Urteil des BVerwG vom 08.11.2011

Übertragung, Mitbestimmungsrecht, Einreihung, Gleichbehandlung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
BVerwG 6 P 24.10
OVG 16 A 1098/09.PVL
In der Personalvertretungssache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. November 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge, Vormeier, Dr. Bier
und Dr. Möller
beschlossen:
Der Beschluss des Fachsenats für Landespersonalvertre-
tungssachen des Oberverwaltungsgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen vom 6. Oktober 2010 wird aufgeho-
ben.
Die Sache wird zur neuen Anhörung und Entscheidung an
das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
G r ü n d e :
I
Der Arbeitnehmer M. H. war seit 2. Juni 1997 beim Universitätsklinikum Düs-
seldorf im Transportdienst beschäftigt. Am 26. Mai 2008 wurde er zum Lager
umgesetzt; er tauschte dabei den Arbeitsplatz mit dem Arbeitnehmer M. U. Da-
von unterrichtete der Beteiligte den Antragsteller mit Schreiben vom 20. Mai
2008. Daraufhin machte der Antragsteller mit Schreiben vom 27. Mai 2008 ein
Mitbestimmungsrecht bei Eingruppierung geltend. Dem trat der Beteiligte im
Schreiben vom 26. Juni 2008 unter Hinweis darauf entgegen, dass das Herrn
H. übertragene Aufgabenprofil derselben Wertigkeit wie das bisherige entspre-
che.
Der Antragsteller hat sodann das Verwaltungsgericht angerufen. Den dort ge-
stellten Antrag auf Feststellung,
dass die Eingruppierung des Arbeitnehmers M. H. aus An-
lass seiner Umsetzung vom Transportdienst zum Lager
das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers verletzt hat,
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hilfsweise, dass die Übertragung der neuen Tätigkeit im
Lager auf den Arbeitnehmer M. H. der Mitbestimmung des
Antragstellers bei Eingruppierung unterliegt,
hat das Verwaltungsgericht abgelehnt.
Die Beschwerde des Antragstellers hat das Oberverwaltungsgericht aus folgen-
den Gründen zurückgewiesen: Eine Eingruppierung im Sinne des Mitbestim-
mungstatbestandes liege nicht vor, wenn ein bereits beschäftigter Arbeitnehmer
auf einen anderen Arbeitsplatz umgesetzt werde, die dort zu verrichtende Tä-
tigkeit bereits unter Beteiligung der Personalvertretung eingruppiert worden sei
und die Umsetzung bei dem Beschäftigten zu keinem Wechsel in der Entgelt-
gruppe bzw. -stufe führe. Es bestehe kein Anlass, die Mitbestimmung bei jedem
Wechsel der Person, welcher die Dienststelle den Arbeitsplatz zuweise, erneut
durchzuführen. An der für die Eingruppierungsentscheidung in erster Linie
maßgeblichen Tätigkeit ändere sich dadurch nichts. Eine Eingruppierung liege
bei der Umsetzung auf einen bereits bewerteten Arbeitsplatz nur vor, wenn
zugleich eine Entscheidung über die Stufenzuordnung getroffen werde. Ein wei-
tergehendes Verständnis der Eingruppierung laufe der in § 72 Abs. 1 Satz 1
Nr. 5 NWPersVG zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Entschei-
dung zuwider, die Mitbestimmung bei der Umsetzung von Beschäftigten inner-
halb der Dienststelle auf die dort näher beschriebenen Fallgestaltungen zu be-
grenzen.
Der Antragsteller trägt zur Begründung seiner Rechtsbeschwerde vor: Die Mit-
bestimmung bei Eingruppierung sei ein typischer Fall begleitender Richtigkeits-
kontrolle. Mit der Eingruppierung werde nicht vornehmlich ein bestimmter Ar-
beitsplatz dem jeweils geltenden kollektiven Entgeltschema zugeordnet. Im
Vordergrund stünden vielmehr der Arbeitnehmer und seine Tätigkeit, weil sich
die Zuordnung zum Entgeltschema auf das ihm zustehende Entgelt auswirke.
