichend davon einzelne Dienststellen oder Ein-
richtungen des Verbandes dem Bereich des § 49 Abs. 1 SBG zuzuordnen.
Der Antragsteller trägt zur Begründung seiner Rechtsbeschwerde vor: Die Be-
trachtung der Dienststelle anhand der Maßstäbe des § 2 Abs. 1 SBG müsse
von einer Einzelbetrachtung der Organisationselemente der Einheitsebene und
entsprechend ausgehen. Die Einsatzführungskompanie sei eine stationäre Ein-
richtung mit administrativen bzw. fachlichen Aufgaben. Dass sie aus Gründen
militärischer Zweckmäßigkeit ausschließlich mit Soldaten besetzt sei, beruhe
auf organisatorischen und haushälterischen Vorgaben. Ihre Soldaten seien für
ihre Tätigkeit zwingend angewiesen auf die Dienstleistungen und technischen
Daten, welche die übrigen mit Zivilpersonal besetzten Teile der Dienststelle er-
brächten. Die Stabs- und Unterstützungskompanie 22 sei eine ortsfeste Unter-
stützungseinrichtung. Sie stelle Personal für den Stab, sei beim Betrieb der Ka-
serne tätig und versorge die Dienststelle mit Material, Nachschub usw. Die
Einsatzführungsausbildungsinspektion sei eine ortsfeste Ausbildungseinrich-
tung, deren Stammpersonal unter § 49 Abs. 1 Satz 1 SBG falle. Die beiden Ab-
gesetzten Technischen Züge betrieben Radaranlagen, deren Aufgabe in der
Gewinnung und Bereitstellung von Luftraumdaten fliegender Objekte aller Art im
Erfassungsbereich bestehe. Auch der Stab des Einsatzführungsbereichs wähle
keine Vertrauensperson, weil es sich bei den ihm unterstellten Elementen aus-
nahmslos um stationäre Einrichtungen mit technischen, fachlichen oder admi-
nistrativen Aufgaben handele.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und die
Wahl zum Gesamtpersonalrat beim Einsatzführungsbe-
reich 2 vom 13. und 14. Dezember 2004 in der Gruppe der
Soldaten für ungültig zu erklären.
Der Beteiligte zu 2 beantragt,
die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluss.
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II
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist begründet. Der Be-
schluss des Oberverwaltungsgerichts beruht auf der unrichtigen Anwendung
von Rechtsnormen (§ 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 ArbGG).
Er ist daher - ebenso wie der durch ihn bestätigte erstinstanzliche Beschluss -
aufzuheben; da der Sachverhalt geklärt ist, entscheidet der Senat in der Sache
selbst (§ 96 Abs. 1 Satz 2 ArbGG i.V.m. § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 3 ZPO). Da-
nach ist die Wahl des Gesamtpersonalrats beim Einsatzführungsbereich 2 vom
13. und 14. Dezember 2004 in der Gruppe der Soldaten für ungültig zu erklä-
ren.
1. Der streitige Wahlanfechtungsantrag beurteilt sich nach § 25 BPersVG. Die
Anwendbarkeit dieser Vorschrift ergibt sich hier zwar nicht bereits aus § 1
BPersVG, weil die militärischen Dienststellen und Einrichtungen der Bundes-
wehr keine Verwaltungen des Bundes sind. Für die dort beschäftigten Beamten
und Arbeitnehmer gilt jedoch das Bundespersonalvertretungsgesetz (§ 70
Abs. 1 des Soldatengesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 14. Februar
2001, BGBl I S. 232; jetzt § 91 Abs. 1 des Soldatengesetzes i.d.F. der Be-
kanntmachung vom 30. Mai 2005, BGBl I S. 1482).
2. Der Antragsteller ist als in der Dienststelle vertretene Gewerkschaft nach
§ 25 BPersVG anfechtungsberechtigt.
a) Dies folgt hier schon daraus, dass dem Antragsteller Soldaten des Pro-
grammierzentrums der Luftwaffe für Luftverteidigung als Mitglieder angehören.
Hierbei handelt es sich um eine Dienststelle, in welcher die Soldaten eine Per-
sonalvertretung nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz wählen (§§ 48, 49
Abs. 1 Satz 1 des Soldatenbeteiligungsgesetzes - SBG - i.d.F. der Bekanntma-
chung vom 15. April 1997, BGBl I S. 766, und des Änderungsgesetzes vom
20. Dezember 2001, BGBl I S. 4013, i.V.m. ZDv 10/2 Anlage 4). Diese Dienst-
stelle ist gemäß § 12 Abs. 2 BPersVG dem Einsatzführungsbereich 2 zugeteilt,
so dass dessen Personalrat von den Soldaten des Programmierzentrums mit-
gewählt wird.
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b) Abgesehen davon ergibt sich die Anfechtungsbefugnis des Antragstellers
daraus, dass er unter den Soldaten des Einsatzführungsbereichs 2 selbst Mit-
glieder hat. Dass den Soldaten des Einsatzführungsbereichs 2 das Wahlrecht
zum dortigen Personalrat zusteht, macht der Antragsteller im vorliegenden Ver-
fahren mit beachtlichen Gründen geltend. Das reicht für seine Befugnis zur An-
fechtung der Wahl aus, zu welcher diese Soldaten nicht zugelassen waren.
