Urteil des BVerwG vom 22.06.2005

Jugend Und Sport, Schule, Mitbestimmungsrecht, Ernennung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
BVerwG 6 P 2.05
Verkündet
OVG 60 PV 6.04
am 22. Juni 2005
Thiele
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Personalvertretungssache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die Anhörung vom 22. Juni 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. H a h n , B ü g e , Dr. G r a u l i c h und V o r m e i e r
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Be-
schluss des Fachsenats für Personalvertretungssachen Berlin
des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 7. Dezember 2004
wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
I.
Im Herbst 2002 war die mit Besoldungsgruppe A 15 bewertete Stelle des Sonder-
schulrektors an der Peter-Jordan-Schule für Lernbehinderte neu zu besetzen. Der
Absicht der Beteiligten, der Gesamtkonferenz der Schule den Lehrer an Sonderschu-
len M. vorzuschlagen, stimmte der Antragsteller in seiner Sitzung vom 5. Dezember
2002 zu. In der Sitzung der Gesamtkonferenz vom 16. Dezember 2002 verfehlte der
dort gestellte Antrag, die Stelle neu auszuschreiben, die erforderliche Zweidrittel-
mehrheit nur knapp. Unter Hinweis darauf lehnte der Antragsteller den Antrag der
Beteiligten, die Übertragung der Aufgaben eines Schulleiters der Peter-Jordan-
Schule an M. gemäß § 88 Nr. 7 BlnPersVG zuzustimmen, in seiner Sitzung vom
27. Februar 2003 ab. Diese Entscheidung wertete die Beteiligte gemäß ihrem
Schreiben vom 18. März 2003 als unbeachtlich. Mit Bescheid vom 5. August 2003
ernannte die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport M. unter Berufung in
das Beamtenverhältnis auf Zeit für die Dauer vom 1. Juli 2003 bis 30. Juni 2008 zum
Sonderschulrektor und übertrug ihm die Aufgaben eines Schulleiters an der Peter-
Jordan-Schule. Den am 1. Juli 2003 im personalvertretungsrechtlichen Beschluss-
verfahren gestellten Antrag, die Verletzung des Mitbestimmungsrechts bei nicht nur
vorübergehender Übertragung einer höher bewerteten Tätigkeit gemäß § 88 Nr. 7
BlnPersVG festzustellen, nahm der Antragsteller in der Sitzung des Verwaltungsge-
richts vom 1. Oktober 2003 zurück (VG 60 A 13.03).
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Das vorliegende Verfahren hat der Antragsteller am 5. November 2003 eingeleitet.
Sein Begehren auf Feststellung, dass ihm bei der Ernennung von Schulleitern zu
Beamten auf Zeit gemäß § 10 b LBG ein Mitbestimmungsrecht bei Beförderung nach
§ 88 Nr. 5 BlnPersVG zustehe, hat das Verwaltungsgericht abgelehnt. Die Be-
schwerde des Antragstellers hat das Oberverwaltungsgericht aus folgenden Gründen
zurückgewiesen: Die Schulleiter gehörten mit Rücksicht auf die Bestimmungen des
neuen Schulgesetzes vom 26. Januar 2004 nunmehr zu jenen Dienstkräften, welche
nicht zum Personalrat wählbar seien. Denn sie seien zu selbstständigen Entschei-
dungen in Personalangelegenheiten von nicht untergeordneter Bedeutung befugt. Mit
der ihnen übertragenen Auswahl der Lehrkräfte wirkten sie relevant mit bei der
Einstellung pädagogischen Personals. Diese Auswahlkompetenz verstoße weder
gegen Art. 77 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung von Berlin noch gegen das Demokratie-
prinzip des Grundgesetzes. Ferner obliege den Schulleitern als Dienstvorgesetzten
die Bewilligung von Nebentätigkeiten. Ebenfalls gewichtig sei ihre konfliktträchtige
Personalentscheidungsbefugnis, dienstliche Beurteilungen zu erstellen.
