Urteil des BVerwG vom 25.07.2006

Gewerkschaft, Satzung, Polizei, Wahlvorschlag

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
BVerwG 6 P 18.05
OVG 1 A 5025/04.PVL
In der Personalvertretungssache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Juli 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn,
Büge, Vormeier und Dr. Bier
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Be-
schluss des Fachsenats für Landespersonalvertretungs-
sachen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nord-
rhein-Westfalen vom 10. November 2005 wird zurückge-
wiesen.
G r ü n d e :
I
Der Antragsteller versteht sich laut § 1 Abs. 2 seiner Satzung vom 30. Oktober
2002 als Gewerkschaft, in der die Beschäftigten der Polizeien der Länder, des
Bundes und der Kommunen organisiert werden. Er hat sich die Aufgabe ge-
stellt, die wirtschaftlichen, beruflichen und sozialen Interessen der Mitglieder zu
wahren und zu fördern (§ 2 Abs. 1 Satz 1 der Satzung). Dies soll laut § 3 Abs. 1
der Satzung insbesondere erreicht werden durch
a) Einflussnahme auf die Gesetzgebung,
b) Mitwirkung bei der Gestaltung des öffentlichen Dienstrechts,
c) Verhandlungen mit Ministerien und Behörden,
d) Beteiligung an den Personalratswahlen und Unterstützung der Personalräte
bei der Erfüllung ihrer Aufgaben,
e) zulässige gewerkschaftliche Kampfmittel,
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f) Schulung von Gewerkschafts- und Personalratsmitgliedern,
g) Öffentlichkeitsarbeit und
h) Herausgabe gewerkschaftlichen Schrifttums.
Für Auswirkungen durch Tarifauseinandersetzungen auf die beim Antragsteller
organisierten Arbeitnehmer schreibt § 3 Abs. 2 Satz 1 der Satzung die Bildung
einer Rücklage vor. § 5 Abs. 1 Satz 1 der Satzung sieht nach Entgeltgruppen
gestaffelte Monatsbeiträge vor.
Mit Schreiben vom 5. April 2004 reichte der Antragsteller für die Wahl des Poli-
zei-Bezirkspersonalrats bei der Bezirksregierung Köln einen Wahlvorschlag für
die Gruppe der Beamten mit drei Kandidaten ein. Diesen Wahlvorschlag wies
der Polizei-Bezirkswahlvorstand durch Schreiben vom 16. April 2004 mit der
Begründung zurück, der Antragsteller könne nicht als Gewerkschaft im Sinne
des Personalvertretungsrechts anerkannt werden. Das Ergebnis der in der Zeit
vom 11. bis 13. Mai 2004 durchgeführten Wahl zum Polizei-Bezirkspersonalrat
bei der Bezirksregierung Köln gab der Wahlvorstand am 17. Mai 2004 bekannt.
Am 26. Mai 2004 hat der Antragsteller die Wahl in der Gruppe der Beamten
angefochten. Das Verwaltungsgericht hat das Wahlanfechtungsbegehren abge-
lehnt. Die Beschwerde des Antragstellers hat das Oberverwaltungsgericht aus
folgenden Gründen zurückgewiesen: Der Wahlanfechtungsantrag habe schon
deswegen keinen Erfolg, weil der Antragsteller nicht anfechtungsberechtigt sei.
Bei ihm handele es sich nicht um eine Gewerkschaft. Vereinigungen seien nur
dann als Gewerkschaft im Sinne des Nordrhein-Westfälischen Personalvertre-
tungsgesetzes anzuerkennen, wenn sie über eine namhafte Anzahl von Mit-
gliedern sowie eine ihren personalvertretungsrechtlichen Aufgaben angemes-
sene Organisation, insbesondere einen namhaften Personalapparat sowie den
erforderlichen Sachverstand verfügten, womit zugleich eine gewisse Durchset-
zungskraft gekennzeichnet sei. Die in der Dienststelle vertretenen Gewerk-
schaften seien in die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Dienststelle
und Personalrat einbezogen. Zusätzlich habe der Gesetzgeber den in der
Dienststelle vertretenen Gewerkschaften im Bereich des Personalvertretungs-
rechts vielfältige Rechte eingeräumt. Damit greife er auf den Sachverstand der
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Gewerkschaften zurück, indem er ihnen Aufgaben und Befugnisse einräume,
die auf die Bildung, Unterstützung, Beratung und Überwachung einer funktions-
fähigen Personalvertretung ausgerichtet seien. Diese Aufgaben könnten nur
dann sinnvoll wahrgenommen werden, wenn die mit ihnen betrauten Vereini-
gungen über einen den Bereich einer bloßen Splittergruppe überschreitenden
Organisationsgrad verfügten und einen die Wahrnehmung der vom Gesetz an-
vertrauten Aufgabenstellung gewährleistenden personellen Hintergrund aufwie-
sen. Aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes werde ersichtlich, dass der
Gesetzgeber von seinem ursprünglichen Ziel, kleineren Verbänden personal-
vertretungsrechtliche Befugnisse einzuräumen, ausdrücklich wieder abgerückt
sei. Der Antragsteller erfülle die genannten Voraussetzungen nicht. Er sei in
den Parallelsachen vom Verwaltungsgericht Aachen um Angaben zur Organi-
sationsstruktur, zu Funktionären, zu Mitgliederzahlen sowie um Benennung der
Behörden gebeten worden, bei denen er bereits an Personalratswahlen teilge-
nommen bzw. einen Wahlvorschlag eingereicht habe. Dieser Aufforderung sei
er nicht nachgekommen; im zweitinstanzlichen Anhörungstermin habe er ledig-
lich Angaben zur Anzahl der Mitglieder gemacht, die bundesweit derzeit 2 194
und in Nordrhein-Westfalen 936 betragen solle. Diese Angaben bezögen sich
auf den Zeitpunkt der Anhörung, nicht aber auf den für die Anfechtungsberech-
tigung entscheidenden Zeitpunkt der Einleitung des vorliegenden Verfahrens.
Hinzu komme, dass der Antragsteller keinerlei Nachweise für seine Zahlenan-
gaben vorgelegt habe. Dazu wäre nicht erforderlich gewesen, die Namen der
Mitglieder zu offenbaren. Vielmehr hätte als Nachweis eine anonymisierte nota-
rielle Erklärung ausgereicht. Der Antragsteller sei auch kein Berufsverband im
Sinne von § 125 NWPersVG. Die Verneinung der Wahlanfechtungsberechti-
gung verstoße nicht gegen Art. 9 Abs. 3 oder Art. 3 Abs. 1 GG.