Die Eingruppierung sei auch aus Anlass einer mitbestimmungsfreien Umset-
zung im Wege der Mitbestimmung zu überprüfen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
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die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und nach
seinen dort gestellten Anträgen zu erkennen.
Der Beteiligte beantragt,
die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochten Beschluss.
II
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist begründet. Der Be-
schluss des Oberverwaltungsgerichts beruht auf der unrichtigen Anwendung
von Rechtsnormen (§ 79 Abs. 2 NWPersVG i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 ArbGG).
Er ist daher aufzuheben; die Sache ist zur neuen Anhörung und Entscheidung
an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 96 Abs. 1 Satz 2 ArbGG
i.V.m. § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Ob die Zuweisung eines Ar-
beitsplatzes im Lager am 26. Mai 2008 an den bisher im Transportdienst be-
schäftigten Arbeitnehmer M. H. der Mitbestimmung des Antragstellers bei Ein-
gruppierung unterlag, vermag der Senat anhand der bisherigen Feststellungen
des Oberverwaltungsgerichts nicht abschließend zu beurteilen.
1. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts ist der Hauptantrag zuläs-
sig. Das Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben. Der Senat lässt in seiner Ent-
scheidungspraxis sowohl Anträge auf Feststellung zu, dass das Mitbestim-
mungsrecht durch die Maßnahme des Dienststellenleiters verletzt ist, als auch
Anträge auf Feststellung, dass an der Maßnahme ein Mitbestimmungsrecht be-
steht. Für beide Varianten des „konkreten“ Feststellungsbegehrens ist aller-
dings erforderlich, dass es rechtlich und tatsächlich möglich ist, die Maßnahme
rückgängig zu machen. Ist dies der Fall und ist die Maßnahme unter Missach-
tung von Mitbestimmungsrechten ergangen, so besteht eine objektiv-rechtliche
Pflicht zur Rückgängigmachung. Zugleich hat der Personalrat einen gerichtlich
durchsetzbaren Anspruch auf Nachholung des Mitbestimmungsverfahrens (vgl.
Beschlüsse vom 18. Mai 2004 - BVerwG 6 P 13.03 - BVerwGE 121, 38 <39 f.>,
insoweit bei Buchholz 251.0 § 79 BaWüPersVG Nr. 17 nicht abgedruckt, vom
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23. August 2007 - BVerwG 6 P 7.06 - Buchholz 251.4 § 86 HmbPersVG Nr. 13
Rn. 10, vom 2. Februar 2009 - BVerwG 6 P 2.08 - Buchholz 251.2 § 85
BlnPersVG Nr. 16 Rn. 11 und vom 14. Juni 2011 - BVerwG 6 P 10.10 - juris
Rn. 9 ff.). Im vorliegenden Fall kann die anlässlich des Arbeitsplatzwechsels
zum 26. Mai 2008 etwa vorgenommene Eingruppierung geändert werden, wenn
ein etwa nachzuholendes Mitbestimmungsverfahren dies ergibt.
2. Da das streitige Begehren an den Arbeitsplatzwechsel zum 26. Mai 2008 an-
knüpft, beurteilt sich dessen Begründetheit noch anhand der Bestimmungen
des nordrhein-westfälischen Personalvertretungsgesetzes in der Fassung von
Art. I des Gesetzes zur Änderung personalvertretungsrechtlicher und schul-
rechtlicher Vorschriften vom 9. Oktober 2007, GV.NRW. S. 394.