Der Antragsteller trägt zur Begründung seiner Rechtsbeschwerde vor: Zwar gehe das
neue Schulgesetz davon aus, dass die Auswahl der Lehrkräfte durch die Schulen
erfolge, doch sei die Schule nicht Dienstbehörde und der Schulleiter nicht
Dienststellenleiter. Vielmehr würden die Lehrkräfte durch die Senatsverwaltung als
Dienstbehörde eingestellt. Die Vorgaben der Dienstbehörde, an welche die Schulen
bei der Auswahl der Lehrkräfte gebunden seien, dienten nicht nur der Wahrung des
Grundsatzes der Bestenauslese, sondern müssten auch eine einheitliche Unter-
richtsversorgung an allen Berliner Schulen sichern. Da den Schulleitern nicht die
endgültige Entscheidung über die Einstellung der Lehrkräfte obliege, gehörten sie
nicht zum Kreis derjenigen, die in Personalangelegenheiten eine selbstständige Ent-
scheidungsbefugnis besäßen. Von einer relativ freien Auswahlentscheidung durch
den Schulleiter könne allenfalls bei schulbezogenen Ausschreibungen ausgegangen
werden. Die von der Senatsverwaltung zu verantwortenden Ausschreibungen bezö-
gen sich auf den größeren Teil der Stellen. Dies sei auch mit Blick darauf geboten,
dass das gesamte Schulwesen unter der Aufsicht des Staates stehe (Art. 7 Abs. 1
GG). Bei den von den Schulen zu beachtenden Vorgaben der Dienstbehörde gehe
es um die Einhaltung einer bereits von der Senatsverwaltung vorbereiteten und fest-
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gelegten Rangfolge. Komme den Schulleitern die Kompetenz zur endgültigen Aus-
wahlentscheidung zu, so würden sie damit im Widerspruch zum Personalvertre-
tungsrecht faktisch zu Dienststellenleitern. Die Befugnis der Schulleiter, dienstliche
Beurteilungen der Lehrkräfte zu erstellen, sei von nur untergeordneter Bedeutung.
Das Gleiche gelte für ihre Befugnis, Nebentätigkeit zu genehmigen; für die Versa-
gung der Nebentätigkeit fehle ihnen dagegen die Kompetenz. Im Hinblick auf die
gesetzgeberische Intention in § 13 Abs. 3 Nr. 2 BlnPersVG, Interessenkonflikte zu
vermeiden, sei bei der Auslegung auch ein quantitatives Element zu berücksichtigen.
Der Ausschluss der Wählbarkeit sei hier daher auch deswegen zu verneinen, weil bei
gleich bleibenden Einstellungszahlen eine Auswahlentscheidung durch den einzelnen
Schulleiter äußerst selten vorkomme.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und festzustellen, dass ihm bei
der Ernennung von Schulleitern zu Beamten auf Zeit (§ 10 b LBG) ein Mitbe-
stimmungsrecht gemäß § 88 Nr. 5 BlnPersVG zustehe.
Die Beteiligte beantragt,
die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Der Be-
schluss des Oberverwaltungsgerichts beruht nicht auf der Nichtanwendung oder der
unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm (§ 91 Abs. 2 BlnPersVG vom 14. Juli 1994
GVBl 338, zuletzt geändert durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Personal-
vertretungsgesetzes vom 19. November 2004, GVBl S. 462, i.V.m. § 93 Abs. 1
Satz 1 ArbGG).
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1. Das streitige Begehren ist als Feststellungsantrag gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zu-
lässig. Wiederholungsgefahr ist gegeben. Die Frage, ob die Ernennung von Schullei-
tern zu Beamten auf Zeit als Beförderung mitbestimmungspflichtig ist, wird sich im-
mer wieder stellen. Dies kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts
nicht mit der Erwägung verneint werden, das Mitbestimmungsrecht entfalle bereits
wegen der Zugehörigkeit der Schulleiter zum Personenkreis nach § 89 Abs. 3
BlnPersVG. Diese Frage ist vielmehr - ebenso wie diejenige nach der Mitbestim-
mungspflichtigkeit nach § 88 Nr. 5 BlnPersVG - Teilelement der Begründetheit des
Antrages. Anders wäre es allenfalls dann, wenn diese Frage unstreitig oder höchst-
richterlich geklärt wäre. Dies ist aber nicht der Fall.
2. Der Feststellungsantrag ist nicht begründet. Dem Antragsteller steht das geltend
gemachte Mitbestimmungsrecht nach § 88 Nr. 5 BlnPersVG nicht zu. Ob dies bereits
daraus folgt, dass die Übertragung eines Schulleiteramtes im Beamtenverhältnis auf
Zeit gemäß § 10 b Abs. 1 Satz 1 LBG in der Fassung vom 19. Mai 2003,
GVBl S. 202, vom Begriff der Beförderung in § 88 Nr. 5 sowie in der dort in Bezug
genommenen Vorschrift des § 15 Abs. 1 Laufbahngesetz - LfbG - in der Fassung
vom 16. Februar 2003, GVBl S. 137, ausgenommen ist (s. § 15 Abs. 1 Satz 1 Halb-
satz 2 LfbG), kann auf sich beruhen. Jedenfalls scheitert der Antrag daran, dass das
Mitbestimmungsrecht für Schulleiterstellen gemäß § 89 Abs. 3 BlnPersVG entfällt.