Der Antragsteller trägt zur Begründung seiner Rechtsbeschwerde vor: Bei ihm
seien die begriffsbestimmenden Merkmale einer Gewerkschaft im Sinne des
Personalvertretungsrechts erfüllt. Entgegen der Auffassung des Oberverwal-
tungsgerichts könne bei einer Beamtengewerkschaft wegen des Streikverbots
und der fehlenden Tariffähigkeit nicht auf Mitgliederzahl und Leistungsfähigkeit
abgestellt werden. Dass es auf eine namhafte Mitgliederzahl nicht ankomme,
ergebe sich auch aus Erwägungen des Gesetzgebers, die zur Erweiterung des
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gewerkschaftlichen Wahlvorschlagsrechts geführt hätten. Indem der nordrhein-
westfälische Landesgesetzgeber Berufsverbänden personalvertretungsrechtli-
che Befugnisse nur unter der Voraussetzung zugestanden habe, dass sie ge-
werkschaftlichen Spitzenorganisationen angeschlossen seien, habe er eine
Anforderung gestellt, deren Erfüllung unmöglich sei. Dass die Regelung unver-
hältnismäßig sei, ergebe sich auch aus den Personalvertretungsgesetzen an-
derer Bundesländer, in denen Gewerkschaften und Berufsverbände gleichge-
stellt seien.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und die vom
11. bis 13. Mai 2004 bei der Bezirksregierung Köln durch-
geführten Wahl des Bezirkspersonalrats der Polizei be-
schränkt auf die Gruppe der Beamten für ungültig zu er-
klären.
Der Beteiligte zu 1 beantragt,
die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluss ebenso wie der Beteiligte zu 2 und
die Vertreterin des Bundesinteresses.
II
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Der
Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruht nicht auf der Nichtanwendung
oder der unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm (§ 79 Abs. 2 Satz 1
NWPersVG vom 3. Dezember 1974, GV.NRW. S. 1514, zuletzt geändert durch
Gesetz vom 1. März 2005, GV.NRW. S. 69, i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 ArbGG).
Der Wahlanfechtungsantrag des Antragstellers ist wegen fehlender Antragsbe-
fugnis unzulässig.
1. Über das streitige Wahlanfechtungsbegehren hat der Senat zu entscheiden,
ohne das Verfahren zuvor gemäß § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG aussetzen zu
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müssen. Nach dieser Vorschrift hat das Gericht, wenn die Entscheidung eines
Rechtsstreits davon abhängt, ob eine Vereinigung tariffähig oder ob die Tarif-
zuständigkeit einer Vereinigung gegeben ist, das Verfahren bis zur Erledigung
des Beschlussverfahrens vor dem Arbeitsgericht nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG
auszusetzen. Danach ist ohne Rücksicht auf Verfahrensart und Gegenstand
jedes Verfahren auszusetzen, in welchem sich die Frage der Tariffähigkeit oder
Tarifzuständigkeit einer Vereinigung als Vorfrage stellt (vgl. BAG, Beschluss
vom 25. September 1996 - 1 ABR 25/96 - AP Nr. 4 zu § 97 ArbGG 1979 Bl. 563
R). Diese Pflicht besteht in jeder Lage des Verfahrens, also auch noch in der
Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdeinstanz (vgl. BAG, Urteile vom 23. Oktober
1996 - 4 AZR 409/95 - BAGE 84, 238 <242> und vom 23. Februar 2005
- 4 AZR 186/04 - AP Nr. 42 zu § 4 TVG Nachwirkung Bl. 605). Die Aus-
setzungspflicht besteht auch für andere Gerichtsbarkeiten, insbesondere für
das verwaltungsgerichtliche Beschlussverfahren in personalvertretungsrechtli-
chen Streitigkeiten (vgl. Leinemann, in: GK-ArbGG § 97 Rn. 60; Hauck, in:
Hauck/Helml, Arbeitsgerichtsgesetze, 3. Auflage 2006, § 97 Rn. 8; Matthes, in:
Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, Arbeitsgerichtsgesetz, 5. Auflage
2004, § 97 Rn. 11; Walker, in: Schwab/Weth, Arbeitsgerichtsgesetz, 2004, § 97
Rn. 45). Das vorliegende Verfahren ist jedoch nicht auszusetzen, weil es für die
Entscheidung weder auf die Tariffähigkeit noch auf die Tarifzuständigkeit des
Antragstellers ankommt.
a) Tariffähigkeit im Sinne von § 2a Abs. 1 Nr. 4, § 97 ArbGG bedeutet die Fä-
higkeit, einen Tarifvertrag im Sinne von § 1 TVG abschließen zu können. Diese
Tariffähigkeit besitzen auf der Arbeitnehmerseite Gewerkschaften (§ 2 Abs. 1
TVG); sie können Tarifvertragspartei sein (vgl. BAG, Beschluss vom 25. No-
vember 1986 - 1 ABR 22/85 - BAGE 53, 347 <355>). Eine Frage nach der Ta-
riffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung ist auch, ob diese eine Gewerkschaft
im arbeitsrechtlichen Sinne ist (vgl. BAG, Beschlüsse vom 15. März 1977
- 1 ABR 16/75 - BAGE 29, 72 <78> und vom 25. November 1986 a.a.O.
S. 351). Davon hängt jedoch die Entscheidung der vorliegenden Sache nicht
ab. Vielmehr kommt es hier darauf an, ob der Antragsteller eine Gewerkschaft
im Sinne der Bestimmungen des Nordrhein-Westfälischen Personalvertre-
tungsgesetzes ist. Diese Fragestellung ist schon wegen der notwendigen Ein-
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beziehung von Beamten nicht auf den arbeitsrechtlichen Gewerkschaftsbegriff
verengt, der ausschließlich die Vereinigungen von Arbeitnehmern im Auge hat.
Hinzu kommt, dass § 125 NWPersVG die personalvertretungsrechtlichen Kom-
petenzen der Gewerkschaften unter bestimmten Voraussetzungen auf Berufs-
verbände ausdehnt. Eine diese einbeziehende Verbindlichkeit der Entschei-
dungen der Arbeitsgerichte im Beschlussverfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4, § 97
ArbGG scheidet offensichtlich aus.
b) Tarifzuständigkeit im Sinne von § 2a Abs. 1 Nr. 4, § 97 ArbGG ist die in der
Satzung eines tariffähigen Verbandes geregelte Befugnis, Tarifverträge mit ei-
nem bestimmten räumlichen, betrieblich-fachlichen und persönlichen Geltungs-
bereich abzuschließen (vgl. BAG, Urteile vom 23. Oktober 1996 a.a.O. S. 244
und vom 23. Februar 2005 a.a.O. S. 605; Beschluss vom 29. Juni 2004 - 1 ABR
14/03 - BAGE 111, 164 <171>). Eine dahingehende Frage stellt sich in der
vorliegenden Sache offensichtlich nicht.
c) Eine Aussetzung des Verfahrens kommt auch nicht über § 79 Abs. 2 Satz 1
NWPersVG in analoger Anwendung des § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG in der Wei-
se in Betracht, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Ge-
werkschaftseigenschaft des Antragstellers einzuholen ist. Dies scheidet schon
deswegen aus, weil der Zuständigkeitskatalog in § 79 Abs. 1 NWPersVG eine
§ 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG entsprechende Regelung nicht enthält (vgl. Matthes
a.a.O. § 97 Rn. 4; Leinemann a.a.O. § 97 Rn. 5).