3. Rechtsgrundlage ist hier § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Alt. 1 NWPersVG. Danach
hat der Personalrat mitzubestimmen in Personalangelegenheiten bei Eingrup-
pierung.
a) Unter Eingruppierung im Sinne des vorbezeichneten Mitbestimmungstatbe-
standes ist die Einreihung des Arbeitnehmers in ein kollektives Entgeltschema
zu verstehen. Ein solches Entgeltschema zeichnet sich dadurch aus, dass es
die Zuordnung der Arbeitnehmer nach bestimmten, generell beschriebenen
Merkmalen vorsieht. Meist erfolgt die Zuordnung nach bestimmten Tätigkeits-
merkmalen, bisweilen aber auch nach anderen Kriterien, wie etwa dem Le-
bensalter oder der Dauer der Dienststellenzugehörigkeit (vgl. Beschlüsse vom
27. August 2008 - BVerwG 6 P 11.07 - BVerwGE 131, 383 = Buchholz 251.6
§ 65 NdsPersVG Nr. 1 Rn. 9, vom 27. Mai 2009 - BVerwG 6 P 9.08 - BVerwGE
134, 83 = Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 108 Rn. 8 und 7. März 2011
- BVerwG 6 P 15.10 - juris Rn. 12).
b) Die Eingruppierung wie auch die darauf bezogene Mitbestimmung des Per-
sonalrats ist vom Gedanken der Tarifautomatik beherrscht. Danach ergibt sich
die richtige Einreihung des Arbeitnehmers durch Subsumtion der auszuüben-
den Tätigkeit, Qualifikation und beruflichen Erfahrung unter die abstrakt-
generellen Merkmale der in der Dienststelle angewandten Entgeltordnung (vgl.
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Beschlüsse vom 13. Oktober 2009 - BVerwG 6 P 15.08 - Buchholz 251.0 § 76
BaWüPersVG Nr. 8 Rn. 28 und vom 7. März 2011 a.a.O. Rn. 31). Der Arbeit-
nehmer wird nicht eingruppiert, er ist eingruppiert. Die Entscheidung des
Dienststellenleiters, den Arbeitnehmer einer bestimmter Entgeltgruppe zuzu-
ordnen, ist daher nicht konstitutiver, sondern deklaratorischer Natur (vgl. Be-
schluss vom 8. Dezember 1999 - BVerwG 6 P 3.98 - BVerwGE 110, 151
<162>, insoweit bei Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 100 nicht abgedruckt;
Fischer/Goeres/Gronimus, in: GKÖD Bd. V, K § 75 Rn. 19; Altvater, in:
Altvater/Baden/Kröll/Lemcke/Peiseler, Bundespersonalvertretungsgesetz,
7. Aufl. 2011, § 75 Rn. 37; Kaiser, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertre-
tungsrecht, 3. Aufl. 2008, § 75 Rn. 37).
Streng genommen ist damit den Anforderungen des Maßnahmebegriffs, der
den Mitbestimmungsverfahren nach § 66 Abs. 1 NWPersVG zugrunde liegt,
nicht im vollem Umfang Rechnung getragen. Dieser Begriff stellt auf Handlun-
gen und Entscheidungen ab, die den Rechtsstand der Beschäftigten berühren
und auf eine Änderung des bestehenden Zustandes abzielen (vgl. Beschluss
vom 5. November 2010 - BVerwG 6 P 18.09 - juris Rn. 11 m.w.N.). Die konstitu-
tive Änderung wird durch den Akt des Dienststellenleiters bewirkt, mit welchem
er dem Arbeitnehmer eine bestimmte Tätigkeit überträgt. Dieser Übertragungs-
akt löst im Wege der Automatik die Einreihung des Arbeitnehmers in das anzu-
wendende kollektive Entgeltschema aus. Die aus Anlass der Übertragung
- ausdrücklich oder konkludent - verlautbarte Zuordnung des Arbeitnehmers
durch den Dienststellenleiter ist die Maßnahme, die § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
NWPersVG der Mitbestimmung bei Ein-, Höher- und Herabgruppierung unter-
zieht. Damit geht zwingend einher, dass der Maßnahmebegriff hier auf eine de-
klaratorische Folgeentscheidung zu beziehen. Anderenfalls würde die Mitbe-
stimmung bei Ein-, Höher- und Herabgruppierung vollständig leer laufen. Der
Maßnahmebegriff in seinem sonst üblichen strengen Sinne ist daher kein taug-
licher Maßstab, um mitbestimmungspflichtige Einreihungen von Arbeitnehmern
im Falle der Zuweisung eines neuen Arbeitsplatzes auf Fälle zu begrenzen, in
denen der Dienststellenleiter zu einer Höher- oder Herabgruppierung gelangt.
