Urteil des BVerwG vom 13.09.2010

Leiter, Informationsanspruch, Faber, Erfüllung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
BVerwG 6 P 14.09
OVG 5 L 24/06
In der Personalvertretungssache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. September 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge, Vormeier, Dr. Bier und
Dr. Möller
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Be-
schluss des Fachsenats für Landespersonalvertretungs-
sachen des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sach-
sen-Anhalt vom 13. August 2009 wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
I
Nachdem sich die Mehrheit der wahlberechtigten Beschäftigten der Nebenstelle
Magdeburg des Landesverwaltungsamts Sachsen-Anhalt am 9. Februar 2004
für eine personalvertretungsrechtliche Verselbständigung ausgesprochen hatte,
erklärte das Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt am
20. Februar 2004 die Nebenstelle Magdeburg zur Dienststelle im Sinne des § 6
Abs. 3 SAPersVG. Seit Mitte 2004 hat die Nebenstelle Magdeburg einen eige-
nen Personalrat, den Antragsteller. Ein Dienststellenleiter für die Nebenstelle
wurde nicht bestimmt.
Mit Schreiben vom 4. April 2006 bat der Antragsteller den Beteiligten um Unter-
richtung zu folgenden die Nebenstelle betreffenden Angelegenheiten: nicht ver-
tragsgemäße Beschäftigung von Arbeitnehmern, nicht amtsangemessene Ver-
wendung von Beamten, Stellenvakanzen sowie beabsichtigte Stellennachbe-
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setzungen, Organigramme, Verfahren bei den Haus-, Post- und Botendiensten,
Schulbildung der zentralen Dienste, Aufgaben- und Personalentwicklung des
Referates 103, Verfahrensfortgang beim Jobticket, Zulassung zum Aufstieg
bzw. Ablauf des Aufstiegsverfahrens, Vorgehen im Falle von dauererkrankten
Mitarbeitern. Dem trat der Beteiligte mit Schreiben vom 24. Mai 2006 im We-
sentlichen unter Hinweis auf die Zuständigkeit des Gesamtpersonalrats entge-
gen.
Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass eine vom Beteiligten noch zu be-
nennende örtliche Dienststellenleitung der Nebenstelle Magdeburg des Lan-
desverwaltungsamtes verpflichtet ist, den Antragsteller unmittelbar, rechtzeitig
und umfassend zur Erfüllung der ihm nach § 57 Abs. 1 SAPersVG obliegenden
Aufgaben zu unterrichten. Das weitergehende, auf unmittelbare Auskunftsertei-
lung durch den Beteiligten gerichtete Begehren des Antragstellers hat es abge-
lehnt.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Beschwerde des Antragstellers zurückge-
wiesen und auf die Beschwerde des Beteiligten unter Änderung des erstin-
stanzlichen Beschlusses die Anträge des Antragstellers insgesamt abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Erklärung einer Nebenstelle zur Dienst-
stelle im Sinne des Personalvertretungsrechts komme nach § 6 Abs. 3
SAPersVG in zwei Fallkonstellationen in Betracht, nämlich einmal wegen Be-
fugnissen der Nebenstellenleitung, welche der Beteiligung der Personalvertre-
tung unterlägen, zum anderen wegen räumlich weiter Entfernung der Neben-
stelle von der Hauptdienststelle. Das Gesetz sehe also eine Verselbständi-
gungsmöglichkeit auch in dem Fall vor, dass kein örtlicher Dienststellenleiter
vorhanden sei, aber eine räumlich weite Entfernung zur Dienststelle vorliege.
Aus § 6 Abs. 3 SAPersVG könne daher nicht geschlossen werden, dass eine
Verselbständigung die Bestellung eines örtlichen Dienststellenleiters nach sich
ziehen müsse. Beabsichtige der Leiter der Hauptdienststelle eine Maßnahme,
die allein die Beschäftigten einer Nebenstelle betreffe, so sei bei den hier an-
zuwendenden, dem Partnerschaftsprinzip folgenden gesetzlichen Regelungen
dessen Gesprächs- und Verhandlungspartner nicht der Personalrat der Neben-
stelle, sondern der Gesamtpersonalrat. Dieser sei zu beteiligen, weil der Per-
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sonalrat der Nebenstelle keinen entscheidungsbefugten Partner habe. Diese
Lücke habe der Gesamtpersonalrat auszufüllen. Dem Personalrat einer ver-
selbständigten Nebenstelle, die über keinen eigenen Leiter mit personalvertre-
tungsrechtlichen Befugnissen verfüge, verblieben nur die Anhörungsrechte ge-
genüber dem Gesamtpersonalrat.