3. Das Wahlanfechtungsbegehren des Antragstellers ist begründet. Wegen der
Nichteinbeziehung der Soldaten des Einsatzführungsbereichs 2 leidet die Ge-
samtpersonalratswahl vom 13. und 14. Dezember 2004 unter einem wesentli-
chen Wahlrechtsverstoß, welcher das Wahlergebnis in der Gruppe der Soldaten
beeinflusst haben kann.
a) Gemäß § 49 Abs. 1 Satz 1 SBG wählen Soldaten in anderen als den in § 2
Abs. 1 SBG genannten Dienststellen und Einrichtungen Personalvertretungen.
Die danach gebotene Abgrenzung will das Oberverwaltungsgericht anhand ei-
ner auf die „Gesamtdienststelle“ Einsatzführungsbereich 2 bezogenen Schwer-
punktbetrachtung vornehmen.
Eine solche Betrachtung hält das Oberverwaltungsgericht deswegen für erfor-
derlich, weil es der Grundkonzeption der §§ 48 ff. SBG widerspreche, wenn die
Soldaten innerhalb derselben Dienststelle im Sinne von § 6 BPersVG - hier des
Einsatzführungsbereichs 2 - nebeneinander sowohl von Vertrauenspersonen
als auch von Personalvertretungen vertreten würden. Daher sei, wenn eine
Dienststelle im Sinne von § 6 BPersVG unselbstständige Organisationselemen-
te umfasse, die bei isolierter Betrachtung nicht § 2 Abs. 1 SBG unterlägen, eine
Schwerpunktbetrachtung unumgänglich. Diese führe hier zu dem Ergebnis,
dass alle Soldaten im Einsatzführungsbereich 2 Vertrauenspersonen wählten.
Diesem durch den Dienststellenbegriff in § 6 BPersVG geprägten Prüfungsan-
satz des Oberverwaltungsgerichts kann nicht gefolgt werden.
Die Abgrenzung zwischen den Soldaten, die nach den Vorschriften des Solda-
tenbeteiligungsgesetzes Vertrauenspersonen wählen, und den Soldaten, die
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dem Anwendungsbereich des Bundespersonalvertretungsgesetzes unterfallen
(§ 48 SBG) und infolgedessen gemeinsam mit den Beamten und Arbeitneh-
mern der Dienststelle zum Personalrat wahlberechtigt sind, wird in § 49 Abs. 1
Satz 1 SBG durch Verweis auf § 2 Abs. 1 SBG vorgenommen. In § 2 Abs. 1
SBG werden die „Wahlbereiche“ umschrieben, in denen die Soldaten Vertrau-
enspersonen wählen. Da § 2 Abs. 1 SBG nicht nur militärische „Dienststellen
und Einrichtungen“, sondern auch Sonderwahlbereiche innerhalb solcher Insti-
tutionen aufzählt, ist § 49 Abs. 1 Satz 1 SBG streng genommen wie folgt zu
lesen: „In anderen als den in § 2 Abs. 1 genannten wählen Sol-
daten Personalvertretungen.“ (vgl. Beschluss vom 23. Juni 1999 - BVerwG 6 P
6.98 - Buchholz 252 § 2 SBG Nr. 2 S. 3 f.).
§ 2 Abs. 1 SBG ist im Vergleich zu § 49 Abs. 1 Satz 1 SBG die speziellere Vor-
schrift. Dies bedeutet, dass in erster Linie zu prüfen ist, ob die betreffenden
Soldaten einem Wahlbereich nach § 2 Abs. 1 SBG angehören und daher Ver-
trauenspersonen wählen. Soweit dies nicht der Fall ist, tritt die Rechtsfolge des
§ 49 Abs. 1 Satz 1 SBG ein, die den persönlichen Anwendungsbereich des
Bundespersonalvertretungsgesetzes auf Soldaten erweitert.
In welcher Organisationseinheit diejenigen Soldaten, die nicht gemäß § 2
Abs. 1 SBG Vertrauenspersonen wählen, gemeinsam mit den dort beschäftig-
ten Beamten und Arbeitnehmern eine Personalvertretung wählen, ergibt sich
nicht aus dem Soldatenbeteiligungsgesetz, sondern aus § 6 BPersVG. Der dort
verwendete Begriff der „Dienststelle“ stimmt nicht mit dem Begriffspaar „Dienst-
stellen und Einrichtungen“ in § 2 Abs. 1 SBG und erst recht nicht mit dem in
derselben Vorschrift verwendeten Begriff „Wahlbereiche“ überein. Deshalb ist
es möglich, dass die innerhalb einer Dienststelle im Sinne von § 6 BPersVG
tätigen Soldaten teilweise Vertrauenspersonen wählen und im Übrigen zum
Personalrat wahlberechtigt sind. Diese Möglichkeit ist die zwingende Folge der
Systematik des Soldatenbeteiligungsgesetzes und der unterschiedlichen Beg-
riffsinhalte in § 2 Abs. 1 SBG und in § 6 BPersVG und wird durch den Zweck
des § 2 Abs. 1 und der §§ 48, 49 Abs. 1 Satz 1 SBG bestätigt, die Vertretung
der Soldaten je nach ihrer - spezifisch militärischen oder sonstigen, d.h. der
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Tätigkeit anderer staatlicher Bediensteter angeglichenen - Verwendung unter-
schiedlich zu organisieren.
Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, wonach das Nebeneinander der
Vertretung von Soldaten durch Vertrauenspersonen einerseits und Personal-
vertretungen andererseits in „gemischtstrukturierten Dienststellen“ gegen die
Grundprinzipien des 4. Kapitels des Soldatenbeteiligungsgesetzes verstößt und
daher mittels einer Schwerpunktbetrachtung vermieden werden muss, trifft
demnach nicht zu. Das Oberverwaltungsgericht verkennt, dass der Dienststel-
lenbegriff nach § 6 BPersVG für die Vertretung der Soldaten nur insoweit Be-
deutung erlangt, als sie nicht zu den Wahlbereichen nach § 2 Abs. 1 SBG ge-
hören. Die Soldaten der Wahlbereiche nach § 2 Abs. 1 SBG gehören mithin
nicht der Dienststelle im Sinne von § 6 BPersVG an.
Ihre Interessen werden ausschließlich durch Vertrauenspersonen, Versamm-
lungen der Vertrauenspersonen auf der Verbands-, Kasernen- und Standort-
ebene (§ 32 SBG) und den Gesamtvertrauenspersonenausschuss beim Bun-
desministerium der Verteidigung (§ 35 SBG) vertreten. Demgegenüber erfolgt
die Interessenvertretung für die Soldaten außerhalb des Anwendungsbereichs
des § 2 Abs. 1 SBG durch die örtlichen Personalräte in den Dienststellen nach
§ 6 BPersVG, die Bezirkspersonalräte bei den militärischen Dienststellen der
Strukturebene 1 (§ 53 Abs. 2 SBG) und den Hauptpersonalrat beim Bundesmi-
nisterium der Verteidigung. Vertrauenspersonen- und Personalratsmodell sind
strikt voneinander getrennt. Schon wegen der fehlenden Deckungsgleichheit
von Wahlbereichen nach § 2 Abs. 1 SBG mit Dienststellen nach § 6 BPersVG,
aber auch wegen der völlig unterschiedlichen Ausgestaltung der mittleren Betei-
ligungsebene, bestehen keine parallelen Strukturen. Diese grundsätzliche Ver-
schiedenheit wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass Soldatenvertreter im
Personalrat in Soldatenangelegenheiten die Rechte der Vertrauensperson ha-
ben (§ 52 Abs. 1 Satz 1 SBG) und nach Maßgabe von § 32 Abs. 4 SBG zu den
Versammlungen der Vertrauenspersonen hinzutreten.
b) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SBG wählen die Soldaten Vertrauenspersonen in Ein-
heiten. Militärische Dienststellen sind Einheiten, wenn sie beweglich sind. Ist
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Mobilität gegeben, so ist unerheblich, ob der Kampfauftrag unmittelbar erfüllt
oder nur unterstützt wird. Durch ihre Mobilität stehen Einheiten nach § 2 Abs. 1
Nr. 1 SBG im Gegensatz zu stationären Einrichtungen mit administrativer,
technischer oder sonstiger fachlicher Aufgabenstellung (vgl. Beschlüsse vom
29. Oktober 2002 - BVerwG 6 P 5.02 - Buchholz 252 § 2 SBG Nr. 4 S. 29 f. und
vom 16. März 2006 - BVerwG 6 P 12.05 - Buchholz 449.7 § 2 SBG Nr. 5
Rn. 22).
Dass ortsfeste Dienststellen und Einrichtungen Einheiten sind, ist nicht völlig
ausgeschlossen. Dafür müssen aber besondere Voraussetzungen erfüllt sein.
aa) Der Gesichtspunkt der Einsatznähe ist nicht geeignet für die Abgrenzung
von Einheiten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SBG. Die Verwendung dieses unscharfen
Kriteriums ist mit nicht hinnehmbaren Nachteilen für die Rechtssicherheit ver-
bunden (Beschluss vom 29. Oktober 2002 a.a.O. S. 30).
bb) Ebenso wenig tauglich zur Abgrenzung ist die Bedeutung des militärischen
Auftrages für die jeweilige Dienststelle oder Einrichtung. Anderenfalls wäre nicht
verständlich, dass nach der Systematik des Soldatenbeteiligungsgesetzes die
Soldatengrade in den höchsten militärischen Dienststellen Personalvertre-
tungen wählen. Zudem lässt sich nur sehr schwer abschätzen, in welchem Um-
fang und mit welchem Gewicht die einzelne Dienststelle im Rahmen einer kom-
plexen arbeitsteiligen Militärorganisation zum Gelingen des Gesamtauftrages
beiträgt (vgl. Beschlüsse vom 29. Oktober 2002 a.a.O. S. 30 f., vom 23. Sep-
tember 2004 - BVerwG 6 P 2.04 - Buchholz 252 § 49 SBG Nr. 2 S. 13 ff. und
vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 34). Dass die Aufgabenstellung in den Dienst-
stellen und Einrichtungen der Streitkräfte militärisch relevant ist, gilt unabhängig
davon, ob es sich um Wahlbereiche nach § 2 Abs. 1 SBG handelt oder nicht.