Diese Vorschrift nimmt auf § 13 Abs. 3 BlnPersVG Bezug. Durch das bereits zitierte
Änderungsgesetz vom 19. November 2004 wurden in § 13 Abs. 3 BlnPersVG die
Nr. 1 gestrichen und die Nrn. 2 bis 4 zu Nrn. 1 bis 3 erklärt. Die redaktionelle Anpas-
sung der Bezugnahme in § 89 Abs. 3 BlnPersVG ist unterblieben. Diese Vorschrift ist
daher nunmehr wie folgt zu lesen: "Das Mitbestimmungsrecht entfällt für Stellen der
in § 13 Abs. 3 Nr. 1 und 2 genannten Dienstkräfte". Diese Dienstkräfte sind nicht zum
Personalrat wählbar. Es handelt sich dabei um die in § 9 BlnPersVG genannten
Personen und deren ständige Vertreter (§ 13 Abs. 3 Nr. 1 BlnPersVG) sowie die
Dienstkräfte, die zu selbstständigen Entscheidungen in Personalangelegenheiten von
nicht untergeordneter Bedeutung befugt sind (§ 13 Abs. 3 Nr. 2 BlnPersVG).
Zum Personenkreis nach § 13 Abs. 3 Nr. 1 BlnPersVG zählen die Schulleiter nicht.
Denn die einzelnen Schulen sind keine Dienststellen. Dienststellen sind vielmehr
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nach näherer Maßgabe von Nr. 12 Buchst. a der Anlage zu § 5 Abs. 1 BlnPersVG die
Gesamtheit der in den Schulen der Bezirke jeweils tätigen Dienstkräfte (vgl. auch
Art. XIII § 1 Abs. 1 Satz 2 des Haushaltsentlastungsgesetzes 2002 vom 19. Juli
2002, GVBl S. 199, und § 16 Abs. 3 des Allgemeinen Zuständigkeitskatalogs, Anlage
zu § 4 Abs. 1 Satz 1 des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes in der Fassung vom
22. Juli 1996, GVBl S. 302, zuletzt geändert durch Gesetz vom 4. Mai 2005,
GVBl S. 282). Die Schulleiter zählen jedoch zu dem in § 13 Abs. 3 Nr. 2 BlnPersVG
genannten Personenkreis. Sie sind zu selbstständigen Entscheidungen in Personal-
angelegenheiten von nicht untergeordneter Bedeutung befugt.
a) Unter Personalangelegenheiten im Sinne von § 13 Abs. 3 Nr. 2 BlnPersVG fallen
jedenfalls personelle Einzelmaßnahmen, insbesondere solche der in § 86 Abs. 3,
§§ 87, 88 BlnPersVG genannten Art (vgl. Germelmann/Binkert, Personalvertretungs-
gesetz Berlin, 2. Aufl. 2002, § 13 Rn. 24).
b) § 13 Abs. 3 Nr. 2 BlnPersVG verlangt weiter, dass die Personalangelegenheiten
von nicht untergeordneter Bedeutung sind. Die Bedeutung dieses Merkmals er-
schließt sich aus dem Sinn und Zweck der Regelung. Diese gehen dahin, eine zur
Vermeidung von Pflichten- und Interessenkollisionen notwendige Trennung der
Funktionen der Personalverwaltung von den Aufgaben der Personalvertretung si-
cherzustellen. Eine Dienstkraft, die personalrechtliche Entscheidungen trifft, soll nicht
gleichzeitig als Mitglied der Personalvertretung mit Personalangelegenheiten befasst
sein (vgl. Beschluss vom 25. Juni 1974 - BVerwG 7 P 6.73 - BVerwGE 45, 221, 222;
Beschluss vom 11. März 1982 - BVerwG 6 P 8.80 - BVerwGE 65, 127, 130; Be-
schluss vom 10. Mai 1982 - BVerwG 6 P 2.81 - PersV 1983, 194). Die Personalan-
gelegenheiten müssen personalvertretungsrechtlich relevant sein.
