Urteil des BVerwG vom 23.11.2010

Leiter, Rüge, Mitbestimmung, Vergleich

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
BVerwG 6 P 2.10
OVG 16 A 1340/08.PVL
In der Personalvertretungssache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. November 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge, Vormeier, Dr. Bier und
Dr. Möller
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten gegen den Be-
schluss des Fachsenats für Landespersonalvertretungs-
sachen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nord-
rhein-Westfalen vom 21. Dezember 2009 wird zurückge-
wiesen.
G r ü n d e :
I
Mit Schreiben vom 3. März 2008 bat der Antragsteller den Beteiligten um Zu-
stimmung zur Einführung einer neuen Dienstzeitregelung im Bereich des Pfle-
gepersonals. Da der Beteiligte beabsichtigte, der Maßnahme nicht zuzustim-
men, bat er um Erörterung. Im Erörterungstermin vom 3. April 2008 wies er drei
Beschäftigte zurück, die der Antragsteller hinzuziehen wollte. An dieser Auffas-
sung hielt der Beteiligte im Schreiben vom 9. April 2008 unter Hinweis auf die
seit Oktober 2007 veränderte Rechtslage fest.
Das Begehren des Antragstellers auf Feststellung, dass der Beteiligte verpflich-
tet ist, an den Erörterungsgesprächen gemäß § 66 Abs. 2 NWPersVG weitere
sachkundige Mitarbeiter teilnehmen zu lassen, hat das Verwaltungsgericht ab-
gelehnt. Auf die Beschwerde des Antragstellers hat das Oberverwaltungsgericht
festgestellt, dass der Beteiligte verpflichtet ist, die Teilnahme von für Personal-
und Organisationsangelegenheiten zuständigen Beschäftigten an Erörte-
rungsgesprächen gemäß § 66 Abs. 2 Satz 5 und 6 NWPersVG zu dulden. Zur
Begründung hat es ausgeführt: Der Personalrat sei nach dem Gebot der ver-
trauensvollen Zusammenarbeit verpflichtet, sachkundige Bedienstete auf Seiten
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des Dienststellenleiters im Erörterungsgespräch zu dulden. Solle die Erörterung
als Teil des Mitbestimmungsverfahrens effektiv sein, so sei der Wunsch des
Dienststellenleiters nach Hinzuziehung von sachkundigen Bediensteten aus
verwaltungspraktischen Erfordernissen regelmäßig unabweisbar. In Erörte-
rungsverfahren gehe es oft um Einzelheiten, mit denen der Dienststellenleiter
wegen seiner Inanspruchnahme durch Leitungsaufgaben nicht vertraut sein
könne. Verhandlungen mit dem Willen zur Einigung zielten vielfach auf Kom-
promisse ab. Solche könne der Dienststellenleiter verantwortlich aber nur
schließen, wenn er die Voraussetzungen und die Folgen seines Handelns
überblicke. Angesichts der arbeitsteiligen Organisation einer spezialisierten Be-
hördenverwaltung sei er hierzu in aller Regel auf die Mitwirkung seiner fachlich
zuständigen Mitarbeiter angewiesen. Allerdings dürfe er nicht jeden beliebigen
Mitarbeiter zu dem Erörterungsgespräch hinzuziehen, um die Vertraulichkeit
des Gesprächs und der Atmosphäre, in der es eingebettet sein solle, nicht mehr
als unvermeidbar zu beeinträchtigen. Bei der Grenzziehung könne auf die
gesetzgeberische Wertung in § 63 Satz 4 NWPersVG zurückgegriffen werden.
Dementsprechend dürfe der Dienststellenleiter zu den Erörterungsgesprächen
nur die für Personal- und Organisationsangelegenheiten zuständigen Beschäf-
tigten hinzuziehen. Er werde dabei darauf Bedacht zu nehmen haben, dass es
sich um Beschäftigte der Leitungsebene handele, die dem in § 8 NWPersVG
genannten Personenkreis zumindest nahe kämen.