2. Die Vorschriften der Kapitel 1 bis 9 und 11 des Nordrhein-Westfälischen
Personalvertretungsgesetzes sind hier anzuwenden (§§ 81, 82, 84 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1, Satz 2 NWPersVG). Im Übrigen haben die Sondervorschriften für
die Beschäftigten der Polizei in den Polizeidienststellen im ersten Abschnitt des
10. Gesetzeskapitels in der vorliegenden Sache keine Bedeutung.
3. Gemäß § 22 Abs. 1 NWPersVG, der auf die Wahl des Polizei-Bezirksper-
sonalrats entsprechende Anwendung findet (§ 50 Abs. 3 Satz 1 NWPersVG),
können mindestens drei wahlberechtigte Beschäftigte, jede in der Dienststelle
vertretene Gewerkschaft oder der Leiter der Dienststelle die Personalratswahl
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anfechten. Dem Antragsteller steht dieses Wahlanfechtungsrecht nicht zu, weil
er keine Gewerkschaft im Sinne der vorgenannten Bestimmung ist.
Der Terminus „in der Dienststelle vertretene Gewerkschaft“ findet sich in einer
Reihe von gesetzlichen Bestimmungen, durch welche bestimmte personalver-
tretungsrechtliche Aufgaben und Befugnisse eingeräumt sind, die auf die Bil-
dung, Unterstützung und Kontrolle einer funktionsfähigen Personalvertretung
ausgerichtet sind (vgl. Altvater/Hamer/Ohnesorg/Peiseler, Bundespersonalver-
tretungsgesetz, 5. Auflage 2004, § 2 Rn. 28). Im Einzelnen handelt es sich da-
bei um
- Einreichung von Wahlvorschlägen für die Personalratswahl (§ 16 Abs. 4
Satz 1, Abs. 7 NWPersVG);
- Antrag auf Einberufung einer Personalversammlung zur Wahl des Wahlvor-
standes sowie auf Bestellung des Wahlvorstandes durch den Dienststellenleiter
(§ 17 Abs. 2 Satz 1, § 18 Satz 1, §§ 19, 20 Abs. 1 Satz 2 NWPersVG);
- beratende Teilnahme an Sitzungen des Wahlvorstandes (§ 20 Abs. 2
NWPersVG);
- Anfechtung der Personalratswahl (§ 22 Abs. 1 NWPersVG);
- Antrag auf Ausschluss einzelner Personalratsmitglieder oder auf Auflösung
des Personalrats (§ 25 Abs. 1 NWPersVG);
- Antrag auf Einberufung einer Personalversammlung (§ 46 Abs. 3 NWPersVG);
- Teilnahme an Personalversammlungen (§ 49 Satz 1 und 2 NWPersVG).
Zur Wahrnehmung vor allem dieser Aufgaben und Befugnisse ist dem Beauf-
tragten der in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaft nach Maßgabe von § 3
Abs. 4 NWPersVG Zugang zur Dienststelle zu gewähren. In der Dienststelle
vertreten ist eine Gewerkschaft bereits dann, wenn ihr ein Beschäftigter der
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Dienststelle angehört (vgl. Beschluss vom 11. Februar 1981 - BVerwG 6 P
20.80 - BVerwGE 61, 334 <336> = Buchholz 238.35 § 21 HePersVG Nr. 1
S. 2). Andererseits verleihen die zitierten Vorschriften den in der Dienststelle
vertretenen Gewerkschaften Rechte, die sonst nur einer Mehrzahl von Beschäf-
tigten oder dem Dienststellenleiter zustehen. Im Zusammenhang mit der Wahl
bzw. Bestellung des Wahlvorstandes sowie bei der Wahlanfechtung hat jede in
der Dienststelle vertretene Gewerkschaft dieselben Befugnisse wie drei wahl-
berechtigte Beschäftigte (§ 17 Abs. 2 Satz 1, § 18 Satz 1, §§ 19, 20 Abs. 1
Satz 2, § 22 Abs. 1 NWPersVG). Während für Wahlvorschläge der Beschäftig-
ten nach Maßgabe von § 16 Abs. 5 und 6 NWPersVG die Unterschriften von
1/20 der Gruppenangehörigen bzw. Beschäftigten erforderlich sind - dies kön-
nen bei großen Dienststellen bis zu 100 Unterschriften sein -, genügt für den
Wahlvorschlag einer Gewerkschaft die Unterzeichnung durch ihren Beauftrag-
ten (§ 16 Abs. 7 NWPersVG). Geht es um den Ausschluss eines Personalrats-
mitgliedes oder die Auflösung des Personalrats, so hat der Antrag der Gewerk-
schaft nach § 25 Abs. 1 NWPersVG dasselbe Gewicht wie der Antrag eines
Viertels der wahlberechtigten Beschäftigten. In Bezug auf das Recht zur Wahl-
anfechtung und zur Teilnahme an der Personalversammlung steht jede in der
Dienststelle vertretene Gewerkschaft auf einer Stufe mit dem Dienststellenleiter,
hinsichtlich der Teilnahme an der Personalversammlung nach Maßgabe von
§ 49 Satz 1 NWPersVG auch mit anderen personalvertretungsrechtlich ex-
ponierten Stellen (Arbeitgebervereinigung, Stufenvertretung, Gesamtpersonal-
rat, übergeordnete Dienststellen). Daraus wird deutlich, dass es sich bei den
Gewerkschaften um Vereinigungen von Beschäftigten handeln muss, denen im
Geltungsbereich der Dienststellenverfassung nach § 1 NWPersVG ein beson-
deres Gewicht zukommt.
a) Zu den Gewerkschaften im Sinne des nordrhein-westfälischen Personalver-
tretungsrechts zählen zweifelsohne die Gewerkschaften im traditionellen ar-
beitsrechtlichen Sinne. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsge-
richts muss eine Arbeitnehmervereinigung bestimmte Mindestvoraussetzungen
erfüllen, um tariffähig gemäß § 2 Abs. 1 TVG und damit eine Gewerkschaft im
arbeitsrechtlichen Sinne zu sein. Sie muss sich als satzungsmäßige Aufgabe
die Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder in deren Eigenschaft als Ar-
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beitnehmer gesetzt haben und willens seien, Tarifverträge abzuschließen. Sie
muss frei gebildet, gegnerfrei, unabhängig und auf überbetrieblicher Grundlage
organisiert sein und das geltende Tarifrecht als verbindlich anerkennen. Wei-
terhin ist Voraussetzung, dass die Arbeitnehmervereinigung ihre Aufgabe als
Tarifpartnerin sinnvoll erfüllen kann. Dazu gehört einmal die Durchsetzungskraft
gegenüber dem sozialen Gegenspieler, zum anderen aber auch eine gewisse
Leistungsfähigkeit der Organisation. Für die Beurteilung der Durchsetzungskraft
kommt regelmäßig insbesondere der Mitgliederzahl entscheidende Bedeutung
zu. Bei einer nur kleinen Zahl von Mitgliedern kann sich die Möglichkeit einer
Arbeitnehmervereinigung, empfindlichen Druck auf den sozialen Gegenspieler
auszuüben, im Einzelfall auch daraus ergeben, dass es sich bei den organisier-
ten Arbeitnehmern um Spezialisten in Schlüsselstellungen handelt, die von der
Arbeitgeberseite im Falle eines Arbeitskampfes kurzfristig überhaupt nicht oder
nur schwer ersetzt werden können. Die Durchsetzungskraft einer Arbeitneh-
mervereinigung kann sich darin zeigen, dass sie schon aktiv in den Prozess der
tariflichen Regelung von Arbeitsbedingungen eingegriffen hat (vgl. BAG, Be-
schlüsse vom 25. November 1986 a.a.O. S. 355 ff., vom 6. Juni 2000 - 1 ABR
10/99 - BAGE 95, 36 <41 ff.> und vom 14. Dezember 2004 - 1 ABR 51/03 - AP
Nr. 1 zu § 2 TVG Tariffähigkeit Bl. 1255 R ff.).