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c) Im Rahmen der Mitbestimmung in Personalangelegenheiten nach § 72
Abs. 1 Satz 1 NWPersVG gilt das Prinzip der Trennung von personaler Status-
und Verwendungsentscheidung einerseits und tarifrechtlicher Tätigkeitszuord-
nung andererseits (vgl. Beschlüsse vom 8. Dezember 1999 a.a.O. S. 159 f.
bzw. S. 14 und vom 11. November 2009 - BVerwG 6 PB 25.09 - Buchholz
251.92 § 67 SAPersVG Nr. 2 Rn. 15). Die Mitbestimmung in den beiden ge-
nannten Bereichen verfolgt unterschiedliche Ziele. Kern der Mitbestimmung bei
Einstellung sowie bei Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden
Tätigkeit nach § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 4 Alt. 4 NWPersVG ist die Kon-
trolle der Auswahlentscheidung und damit die gerechte Personalauslese. We-
sentlicher Inhalt der Mitbestimmung bei Ein-, Höher- und Herabgruppierung ist
dagegen die richtige Bezahlung (vgl. Beschlüsse vom 13. Oktober 2009 a.a.O.
Rn. 59 ff. und vom 17. Mai 2010 - BVerwG 6 P 7.09 - Buchholz 251.6 § 65
NdsPersVG Nr. 2 Rn. 15). Folgerichtig kann der Personalrat seine Mitbestim-
mungsrechte in der Weise wahrnehmen, dass er der Einstellung des Arbeit-
nehmers zustimmt, der vom Dienststellenleiter beabsichtigten Eingruppierung
dagegen widerspricht (vgl. Beschluss vom 22. Oktober 2007 - BVerwG 6 P
1.07 - Buchholz 251.92 § 67 SAPersVG Nr. 1 Rn. 20 ff.). Die Mitbestimmung
bei Ein-, Höher- und Herabgruppierung ist unabhängig davon, ob eine korres-
pondierende, ihrerseits mitbestimmungspflichtige Status- oder Verwendungs-
entscheidung des Dienststellenleiters vorliegt. Letzteres ist z.B. bei der korrigie-
renden Höhergruppierung nicht der Fall. Die Frage, ob die Zuweisung eines
neuen Arbeitsplatzes an einen Arbeitnehmer unter Eingruppierungsgesichts-
punkten mitbestimmungspflichtig ist, ist daher losgelöst davon zu beantworten,
ob die Umsetzung des Arbeitnehmers überhaupt oder nur unter bestimmten
Voraussetzungen der Mitbestimmung unterliegt (vgl. § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5
Alt. 2 NWPersVG in der hier noch anwendbaren Fassung einerseits und § 72
Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Alt. 2 und 3 NWPersVG i.d.F. von Art. I des Gesetzes zur
Änderung des Landespersonalvertretungsgesetzes und des WDR-Gesetzes
vom 5. Juli 2011, GV.NRW. S. 348, andererseits).
d) Weist der Dienststellenleiter einem Arbeitnehmer einen neuen Arbeitsplatz
zu, so sind unter Eingruppierungsgesichtspunkten drei verschiedene Alternati-
ven denkbar: Höhergruppierung, Herabgruppierung oder Bestätigung der bishe-
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rigen Eingruppierung. Die beiden ersten Varianten sind zweifelsohne mitbe-
stimmungspflichtig (§ 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Alt. 2 und 3 NWPersVG). In diesen
Fällen kann das Mitbestimmungsverfahren den Entscheidungsvorschlag des
Dienststellenleiters bestätigen. Es kann aber auch dazu führen, dass die Höher-
bzw. Herabgruppierung sich als unrichtig erweist und es deswegen bei der bis-
herigen Eingruppierung verbleibt. Unterstellt man die Mitbestimmungspflichtig-
keit auch der dritten Variante, so kann das Mitbestimmungsverfahren die Bestä-
tigung der bisherigen Eingruppierung ergeben. Sein Resultat kann aber auch
sein, dass die bisherige Eingruppierung auf dem neuen Arbeitsplatz sich als
unzutreffend erweist und der Arbeitsnehmer höher- oder herabzugruppieren ist.