Der Beteiligte trägt zur Begründung seiner Rechtsbeschwerde vor: Der Fach-
senat des Oberverwaltungsgerichts sei bei seiner Entscheidung nicht ord-
nungsgemäß besetzt gewesen. Abgesehen davon könne der angefochtene
Beschluss in der Sache keinen Bestand haben. Da das Oberverwaltungsgericht
die Zulassung sachkundiger Beschäftigter zur Erörterung nur unter der ein-
schränkenden Voraussetzung bejaht habe, dass diese der Leitungsebene zu-
mindest nahe kämen, hätte es das Begehren des Antragstellers nach den
Grundsätzen des Globalantrages insgesamt abweisen müssen. Dass der Ge-
setzgeber bei der Novelle 2007 eine § 63 Satz 4 NWPersVG vergleichbare Re-
gelung in § 66 Abs. 2 NWPersVG nicht aufgenommen habe, beruhe nicht auf
einem Redaktionsversehen. Der jetzt geltende Wortlaut der Regelung in § 66
Abs. 2 NWPersVG sei eindeutig und einer abweichenden Auslegung nicht zu-
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gänglich. Danach habe der Dienststellenleiter die Verhandlungen in der Erörte-
rung selbst und ohne Unterstützung zu führen. Dazu sei er auch in der Lage,
wenn er die beabsichtigte Entscheidung - wozu er verpflichtet sei - ordnungs-
gemäß vorbereitet habe. Auf die Anwesenheit von Mitarbeitern in der Erörte-
rung sei er dann nicht angewiesen.
Der Beteiligte beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Be-
schwerde des Antragstellers gegen den erstinstanzlichen
Beschluss in vollem Umfang zurückzuweisen.
Der Antragsteller verteidigt den angefochtenen Beschluss.
II
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Beteiligten ist nicht begründet. Der Be-
schluss des Oberverwaltungsgerichts beruht nicht auf der Nichtanwendung
oder der unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm (§ 79 Abs. 2 Satz 1
NWPersVG vom 3. Dezember 1974, GV. NRW. S. 1514, zuletzt geändert durch
Art. 10 des Gesetzes vom 21. April 2009, GV. NRW. S. 224, i.V.m. § 93 Abs. 1
Satz 1 ArbGG).
1. Die Besetzungsrüge ist unzulässig.
Nach § 72 Abs. 5, § 92 Abs. 2 Satz 1, § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG i.V.m. § 551
Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b, § 557 Abs. 3 Satz 2 ZPO muss die Rechtsbe-
schwerdebegründung, soweit ein nicht bereits von Amts wegen zu beachtender
Verfahrensfehler geltend gemacht wird, die Bezeichnung der Tatsachen enthal-
ten, die den Mangel ergeben (vgl. Beschlüsse vom 3. Mai 1999 - BVerwG 6 P
2.98 - juris Rn. 47, insoweit bei Buchholz 250 § 108 BPersVG Nr. 3 nicht abge-
druckt, und vom 1. November 2005 - BVerwG 6 P 3.05 - Buchholz 250 § 9
BPersVG Nr. 25 Rn. 53, insoweit bei BVerwGE 124, 292 nicht abgedruckt).
Wenn es sich dabei um gerichtsinterne Vorgänge handelt, muss die Rechtsbe-
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schwerde zumindest darlegen, dass sie zweckentsprechende Aufklärung ge-
sucht hat; die Rüge darf nicht auf bloßen Verdacht erhoben werden (vgl. BGH,
Beschluss vom 26. März 1986 - III ZR 114/85 - juris Rn. 4, Urteil vom 20. Juni
1991 - VII ZR 11/91 - juris Rn. 6 sowie Beschluss vom 7. Februar 1995 - X ZB
20/93 - juris Rn. 12). Die unvorschriftsmäßige Besetzung des Beschwerdege-
richts im Sinne von § 547 Nr. 1 ZPO kann - von einem hier nicht gegebenen
Ausnahmefall abgesehen - vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf eine ord-
nungsgemäß erhobene Verfahrensrüge hin überprüft werden (vgl. BAG, Urteile
vom 20. Juni 2007 - 10 AZR 375/06 - AP Nr. 6 zu § 547 ZPO Rn. 14 und vom
26. September 2007 - 10 AZR 35/07 - AP Nr. 7 zu § 547 Rn. 9 sowie Beschluss
vom 15. April 2008 - 1 ABR 44/07 - AP Nr. 70 zu § 80 BetrVG 1972 Rn. 52;
BGH, Beschlüsse vom 13. März 2003 - IX ZB 134/02 - BGHZ 154, 200 <203>
und vom 29. April 2004 - V ZB 46/03 - juris Rn. 5). Daran fehlt es hier.