Der Antragsteller trägt zur Begründung seiner Rechtsbeschwerde vor: Wenn
der Beteiligte einen Nebenstellenleiter nicht bestelle, so ändere dies nichts an
seiner Rechtsstellung als Dienststellenleiter sowohl gegenüber dem Gesamt-
personalrat als auch gegenüber den örtlichen Personalräten. Allgemeine Auf-
gaben seien typischerweise auf der örtlichen Ebene wahrzunehmen. Der Lan-
desgesetzgeber habe nicht verhindern wollen, dass der örtliche Personalrat
allgemeine Aufgaben für seinen Zuständigkeitsbereich wahrnehme. Wolle man
dies anders verstehen, so entfiele auch das Dienststellenleitergespräch. Der
Antragsteller wäre faktisch auf das Anhörungsverfahren nach § 71 Abs. 2
SAPersVG reduziert. Obwohl die Beschäftigten der Nebenstelle rechtswirksam
einen eigenen Personalrat gebildet hätten, um ihre Interessen besser wahr-
nehmen zu können, liefe die Interessenwahrnehmung praktisch leer. Der In-
formationsanspruch des Nebenstellenpersonalrats bestehe mit Blick auf seine
allgemeinen Aufgaben, die wegen des örtlichen Bezugs von ihm wahrzuneh-
men seien. Der Personalrat der Nebenstelle, der wie hier unter dem Gesichts-
punkt der räumlich weiten Entfernung gebildet worden sei, habe eher einen Be-
zug zu den Verhältnissen vor Ort und den dort tätigen Beschäftigten als der
Gesamtpersonalrat. Beziehe sich eine Maßnahme des Leiters der Hauptdienst-
stelle ausschließlich auf die Beschäftigten der Nebenstelle, so bleibe es bei der
Zuständigkeit des örtlichen Personalrats. Stelle man sich auf den Standpunkt,
dass ein Informationsanspruch nur dann bestehen könne, wenn es einen Leiter
der Nebenstelle gebe, so müsse man mit dem Verwaltungsgericht jedenfalls die
Pflicht des Beteiligten zur Bestellung eines Leiters der Nebenstelle annehmen.
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Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und
Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses
1. festzustellen, dass der Beteiligte den Antragsteller in
den Angelegenheiten gemäß Schreiben vom 4. April 2006
zu unterrichten hat,
hilfsweise festzustellen, dass der Beteiligte die Informati-
onsrechte des Antragstellers in den vorbezeichneten An-
gelegenheiten verletzt hat,
2. festzustellen, dass der Beteiligte verpflichtet ist, den
Antragsteller unmittelbar, rechtzeitig und umfassend zur
Erfüllung der ihm nach § 57 Abs. 1 SAPersVG obliegen-
den Aufgaben zu unterrichten,
hilfsweise zu 1 und 2,
die Beschwerde des Beteiligten gegen den erstinstanzli-
chen Beschluss zurückzuweisen.
Der Beteiligte beantragt,
die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt ebenso wie der Vertreter des Bundesinteresses den angefochte-
nen Beschluss.
II
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Der
Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruht nicht auf der Nichtanwendung
oder der unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm (§ 78 Abs. 2 SAPersVG
i.d.F. der Bekanntmachung vom 16. März 2004, GVBl S. 105, zuletzt geändert
durch Art. 2 des Gesetzes vom 20. Juli 2010, GVBl S. 447, i.V.m. § 93 Abs. 1
Satz 1 ArbGG). Der Antragsteller kann nicht verlangen, dass ihn der Beteiligte
oder ein von diesem zu bestellender Leiter der Nebenstelle Magdeburg im er-
strebten Umfang unterrichtet.