Es zeigt sich, dass alle drei Varianten gleichwertig sind, wenn man neben der
Entscheidungsabsicht des Dienststellenleiters das denkbare Ergebnis des Mit-
bestimmungsverfahrens in die Betrachtung einbezieht. Schon diese abstrakte
systematische Erwägung spricht dafür, alle drei Varianten mit Blick auf das Mit-
bestimmungsrecht des Personalrats gleich zu behandeln.
e) Mehr noch erscheint eine solche Gleichbehandlung dann geboten, wenn
man auf die Eigenart der Mitbestimmung bei Eingruppierung und deren Sinn
und Zweck abstellt.
Die Eingruppierung ist ein Akt strikter Rechtsanwendung. Die Mitbestimmung
des Personalrats bei Eingruppierung ist kein Mitgestaltungs- sondern ein Mitbe-
urteilungsrecht. Sie soll sicherstellen, dass die Rechtsanwendung möglichst
zutreffend erfolgt. Sie soll die Personalvertretung in den Stand setzen, mitprü-
fend darauf zu achten, dass die beabsichtigte Eingruppierung mit dem anzu-
wendenden Tarifvertrag im Einklang steht. Im Interesse der betroffenen Arbeit-
nehmer soll verhindert werden, dass durch eine unsachliche Beurteilung im
Rahmen bestehender Auslegungsspielräume einzelne Arbeitnehmer bevorzugt,
andere dagegen benachteiligt werden. Auf diese Weise dient die Mitbestim-
mung bei der Eingruppierung der einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung
der Entgeltordnung in gleichen und vergleichbaren Fällen und damit der Lohn-
gerechtigkeit und Transparenz der Entgeltpraxis in der Dienststelle (vgl. Be-
schlüsse vom 27. August 2008 a.a.O. Rn. 25, vom 13. Oktober 2009 a.a.O.
Rn. 36 und vom 7. März 2011 a.a.O. Rn. 25). Diese Grundsätze gelten ebenso
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in den Fällen der Höher- und Herabgruppierung, in denen der Arbeitnehmer in
eine höhere oder niedrigere Entgeltgruppe als der bisherigen eingeordnet wer-
den soll (vgl. Beschluss vom 13. Oktober 2009 a.a.O. Rn. 49 und 52 ff.).
Weist der Dienststellenleiter dem Arbeitnehmer einen neuen Arbeitsplatz zu, so
besteht ein Bedürfnis dafür, dass die Einordnung in die in der Dienstelle gelten-
de Entgeltordnung zutreffend erfolgt. Die Richtigkeitskontrolle des Personalrats,
die der Gesetzgeber gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Alt. 1 bis 3 NWPersVG für
geboten hält, kommt unabhängig davon zu tragen, ob der Dienststellenleiter
beabsichtigt, die bisherige Entgeltgruppe zu ändern oder zu bestätigen. Seine
Entscheidung ist zunächst nur vorläufiger Natur. Sie kann sich in allen denkba-
ren Varianten im Rahmen des Mitbestimmungsverfahrens als richtig oder falsch
erweisen. Die Gesichtspunkte der Gleichbehandlung und Transparenz, über
deren Einhaltung der Personalrat zu wachen hat, wirken auf die Richtigkeit des
Ergebnisses hin. Diese Zielvorstellung wird zu einem wesentlichen Teil verfehlt,
wenn die vom Dienststellenleiter als „eingruppierungsneutral“ gewerteten Vor-
gänge der Kontrolle des Personalrats entzogen werden.