Die vorbezeichnete Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat in ihren
wesentlichen Grundzügen, insbesondere auch hinsichtlich des Erfordernisses
der Durchsetzungskraft, ihre Bestätigung gefunden durch Abschnitt A III Nr. 2
des Gemeinsamen Protokolls über Leitsätze zu Art. 4 Abs. 1 des Vertrages
über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom
18. Mai 1990, BGBl II S. 537, 545, welchem der Bundestag durch Art. 1 des
Gesetzes vom 25. Juni 1990, BGBl II S. 518, zugestimmt hat (vgl. dazu im
Einzelnen BAG, Beschluss vom 6. Juni 2000 - 1 ABR 21/99 - BAGE 95, 47
<56 ff.>). Abschnitt A III Nr. 2 des Gemeinsamen Protokolls hatte folgenden
Wortlaut: „Tariffähige Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände müssen frei
gebildet, gegnerfrei, auf überbetrieblicher Grundlage organisiert und unabhän-
gig sein sowie das geltende Tarifrecht als für sich verbindlich anerkennen; fer-
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ner müssen sie in der Lage sein, durch Ausüben von Druck auf den Tarifpartner
zu einem Tarifabschluss zu kommen.“
b) Bei dem vorbezeichneten engen Begriffsverständnis kann es im Rahmen der
hier in Rede stehenden personalvertretungsrechtlichen Fragestellung schon
deswegen nicht sein Bewenden haben, weil die von den Personalräten vertre-
tenen Beschäftigten nicht nur die Arbeitnehmer, sondern auch die Beamten ein-
schließen (§ 5 Abs. 1 NWPersVG). Da den Gewerkschaften - wie dargelegt -
durch das Personalvertretungsrecht besondere Aufgaben und Befugnisse ein-
geräumt sind, müssen aus Gründen der Gleichbehandlung den Vereinigungen
von Beamten dieselben Rechte zustehen wie denjenigen von Arbeitnehmern.
Auf Tariffähigkeit kann es dabei nicht ankommen, weil die Arbeitsbedingungen
von Beamten durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden. Der
Begriff der Gewerkschaft im Sinne des Personalvertretungsrechts umfasst
daher auch alle auf überbetrieblicher Grundlage errichteten Berufsorganisatio-
nen der Beamten, die auf freiwilligem Zusammenschluss ihrer Mitglieder beru-
hen, unabhängig vom Wechsel derselben sind und weder unmittelbar noch mit-
telbar durch den Staat oder anderweitig durch öffentliche Mittel unterstützt wer-
den, daher unabhängig von der Gegenseite sind und deren Zweck darauf ge-
richtet ist, ihre Mitglieder gegenüber ihrem Dienstherrn bei der Gestaltung der
dienstrechtlichen Beziehungen zu vertreten und sich für ihre wirtschaftlichen
Belange einzusetzen (vgl. Beschluss vom 23. November 1962 - BVerwG 7 P
4.62 - BVerwGE 15, 168 <169>). In der Literatur wird überdies verlangt, dass
die Beamtenvereinigungen die für ernsthafte Verhandlungen erforderliche
Durchsetzungskraft besitzen müssen (vgl. Altvater u.a., a.a.O. § 2 Rn. 23;
Ilbertz/Widmaier, Bundespersonalvertretungsgesetz, 10. Auflage 2004, § 2
Rn. 43). Dies ist insofern folgerichtig, als für Beamtenvereinigungen - von der
fehlenden Tariffähigkeit abgesehen - keine anderen Voraussetzungen gelten
können als für Arbeitnehmervereinigungen. Unter diesem Blickwinkel kommt
einem zahlenmäßig erheblichen Mitgliederbestand unter den Beamten des je-
weiligen Bereichs eine besondere Aussagekraft zu (vgl. Lechtermann, in:
Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, Teil 3, § 106 Rn. 35 m.w.N.). Eine hinreichende
Durchsetzungskraft wird weiter vor allem dann anzunehmen sein, wenn
Beamtenvereinigungen über ihre gewerkschaftliche Spitzenorganisation oder
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unmittelbar wegen ihrer landesweiten Bedeutung nach Maßgabe von § 106
LBG bei der Vorbereitung allgemeiner Regelungen der beamtenrechtlichen
Verhältnisse durch die obersten Landesbehörden hinzugezogen werden.
c) Dass die Gewerkschaftseigenschaft einer Beamtenvereinigung nicht an ihrer
fehlenden Tariffähigkeit scheitert, hat das Bundesarbeitsgericht bereits in einer
frühen Entscheidung klargestellt. Es hat allerdings hinzugefügt, dass bei Ver-
bänden, die neben Beamten auch Arbeitnehmer als Mitglieder hätten, hinsicht-
lich dieser Arbeitnehmermitglieder an allen Erfordernissen des arbeitsrechtli-
chen Gewerkschaftsbegriffs festzuhalten sei (vgl. Beschluss vom 6. Juli 1956
- 1 AZB 18/55 - BAGE 4, 351 <352 f.>). In der Kommentarliteratur ist daraus
gefolgert worden, bei „gemischten“ Vereinigungen müssten die für jede Mitglie-
dergruppe dargestellten Voraussetzungen erfüllt sein, um als Gewerkschaft im
Sinne des Personalvertretungsrechts zu gelten (vgl. Faber, in: Lorenzen/Etzel/
Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 2
Rn. 53; Fischer/Goeres/Gronimus, in: GKÖD Bd. V K § 2 Rn. 17; Ilbertz/
Widmaier, a.a.O. § 2 Rn. 42; Altvater u.a., a.a.O. § 2 Rn. 23). Soweit damit
gemeint sein sollte, eine Beamtenvereinigung verliere personalvertretungs-
rechtlich ihre Gewerkschaftseigenschaft mit Aufnahme von Arbeitnehmern, so-
lange noch keine Tariffähigkeit gegeben sei, könnte dem nicht gefolgt werden.