aa) Dies ist nur der Fall, wenn die Dienstkraft die Kompetenz zu Maßnahmen hat, die
zwischen Dienststelle und Personalrat förmlich zu verhandeln sind. Dies trifft auf die
mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten nach § 86 Abs. 3, §§ 87, 88 BlnPersVG
zu, aber auch auf die Mitwirkungsangelegenheiten nach § 90 Nrn. 7 und 8
BlnPersVG. Auch das Mitwirkungsverfahren ist förmlich geregelt. Es garantiert dem
Personalrat Erörterungs-, Einwendungs- und Initiativrechte (§ 79 Abs. 4, § 84
BlnPersVG). Es macht keinen Sinn, mit dem Dienststellenleiter über dienstliche Be-
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urteilungen und disziplinarische Maßnahmen unter Beteiligung eines Personalrats-
mitglieds zu verhandeln, welchem für eben diese Maßnahmen dienststellenintern die
Entscheidungskompetenz zusteht. Sein den spezifischen Beschäftigteninteressen
dienendes Kontrollrecht hat der Personalrat im Rahmen der Mitwirkung grundsätzlich
mit gleicher Intensität wahrzunehmen wie im Rahmen der Mitbestimmung. Seine
Pflicht zur effizienten, von Interessenkollisionen nicht geschwächten Aufgabenerfül-
lung wird nicht dadurch berührt, dass sich dem Mitwirkungsverfahren auf der Dienst-
stellenebene - im Gegensatz zum Mitbestimmungsverfahren - ein Stufen- und Eini-
gungsstellenverfahren nicht anschließt (§§ 80, 81, 84 BlnPersVG).
Mitwirkungsbedürftige Angelegenheiten sind nicht deswegen von untergeordneter
Bedeutung, weil die der Mitwirkung unterworfenen Angelegenheiten als solche von
nur geringem Gewicht wären. Das Gegenteil trifft vielmehr zu. Der Mitwirkungskata-
log in § 90 BlnPersVG umfasst durchweg Angelegenheiten, welche die Regierungs-
verantwortung berühren. Durch die Beteiligungsform der Mitwirkung ist das Letztent-
scheidungsrecht der zuständigen Dienstbehörde sichergestellt (vgl. Abgeordneten-
haus von Berlin, Drucks 6/1354 S. 20). Für die Interessenwahrnehmung durch die
Personalvertretung auf der Dienststellenebene sind diese Angelegenheiten deswe-
gen nicht weniger wichtig als mitbestimmungsbedürftige Angelegenheiten.
Die Senatsrechtsprechung zum Anwendungsbereich des § 14 Abs. 3 BPersVG steht
nicht entgegen. Die Beschränkung des Wahlrechtsausschlusses nach dieser Vor-
schrift auf Personen mit Entscheidungsbefugnissen in mitbestimmungspflichtigen
Angelegenheiten nach § 75 Abs. 1, § 76 Abs. 1 BPersVG trägt der durchgängigen
Verwendung des Begriffs der Personalangelegenheiten in diesen Vorschriften und in
§ 77 Abs. 1 Satz 1 BPersVG Rechnung (vgl. Beschluss vom 11. März 1982 a.a.O.
S. 129 f.; Beschluss vom 10. Mai 1982 a.a.O.). Eine vergleichbar einheitliche Termi-
nologie und Systematik findet sich weder in § 13 Abs. 3 Nr. 2 und § 89 BlnPersVG
noch im Mitbestimmungskatalog der §§ 85 ff. BlnPersVG.
bb) Nicht beteiligungspflichtige Personalangelegenheiten, welche der Personalrat
etwa im Rahmen seiner allgemeinen Aufgaben nach § 72 BlnPersVG verfolgen mag,
sind dagegen von nur untergeordneter Bedeutung. Hat die Dienstkraft ausschließlich
in diesem Bereich Entscheidungskompetenzen, so hindert dies seine Mitgliedschaft
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im Personalrat nicht. Das verhältnismäßig geringe Gewicht der allgemeinen Aufga-
ben rechtfertigt es nicht, den Kreis der vom Wahlrechtsausschluss betroffenen Per-
sonen auszuweiten.
cc) Quantitative Aspekte spielen in diesem Zusammenhang keine Rolle. Es kommt
nicht darauf an, für wie viele der beteiligungspflichtigen Angelegenheiten die Dienst-
kraft entscheidungsbefugt ist und welchen Anteil die Wahrnehmung dieser Aufgaben
an der Erledigung der ihr insgesamt übertragenen Dienstgeschäfte einnimmt. Das
Abstellen auf derart komplexe Kriterien verbietet sich aus Gründen der Rechtssi-
cherheit bei der Anwendung und Auslegung von Rechtsnormen, die für das Bestehen
des Wahlrechts von wesentlicher Bedeutung sind (vgl. Beschluss vom 23. Juni 1999
- BVerwG 6 P 6.98 - Buchholz 252 § 2 SBG Nr. 2 S. 6; Beschluss vom 23. Januar
2002 - BVerwG 6 P 2.01 - Buchholz 252 § 2 SBG Nr. 3 S. 22).