Die Erfüllung militärischer Aufträge ist im Bereich der Streitkräfte (Art. 87a GG)
allen Dienststellen und Einrichtungen eigen (vgl. Beschluss vom 29. Oktober
2002 a.a.O. S. 32).
cc) Der Gesichtspunkt des unmittelbaren Feindkontakts ist ebenfalls nicht trag-
fähig. Der Kontakt zu Personen und Einrichtungen eines tatsächlich oder
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potenziell gegnerischen Staates ist als solcher nicht militäreigentümlich. Er ist
typisch sowohl für zivile als auch für militärische Nachrichtendienste, welche
das Bundesministerium der Verteidigung - wie den Militärischen Abschirmdienst
(MAD) - im Verzeichnis gemäß Anlage 4 zur ZDv 10/2 als Dienststelle nach
§ 49 Abs. 1 Satz 1 SBG bewertet (vgl. Beschluss vom 29. Oktober 2002 a.a.O.
S. 31).
dd) Ferner besitzt der hohe Soldatenanteil für die Beurteilung einer militärischen
Dienststelle als Einheit nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SBG keine entscheidende Aussa-
gekraft. Weder die Verfassung noch einfachgesetzliche Bestimmungen
enthalten materielle Vorgaben zur Größe des Soldatenanteils in den Dienststel-
len und Einrichtungen der Streitkräfte. Dort finden sich daher zahlreiche Funkti-
onen, die - vorbehaltlich haushaltsrechtlicher Festlegungen - wahlweise von
Soldaten, Beamten oder Arbeitnehmern wahrgenommen werden können (vgl.
Beschluss vom 29. Oktober 2002 a.a.O. S. 31; vgl. dazu ferner jetzt: Bundes-
haushaltsplan 2007 Kap. 14 S. 161 zu Nr. 3.3 „Wechselstellen“):
ee) Der Senat hat in seinen Beschlüssen vom 29. Oktober 2002 (a.a.O. S. 32)
sowie vom 16. März 2006 (a.a.O. Rn. 31 und 33) die Möglichkeit erwogen, auch
ortsfeste militärische Dienststellen als Einheiten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1
SBG anzusehen, wenn das dominierende soldatische Element militärischer
Notwendigkeit geschuldet ist. Dies könnte etwa dann anzunehmen sein, wenn
die die Dienststelle prägenden Aufgaben - ähnlich denjenigen eines kämpfen-
den Truppenteils - vernünftigerweise nur von Soldaten wahrgenommen werden
könnten. Gedacht war an militärtechnische Einrichtungen, die auf den Einsatz
von Soldaten ebenso angewiesen sind wie die kämpfenden Truppen.
(1) Durch die vorgenannte Erwägung sollten die Ausführungen zu denjenigen
Gesichtspunkten, welche die Anwendung des Vertrauenspersonenmodells nicht
gebieten, nicht relativiert werden. Darauf liefe es aber hinaus, wenn man mit
dem Oberverwaltungsgericht dieses Modell schon immer dann vorzöge, wenn
der dominierende soldatische Anteil in einer militärischen Dienststelle auf
Tradition beruhte. Auf diesen Gesichtspunkt hat der Senat beim Fernmelde-
sektor D der Luftwaffe, in welchem seinerzeit 520 Soldaten nur 26 Zivilbediens-
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tete gegenüberstanden (vgl. Beschluss vom 29. Oktober 2002 a.a.O. S. 31),
nicht abgestellt, und im Falle des Marinemusikkorps ist er dem Gedanken lan-
ger Militärtraditionen als Grundlage für eine bevorzugte Anwendung des Ver-
trauenspersonenmodells ausdrücklich entgegengetreten (vgl. Beschluss vom
16. März 2006 a.a.O. Rn. 34).
Für die Verknüpfung eines traditionell hohen Soldatenanteils in einer Dienststel-
le oder Einrichtung mit der Beteiligung durch Vertrauenspersonen ist bereits mit
dem Inkrafttreten des Soldatenbeteiligungsgesetzes vom 16. Januar 1991, spä-
testens aber mit dessen Novellierung auf Grund des Änderungsgesetzes vom
20. Februar 1997 die Grundlage entfallen. Die noch in § 1 Abs. 2 des Gesetz-
entwurfs vom 5. Juni 1990 vorgesehene Formulierung, die Beteiligung der Sol-
daten erfolge „regelmäßig“ durch Vertrauenspersonen bzw. deren Gremien und
nur „im Übrigen“ durch Personalvertretungen (BTDrucks 11/7323 S. 4), ist im
weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens einer Regelung gewichen, wel-
che der Gleichwertigkeit beider Modelle entspricht (vgl. BTDrucks 11/8336 S. 4;
§ 1 Abs. 2 SBG vom 16. Januar 1991, BGBl I S. 47). Dies hat der Gesetzgeber
im Februar 1997 mit der Neufassung des § 1 Abs. 2 SBG bekräftigt und dabei
ausdrücklich seine Absicht betont, die Gleichwertigkeit der unterschiedlichen
Vertretungsformen zu verdeutlichen (vgl. BTDrucks 13/5740 S. 16). Es kann
daher keine Rede davon sein, dass die Vertretung durch Personalräte grund-
sätzlich nicht dem Soldatentum entspricht.