Die Rüge des Beteiligten, die Vorsitzende des Fachsenats sei im Anhörungs-
termin des Oberverwaltungsgerichts vom 21. Dezember 2009 in Wirklichkeit
nicht verhindert gewesen, ist auf bloßen Verdacht erhoben worden. Nach dem
Geschäftsverteilungsplan des Oberverwaltungsgerichts für 2009 war Vorsitzen-
de des Fachsenats für Landespersonalvertretungssachen Vorsitzende Richterin
am Oberverwaltungsgericht Herkelmann-Mrowka; erster stellvertretender Vor-
sitzender war seit 15. September 2009 aufgrund der vierten Änderung des Ge-
schäftsverteilungsplans vom 17. Juni 2009 Richter am Oberverwaltungsgericht
Dr. Stuttmann, der im Anhörungstermin vom 21. Dezember 2009 den Vorsitz
geführt hat. Dass dieser am Terminstage in drei weiteren Verfahren die Sitzung
geleitet, dass er in einem weiteren Beschwerdeverfahren die Erörterung vorbe-
reitet und in der vorliegenden Sache die Ladung in Vertretung unterzeichnet
hat, mochte dem Beteiligten Anlass geben, im Anhörungstermin oder sonst bis
zum Ablauf der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist das Gericht um eine Erklä-
rung zu bitten. Dass der Beteiligte wirklich nachgefragt und welche Antwort er
gegebenenfalls vom Gericht erhalten hat, wird in der Rechtsbeschwerdebe-
gründung nicht dargelegt. Diese erschöpft sich demnach in Mutmaßungen,
welche keine geeignete Grundlage für die Aufklärung des geltend gemachten
Besetzungsmangels durch das Rechtsbeschwerdegericht darstellen.
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2. Die Rechtsbeschwerde bleibt auch in der Sache ohne Erfolg. Der Beteiligte
hat zu dulden, dass der Antragsteller zur Erörterung gemäß § 66 Abs. 2 Satz 5
Halbs. 2 und Satz 6 NWPersVG Beschäftigte hinzuzieht, die für Personal- und
Organisationsangelegenheiten zuständig sind.
Der Gang des Mitbestimmungsverfahrens auf Dienststellenebene ist in § 66
Abs. 2 NWPersVG beschrieben; die ersten acht Sätze lauten:
Der Leiter der Dienststelle unterrichtet den Personalrat von der beabsichtigten
Maßnahme und beantragt seine Zustimmung. Der Personalrat kann verlangen,
dass der Leiter der Dienststelle die beabsichtigte Maßnahme begründet; der
Personalrat kann außer in Personalangelegenheiten auch eine schriftliche Be-
gründung verlangen. Der Beschluss des Personalrats über die beantragte Zu-
stimmung ist dem Leiter der Dienststelle innerhalb von zehn Arbeitstagen mit-
zuteilen. In dringenden Fällen kann der Leiter der Dienststelle diese Frist auf
drei Arbeitstage abkürzen. Sofern der Personalrat beabsichtigt, der Maßnahme
nicht zuzustimmen, hat er dies nach Zugang des Antrags innerhalb der Fristen
der Sätze 3 oder 4 dem Leiter der Dienststelle mitzuteilen; in diesen Fällen ist
die Maßnahme mit dem Ziel einer Verständigung zwischen dem Leiter der
Dienststelle und dem Personalrat innerhalb von zehn Arbeitstagen zu erörtern.
In dringenden Fällen kann der Leiter der Dienststelle verlangen, dass die Erör-
terung innerhalb einer Frist von fünf Arbeitstagen durchzuführen ist. In den Fäl-
len einer Erörterung beginnt die Frist der Sätze 3 und 4 mit dem Tag der Erörte-
rung. Die Maßnahme gilt als gebilligt, wenn nicht der Personalrat innerhalb der
genannten Frist die Zustimmung unter Angabe der Gründe schriftlich verwei-
gert.