c) Schließlich müssen die Dienstkräfte nach § 13 Abs. 3 Nr. 2 BlnPersVG zu selbst-
ständigen Entscheidungen befugt sein. Die Dienstkraft muss stellenplan- bzw. ge-
schäftsordnungsmäßig die Befugnis haben, in Personalangelegenheiten in eigener
Verantwortung endgültig zu entscheiden. Darunter fallen nicht Personen, die solche
Entscheidungen lediglich vorzubereiten haben oder an das Einverständnis anderer
gebunden sind. In der Regel wird die Entscheidungsberechtigung in der Zeichnungs-
befugnis zum Ausdruck kommen (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 1. April 1982
- CL 62/82 - PersV 1983, 199 f.; Beschluss vom 24. Juni 1982 - CL 45/81 - RiA 1983,
S. 107, 108; OVG Hamburg, Beschluss vom 7. Mai 1996 - OVG Bs PH 10/94 - PersR
1997, 119, 121; OVG Lüneburg, Beschluss vom 15. Juli 1998 - 18 L 4507/96 - PersV
1999, 229, 231; Germelmann/Binkert a.a.O. § 13 Rn. 28 ff.;
Fischer/Goeres, in: GKÖD Bd. V K § 14 Rn. 21; Schlatmann, in: Lorenzen/Etzel/
Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 14 Rn. 35 f.;
Altvater/Hamer/Ohnesorg/Peiseler, Bundespersonalvertretungsgesetz, 5. Aufl. 2004,
§ 14 Rn. 13; Ilbertz/Widmaier, Bundespersonalvertretungsgesetz, 10. Aufl. 2004 § 14
Rn. 22 ff.).
Die Befugnis zu selbstständigen Entscheidungen ist nicht deswegen zu verneinen,
weil die Dienstkraft an Richtlinien und Weisungen des Dienststellenleiters und der
übergeordneten Dienststelle gebunden ist. Anderenfalls gäbe es für § 13 Abs. 3 Nr. 2
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BlnPersVG praktisch keinen Anwendungsfall. Die Vorschrift ist eingebettet in die
hierarchische Struktur des Dienst- und Organisationsrechts, wonach die überge-
ordnete Dienststelle gegenüber der nachgeordneten und der Dienststellenleiter ge-
genüber den Dienstkräften seiner Dienststelle generell weisungsbefugt ist. Die in
§ 13 Abs. 3 Nr. 2 BlnPersVG gemeinte Selbstständigkeit wird daher nicht dadurch
beeinträchtigt, dass allgemeine Vorgaben wie Richtlinien, Erlasse o.ä. zu beachten
und Weisungen des Dienststellenleiters oder der übergeordneten Dienststelle im
Einzelfall möglich sind (im Ergebnis ebenso: OVG Münster, Beschluss vom 1. April
1982 a.a.O.; Beschluss vom 24. Juni 1982 a.a.O.; OVG Lüneburg, Beschluss vom
30. November 2004 - 18 LP 14/02 - PersR 2005, 200, 202; Schlatmann a.a.O.
Rn. 35).
3. Nach den vorgenannten Maßstäben gehören die Schulleiter an den Berliner Schu-
len zu dem in § 13 Abs. 3 Nr. 2 BlnPersVG genannten Personenkreis.
a) Nach § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SchulG vom 26. Januar 2004, GVBl S. 26, wirken
sie im Rahmen von § 7 Abs. 3 Satz 1 SchulG bei der Einstellung der Lehrkräfte mit.
aa) Die Einstellung der Lehrkräfte ist nach § 87 Nr. 1, § 88 Nr. 1 BlnPersVG mitbe-
stimmungspflichtig und daher eine Personalangelegenheit von nicht untergeordneter
Bedeutung.