Erfüllt eine Berufsorganisation der Beamten alle im vorherigen Abschnitt darge-
stellten Voraussetzungen für die Anerkennung als Gewerkschaft, verfügt sie
insbesondere über die hinreichende Durchsetzungskraft, dann stehen ihr die für
Gewerkschaften vorgesehenen personalvertretungsrechtlichen Aufgaben und
Befugnisse unabhängig davon zu, ob sie auch für Arbeitnehmer offen ist. Eine
„reine“ Beamtengewerkschaft kann personalvertretungsrechtlich nicht ge-
genüber einer anderen ebenso durchsetzungsfähigen Beamtengewerkschaft
deswegen privilegiert sein, weil letztere auch Arbeitnehmer in ihren Reihen hat.
d) Da der Gesetzgeber bei der Formulierung der personalvertretungsrechtlichen
Befugnisse der Gewerkschaften einen bestimmten, durch die Rechtsprechung
des Bundesarbeitsgerichts geprägten Inhalt des Gewerkschaftsbegriffs vorfand,
ist anzunehmen, dass ihm in erster Linie diejenigen Organisationen vor Augen
standen, die diesem herkömmlichen arbeitsrechtlichen Begriffsinhalt genügen,
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und dass er sie gerade um dieser Eigenschaften willen mit den in Rede ste-
henden Befugnissen ausgestattet hat. Den tariffähigen Arbeitnehmervereini-
gungen stehen, wie dargelegt, die entsprechenden, mithin auch mit einer ähnli-
chen Durchsetzungsfähigkeit ausgestatteten Berufsorganisationen der Beamten
gleich. In beiden Fallgruppen beurteilt sich die Durchsetzungsfähigkeit nach der
Verhandlungs- oder Einwirkungsmacht im Zusammenhang mit dem Abschluss
von Tarifverträgen oder dem Erlass von allgemeinen dienstrechtlichen
Regelungen namentlich in Form von Gesetz oder Rechtsverordnung. Vereini-
gungen von Beschäftigten, die in diesen Bereichen als Partner akzeptiert sind,
verfügen ohne weiteres über jene Sachautorität, die in denjenigen personalver-
tretungsrechtlichen Normen vorausgesetzt ist, welche den Gewerkschaften ex-
klusive Rechte einräumen. Darüber hinaus mag die Möglichkeit erwogen wer-
den, den personalvertretungsrechtlichen Gewerkschaftsbegriff gegenüber dem
herkömmlichen Begriffsinhalt des Arbeitsrechts dahin weiter zu modifizieren,
dass auch solche Vereinigungen von Arbeitnehmern und Beamten als Gewerk-
schaften anerkannt werden, denen zwar nicht die erwähnte „externe“ Durchset-
zungsfähigkeit gegenüber dem öffentlichen Arbeitgeber bzw. Dienstherrn zu-
kommt, die aber immerhin in den Dienststellen über einen beachtlichen Rück-
halt unter den Beschäftigten verfügen. Als geeignete Beurteilungskriterien hier-
für kommen zum einen - erneut - der Mitgliederbestand sowie zum anderen
- zusätzlich oder bei einer eher mitgliederschwachen Organisation auch er-
satzweise - eine nennenswerte Zahl von Dienststellen in Betracht, in denen
Personalratsmandate gewonnen wurden. Keinesfalls kann aber bei der Ausle-
gung des personalvertretungsrechtlichen Gewerkschaftsbegriffs auf das Merk-
mal der Durchsetzungsfähigkeit überhaupt verzichtet werden, weil ohne dieses
Merkmal der notwendige Zusammenhang mit dem herkömmlichen arbeitsrecht-
lichen Begriffsinhalt zu sehr gelockert und eine sachgerechte Wahrnehmung
der den Gewerkschaften verliehenen Befugnisse nicht mehr gewährleistet wäre.
Auf diese Auslegungsgesichtspunkte hat bereits das Oberverwaltungsgericht
zutreffend hingewiesen.
e) Die Einwände des Antragstellers im Rechtsbeschwerdeverfahren führen zu
keiner anderen Beurteilung.
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aa) Dies gilt zunächst für seinen Hinweis auf die Begründung des Gesetzent-
wurfs der damaligen Regierungsfraktionen vom 5. Februar 1974, wonach die
Erweiterung des Wahlvorschlagsrechts in § 16 Abs. 4 Satz 1 NWPersVG es
auch solchen Gewerkschaften ermöglichen solle, Wahlvorschläge zu machen,
die nicht „Spitzenorganisationen“ im Sinne des § 106 Abs. 2 LBG seien und nur
wenige Mitglieder in der Dienststelle hätten (vgl. LTDrucks 7/3543 S. 51). Hin-
tergrund dieser Äußerung ist, dass das Nordrhein-Westfälische Personalvertre-
tungsgesetz vom 28. Mai 1958, GV.NRW. S. 209, die Aufgaben und Befugnisse
im Bereich der Berufsorganisation der Beschäftigten, darunter das Wahlvor-
schlagsrecht in § 15 Abs. 4 und das Wahlanfechtungsrecht in § 22 Abs. 1
Satz 1, jeweils den „Spitzenorganisationen der Gewerkschaften“ zugesprochen
und in § 94 die Wahrnehmung durch die Gewerkschaften selbst nur unter der
Voraussetzung zugelassen hatte, dass diese ihrerseits den Spitzenorganisatio-
nen angeschlossen waren. Mit der unmittelbaren Zuweisung der Aufgaben und
Befugnisse an die Gewerkschaften durch das Nordrhein-Westfälische Perso-
nalvertretungsgesetz vom 3. Dezember 1974 hat der Gesetzgeber zwar die
personalvertretungsrechtlichen Gewerkschaftsrechte aus einem etwaigen Defi-
nitionszusammenhang mit § 106 (damals Abs. 2, heute Abs. 4) LBG herausge-
löst, der maßgeblich auf die erhebliche Bedeutung für die Vertretung der Beam-
tenbelange abstellt. Eine Aussage über die Mindestanforderungen des perso-
nalvertretungsrechtlichen Gewerkschaftsbegriffs ist damit aber nicht getroffen.
Die zitierte Äußerung aus dem Gesetzentwurf der damaligen Regierungsfrakti-
onen vom 5. Februar 1974 ist im Übrigen in ihrer Bedeutung stark zu relativie-
ren, weil die weitergehenden Vorstellungen dieses Gesetzentwurfs im Zusam-
menhang mit den Rechten der Berufsorganisationen sich im weiteren Gang des
Gesetzgebungsverfahrens nicht durchgesetzt haben, wie weiter unten bei der
Erörterung der Rechte der Berufsverbände aufgezeigt wird.
bb) Der Senatsbeschluss vom 3. Februar 1995 - BVerwG 6 P 5.93 - (Buchholz
250 § 19 BPersVG Nr. 6) trägt entgegen der Auffassung des Antragstellers zur
Klärung des Gewerkschaftsbegriffs nichts bei. In dieser zu § 19 Abs. 9
BPersVG ergangenen Entscheidung wurde hergeleitet, dass die Beauftragten,
die den gewerkschaftlichen Wahlvorschlag unterzeichnet haben müssen, nicht
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ihrerseits zu dem in Rede stehenden personalvertretungsrechtlichen Gremium
- damals die Haupt-Jugend- und Auszubildendenvertretung - wahlberechtigt
sein müssen (a.a.O. S. 2). Zur Begründung wird ausgeführt, mit den einschlä-
gigen gesetzlichen Regelungen habe der Gesetzgeber sicherstellen wollen,
dass auch kleine Gewerkschaften die Chance erhielten, zur Personalratswahl
zu kandidieren (a.a.O. S. 4). Damit ist jedoch keine Aussage dazu getroffen,
welche materiellen Anforderungen an den Gewerkschaftsbegriff zu stellen sind
und welche Bedeutung dabei der Mitgliederzahl allein oder zusammen mit an-
deren Merkmalen zukommt. Zudem übersieht der Antragsteller in diesem Zu-
sammenhang, dass es wegen des überbetrieblichen Charakters einer Gewerk-
schaft nicht auf die Mitgliederzahl in der einzelnen Dienststelle ankommen
kann. Dass das Wahlvorschlagsrecht kleine Gewerkschaften begünstigt, die in
der Dienststelle nur wenige Mitglieder haben, besagt nichts über die Bedeutung
der Gesamtmitgliederzahl des Verbandes im selbst gesetzten Wirkungsbereich.