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1. Das streitige Begehren ist nicht schon deswegen abzuweisen, weil es dem
Antragsteller an seiner rechtlichen Existenz mangelte. Dies ist nicht der Fall. Die
Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Bildung eines Nebenstellenpersonalrats
liegen vor.
a) Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 SAPersVG sind Nebenstellen, deren Leitung Befug-
nisse hat, die der Beteiligung der Personalvertretung unterliegen, oder die
räumlich weit von der Hauptdienststelle entfernt liegen, von der obersten
Dienstbehörde zu Dienststellen im Sinne des Landespersonalvertretungsgeset-
zes zu erklären, wenn die Mehrheit ihrer wahlberechtigten Beschäftigten dies in
geheimer Abstimmung beschließt. Dass die Anforderungen der zweiten Tatbe-
standsvariante - weite Entfernung von der Hauptdienststelle, Beschluss der
Nebenstellenbeschäftigten, Erklärung der obersten Dienstbehörde - hier erfüllt
sind, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Das auch für Nebenstellen
gültige Mindestgrößenerfordernis nach § 12 Abs. 1 SAPersVG ist ebenfalls ge-
geben (vgl. in diesem Zusammenhang Beschluss vom 26. November 2008
- BVerwG 6 P 7.08 - BVerwGE 132, 276 = Buchholz 250 § 86 BPersVG Nr. 6
Rn. 34 m.w.N.).
b) In der bisherigen Rechtsprechung des beschließenden Gerichts und teilweise
in der Literatur klingt als weitere Voraussetzung für die Rechtswirksamkeit einer
personalvertretungsrechtlichen Verselbständigung an, dass die Nebenstelle
über einen Leiter verfügen muss (vgl. Beschlüsse vom 22. Juni 1962 - BVerwG
7 P 9.61 - BVerwGE 14, 287 <288> = Buchholz 238.3 § 10 PersVG Nr. 4 S. 11
und vom 29. Mai 1991 - BVerwG 6 P 12.89 - Buchholz 250 § 6 BPersVG Nr. 12
S. 16, insoweit in BVerwGE 88, 233 nicht abgedruckt;
Altvater/Hamer/Kröll/Lemcke/Peiseler, Bundespersonalvertretungsgesetz,
6. Aufl. 2008, § 6 Rn. 11a). Von einem derartigen Erfordernis ist jedoch im An-
wendungsbereich des § 6 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SAPersVG abzusehen.
aa) Dies drängt sich bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift mit Blick auf die
erste Tatbestandsalternative auf. Diese setzt die Existenz eines - mit personal-
vertretungsrechtlich relevanten Befugnissen ausgestatteten - Nebenstellenlei-
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ters voraus. Anstelle dieses Merkmals tritt in der zweiten Tatbestandsalternative
die weite Entfernung von der Hauptdienststelle; weitere spezielle Anforderun-
gen werden nicht gestellt (vgl. Bieler, in: Bieler/Vogelgesang/Plaßmann/
Kleffner, Landespersonalvertretungsgesetz Sachsen-Anhalt, G § 6 Rn. 24 ff.).
bb) In Senatsrechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass zur Wirksamkeit
der Verselbständigung der Nebenstellenleiter nicht über ein Minimum personal-
vertretungsrechtlicher Befugnisse verfügen muss (vgl. Beschlüsse vom 29. Mai
1991 a.a.O. S. 234 f. bzw. S. 13, vom 29. März 2001 - BVerwG 6 P 7.00 -
Buchholz 250 § 6 BPersVG Nr. 15 S. 8 f. und vom 26. November 2008 a.a.O.
Rn. 33; Altvater u.a., a.a.O. § 6 Rn. 11a; Faber, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/
Schlatmann/Rehak/Faber, § 6 Rn. 34; Ilbertz/Widmaier, Bundespersonalvertre-
tungsgesetz, 11. Aufl. 2008, § 6 Rn. 17). Von diesem Verständnis ist auch der
Landesgesetzgeber bei der Konzipierung der Regelung in § 6 Abs. 3 SAPersVG
ausgegangen (vgl. LTDrucks 1/1301 Begründung S. 3). Dabei ist als
„Extremfall“ mitgedacht, dass der Leiter der Nebenstelle keinerlei personal-
rechtliche Befugnisse hat und daher als verantwortlicher Partner einer Perso-
nalvertretung ausscheidet. Dann ergibt es aber keinen Sinn, die Existenz eines
Nebenstellenleiters als Wirksamkeitsvoraussetzung für die Verselbständigung
zu verlangen. Dagegen ist die Bildung eines Nebenstellenpersonalrats schon
mit Blick auf die Regelung in § 71 Abs. 2 und 3 SAPersVG in jedem Fall sinn-
voll. Darauf wird weiter unten im Einzelnen einzugehen sein.