bb) Insofern ist der Schulleiter zu selbstständigen Entscheidungen befugt. Dies ergibt
sich aus § 7 Abs. 3 Satz 1 SchulG. Danach erfolgt die Auswahl der Lehrkräfte durch
die Schule; dabei sind die Vorgaben der Dienstbehörde einzuhalten. Sind diese
Vorgaben auf generell-abstrakte Maßnahmen mit Richtliniencharakter beschränkt, so
genießt der Schulleiter bei der einzelfallbezogenen Auswahl einen von Weisungen
unabhängigen Entscheidungsspielraum. Die Selbstständigkeit im Sinne von § 13
Abs. 3 Nr. 2 BlnPersVG ist aber auch dann gegeben, wenn man mit dem Antragstel-
ler Einzelweisungen der Dienstbehörde weiterhin für möglich hält. Denn auch dann
besitzt der Schulleiter im Verhältnis zur Dienstbehörde eine eigenverantwortliche
Stellung, wie sie in § 13 Abs. 3 Nr. 2 BlnPersVG ungeachtet einer generellen Wei-
sungsgebundenheit nach dem oben Gesagten vorausgesetzt ist. Dass jedenfalls eine
so verstandene Selbstständigkeit des Schulleiters bei der Auswahl von Lehrkräften
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gewollt ist, folgt nicht nur aus dem Wortlaut der Regelung in § 7 Abs. 3 Satz 1
SchulG, sondern auch aus dem systematischen Zusammenhang mit § 7 Abs. 2
Satz 1 SchulG, wonach jede Schule im Rahmen der staatlichen Verantwortung und
der Rechts- und Verwaltungsvorschriften ihre personellen Angelegenheiten
selbstständig und in eigener Verantwortung gestaltet und organisiert. Dem entspricht
die Grundkonzeption des neuen Schulgesetzes, die ganz vom Willen des Gesetzge-
bers getragen ist, die Selbstständigkeit und Eigenverantwortung der Schule zu stär-
ken (vgl. Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucks 15/1842 Anlage 2 S. 2 f., 10). Nach
alledem erlaubt § 7 Abs. 3 Satz 1 SchulG jedenfalls eine Verwaltungspraxis, wonach
die Dienstbehörde die Auswahlentscheidung des Schulleiters in aller Regel akzep-
tiert, ohne dass korrigierende Weisungen ausgeschlossen sind. Eine solche Praxis,
wie sie im Verhältnis zwischen einer obersten Dienstbehörde und einer nachgeord-
neten Dienststelle mit Personalkompetenz auch sonst üblich ist, wirft Fragen im Hin-
blick auf das demokratische Prinzip und Art. 77 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung von
Berlin nicht auf.
Dass der Schulleiter bei der Auswahl der Lehrkräfte für seine Schule nach § 7 Abs. 3
Satz 1 SchulG eine eigenverantwortliche Entscheidung trifft, entspricht auch der von
der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport als der zuständigen Schul-
aufsichtsbehörde und Dienstbehörde für die Lehrkräfte (§ 105 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2
Satz 2 SchulG) gesteuerten Verwaltungspraxis. So wird in der von ihr erlassenen
Arbeitsanweisung zur Einstellung von Lehrerinnen und Lehrern in den öffentlichen
Schuldienst des Landes Berlin vom 4. April 2005 unter Nr. 1.4 Abs. 3 Satz 1 als
Grundsatz herausgestellt: "Über die Auswahl der einzustellenden Person entscheidet
die Schulleiterin bzw. der Schulleiter." Dieser Grundsatz bezieht sich nicht nur auf
das schulbezogene Ausschreibungsverfahren (Nr. 3 der Arbeitsanweisung), sondern
auch auf das Verfahren der zentralen Nachsteuerung (Nr. 4 der Arbeitsanweisung),
welches nach Abschluss der Auswahlverfahren aufgrund schulbezogener Ausschrei-
bungen stattfindet. Dies steht im Einklang mit § 7 Abs. 3 Satz 1 SchulG, welcher
nach seinem eindeutigen Wortlaut die Auswahlkompetenz des Schulleiters nicht auf
schulbezogen ausgeschriebene Stellen beschränkt.