Daraus ergibt sich, dass der Personalrat in den Fällen, in denen er der beab-
sichtigten Maßnahme nicht zustimmen will, dies dem Dienststellenleiter fristge-
recht mitzuteilen hat, und dass sich daran die Erörterung anschließt (§ 66
Abs. 2 Satz 5 NWPersVG). Erst mit dem Tag der Erörterung beginnen die Fris-
ten, innerhalb derer der Personalrat seine Entscheidung über die beantragte
Zustimmung formgerecht mitzuteilen hat, wenn nicht die Zustimmungsfiktion
eintreten soll (§ 66 Abs. 2 Satz 3, 7 und 8 NWPersVG; vgl. Cecior/Vallendar/
Lechtermann/Klein, Das Personalvertretungsrecht in Nordrhein-Westfalen, § 66
Rn. 105). Die Erörterung zwischen Dienststellenleiter und Personalrat ist dem-
nach ein wesentliches Element des Mitbestimmungsverfahrens.
a) Der Wortlaut der Regelungen in § 66 Abs. 2 NWPersVG schweigt dazu, ob
der Dienststellenleiter berechtigt ist, zur Erörterung Beschäftigte der Dienststel-
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le hinzuzuziehen. Er enthält eine Aussage weder dazu, ob die Teilnahme zu-
lässig, noch dazu, ob sie ausgeschlossen ist.
b) Bereits die Gesetzessystematik gebietet eine Auslegung, wonach der
Dienststellenleiter berechtigt ist, zu den Erörterungen nach § 66 Abs. 2 Satz 5
Halbs. 2 und Satz 6 NWPersVG für Personal- und Organisationsangelegenhei-
ten zuständige Beschäftigte hinzuzuziehen. Dies ergibt sich aus der Regelung
zur Vierteljahresbesprechung in § 63 Satz 4 NWPersVG. § 63 NWPersVG lau-
tet wie folgt:
Der Leiter der Dienststelle und der Personalrat müssen mindestens einmal im
Vierteljahr zu gemeinschaftlichen Besprechungen zusammentreten. In ihnen
soll auch die Gestaltung des Dienstbetriebs behandelt werden, insbesondere
alle Vorgänge, die die Beschäftigten wesentlich berühren. Sie haben über strit-
tige Fragen mit dem ernsten Willen zur Einigung zu verhandeln und Vorschläge
für die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zu machen. Der Leiter der
Dienststelle ist berechtigt, zu der Besprechung für Personal- und Organisati-
onsangelegenheiten zuständige Beschäftigte hinzuzuziehen.
Die vorstehende Regelung gewährleistet einen regelmäßigen Meinungsaus-
tausch zwischen Dienststellenleiter und Personalrat. Dieser Gesprächskontakt
ist informell. Weder eine förmliche Einberufung noch eine Tagesordnung noch
eine Niederschrift sind zwingend vorgeschrieben (vgl. Cecior u.a., a.a.O. § 63
Rn. 22 f.). Der denkbare Themenbereich der Vierteljahresbesprechung ist breit
angelegt. Wenn § 63 Satz 2 NWPersVG die Gestaltung des Dienstbetriebs be-
sonders anspricht und dabei alle Vorgänge einbezieht, die die Beschäftigten
wesentlich berühren, so ist damit der Sache nach das gesamte Aufgabenspekt-
rum der Personalräte von den allgemeinen bis hin zu den beteiligungspflichtigen
Angelegenheiten abgedeckt (vgl. Cecior u.a., a.a.O. § 63 Rn. 22 und 23).