2. Nach § 57 Abs. 2 Satz 1 und 2 SAPersVG ist der Personalrat zur Durchfüh-
rung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten; alle erforderli-
chen Unterlagen sind ihm frühzeitig vorzulegen. Der Informationsanspruch des
Personalrats ist daher streng aufgabenbezogen. Er besteht nur, wenn die be-
gehrten Informationen in Bezug gesetzt werden können zur Erfüllung einer ge-
setzlichen Aufgabe (vgl. Beschlüsse vom 20. März 2002 - BVerwG 6 P 6.01 -
Buchholz 250 § 77 BPersVG Nr. 16 S. 8, vom 12. August 2009 - BVerwG 6 PB
18.09 - Buchholz 251.92 § 71 SAPersVG Nr. 1 Rn. 12 und vom 16. Februar
2010 - BVerwG 6 P 5.09 - juris Rn. 9). Der Antragsteller als Personalrat einer
Nebenstelle ohne Dienststellenleiter hat keine Aufgaben, auf die ein Informati-
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onsanspruch gegen den beteiligten Leiter der Hauptdienststelle gestützt werden
kann.
a) Nach § 71 Abs. 1 SAPersVG ist in Angelegenheiten, in denen die Dienststel-
le nicht zur Entscheidung befugt ist, anstelle der Personalräte die bei der zu-
ständigen Dienststelle gebildete Stufenvertretung zu beteiligen. Danach ist die
Zuständigkeit der Stufenvertretung gegeben, wenn der Leiter der übergeordne-
ten Dienststelle eine Maßnahme zu treffen beabsichtigt, welche die Beschäftig-
ten nachgeordneter Dienststellen oder des gesamten Geschäftsbereichs betrifft
(vgl. Beschlüsse vom 13. September 2002 - BVerwG 6 P 4.02 - Buchholz 250
§ 82 BPersVG Nr. 17 S. 8 f., vom 15. Juli 2004 - BVerwG 6 P 1.04 - Buchholz
250 § 82 BPersVG Nr. 18 S. 15, vom 12. August 2009 a.a.O. Rn. 5 und vom
30. Juli 2010 - BVerwG 6 P 11.09 - juris Rn. 19). Die Grundsätze über die Ab-
grenzung der Zuständigkeiten von örtlichen Personalräten und Stufenvertretun-
gen sind nicht auf die Fälle der Mitbestimmung nach §§ 65 ff. SAPersVG be-
schränkt. Sie erfassen vielmehr auch die allgemeinen Aufgaben der Personal-
vertretung gemäß § 57 Abs. 1 SAPersVG (vgl. Beschluss vom 12. August 2009
a.a.O. Rn. 3 ff.). Die Regelung in § 71 Abs. 1 SAPersVG ist Ausdruck des Part-
nerschaftsgrundsatzes, wonach ein Personalrat bei der entscheidungsbefugten
Dienststelle zu beteiligen ist (vgl. Beschluss vom 15. Juli 2004 a.a.O. S. 16).