f) Bei diesem Verständnis der Mitbestimmung bei Eingruppierung läuft die Mit-
bestimmung bei Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätig-
keiten sowie bei Höher- und Herabgruppierung nicht leer. Unterrichtet der
Dienststellenleiter im Rahmen des Mitbestimmungsverfahrens den Personalrat
in den vorbezeichneten Fällen von seiner Absicht, den Arbeitnehmer in der bis-
herigen Entgeltgruppe zu belassen (§ 66 Abs. 2 Satz 1 NWPersVG), so wird
der Personalrat die Zustimmung verweigern, wenn er davon überzeugt ist, dass
der Arbeitnehmer richtigerweise höher zu gruppieren ist (§ 66 Abs. 3 Nr. 1
NWPersVG). Schließt sich der Dienststellenleiter dieser Auffassung an, so wird
er seine Mitbestimmungsvorlage zurückziehen und den Personalrat sodann bei
Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit und Höhergruppierung betei-
ligen. Entsprechendes gilt, wenn es auf einer höheren Ebene des Mitbestim-
mungsverfahrens (Stufenverfahren, Einigungsstellenverfahren) zu einer Eini-
gung kommt. Das Letztentscheidungsrecht der zuständigen Stelle bleibt unbe-
rührt (§ 66 Abs. 7 Satz 3, § 68 NWPersVG). Zweifelsfrei findet die Mitbestim-
mung bei Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit so-
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wie bei Höher- oder Herabgruppierung statt, wenn der Dienststellenleiter sol-
ches von vornherein beabsichtigt.
g) Eine mitbestimmungspflichtige Neueingruppierung findet nicht schon dann
statt, wenn dem Arbeitnehmer neue Aufgaben übertragen werden. Die Verän-
derung des Aufgabenkreises muss vielmehr wesentlich sein. Zur Abgrenzung
bedarf es keines Rückgriffs auf die Grundsätze zu § 95 Abs. 3, § 99 Abs. 1
Satz 1 und 2 BetrVG (vgl. Beschluss vom 8. Dezember 1999 a.a.O. S. 163, in-
soweit bei Buchholz a.a.O. nicht abgedruckt; BAG, Beschlüsse vom 21. März
1995 - 1 ABR 46/94 - AP Nr. 4 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung Bl. 161 R
und vom 13. März 2007 - 1 ABR 22/06 - AP Nr. 52 zu § 95 BetrVG 1972
Rn. 33). Vorzuziehen ist ein personalvertretungsrechtlicher Ansatz, der auf den
Inhalt des Umsetzungsbegriffs abstellt. Die Umsetzung von Arbeitnehmern ist in
fast allen Personalvertretungsgesetzen - zumeist unter einschränkenden Vor-
aussetzungen wie Dauer und Dienstortwechsel - als Mitbestimmungstatbestand
ausgestaltet. Der Begriffsinhalt ist in Rechtsprechung und Literatur geklärt, so
dass das mögliche und nötige Maß an Rechtssicherheit erreicht werden kann.
Umsetzung eines Arbeitnehmers ist danach die Zuweisung eines anderen Ar-
beitsplatzes. Darunter fällt der komplette Austausch des bisherigen Tätigkeits-
bereichs. Es reicht aber auch aus, dass der neue Arbeitsplatz durch wesentli-
che Änderungen im Aufgabenbereich eine neue, andere Prägung aufweist (vgl.
Beschlüsse vom 18. Dezember 1996 - BVerwG 6 P 8.95 - Buchholz 251.7 § 72
NWPersVG Nr. 24 S. 3, vom 22. Juli 2003 - BVerwG 6 P 3.03 - Buchholz 251.7
§ 72 NWPersVG Nr. 30 S. 44 und vom 30. März 2009 - BVerwG 6 PB 29.08 -
Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 107 Rn. 28; Altvater, a.a.O. § 75 Rn. 63; Re-
hak, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, Bundespersonalver-
tretungsgesetz, § 75 Rn. 57 und 57a; Ilbertz/Widmaier, Bundespersonalvertre-
tungsgesetz, 11. Aufl. 2008, § 75 Rn. 22; Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein,
Das Personalvertretungsrecht in Nordrhein-Westfalen, § 72 Rn. 194 und 199).