Das Vierteljahresgespräch kann mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten
zum Gegenstand haben. In diesem Fall dient es dem Meinungs- und Informati-
onsaustausch im Vorfeld der Mitbestimmung (vgl. Cecior u.a., a.a.O. § 63
Rn. 22). Es ist jedoch nicht selbst Teil des Mitbestimmungsverfahrens. Geht es
um die Diskussion einer streitigen mitbestimmungspflichtigen Maßnahme, so ist
nicht das Vierteljahresgespräch, sondern die Erörterung nach § 66 Abs. 2
Satz 5 Halbs. 2 und Satz 6 NWPersVG das vom Gesetzgeber vorgesehene
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Instrument. Dies gilt nicht nur für Einzelmaßnahmen z.B. nach § 72 Abs. 1
Satz 1 NWPersVG, sondern für den gesamten Bereich der Mitbestimmung, zu
dem konkrete Maßnahmen gegenüber allen Beschäftigten der Dienststelle oder
einer Mehrzahl von ihnen ebenso zählen wie abstrakt-generelle Maßnahmen
z.B. nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 13 bis 15 NWPersVG, die entweder in Form
von Verwaltungsvorschriften ergehen oder in denen normative Regelungen in
Gestalt von Dienstvereinbarungen nach § 70 NWPersVG zustande kommen.
Demnach ist die Bedeutung der gemeinschaftlichen Besprechung im nordrhein-
westfälischen Mitbestimmungsmodell, in welchem die Erörterung regulärer Be-
standteil des Mitbestimmungsverfahrens ist, stark reduziert. Da die Erörterung
darauf abzielt, die Verständigungsmöglichkeiten in einem konkreten Mitbe-
stimmungsfall auszuloten, zeichnet sie sich im Vergleich zur gemeinsamen Be-
sprechung durch ein höheres Maß an Verbindlichkeit und Detailbezogenheit
aus. Gleichwohl hält es der Gesetzgeber gemäß seiner ausdrücklichen Rege-
lung in § 63 Satz 4 NWPersVG für gerechtfertigt, dass der Dienststellenleiter
bereits im Vierteljahresgespräch kompetente Mitarbeiter hinzuziehen kann. Da
es in den Erörterungen nach § 66 Abs. 2 Satz 5 Halbs. 2 und Satz 6
NWPersVG in noch größerem Maße darauf ankommt, dass der Dienststellen-
leiter über einen präzisen Kenntnisstand verfügen und diesen dem Personalrat
vermitteln kann, muss hier die Möglichkeit, dienststelleninternen Sachverstand
in Gestalt kompetenter Mitarbeiter zu aktivieren, in gleicher Weise erst recht
eröffnet sein. Die Besonderheit des nordrhein-westfälischen Modells mit der
Erörterung als regulärem Bestandteil der Mitbestimmung hätte vielleicht eine
gesetzgeberische Lösung denkbar erscheinen lassen, welche die Hinzuziehung
der Mitarbeiter für die Erörterung gestattet und für das Vierteljahresgespräch
ausgeschlossen hätte. Aus dem Vergleich der Regelungen in § 63 NWPersVG
einerseits und in § 66 Abs. 2 NWPersVG andererseits jedoch zu folgern, der
Gesetzgeber sei den umgekehrten Weg gegangen, ist system- und sinnwidrig.
c) Das Ergebnis der systematischen Auslegung wird durch die Entstehungsge-
schichte des Gesetzes bestätigt. Dabei kann auf sich beruhen, ob der Gesetz-
geber eine Klarstellung in § 66 Abs. 2 NWPersVG für entbehrlich gehalten oder
ob er sie aufgrund eines Redaktionsversehens unterlassen hat.
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aa) Das Landespersonalvertretungsgesetz enthielt in seiner ursprünglichen
Fassung vom 3. Dezember 1974 weder in § 63 noch in § 66 Abs. 2 eine Aus-
sage zur Hinzuziehung von Mitarbeitern durch den Dienststellenleiter. Erst das
Dritte Änderungsgesetz vom 27. September 1994, GV. NRW. S. 846, ergänzte
beide Vorschriften dahin, dass der Dienststellenleiter für berechtigt erklärt wur-
de, „zu der Besprechung“ bzw. „zu der Erörterung“ für Personal- und Organisa-
tionsangelegenheiten zuständige Beschäftigte hinzuzuziehen. Die Ergänzung
geht zurück auf eine Anregung des nordrhein-westfälischen Städte- und Ge-
meindebunds; dessen Vertreterin hatte in der Ausschussanhörung auf eine
schon bisher weitgehend gehandhabte Praxis Bezug genommen und darauf
hingewiesen, dass man viel Zeit spare, „wenn man diejenigen, die mit der Sa-
che vertraut sind und Detailinformationen haben, schon vorher einbezieht“
(Ausschussprotokoll 11/979 S. 20). Dem ist der zuständige Ausschuss für inne-
re Verwaltung und sodann der Landtag gefolgt (vgl. Ausschussprotokoll
11/1227 S. 9 zu laufender Nr. 79 und S. 13 zu laufender Nr. 92; LTDrucks
11/7130 S. 9, 11, 48 und 51).