4. Die Beschränkung des Wahlanfechtungsrechts auf Gewerkschaften und
damit auf Berufsvereinigungen (Koalitionen), die über ein gewisses (Min-
dest)Maß an Durchsetzungsfähigkeit verfügen, begegnet keinen verfassungs-
rechtlichen Bedenken.
a) Ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 GG scheidet auch für den Fall aus, dass der
Antragsteller dem Schutzbereich dieses Grundrechts unterfällt. Es gewährleistet
den Koalitionen und ihren Mitgliedern das Recht, sich im Bereich der Perso-
nalvertretung zu betätigen. Dazu gehört das Recht, zur Wahrung und Förde-
rung der innerdienstlichen Angelegenheiten der Beschäftigten Einfluss auf die
Wahl der Personalräte zu nehmen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30. November
1965 - 2 BvR 54/62 - BVerfGE 19, 303 <312 f., 320>, vom 23. März 1982
- 2 BvL 1/81 - BVerfGE 60, 162 <169 f.> und vom 16. Oktober 1984 - 2 BvL 20,
21/82 - BVerfGE 67, 369 <377>). Ein Recht der Koalition, unter ihrem eigenen
Namen einen Wahlvorschlag einzureichen, folgt daraus nicht; vielmehr genügt
das Wahlvorschlagsrecht der wahlberechtigten Beschäftigten, sofern es nicht
mit einem übermäßigen Unterschriftenquorum verbunden ist (vgl. BVerfG, Be-
schlüsse vom 23. März 1982 a.a.O. S. 163, 169 f., vom 16. Oktober 1984
a.a.O. S. 371, 377 und vom 12. Oktober 2004 - 1 BvR 2130/98 - BVerfGE 111,
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289 <292 f., 301>). Ebenso wenig muss jeder Koalition ein eigenes
Wahlanfechtungsrecht zustehen. Dagegen mag aus Art. 9 Abs. 3 GG
herzuleiten sein, dass jede in der Dienststelle vertretene - auch kleine, im Auf-
bau befindliche - Koalition überhaupt eine realistische Möglichkeit haben muss,
die Personalratswahl einer gerichtlichen Überprüfung zuzuführen. Damit ist in
ausreichendem Umfang gewährleistet, dass Wahlrechtsverstöße, die in den
Verantwortungsbereich eines von der Konkurrenzorganisation majorisierten
Wahlvorstandes fallen, über eine gerichtlich anzuordnende Neuwahl beseitigt
werden. Eine solche Möglichkeit hält § 22 Abs. 1 NWPersVG vor. Diese
Vorschrift beschränkt das Wahlanfechtungsrecht nicht auf den Dienststellenlei-
ter und die in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaften, sondern billigt es
auch drei wahlberechtigten Beschäftigten zu. Auch jede kleine Koalition, die in
der Dienststelle nur mit einem einzigen Beschäftigten vertreten ist, kann die
Anfechtung der Wahl bereits dann erreichen, wenn es ihr gelingt, zwei weitere
Beschäftigte von der Notwendigkeit der gerichtlichen Überprüfung der Perso-
nalratswahl zu überzeugen. Noch niedriger erscheint die Hürde, wenn es wie im
vorliegenden Fall um die Anfechtung der Wahl zu einer Stufenvertretung geht,
für welche § 50 Abs. 3 Satz 1 NWPersVG die entsprechende Anwendung der
Regelung in § 22 NWPersVG vorschreibt. Hier müssen die anfechtenden
Wahlberechtigten nicht aus einer Dienststelle kommen; es genügt vielmehr,
dass sie in irgendeiner Dienststelle beschäftigt sind, welche zum Geschäftsbe-
reich der übergeordneten Dienststelle zählt (vgl. Cecior/Vallendar/Lechtermann/
Klein, Das Personalvertretungsrecht in Nordrhein-Westfalen, § 50 Rn. 42).
b) Art. 3 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht verletzt. Es ist sachgerecht, Gewerk-
schaften ein organisationsbezogenes Wahlanfechtungsrecht einzuräumen, an-
deren Koalitionen dagegen nicht.
aa) Der Unterschied ist nur geringfügig. Wie bereits erwähnt, können auch klei-
ne, in der Dienststelle mit nur einem einzigen Beschäftigten vertretene Koalitio-
nen die Anfechtung der Personalratswahl erreichen, wenn diese von zwei wei-
teren wahlberechtigten Beschäftigten unterstützt wird. Koalitionen, denen we-
gen Durchsetzungskraft und Organisationsstärke Gewerkschaftseigenschaft
zukommt, hätten bei Wahlanfechtungsabsicht typischerweise keine Schwierig-
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keit, das Drei-Beschäftigten-Quorum zu erfüllen. Das organisationsbezogene
Anfechtungsrecht wirkt sich daher als echtes Privileg nur in den Fällen aus, in
denen solches - ausnahmsweise - nicht gelingt.
bb) Die unterschiedliche Behandlung von Gewerkschaften und sonstigen Koali-
tionen ist sachlich gerechtfertigt. Nach § 22 Abs. 1 NWPersVG kann nicht jeder
wahlberechtigte Beschäftigte die Personalratswahl anfechten; nur mindestens
drei Wahlberechtigte sind dazu berechtigt. Danach muss das Begehren von
einer nicht unbedeutenden Minderheit getragen werden, um zu verhindern,
dass persönliche Unzufriedenheit zum Gegenstand der Wahlanfechtung ge-
macht wird. Im Wahlanfechtungsverfahren geht es nicht um die Verfolgung
persönlicher Rechte, sondern um das Allgemeininteresse, insbesondere das
Interesse der Beschäftigten an der Ordnungsmäßigkeit der Wahl und der ge-
setzmäßigen Zusammensetzung des Personalrats (vgl. Beschluss vom
8. Februar 1982 - BVerwG 6 P 43.80 - BVerwGE 65, 33 <35> = Buchholz
238.31 § 25 BaWüPersVG Nr. 1 S. 3). Bei einer Vereinigung von Beschäftigten,
die über Durchsetzungskraft und Organisationsmacht verfügt und dies wenigs-
tens durch Erlangung von Personalratsmandaten in verschiedenen Dienststel-
len unter Beweis gestellt hat, kann unterstellt werden, dass es ihr bei der Wahl-
anfechtung darum geht, die Gesetzmäßigkeit der Personalratswahl klären zu
lassen. Bei einer Vereinigung, die jene Voraussetzungen nicht erfüllt und noch
nicht einmal in der Lage ist, drei wahlberechtigte Beschäftigte der Dienststelle
für das Wahlanfechtungsbegehren hinter sich zu bringen, ist eine derartige Un-
terstellung nicht mehr im gleichen Maße berechtigt.