b) § 71 Abs. 3 SAPersVG bestimmt, dass § 71 Abs. 1 SAPersVG für die Vertei-
lung der Zuständigkeiten zwischen Personalrat und Gesamtpersonalrat ent-
sprechend gilt. Somit folgt die Zuständigkeit des Gesamtpersonalrats der Auf-
gabenverteilung zwischen Stufenvertretung und örtlichem Personalrat, wie sie
sich aus § 71 Abs. 1 SAPersVG ergibt. Danach ist der Gesamtpersonalrat zur
Beteiligung berufen, wenn der Leiter der Hauptdienststelle eine Maßnahme zu
treffen beabsichtigt, welche Beschäftigte der verselbständigten Dienststellen
oder alle Beschäftigten der Gesamtdienststelle betrifft (vgl. Urteil vom
20. August 2003 - BVerwG 6 C 5.03 - Buchholz 251.8 § 56 RhPPersVG Nr. 1
S. 3 sowie Beschlüsse vom 26. November 2008 a.a.O. Rn. 36 und vom 30. Juli
2010 a.a.O. Rn. 20). § 71 Abs. 3 SAPersVG erstreckt somit die Geltungskraft
des Partnerschaftsgrundsatzes auf die Gesamtdienststelle. Auch hier ist nur ein
bei der entscheidungsbefugten Dienststelle gebildeter Personalrat zur Beteili-
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gung berufen. Beabsichtigt der dafür zuständige Leiter der Hauptdienststelle
daher eine Maßnahme, so ist die Beteiligung des Nebenstellenpersonalrats
auch dann ausgeschlossen, wenn die Maßnahme ausschließlich die Nebenstel-
le oder einen ihrer Beschäftigten betrifft (ebenso Bieler, a.a.O. G § 71 Rn. 13;
Lautenbach, PersV 2004, 164 <165>; Vogelgesang, ZfPR 2005, 107 <109 f.>).
Die Beteiligung des Nebenstellenpersonalrats durch den Leiter der Haupt-
dienststelle ist von einer gesetzgeberischen Entscheidung im Sinne des Prin-
zips vom sachlich-räumlichen Wirkungsbereich abhängig, wie sie in einer Reihe
von Bundesländern getroffen worden ist (vgl. § 85 Abs. 8 BaWüPersVG, § 54
BlnPersVG, § 50 Abs. 1 BrPersVG, § 56 Abs. 4 HmbPersVG, § 74 Abs. 1
MVPersVG, § 55 Abs. 3 SaarPersVG, § 61 Abs. 1 MBGSH). Die vorgenannten
Regelungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie - abweichend von § 82 Abs. 3
BPersVG, § 71 Abs. 3 SAPersVG und vergleichbaren Bestimmungen in ande-
ren Bundesländern - nicht die entsprechende Anwendung der Regelungen für
die Stufenvertretung vorschreiben, sondern eine spezielle Aussage enthalten,
durch welche die Zuständigkeit des Gesamtpersonalrats zugunsten der örtli-
chen Personalräte eingeschränkt wird. Die Zuständigkeit des Nebenstellenper-
sonalrats in den beschriebenen Fällen auf der Grundlage von Regelungen an-
nehmen zu wollen, die wie § 71 Abs. 3 SAPersVG dem Partnerschaftsgrund-
satz folgen (so Wurm, ZfPR 2003, 342 <343>), widerspricht dem Wortlaut und
der Systematik des Gesetzes sowie dem deutlich gewordenen Willen des Ge-
setzgebers, die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Stufenvertretungen und
örtlichen Personalräten einerseits sowie Gesamtpersonalräten und örtlichen
Personalräten andererseits parallel zu gestalten.
c) Diese Parallelität bezieht sich auch auf die allgemeinen Aufgaben nach § 57
Abs. 1 SAPersVG. Die dort normierten Kontroll- und Initiativrechte des Perso-
nalrats stehen nicht außerhalb der Beziehung zum Dienststellenleiter, sondern
knüpfen an dessen Pflichten- und Verantwortungskreis an. Dies gilt insbeson-
dere für die Aufgaben, die der Antragsteller in der Rechtsbeschwerdebegrün-
dung angesprochen hat. Soweit der Leiter der Hauptdienststelle zuständig und
verantwortlich ist für die Durchführung der zugunsten der Beschäftigten ge-
schaffenen Bestimmungen, die Entscheidung über beantragte Maßnahmen
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bzw. über Abhilfe von Anregungen und Beschwerden sowie für die Eingliede-
rung Schwerbehinderter (§ 57 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 SAPersVG), ist der Gesamt-
personalrat zur Wahrnehmung der damit einhergehenden Aufgaben berufen
und dementsprechend die Zuständigkeit des Nebenstellenpersonalrats ausge-
schlossen. Dasselbe gilt für die Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes und die
Unfallverhütung (§§ 58, 59 SAPersVG).