Liegt eine Umsetzung in dem beschriebenen Sinne vor, so ist wegen der erheb-
lichen Veränderung im übertragenen Arbeitsbereich eine Überprüfung der Ein-
gruppierung unvermeidlich. Wird deren Ergebnis ausgesprochen, so ist dies die
mitbestimmungspflichtige Maßnahme. Anderenfalls liegt in der Weiterzahlung
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des bisherigen Entgelts konkludent die Eingruppierung (vgl. Beschluss vom
8. Dezember 1999 a.a.O. S. 162, insoweit bei Buchholz a.a.O. nicht abge-
druckt). Indiziellen Charakter hat, wenn der Dienststellenleiter den Arbeitsplatz-
wechsel zum Anlass nimmt, den Arbeitnehmer in eine andere Fallgruppe der-
selben Entgeltgruppe einzuordnen; in diesem Fall ist bei deutlich verändertem
Aufgabenkreis von einer mitbestimmungspflichtigen Neueingruppierung auszu-
gehen. Solches ist zu verneinen, wenn bei nicht erheblicher Aufgabenverände-
rung die alte und die neue Fallgruppe deutliche Sachnähe aufweisen.
h) Die Mitbestimmung bei Eingruppierung aus Anlass der Zuweisung eines
neues Arbeitsplatzes ist unabhängig davon anzuerkennen, ob dieser Arbeits-
platz bereits einmal von der Dienststelle unter Beteiligung des Personalrats be-
wertet worden ist (offen gelassen im Beschluss vom 8. Dezember 1999 a.a.O.
S. 161 bzw. S. 15).
Die Eingruppierung ist, wie dem Einleitungssatz in § 72 Abs. 1 Satz 1
NWPersVG zu entnehmen ist, eine mitbestimmungspflichtige Personalangele-
genheit. Sie betrifft daher den einzelnen Arbeitnehmer unmittelbar in seinem
Arbeitsverhältnis. Nicht der Arbeitsplatz als personenunabhängiger räumlich-
technischer Bereich wird eingruppiert, sondern der Arbeitnehmer mit der ihm
übertragenen Tätigkeit (vgl. BAG, Beschluss vom 21. März 1995 a.a.O.
Bl. 162). Dagegen fehlt es bei einer Arbeitsplatzbewertung bereits an einer den
Rechtsstand des Arbeitnehmers berührende Maßnahme (vgl. Beschlüsse vom
6. Februar 1979 - BVerwG 6 P 20.78 - Buchholz 238.3 A § 75 BPersVG Nr. 9
S. 59 f. und vom 5. Oktober 2011 - BVerwG 6 P 19.10 - juris Rn. 14).
Bei der Einstellung wie bei der Übertragung einer höher oder niedriger zu be-
wertenden Tätigkeit findet die Mitbestimmung bei Eingruppierung bzw. Höher-
oder Herabgruppierung auch dann statt, wenn der fragliche Arbeitsplatz in frü-
heren Mitbestimmungsfällen Gegenstand der Bewertung durch Dienststelle und
Personalrat war. Der Gesetzgeber hält die Beteiligung des Personalrats bei der
Eingruppierung aus in der Person des Arbeitnehmers gegebenem Anlass stets
für geboten, weil es sich bei der Eingruppierung um diejenige entgeltrelevante
Maßnahme handelt, welche für den Arbeitnehmer von größter Bedeutung ist.
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Nicht anders liegt es bei der Zuweisung eines neuen Arbeitsplatzes im Wege
der Umsetzung. Dadurch wird in der Person des Arbeitnehmers eine neue Ein-
gruppierungssituation geschaffen und damit die Frage seiner richtigen Eingrup-
pierung erneut aufgeworfen.