5. Der Antragsteller erfüllt die Anforderungen, die nach den Bestimmungen des
Nordrhein-Westfälischen Personalvertretungsgesetzes an eine Gewerkschaft
zu stellen sind, auch dann nicht, wenn der Gewerkschaftsbegriff in dem oben
erörterten weiten, d.h. den Besonderheiten des Personalvertretungsrechts an-
gepassten Sinn verstanden wird. Zwar hat er sich laut seiner Satzung die Auf-
gabe gestellt, die wirtschaftlichen, beruflichen und sozialen Interessen seiner
Mitglieder zu wahren und zu fördern, die er unter den Beschäftigten der Poli-
zeien der Länder, des Bundes und der Kommunen organisieren will. Auch zäh-
len die in § 3 Abs. 1 seiner Satzung zur Verwirklichung der Ziele genannten
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Aktivitäten, darunter die Beteiligung an Personalratswahlen und die Unterstüt-
zung der Personalräte bei der Erfüllung ihrer Aufgaben, zu den gewerkschafts-
typischen Handlungsformen. Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass der
Antragsteller über jenes Mindestmaß an Durchsetzungskraft verfügt, welches
auch für eine Gewerkschaft im personalvertretungsrechtlichen Sinne verlangt
werden muss.
Dass es sich bei ihm um eine tariffähige Arbeitnehmervereinigung handelt, be-
hauptet der Antragsteller ungeachtet seiner satzungsmäßig auch für Arbeit-
nehmer offenen Mitgliedschaft selbst nicht. Ebenso wenig ist erkennbar, dass er
vor Erlass allgemeiner dienstrechtlicher Regelungen zu Verhandlungen hin-
zugezogen worden oder sonst auf eine Weise in Erscheinung getreten ist, die
ihn als Beamtengewerkschaft qualifizieren würde. Schließlich ist er bisher we-
der im Rahmen der Personalvertretung hervorgetreten noch stand im maßgeb-
lichen Zeitpunkt des Endes der Wahlanfechtungsfrist - Anfang Juni 2004 - eine
derartige Entwicklung in näherer Zukunft zu erwarten.
a) Nach seinen Angaben im Anhörungstermin vor dem Oberverwaltungsgericht
hat der Antragsteller in Nordrhein-Westfalen 936 und bundesweit
2 194 Mitglieder. Der Senat hat wie das Oberverwaltungsgericht durchgreifende
Zweifel daran, dass diese Angaben die tatsächlichen Verhältnisse im maßgeb-
lichen Zeitpunkt zutreffend widerspiegeln. Der Antragsteller hat die behaupteten
Mitgliederzahlen zu keinem Zeitpunkt in nachprüfbarer Weise dargelegt. Sol-
ches wäre ihm ohne Verletzung der Persönlichkeitsrechte seiner Mitglieder
möglich gewesen. Der Antragsteller hätte, worauf bereits das Oberverwal-
tungsgericht zutreffend hingewiesen hat, den Beweis über seine Mitgliederzahl
ohne Namensnennung durch Vorlage einer notariellen Erklärung führen können
(vgl. BAG, Beschluss vom 25. März 1992 - 7 ABR 65/90 - BAGE 70, 85
<90 ff.>; Faber a.a.O. § 2 Rn. 14; Altvater u.a., a.a.O. § 2 Rn. 26). Eine derarti-
ge Erklärung, welche der Senat bei der Prüfung der Antragsbefugnis als Sach-
entscheidungsvoraussetzung hätte berücksichtigen müssen (vgl. Beschluss
vom 11. Februar 1981 a.a.O. S. 340 bzw. S. 5; BAG, Beschluss vom 21. No-
vember 1975 - 1 ABR 12/75 - AP Nr. 6 zu § 118 BetrVG 1972 Bl. 488), hat der
Antragsteller auch im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht vorgelegt. Die Über-
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prüfung des gesamten Akteninhalts durch den Senat ergibt kein für den An-
tragsteller günstigeres Bild.
b) Selbst wenn aber die Zahlenangaben des Antragstellers zutreffen und auch
die Verhältnisse bei Ablauf der Wahlanfechtungsfrist widerspiegeln sollten, kann
daraus nicht auf eine Gewerkschaftseigenschaft des Antragstellers geschlossen
werden. Wie der Bekanntgabe des Hauptwahlvorstandes über das Ergebnis der
Wahl zum Polizeihauptpersonalrat vom 14. Mai 2004 zu entnehmen ist, hatten
die Polizeidienststellen in Nordrhein-Westfalen seinerzeit fast 50 000
wahlberechtigte Beschäftigte. Setzt man dazu die für Nordrhein-Westfalen be-
hauptete Mitgliederzahl (936) ins Verhältnis, so ergibt sich daraus ein Organisa-
tionsgrad von knapp 2 %. Dieser Organisationsgrad ist zu schwach, um als hin-
reichendes Indiz für die notwendige Durchsetzungskraft des Antragstellers gel-
ten zu können. Insoweit müsste mindestens der Gewinn von einigen
Personalratsmandaten in einer Reihe von Polizeidienststellen hinzukommen.
Solches kann der Antragsteller aber nicht vorweisen. Die für das Bundesgebiet
behauptete Mitgliederzahl (2 194) ist noch weniger als Beleg für eine
Gewerkschaftseigenschaft des Antragstellers geeignet.
6. Ein Wahlanfechtungsrecht wird dem Antragsteller schließlich nicht durch
§ 125 NWPersVG vermittelt. Nach dieser Vorschrift haben die nach den ver-
schiedenen Bestimmungen des Nordrhein-Westfälischen Personalvertretungs-
gesetzes den Gewerkschaften zustehenden Rechte, darunter das Wahlanfech-
tungsrecht nach § 22 Abs. 1 NWPersVG, auch die in der Dienststelle vertrete-
nen Berufsverbände, die einer gewerkschaftlichen Spitzenorganisation ange-
schlossen sind.
a) Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung sollen unter Berufsver-
bänden diejenigen Gewerkschaften zu verstehen sein, die zwar die für die Ge-
werkschaften maßgebenden Merkmale aufweisen, aber nicht nach Industrie-
und Verwaltungszweigen (Industrieverbandsystem), sondern nach Berufen ge-
gliedert sind (vgl. Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, Das Personalvertre-
tungsrecht in Nordrhein-Westfalen, § 2 Rn. 18). Dieser Ansicht kann schon aus
rechtssystematischen Gründen nicht gefolgt werden.