(2) Leitbilder der Regelungen in § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SBG sind die mobilen
Einheiten des Heeres, die fliegenden Einheiten der Luftwaffe und die schwim-
menden Einheiten der Marine. Dementsprechend ist für die hier in Rede ste-
hende Abgrenzung die Art und Weise der soldatischen Tätigkeit entscheidend
(vgl. Beschlüsse vom 29. Oktober 2002 a.a.O. S. 31 f. und vom 16. März 2006
a.a.O. Rn. 24 und 33). Für die vorgenannten „klassischen“ Einheiten ist das
soldatische Element unverzichtbar. Die Vorstellung, Panzer, Kampfflugzeuge
oder Kriegsschiffe könnten im Einsatzfall ganz oder überwiegend mit Zivilbe-
schäftigten besetzt sein, verbietet sich. In dieser Hinsicht enthält das Gesetz
unausgesprochen eine Vorgabe, welche den Rechtsanwender bindet. Soll eine
ortsfeste militärische Dienststelle oder Einrichtung den Charakter einer Einheit
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haben, muss sie jenem Leitbild entsprechen. Dies ist dann der Fall, wenn sie
selbst unter Einsatz von Waffen in das Kampfgeschehen eingreift. Damit ist
eine Funktion beschrieben, für welche die Tätigkeit von Soldaten unersetzlich
ist. In diesem Fall ist es gerechtfertigt, die Soldaten einer ortsfesten Dienststelle
mit denen einer unterstützenden mobilen Einheit gleich zu behandeln, weil der
Waffeneinsatz die fehlende Beweglichkeit kompensiert. Dabei werden hier unter
Waffen solche Vorrichtungen verstanden, mittels derer - vergleichbar den
Geschützen der Artillerie, Jagdflugzeuge oder Kriegsschiffe - gegen feindliche
Truppenteile vorgegangen wird. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn eine
stationäre militärtechnische Einrichtung die kämpfenden Einheiten im Wege der
Übermittlung von Informationen unterstützt, und zwar auch dann nicht, wenn
dies zeitgleich mit dem Kampfgeschehen stattfindet, die mobilen kämpfenden
Einheiten mithin im unmittelbaren Kontakt mit der technischen Einrichtung
durch diese „geführt“ bzw. „geleitet“ werden. Auch in diesem Fall wird das Feh-
len der Mobilität, welche für die Abgrenzung maßgeblich ist, nicht kompensiert.
Die Situation der Soldaten, welche in einer derartigen militärtechnischen Ein-
richtung Dienst leisten, ist nicht mit derjenigen von Soldaten vergleichbar, die
als Infanteristen oder als Besatzungen von Panzern, Kampfflugzeugen oder
Kriegsschiffen unmittelbar in das Kampfgeschehen verwickelt sind. Die Einbe-
ziehung in das Kampfgeschehen ohne eigenen Einsatz von Waffen reicht für
die Gleichbehandlung mit den mobilen einsatzunterstützenden Einheiten nicht
aus. Für Soldaten, die an ortsfesten elektronischen oder sonstigen technischen
Systemen arbeiten, enthält das Soldatenbeteiligungsgesetz - ungeachtet der
besonderen militärischen Relevanz dieser Tätigkeit - keine Präferenz für die
Vertretung durch Vertrauenspersonen (vgl. Beschluss vom 29. Oktober 2002
a.a.O. S. 33).
(3) Auf die Gewährleistung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit kommt es
im hohen Maße an, wenn abzugrenzen ist, ob Soldaten Vertrauenspersonen o-
der Personalvertretungen wählen (vgl. Beschlüsse vom 23. Juni 1999 a.a.O.
S. 6, vom 23. Januar 2002 - BVerwG 6 P 2.01 - Buchholz 252 § 2 SBG Nr. 3
S. 22 und vom 29. Oktober 2002 a.a.O. S. 30). Die Gesichtspunkte der Einsatz-
führung und Einsatzunterstützung, die in der Bundeswehr zur Aufgabenbe-
schreibung militärischer Dienststellen häufig verwandt werden, entbehren we-
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gen ihrer inhaltlichen Komplexität der Genauigkeit, die das Wahlrecht verlangt.
Auf ihre Verwendung kann bei dem vom Senat als wesentlich anerkannten
Merkmal der Beweglichkeit verzichtet werden, weil so die kämpfenden ebenso
wie die sie unterstützenden mobilen Truppenteile Vertrauenspersonen wählen.