cc) Die Selbstständigkeit der Auswahlentscheidung des Schulleiters und damit ihre
Relevanz für die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit "Einstellung" nach § 87
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Nr. 1, § 88 Nr. 1 BlnPersVG kann nicht unter Hinweis darauf bestritten werden, dass
die Auswahl der Lehrkraft nur vorbereitendes Teilelement der Einstellung ist, die
durch Begründung eines Arbeits- oder Beamtenverhältnisses letztlich durch die Se-
natsverwaltung vorgenommen wird. Wegen dieser Kompetenzaufteilung kann dem
Schulleiter nicht etwa eine - dem Personalsachbearbeiter vergleichbare - bloße Zu-
arbeiterfunktion zuerkannt werden. Denn die maßgeblich in seinem Verantwortungs-
bereich liegende Auswahlentscheidung ist gerade mit Blick auf den Schutzzweck der
Mitbestimmung bei Einstellungen als deren wesentlicher Teil zu werten. Das Mitbe-
stimmungsrecht nach § 87 Nr. 1, § 88 Nr. 1 BlnPersVG soll nämlich nicht zuletzt si-
cherstellen, dass durch die Einstellung des vorgeschlagenen Bewerbers nicht die in
der Dienststelle tätigen Dienstkräfte benachteiligt werden. Letzteres ist aber gerade
dann zu besorgen, wenn die der Einstellung bei Bewerberkonkurrenz vorausgehende
Auswahlentscheidung sachwidrig ist (vgl. Beschluss vom 18. Juni 2002 - BVerwG
6 P 12.01 - Buchholz 251.7 § 72 NWPersVG Nr. 28 S. 30; Beschluss vom 13. Sep-
tember 2002 - BVerwG 6 P 4.02 - Buchholz 250 § 82 BPersVG Nr. 17 S. 11). Da
somit der Schulleiter durch seine Auswahlentscheidung die Einstellung wesentlich
bestimmt hat, ist er im Sinne von § 13 Abs. 3 Nr. 2 BlnPersVG ungeeignet, als Per-
sonalratsmitglied an der Überprüfung der Einstellung im Interesse der an seiner
Schule beschäftigten Dienstkräfte beteiligt zu werden.
b) Nach § 69 Abs. 6 Satz 2 SchulG erstellt der Schulleiter dienstliche Beurteilungen
des Schulpersonals. Diese Aufgabe korrespondiert mit dem Mitwirkungstatbestand in
§ 90 Nr. 7 BlnPersVG. Wie oben dargelegt, gehören auch mitwirkungspflichtige Per-
sonalangelegenheiten zu solchen von nicht nur untergeordneter Bedeutung im Sinne
von § 13 Abs. 3 Nr. 2 BlnPersVG. Diese Aufgabe nimmt der Schulleiter ebenfalls
selbstständig wahr. Die Annahme des Antragstellers, neben dem Schulleiter sei ein
Zweitbeurteiler zu beteiligen, findet in Wortlaut und Entstehungsgeschichte der ge-
setzlichen Regelung keine Stütze. Vielmehr will die Regelung von der Zuarbeit für die
Schulaufsicht wegführen und dem Schulleiter ein wichtiges Führungsinstrument
übertragen, das seine Beziehungen zu den Lehrkräften verändern wird (vgl.
Krzyweck/Duveneck, Das Schulrecht in Berlin, § 69 Rn. 18).
c) Nach dem Vorstehenden sind die Schulleiter gemäß § 13 Abs. 3 Nr. 2 BlnPersVG
vom passiven Wahlrecht ausgeschlossen, weil sie zu selbstständigen Entscheidun-
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gen in beteiligungspflichtigen Angelegenheiten nach § 87 Nr. 1, § 88 Nr. 1 und § 90
Nr. 7 BlnPersVG befugt sind. Diese Rechtsfolge ist nicht deswegen unverhältnismä-
ßig, weil im Personalrat nur zu einem geringen Anteil Angelegenheiten verhandelt
werden, welche die Schule des jeweiligen Schulleiters betreffen.
Wie sich allerdings aus Nr. 12 Buchst. a der Anlage zu § 5 Abs. 1 BlnPersVG ergibt,
ist Dienststelle nicht die einzelne Schule, sondern die Gesamtheit der Dienstkräfte
der Schulen eines Bezirks. Der jeweilige regionale Lehrerpersonalrat repräsentiert
daher grundsätzlich die Dienstkräfte aller Schulen des Bezirks. Wäre daher der Leiter
einer Schule Mitglied eines regionalen Lehrerpersonalrats, so würde sich der Eintritt
der Pflichten- und Interessenkollision auf die Personalangelegenheiten seiner Schule
beschränken; in den Angelegenheiten aller anderen Schulen des Bezirks würde sich
diese Frage nicht stellen. Andererseits steht die Verneinung der Mitentschei-
dungsbefugnis des Schulleiters im Personalrat in Personalangelegenheiten, die er
zuvor auf der Dienststellenleiterseite selbstständig entschieden hat, außer Frage.
Denkbar erscheint zwar, den Schulleiter bei Belassung des passiven Wahlrechts
jeweils im Einzelfall von denjenigen beteiligungspflichtigen Angelegenheiten auszu-
schließen, in denen er selbstständige Entscheidungen getroffen hat. Eine solche Lö-
sung scheidet jedoch von Gesetzes wegen aus.