bb) Im Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des
Personalvertretungsrechts und schulrechtlicher Vorschriften vom 24. April 2007
war in § 63 die Ersetzung des Vierteljahresgesprächs durch ein Monatsge-
spräch sowie bei der Neufassung des § 66 Abs. 2 der Wegfall der Erörterung
vorgesehen (LTDrucks 14/4239 S. 28 ff. und 94). Folgerichtig entfiel die Aussa-
ge in § 66 Abs. 2 des Entwurfs zur Hinzuziehung von Mitarbeitern. Ebenso fol-
gerichtig wurde die vergleichbare Aussage in § 63 beibehalten. Die Rechtferti-
gung dafür ergab sich nicht nur unter quantitativen, sondern auch unter qualita-
tiven Aspekten. Denn beim Wegfall der Erörterung als Teilelement des Mitbe-
stimmungsverfahrens und gleichzeitiger Vermehrung der gemeinschaftlichen
Besprechungen um das Dreifache war zu erwarten, dass letztere zur Verhand-
lung aktueller Mitbestimmungsfälle genutzt würden, womit die Aktivierung
dienststelleninternen Sachverstands noch dringlicher würde (vgl. entsprechende
ausdrückliche Regelungen in anderen Bundesländern: § 60 Abs. 4 Satz 1, 2
und 6 HePersVG, § 58 Abs. 1 Satz 1, 2 und 5 MVPersVG und § 47 Abs. 1
Satz 1, 2 und 5 Halbs. 1 MBGSH).
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cc) In der öffentlichen Anhörung des Innenausschusses sowie des Haushalts-
und Finanzausschusses vom 8. August 2007 sprachen sich die Sachverständi-
gen nahezu einhellig für die Beibehaltung der Erörterung aus; ebenso einmütig
lehnten sie die Erweiterung des Vierteljahresgesprächs zum Monatsgespräch
ab (Ausschussprotokoll 14/448). Dem ist der Innenausschuss in beiderlei Hin-
sicht gefolgt; dabei ging es ihm um die Erhaltung der streitschlichtenden Funk-
tion des Erörterungsverfahrens bei im Vergleich zum früheren Rechtszustand
strafferen Fristvorgaben (Ausschussprotokoll 14/486 S. 43 ff.; LTDrucks
14/5034 S. 16 ff., 64 und 66 zu Nr. 4 und 5). Die vorbezeichneten Aspekte
- Förderlichkeit der Erörterung für den möglichst einvernehmlichen Abschluss
des Mitbestimmungsverfahrens bei Straffung des Verfahrens aufgrund gekürz-
ter Fristen - haben in der Plenardiskussion die Redner der Koalitionsfraktionen
herausgestrichen (Plenarprotokoll 14/69 S. 7876 f.: Abgeordneter Preuß;
S. 7879: Abgeordneter Engel; S. 7881: Innenminister Dr. Wolf). In der vom In-
nenausschuss vorgeschlagenen Fassung ist § 66 Abs. 2 Gesetz geworden
(Art. I Nr. 30 Buchst. a des Gesetzes zur Änderung des Personalvertretungs-
rechts und schulrechtlicher Vorschriften vom 9. Oktober 2007, GV. NRW.