Selbst die exponierte militärische Bedeutung technischer Einrichtungen der
Streitkräfte bleibt im vorliegenden beteiligungsrechtlichen Zusammenhang un-
erheblich. Einen Grundsatz, dass Soldaten in militärisch bedeutsamen Dienst-
stellen und Einrichtungen durch Vertrauenspersonen vertreten werden, gibt es
nicht.
ff) Durch die Einbeziehung militärisch bedeutsamer technischer Dienststellen
und Einrichtungen der Streitkräfte in den Anwendungsbereich des § 49 Abs. 1
Satz 1 SBG wird deren Einsatzfähigkeit zur Erfüllung ihres speziellen verfas-
sungsrechtlichen Auftrages nicht in Frage gestellt (vgl. dazu im Einzelnen Be-
schluss vom 29. Oktober 2002 a.a.O. S. 33 ff.).
c) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 SBG wählen die Soldaten Vertrauenspersonen als
Teilnehmer an Lehrgängen, die länger als 30 Kalendertage dauern, an Schulen
oder vergleichbaren Einrichtungen der Streitkräfte. Im Umkehrschluss aus die-
ser Vorschrift und aus dem Vergleich mit anderslautendem früheren Recht er-
gibt sich, dass die Soldaten des Stammpersonals an Schulen und vergleichba-
ren Einrichtungen der Streitkräfte Personalvertretungen nach § 49 Abs. 1 Satz 1
SBG wählen (vgl. Beschlüsse vom 23. Juni 1999 a.a.O. S. 3 und vom
23. Januar 2002 a.a.O. S. 21). Bei den vergleichbaren Einrichtungen handelt es
sich um Dienststellen, zu deren wesentlichem Auftrag die Aus- und Fortbildung
von Soldaten für ihre militärischen Aufgaben gehört (vgl. Beschluss vom
19. Dezember 2006 - BVerwG 6 PB 12.06 - Buchholz 250 § 17 BPersVG Nr. 4
Rn. 13). Folgerichtig sind im Verzeichnis des Bundesministeriums der Verteidi-
gung gemäß Anlage 4 zur ZDv 10/2 aufgeführt: Schulen der Bundeswehr, des
Heeres, der Luftwaffe sowie der Marine, Kraftfahrausbildungskompanien Fahr-
simulator Kette, Kraftfahrausbildungszentren, Versorgungs- und Ausbildungs-
zentren, Sanitätsausbildungszentren, Gefechtsübungszentrum, Fliegerisches
Ausbildungszentrum der Luftwaffe, Luftwaffenausbildungskommando, Luftwaf-
fenausbildungsregimenter, Taktisches Aus- und Weiterbildungszentrum für
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Luftabwehrraketen der Luftwaffe, Ausbildungszentrum Schiffssicherung, Aus-
bildungszentrum U-Boote.
d) Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 SBG wählen die Soldaten Vertrauenspersonen in
Stäben der Verbände.
aa) Verbände im Sinne der vorbezeichneten Vorschrift sind sowohl Verbände
nach Nr. 111 der ZDv 1/50 - Zusammenfassung mehrerer Einheiten in der Stär-
ke eines Bataillons oder Regiments - als auch Großverbände nach Nr. 112 der
ZDv 1/50 - Zusammenfassung von verschiedenen Truppenteilen von der Stärke
einer Brigade an aufwärts (vgl. im Einzelnen Beschluss vom 23. Januar 2002
a.a.O. S. 11 ff.). Ein Verband im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 SBG ist auch dann
gegeben, wenn ihm nicht nur Einheiten und Verbände nach § 2 Abs. 1 Nr. 1
und 3 SBG, sondern auch Dienststellen und Einrichtungen angehören, die § 49
Abs. 1 Satz 1 SBG unterfallen. Am Verbandscharakter fehlt es dagegen, wenn
die fragliche Gliederungsform ausschließlich aus Dienststellen und Einrichtun-
gen nach § 49 Abs. 1 Satz 1 SBG zusammengesetzt ist (vgl. Beschluss vom
23. Januar 2002 a.a.O. S. 21 f.).
bb) Die Zusammenschau der Tatbestände in § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SBG ergibt,
dass der Verband beteiligungsrechtlich den Einheiten folgt, aus denen er zu-
sammengesetzt ist. Der Stab teilt wiederum das Schicksal des Verbandes, den
er führt. Ist daher die militärische Organisation, der der Stab zugeordnet ist, ein
Verband im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 SBG, so wählen die dem Stab angehö-
renden Soldaten eine Vertrauensperson. Auf die personelle Zusammensetzung
des Stabes und dessen Aufgaben in Einzelfällen kommt es nicht an (vgl. Be-
schluss vom 23. Januar 2002 a.a.O. S. 11).