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Wie sich aus den obenstehenden Ausführungen ergibt, umfasst der personal-
vertretungsrechtliche Gewerkschaftsbegriff jedenfalls die Gewerkschaft im tra-
ditionellen arbeitsrechtlichen Sinne sowie die Beamtengewerkschaft. Beides ist
unabhängig davon gegeben, ob die jeweiligen Vereinigungen die Beschäftigten
nach Verwaltungszweigen oder auf beruflicher Grundlage organisieren. Erfüllt
daher eine nach Berufen organisierte Vereinigung die materiellen Anforderun-
gen des Gewerkschaftsbegriffes, namentlich in Bezug auf Durchsetzungskraft
und Organisationsmacht, so handelt es sich um eine Gewerkschaft. Soll die
Regelung in § 125 NWPersVG nicht überflüssig oder gar sinnwidrig sein, so
müssen unter Berufsverbänden solche Vereinigungen von Beschäftigten zu
verstehen sein, welche die genannten materiellen Anforderungen an den Ge-
werkschaftsbegriff nicht in jeder Hinsicht erfüllen. Auch ihnen sollen die den
Gewerkschaften eingeräumten personalvertretungsrechtlichen Aufgaben und
Befugnisse zustehen, allerdings unter der Voraussetzung, dass sie ihrerseits
einer gewerkschaftlichen Spitzenorganisation angeschlossen sind.
b) Diese Auslegung wird durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestä-
tigt. Das Nordrhein-Westfälische Personalvertretungsgesetz vom 28. Mai 1958
sprach die für den gewerkschaftlichen Bereich vorgesehenen Befugnisse, dar-
unter in § 22 Abs. 1 Satz 1 auch das Wahlanfechtungsrecht, jeweils den Spit-
zenorganisationen der Gewerkschaften zu, bestimmte aber in § 94, dass diese
Befugnisse auch von den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften ange-
schlossenen Gewerkschaften und Berufsverbänden, die in der Dienststelle ver-
treten waren, wahrgenommen werden konnten. Diese Rechtslage hat das
Nordrhein-Westfälische Personalvertretungsgesetz vom 3. Dezember 1974
- wie bereits oben erwähnt - systematisch insofern umgeformt, als es die jewei-
ligen Aufgaben und Befugnisse nunmehr unmittelbar den Gewerkschaften zu-
gesprochen hat. Die in der Schlussvorschrift ausgesprochene beschränkte Er-
weiterung dieser Aufgaben und Befugnisse auf Berufsverbände ist dagegen in
der Sache unverändert geblieben.
Für das Verständnis vom Begriff des Berufsverbandes aufschlussreich sind die
Äußerungen im damaligen Gesetzgebungsvorgang. Die damaligen Regierungs-
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fraktionen wollten in § 2 Abs. 1 und § 118 ihres Gesetzentwurfs vom 5. Februar
1974 Berufsverbände mit gewerkschaftsähnlicher Zielsetzung den Gewerk-
schaften weitgehend gleichstellen. Damit sollte im Interesse des Minderheiten-
schutzes erreicht werden, dass auch kleinere Verbände die Interessen ihrer
Mitglieder in der Dienststelle wahrnehmen können (vgl. LTDrucks 7/3543 S. 3,
45, 49, 66). Dieses Vorhaben hat sich im weiteren Gang des Gesetzgebungs-
verfahrens nicht durchsetzen können. Bereits der Innenausschuss hat laut Be-
richt vom 7. November 1974 das Wort „Berufsverbände“ in § 2 Abs. 1 des Ent-
wurfs gestrichen und der hier in Rede stehenden Schlussvorschrift des § 115
diejenige textliche Fassung gegeben, die bis heute - jetzt als § 125
NWPersVG - unverändert gilt. Es sollte vermieden werden, dass kleinere Inte-
ressenverbände mit allen personalvertretungsrechtlichen Rechten ausgestattet
würden (vgl. LTDrucks 7/4343 S. 11 zu § 2 Abs. 1; S. 29 und 76). Daraus ist zu
ersehen, dass der Begriff „Berufsverbände“ in § 125 NWPersVG nach dem Wil-
len des Gesetzgebers weit zu verstehen ist. Einbeziehen wollte dieser Berufs-
verbände in die Gewerkschaften zustehenden personalvertretungsrechtlichen
Aufgaben und Befugnisse allerdings - wie nach bisheriger Rechtslage - nur un-
ter der Voraussetzung, dass sie ihrerseits einer gewerkschaftlichen Spitzenor-
ganisation angeschlossen sind.
c) Mit gewerkschaftlichen Spitzenorganisationen sind Zusammenschlüsse von
Gewerkschaften gemeint (§ 2 Abs. 2 TVG). Der andersgearteten Systematik in
§ 106 Abs. 4 LBG, wonach Gewerkschaften und Berufsverbände gleichbehan-
delt und jeweils als Spitzenorganisationen anerkannt werden, wenn sie für die
Vertretung von Beamtenbelangen erhebliche Bedeutung haben, ist das Nord-
rhein-Westfälische Personalvertretungsgesetz nicht gefolgt.
d) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 125 NWPersVG, soweit es um das
Wahlanfechtungsrecht nach § 22 Abs. 1 NWPersVG geht, bestehen nicht. Wie
oben ausgeführt wurde, verstößt es weder gegen Art. 9 Abs. 3 GG noch gegen
Art. 3 Abs. 1 GG, dass das organisationsbezogene Wahlanfechtungsrecht
Gewerkschaften im personalvertretungsrechtlichen Sinne vorbehalten ist. Diese
Aussage wird durch die eingeschränkte Erweiterung des Wahlanfech-
tungsrechts zugunsten von Berufsverbänden nicht in Frage gestellt. Unter
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Gleichbehandlungsgesichtspunkten ist es nicht sachwidrig, wenn solche Be-
rufsverbände in das gewerkschaftliche Wahlanfechtungsrecht einbezogen wer-
den, die in gewerkschaftliche Zusammenschlüsse eingebunden sind. Bei sol-
chen Berufsverbänden durfte der Gesetzgeber ebenso wie bei Gewerkschaften
annehmen, dass es ihnen bei der Wahlanfechtung typischerweise um die ord-
nungsgemäße Personalratswahl und die korrekte Zusammensetzung des Per-
sonalrats geht.
Die Regelung in § 125 NWPersVG ist schließlich entgegen der Auffassung des
Antragstellers nicht deswegen sachwidrig und unverhältnismäßig, weil sie uner-
füllbare Anforderungen stellt. Es ist durchaus denkbar, dass ein Berufsverband
einer gewerkschaftlichen Dachorganisation angeschlossen ist. Dass solches für
den Antragsteller nach den derzeit gegebenen Umständen nicht erreichbar ist,
führt wegen der gebotenen abstrakten Betrachtungsweise nicht zur Verfas-
sungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung.
e) Der Antragsteller kann sich auf § 125 NWPersVG nicht berufen, weil er kei-
ner gewerkschaftlichen Spitzenorganisation angeschlossen ist.
Dr. Bardenhewer Dr. Hahn Büge
Vormeier Dr. Bier
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