S. 394).
dd) Dass in § 66 Abs. 2 NWPersVG heute eine Aussage zur Hinzuziehung von
Mitarbeitern durch den Dienststellenleiter in der Erörterung fehlt, lässt nicht auf
einen Willen des Gesetzgebers schließen, eine solche Möglichkeit auszu-
schließen. Das Gegenteil ist vielmehr richtig. Das Änderungsgesetz vom
9. Oktober 2007 stand von Anfang an unter dem Motto „Straffung, Vereinfa-
chung, Optimierung und Beschleunigung von Beteiligungsverfahren“ (LTDrucks
14/4239 S. 86 zu Nr. 3). Hieran wurde ungeachtet der Änderungen im Laufe
des Gesetzgebungsverfahrens bis zur Verabschiedung des Gesetzes fest-
gehalten. Freilich hatte der Gesetzgeber aufgrund seines Eindrucks aus der
Sachverständigenanhörung die Erkenntnis gewonnen, dass die Abschaffung
der Erörterung bei gleichzeitiger Einführung des Monatsgesprächs keinen Effi-
zienzgewinn versprach. Mit diesem prononcierten Effizienzdenken unvereinbar
wäre es gewesen, wenn der Gesetzgeber die bisher gegebene Möglichkeit für
den Dienststellenleiter, kompetente Mitarbeiter zur Erörterung hinzuzuziehen,
beseitigt hätte. Denn der durch dieses Instrument ermöglichte Zeitgewinn war
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- wie oben erwähnt - 1994 der Grund für dessen Einführung gewesen. Vor die-
sem Hintergrund kann der Umstand, dass es in § 66 Abs. 2 NWPersVG jetzt an
einer ausdrücklichen Regelung fehlt, eine plausible Erklärung nur darin finden,
dass der Gesetzgeber die fragliche Berechtigung des Dienststellenleiters mit
Blick auf die Regelung in § 63 Satz 4 NWPersVG für selbstverständlich gehal-
ten oder die aus Gründen der Rechtssicherheit wünschenswerte Klarstellung in
§ 66 Abs. 2 NWPersVG aufgrund eines Redaktionsversehens verabsäumt hat.
Der letztgenannte Schluss drängt sich wegen der Kompliziertheit der gefunde-
nen Regelung, bei welcher die bisherige Vorschrift, der Gesetzentwurf der Lan-
desregierung und schließlich die eigenen Vorstellungen des Ausschusses zur
Straffung der Erörterung „zusammengeschrieben“ wurden, geradezu auf
(ebenso Cecior u.a., a.a.O. § 66 Rn. 117).
d) Der Sinn und Zweck der Erörterung nach § 66 Abs. 2 Satz 5 Halbs. 2 und
Satz 6 NWPersVG rechtfertigt gleichfalls die Berechtigung des Dienststellenlei-
ters zur Hinzuziehung von Mitarbeitern. Ausgangspunkt für die Ansetzung der
Erörterung ist die Absicht des Personalrats, die Zustimmung zu der vom
Dienststellenleiter vorgesehenen Maßnahme zu verweigern (§ 66 Abs. 2 Satz 5
Halbs. 1 NWPersVG). Die Erörterung dient daher dem Ziel, trotz der bislang
entgegengesetzten Standpunkte der Partner doch noch zu einer Einigung auf
Dienststellenebene zu gelangen (vgl. Cecior u.a., a.a.O. § 66 Rn. 99 und 104).
Zwar ist der Dienststellenleiter gehalten, die Erörterung sorgfältig vorzubereiten.
Ihm kann jedoch nicht angesonnen werden, alle denkbaren Einwände und Al-
ternativvorschläge des Personalrats zu antizipieren, zumal dieser nicht ver-
pflichtet ist, die Gründe für seine Zustimmungsverweigerung bereits bei der Mit-
teilung nach § 66 Abs. 2 Satz 5 Halbs. 1 NWPersVG anzugeben. Hinzu kommt,
dass die Diskussion zwischen Personalrat und Dienststellenleiter typischerwei-
se eine Präzisierung und Ausdifferenzierung der anstehenden Problematik zu
Tage fördert. Angesichts dessen ist die Anwesenheit kompetenter Mitarbeiter
geeignet, durch den damit ermöglichten direkten Zugriff auf präsente Informati-
onen den Gang der Erörterung im Sinne eines einvernehmlichen Ergebnisses
zu beschleunigen.