cc) § 2 Abs. 1 Nr. 3 SBG kommt nicht zur Anwendung, wenn der fraglichen
Gliederungsform außer der der Unterstützung des Stabes dienenden Stabs-
kompanie ausschließlich Dienststellen und Einrichtungen nach § 49 Abs. 1
Satz 1 SBG angehören. Die Anwendung des Vertrauenspersonenmodells im
Stab ausschließlich davon abhängig zu machen, dass die Stabskompanie eine
Einheit nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SBG ist, verbietet sich wegen § 1 Abs. 5 der
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Wahlverordnung zum Soldatenbeteiligungsgesetz (SBGWV) vom 18. März
1997 (BGBl I S. 558). Danach wählen Soldaten, die einer Einheit angehören,
deren Aufgabe die Unterstützung eines Stabes ist, keine Vertrauensperson in
der Einheit, sondern zum Personalrat des Stabes, sofern dieser Stab eine
Dienststelle nach § 49 SBG ist und die Soldaten ständig in diesem Stab einge-
setzt sind. Diese Vorschrift liefe weitgehend leer, wenn die Zuordnung der
Stabskompanie den beteiligungsrechtlichen Charakter des Stabes bestimmte.
Ihr Anwendungsbereich beschränkte sich auf die wenigen Fälle, in denen die
Soldaten des Stabes auf Grund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung einen
Personalrat wählen (vgl. § 49 Abs. 1 Satz 2 SBG). Vielmehr entspricht es dem
bereits in der gesetzlichen Regelung des in § 2 Abs. 1 Nr. 3 SBG angelegten
Akzessorietätsgrundsatz, dass die Stabskompanie beteiligungsrechtlich das
Schicksal des sie führenden Stabes teilt.
4. Nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze ist zu beurteilen, ob die Solda-
ten in den Untergliederungen des Einsatzführungsbereichs 2 Vertrauensperso-
nen oder Personalvertretungen wählen. Die Prüfung ergibt, dass es sich weder
bei der Einsatzführungsausbildungsinspektion 23 noch bei der Einsatzfüh-
rungskompanie 21 um einen der Anwendung des § 49 Abs. 1 Satz 1 SBG ent-
zogenen Wahlbereich nach § 2 Abs. 1 SBG handelt. Daraus folgt zugleich, dass
für den Stab des Einsatzführungsbereichs 2 sowie für die Stabs- und Un-
terstützungskompanie 22 einschließlich der Abgesetzten Technischen Züge 241
und 242 dasselbe gilt.
a) Die Einsatzführungsausbildungsinspektion 23 ist eine Ausbildungseinrichtung
der Luftwaffe, so dass die Soldaten des Stammpersonals Personalvertretungen
wählen (§ 2 Abs. 1 Nr. 6, § 49 Abs. 1 Satz 1 SBG). Nach dem Stärke- und Aus-
rüstungsnachweis (STAN) vom 15. Januar 2004 besteht die Aufgabe der In-
spektion vor allem in der Durchführung lehrgangsgebundener Ausbildung in den
Bereichen Einsatzführungsdienst und Führungsdienstgeräteelektronik. Dieser
Auftrag dient der Ausbildung von Soldaten für ihre militärischen Aufgaben.
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b) Die Einsatzführungskompanie 21 ist keine Einheit nach § 2 Abs. 1 Nr. 1
SBG. Gemäß STAN vom 15. Januar 2004 lautet der Grad der Beweglichkeit:
„ortsfest“. Für die Prüfung, ob die Kompanie trotz ihrer fehlenden Mobilität den-
noch als Einheit zu betrachten ist, verdienen folgende Aufgaben laut STAN be-
sondere Hervorhebung: Leiten der Kampfführung zugeordneter Flugabwehrra-
ketenverbände, Leiten von Abfangjägern sowie deren Rückführung. Nach den
Erläuterungen, die der Beteiligte zu 2 im Schriftsatz vom 15. März 2006 (insbe-
sondere S. 10 ff.) dazu gegeben und auf die sich das Oberverwaltungsgericht
im angefochtenen Beschluss bezogen hat, gehören die beiden vorbezeichneten
Aufgaben zum Bereich „Waffeneinsatz“. Insofern gilt, dass Teamwork und Waf-
fensystemkenntnis Voraussetzung sind, um schnelle und richtige Entscheidun-
gen zu treffen und Jagdflugzeuge über große Entfernungen zu leiten (S. 12).
Diese Aufgaben sind eingebettet in den Betrieb der Radarflugmelde- und Leit-
zentrale (Control and Reporting Center - CRC), welche im Mittelpunkt des Auf-
trages des Einsatzführungsbereichs steht. Hier werden die mit Radargeräten
erfassten Flugziele ausgewertet und identifiziert, also ein Lagebild des Luft-
raums erstellt (Bereich „Luftlageerarbeitung“). Sollten Maßnahmen gegen be-
drohende Flugziele erforderlich werden, erfolgt auf Weisung vorgesetzter
Dienststellen aus dem CRC heraus der Einsatz von Jagdflugzeugen und Flug-
abwehrraketen (S. 10).
Indes sind die Jagdgeschwader und die Flugabwehrraketengeschwader weder
ganz noch teilweise organisatorischer Bestandteil des Einsatzführungsbereichs.