Gemäß § 31 Abs. 3 BlnPersVG darf bei der Beratung und Abstimmung über Angele-
genheiten eines Mitglieds des Personalrats dieses Mitglied nicht anwesend sein
(Satz 1). Dasselbe gilt für Angelegenheiten von Angehörigen eines Mitglieds des
Personalrats, hinsichtlich derer ihm nach § 383 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 ZPO ein Zeugnis-
verweigerungsrecht zusteht (Satz 2). Sonstige Bestimmungen, welche die Teilnahme
eines einzelnen Personalratsmitglieds an der Willensbildung des Personalrats aus-
schließen oder einschränken, enthält das Berlinische Personalvertretungsgesetz
nicht. Daraus ist zu schließen, dass der Gesetzgeber Fälle, in denen die Mitwirkung
im Personalrat wegen Funktionen oder Tätigkeiten des Betreffenden in der Dienst-
stelle Bedenken begegnet, in § 13 Abs. 3 BlnPersVG regeln wollte. Schon deswegen
ist im vorliegenden Zusammenhang für die Heranziehung in § 54 Abs. 2 VwGO oder
§ 21 Abs. 1 VwVfG enthaltener Rechtsgedanken kein Raum. Abgesehen davon ha-
ben diese Vorschriften den Ausschluss der Mitwirkung im konkreten Einzelfall im Au-
ge. Darum geht es hier nicht. Die Bedenken gegen die Mitwirkung des Schulleiters im
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Personalrat sind struktureller Natur. Eben darauf ist die Regelung in § 13 Abs. 3 Nr. 2
BlnPersVG zugeschnitten. Sie fragt nicht danach, wie häufig in absoluten Zahlen
oder in Relation zu den im Personalrat zu behandelnden beteiligungspflichtigen
Angelegenheiten der Kollisionsfall eintritt. Anderenfalls wäre die auf Rechtssicherheit
und Rechtsklarheit angelegte Regelung des Wahlrechts nicht handhabbar. Insofern
ist die Rechtslage für den Schulleiter nicht anders als bei sonstigen Dienstkräften,
deren Befugnis zu selbstständigen Entscheidungen sich lediglich auf einen einzigen
Mitbestimmungs- oder Mitwirkungstatbestand bezieht und die bereits deswegen ge-
mäß § 13 Abs. 3 Nr. 2 BlnPersVG nicht zum Personalrat wählbar sind.
d) Nach alledem gehören die Schulleiter zu den in § 13 Abs. 3 Nr. 2 BlnPersVG ge-
nannten Dienstkräften. Für deren Stellen entfällt das Mitbestimmungsrecht gemäß
§ 89 Abs. 3 BlnPersVG. Indem der Gesetzeswortlaut an die "Stelle" anknüpft, bringt
er zum Ausdruck, dass bereits die Stellenbesetzung selbst vom Mitbestimmungs-
ausschluss umfasst wird (ebenso für Beamtenstellen ab A 16 nach § 77 Abs. 1
Satz 2 BPersVG: Beschluss vom 20. März 2002 - BVerwG 6 P 6.01 - Buchholz 250
§ 77 BPersVG Nr. 16 S. 7).
Bardenhewer
Hahn
Büge
Graulich
Vormeier
B e s c h l u s s
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 4 000 € festge-
setzt (§ 23 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2, § 33 Abs. 1, Abs. 8 Satz 1 Halbsatz 1 RVG).
Büge
Sachgebiet:
BVerwGE: nein
Personalvertretungsrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
BlnPersVG § 13 Abs. 3, § 89 Abs. 3
Stichworte:
Schulleiter; Befugnis zu selbstständigen Entscheidungen in Personalangelegenheiten
von nicht untergeordneter Bedeutung.
Leitsatz:
Aufgrund der Bestimmungen des Berliner Schulgesetzes vom 26. Januar 2004 gehö-
ren die Leiter der Berliner Schule nunmehr zu denjenigen Dienstkräften, die zu
selbstständigen Entscheidungen in Personalangelegenheiten von nicht untergeord-
neter Bedeutung befugt sind (§ 13 Abs. 3 Nr. 2 BlnPersVG), so dass das Mitbestim-
mungsrecht des Personalrats für Schulleiterstellen gemäß § 89 Abs. 3 BlnPersVG
entfällt.
Beschluss des 6. Senats vom 22. Juni 2005 - BVerwG 6 P 2.05
I. VG Berlin vom 25.05.2004 - Az.: VG 62 A 19.03 -
II. OVG Berlin vom 07.12.2004 - Az.: OVG 60 PV 6.04 -