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Der Personalrat wird dadurch nicht benachteiligt. Er kann vollzählig an der Erör-
terung teilnehmen und wird dort typischerweise jedenfalls durch seinen Vorsit-
zenden und solche Mitglieder vertreten sein, die aufgrund der personalratsin-
ternen Arbeitsteilung mit der zur Erörterung anstehenden Problematik beson-
ders vertraut sind (vgl. in diesem Zusammenhang Beschluss vom 11. Juli 2006
- BVerwG 6 PB 8.06 - Buchholz 250 § 46 BPersVG Nr. 29 Rn. 5). Er hat somit
die Kompetenz, gemeinsam mit dem Dienststellenleiter unter Nutzung dienst-
stelleninternen Sachverstandes eine einvernehmliche Lösung zu suchen. Sein
Interesse und das der von ihm vertretenen Beschäftigten gehen dahin, dass die
Lösung der Bedeutung und dem Schwierigkeitsgrad des zu erörternden Mitbe-
stimmungsfalls gerecht wird. Dazu kann die Anwesenheit kompetenter Mitarbei-
ter einen wichtigen Beitrag leisten.
3. Zu Recht hat daher das Oberverwaltungsgericht das Recht des Antragstel-
lers anerkannt, zur Erörterung nach § 66 Abs. 2 Satz 5 Halbs. 2 und Satz 6
NWPersVG Beschäftigte hinzuzuziehen, die für Personal- und Organisations-
angelegenheiten zuständig sind. Entgegen seiner Annahme muss es sich dabei
aber nicht um Beschäftigte handeln, die dem in § 8 NWPersVG genannten
Personenkreis nahekommen. § 8 NWPersVG regelt, dass für die Dienststelle
ihr Leiter handelt und welche Personen berechtigt sind, an seiner Stelle gegen-
über dem Personalrat aufzutreten. Darum geht es hier nicht. Zur Erörterung
kann der Dienststellenleiter gemäß der - ihrem Rechtsgedanken nach auch hier
anwendbaren - Regelung in § 63 Satz 4 NWPersVG jeden Beschäftigten mit-
nehmen, der für Personal- und Organisationsangelegenheiten zuständig ist und
von dem wegen des ihm übertragenen Tätigkeitsbereichs erwartet werden
kann, dass er mit seinem Wissen der Erörterung im Sinne einer Verständigung
zum Erfolg verhelfen kann. Dabei ist unerheblich, welcher Hierarchieebene in-
nerhalb der Dienststelle der fragliche Beschäftigte angehört.
Unter Personalangelegenheiten sind mindestens die in § 72 Abs. 1 Satz 1
NWPersVG genannten Angelegenheiten zu verstehen. Ob der Beschäftigte für
Personalangelegenheiten zuständig ist, ist unabhängig davon zu beurteilen,
welche Bezeichnung die Dienststellenabteilung trägt, der er angehört. Auch
eine Mitarbeiterin der Dienststelle mit Befähigung zum Richteramt ist für Perso-
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nalangelegenheiten zuständig, wenn zu ihren Aufgaben die Behandlung von
Personalangelegenheiten unter rechtlichen Aspekten zählt. Dass dies für eine
der Personalabteilung zugehörende Juristin gilt, liegt auf der Hand.
Neumann
Büge
Vormeier
Dr. Bier
Dr. Möller
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Personalvertretungsrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
ZPO
§ 547 Nr. 1, § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b
NWPersVG
§§ 63, 66
Stichworte:
Darlegungsanforderungen bei Besetzungsrüge; Erörterung im Mitbestim-
mungsverfahren; Hinzuziehung von Mitarbeitern durch den Dienststellenleiter.
Leitsätze:
1. Kommt es für die Beurteilung einer Besetzungsrüge auf gerichtsinterne Vor-
gänge an, so muss der Rechtsbeschwerdeführer darlegen, dass er zweckent-
sprechende Aufklärung gesucht hat; die Rüge darf nicht auf bloßen Verdacht
erhoben werden.
2. Der Dienststellenleiter ist berechtigt, zur Erörterung nach § 66 Abs. 2 Satz 5
Halbs. 2 und Satz 6 NWPersVG Beschäftigte hinzuzuziehen, die für Personal-
und Organisationsangelegenheiten zuständig sind.
Beschluss des 6. Senats vom 23. November 2010 - BVerwG 6 P 2.10
I. VG Aachen vom 24.04.2008 - Az.: VG 16 K 767/08.PVL -
II. OVG Münster vom 21.12.2009 - Az.: OVG 16 A 1340/08.PVL -