i) Der zitierte Senatsbeschluss vom 8. Dezember 1999 ist in der Kommentarlite-
ratur zum Bundespersonalvertretungsgesetz überwiegend auf Zustimmung ge-
stoßen (vgl. Rehak, a.a.O. § 75 Rn. 30b ff.; Altvater, a.a.O. § 75 Rn. 36;
Ilbertz/Widmaier, a.a.O. § 75 Rn. 8; Kaiser, a.a.O. § 75 Rn. 39). Der abwei-
chenden Auffassung in Teilen von Rechtsprechung und Literatur (vgl. OVG
Magdeburg, Beschluss vom 30. August 2000 - A 5 S 6/99 - juris; OVG Berlin-
Brandenburg, Beschluss vom 7. April 2011 - 62 PV 6.10 - juris; Fischer/
Goeres/Gronimus, a.a.O., K § 75 Rn. 20; Goeres, PersV 2004, 9; Vogelgesang,
PersV 2005, 326 <333>) vermag der Senat aus den vorgenannten Gründen
nicht zu folgen. Am Senatsbeschluss vom 8. Dezember 1999 wird daher mit der
Maßgabe festgehalten, dass die Mitbestimmung bei Eingruppierung aus Anlass
der Zuweisung eines neuen Arbeitsplatzes auch dann stattfindet, wenn dieser
Arbeitsplatz bereits einmal unter Beteiligung des Personalrats bewertet worden
ist.
4. In Ansehung der vorstehenden Grundsätze gilt im vorliegenden Fall folgen-
des:
a) Der Arbeitnehmer M. H. ist am 1. November 2006 nach Maßgabe der Be-
stimmungen des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in
den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder) vom
12. Oktober 2006 in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-
L) vom 12. Oktober 2006 übergeleitet worden. Im Zeitpunkt des Arbeitsplatz-
wechsels zum 26. Mai 2008 erhielt er ein Tabellenentgelt, dessen Höhe sich
nach Entgeltgruppe 4 und nach der für ihn geltenden Stufe bestimmte (§ 15
Abs. 1 TV-L). War der Arbeitplatzwechsel mit einer erheblichen Veränderung
des Aufgabenkreises verbunden, so hat eine Neueingruppierung stattgefunden,
die sich in drei Schritten vollzog: Da zu diesem Zeitpunkt die neue Entgeltord-
nung noch nicht in Kraft getreten war - damit ist nunmehr zum 1. Januar 2012
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zu rechnen -, waren noch §§ 1, 2 Abs. 1 des Tarifvertrages über das Lohngrup-
penverzeichnis der Länder zum MTArb (TV Lohngruppen-TdL) einschließlich
des Lohngruppenverzeichnisses in Anlage 1 anzuwenden (§ 17 Abs. 1 TVÜ-
Länder). Der Arbeitnehmer war somit in einem ersten Schritt in diejenige Lohn-
gruppe des Lohngruppenverzeichnisses einzureihen, welche für die neu auszu-
übende Tätigkeit maßgebend war. Diese Lohngruppe war sodann in einem
zweiten Schritt den Entgeltgruppen des TV-L zuzuordnen (§ 17 Abs. 7 Satz 1
sowie Anlage 4 TVÜ-Länder). Schließlich war in einem dritten Schritt die für den
Arbeitnehmer geltende Stufe festzulegen (§ 16 Abs. 1 und 3, § 17 TV-L).
b) Das Oberverwaltungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folge-
richtig - keine Feststellung dazu getroffen, ob der Arbeitsplatzwechsel mit einer
Umsetzung im beschriebenen personalvertretungsrechtlichen Sinne verbunden
war. Dies wird nunmehr nachzuholen sein, wobei die Angaben im Schriftsatz
des Beteiligten vom 12. November 2008 sowie im Anhörungstermin des Verwal-
tungsgerichts vom 2. April 2009 zu würdigen und ggf. weitere Ermittlungen vor-
zunehmen sind. Ergänzend wird mit dem Beteiligten abzuklären sein, in welche
Lohngruppe und welche Fallgruppe des Lohngruppenverzeichnisses der Ar-
beitnehmer vor und nach dem Arbeitsplatzwechsel eingereiht war. Sollte der
Beteiligte den Arbeitsnehmer einer anderen Fallgruppe zugeordnet haben, so
kann diesem Umstand indizielle Bedeutung für die Annahme einer erheblichen
Veränderung des Aufgabenkreises zukommen, so dass von einer mitbestim-
mungspflichtigen Neueingruppierung auszugehen ist.
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