Diese Verbände gehören ebenso wie der Einsatzführungsbereich der Struktur-
ebene 5 im Sinne der Anlage zur ZDv 1/50 an und unterstehen wie dieser dem
Kommando der zuständigen Luftwaffendivision (vgl. Bundeshaushaltsplan 2007
Kap. 14 S. 23 Abschn. 3.2.1 „Bereich Luftwaffenführungskommando“). Die
Einsatzführungskompanie verfügt daher nicht selbst über Einheiten der Jagd-
flugzeug- und Flugabwehrraketenverbände, sondern sie initiiert und begleitet
deren Einsatz. In diesem Sinne sind die bei der Aufgabenbeschreibung ver-
wandten Begriffe „Führen“ und „Leiten“ zu verstehen. Der bewaffnete Einsatz
bleibt daher im Verantwortungsbereich jener Verbände, auch wenn die Kompa-
nie dafür im Rahmen ihres Aufgabenbereichs die unverzichtbaren militärischen
Grundlagen liefert. Trotz der zeitgleichen Einbeziehung in das Kampfgeschehen
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über den direkten Kontakt mit den Einheiten der Jagdflugzeuge und der
Flugabwehrraketen ist es nicht die Einsatzführungskompanie, die selbst zerstö-
rende Waffen gegen die in den Luftraum eingedrungenen feindlichen Flugob-
jekte richtet. Gerade für eine derartige Funktion ist aber der Einsatz von Solda-
ten nach dem in § 2 Abs. 1, § 49 Abs. 1 Satz 1 SBG deutlich gewordenen Leit-
bild unersetzlich.
Rechtfertigen daher die Aufgaben im Bereich „Waffeneinsatz“ die Bewertung
der Einsatzführungskompanie 21 als Einheit nicht, so gilt dies erst recht für ihre
Aufgaben im Bereich „Luftlageerarbeitung“, die dem Leitbild von den mobilen
Einheiten der Streitkräfte noch ferner stehen.
c) Die Abgesetzten Technischen Züge 241 und 242 sind einer selbstständigen
Überprüfung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SBG nicht zugänglich. Wie bereits ihre Be-
zeichnung zu erkennen gibt und aus den Anlagen 6 und 7 des Organisations-
befehls 83/2004 ersichtlich ist, handelt es sich um Gliederungsformen der
Strukturebene 8. Sie könnten allenfalls als Teileinheiten im Sinne von Nr. 110
der ZDv 1/50 eingestuft werden und sind daher nur zusammen mit derjenigen
Gliederungsform zu untersuchen, der sie unterstellt sind und mit der zusammen
sie möglicherweise einen Wahlbereich nach § 2 Abs. 1 SBG bilden. Dies gilt
unabhängig davon, ob im Einzelfall die Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 SBG
erfüllt sind, wonach in Teileinheiten mit weiter Entfernung vom Dienstort des zu-
ständigen Disziplinarvorgesetzten Vertrauenspersonen gewählt werden. Denn
die Anwendung dieser Vorschrift setzt voraus, dass insgesamt ein Wahlbereich
nach § 2 Abs. 1 SBG vorliegt.
Nach den Anlagen 6 und 7 des Organisationsbefehls unterstehen beide Züge
dem Einsatzführungsbereich 2. Sie teilen daher beteiligungsrechtlich das
Schicksal des Stabes.
d) Der Stab erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 3 SBG, weil der
Einsatzführungsbereich 2 kein Verband ist. Denn die beiden unterstellten
Gliederungsformen, auf die es insoweit allein ankommt, nämlich die Einsatzfüh-
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rungskompanie 21 und die Einsatzführungsausbildungsinspektion 23, sind kei-
ne Wahlbereiche nach § 2 Abs. 1 SBG.
e) Da die Soldaten des Stabes somit eine Personalvertretung wählen, gilt für
die Soldaten der Stabs- und Unterstützungskompanie 22 dasselbe (§ 1 Abs. 5
SBGWV).
5. Wie aus dem Vorstehenden hervorgeht, wählen die Soldaten in allen Unter-
gliederungen des Einsatzführungsbereichs 2 Personalvertretungen. Sie haben
daher das Wahlrecht zum Gesamtpersonalrat beim Einsatzführungsbereich 2
(§ 53 Abs. 2, §§ 55, 56 BPersVG). Bei diesem handelt es sich um die nach § 6
BPersVG maßgebliche Dienststelle, worüber zwischen den Beteiligten kein
Streit besteht.
Die Nichteinbeziehung der Soldaten des Einsatzführungsbereichs 2 in die Wahl
des Gesamtpersonalrats vom 13. und 14. Dezember 2004 verstößt somit gegen
§ 2 Abs. 1 und § 49 Abs. 1 Satz 1 SBG und damit gegen wesentliche Vor-
schriften über das Wahlrecht. Dass dieser Wahlrechtsverstoß das Wahlergeb-
nis in der Gruppe der Soldaten beeinflusst haben kann, liegt auf der Hand (§ 51
Abs. 2 SBG i.V.m. §§ 16, 17 BPersVG).
Dr. Bardenhewer Dr. Hahn Büge
Vormeier Dr. Bier
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