d) Die Durchbrechung des Partnerschaftsgrundsatzes kommt nicht in dem
Sonderfall in Betracht, in welchem ein Nebenstellenleiter nicht bestellt ist. Sol-
ches wäre systemwidrig und führte zu Wertungswidersprüchen. Dies wird deut-
lich, wenn man sich den Fall vor Augen führt, dass der Nebenstellenleiter nur in
ganz geringem Umfang über personalrechtliche Kompetenzen verfügt. In die-
sem Fall steht fest, dass in Angelegenheiten jenseits dieser geringfügigen
Kompetenzen die Beteiligung des Nebenstellenpersonalrats ausgeschlossen
ist. Damit nicht in Einklang stünde die Annahme, bei gänzlichem Fehlen eines
Nebenstellenleiters würden die Kompetenzen des örtlichen Personalrats in ne-
benstellenbezogenen Angelegenheiten vollständig wieder aufleben.
e) Im vorliegenden Fall hat der Beteiligte für die Nebenstelle Magdeburg keinen
Dienststellenleiter berufen. Dem Antragsteller steht daher kein Partner gegen-
über, der über irgendwelche personalrechtlichen Kompetenzen verfügt, an wel-
che allgemeine Aufgaben oder Mitbestimmungsrechte der Personalvertretung
anknüpfen könnten. Der Antragsteller hat daher keinerlei originäre Kompeten-
zen, die die Grundlage für einen Unterrichtungsanspruch gegen den Beteiligten
sein könnten.
f) Damit läuft die personalvertretungsrechtliche Verselbständigung gemäß § 6
Abs. 3 Satz 1 SAPersVG nicht leer.
aa) Dies folgt aus § 71 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SAPersVG, wonach der Gesamt-
personalrat vor einem Beschluss in Angelegenheiten, die die Nebenstelle oder
einzelne ihrer Beschäftigten betreffen, dem Personalrat der Nebenstelle Gele-
genheit zur Äußerung gibt. Einzelne Beschäftigte sind stets im Sinne von § 71
Abs. 2 Satz 1 SAPersVG betroffen in Personalangelegenheiten nach §§ 66, 67
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SAPersVG. Die Nebenstelle ist betroffen, wenn die Maßnahme sie erfasst und
nicht zugleich für den vollständigen Geschäftsbereich der Gesamtdienststelle
ergeht (vgl. Beschluss vom 15. Juli 2004 a.a.O. S. 14).
bb) Die in § 71 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SAPersVG normierte Verpflichtung des
Gesamtpersonalrats, dem Personalrat der Nebenstelle Gelegenheit zur Äuße-
rung zu geben, bringt es mit sich, dass dieser über die vom Dienststellenleiter
beabsichtigte Maßnahme unterrichtet wird. Diese Informationspflicht erfüllt der
Gesamtpersonalrat im Mitbestimmungsverfahren dadurch, dass er den Zu-
stimmungsantrag des Dienststellenleiters gemäß § 61 Abs. 3 Satz 1 SAPersVG
vollständig, das heißt einschließlich der gegebenen Begründung und etwa bei-
gefügter Unterlagen an den Personalrat der Nebenstelle zur Stellungnahme
innerhalb einer angemessenen Frist weiterleitet. Mit der Abgabe der Stellung-
nahme - aufgrund bei ihm vorhandener oder durch Nachfrage bei den betroffe-
nen Beschäftigten beschaffter Informationen - nimmt der Personalrat der Ne-
benstelle eine den Gesamtpersonalrat unterstützende Rolle wahr. Dabei kann
er auf die aus seiner Sicht für die Beurteilung der Angelegenheit noch offenen
Fragen aufmerksam machen und ergänzende Ermittlungen des Gesamtperso-
nalrats bei dem Dienststellenleiter anregen. Die Grenzen des Informationsan-
spruchs gegenüber dem Gesamtpersonalrat ergeben sich aus den diesen je-
weils bindenden zeitlichen Vorgaben (§ 61 Abs. 3 Satz 3 bis 8, § 71 Abs. 2
Satz 2 SAPersVG) und müssen stets den Grundsatz im Auge behalten, dass
der Gesamtpersonalrat die zuständige Interessenvertretung der Beschäftigten
ist (vgl. Beschluss vom 2. Oktober 2000 - BVerwG 6 P 11.99 - Buchholz 250
§ 82 BPersVG Nr. 16 S. 3 ff.). Die Pflicht zur effizienten Unterrichtung des Ne-
benstellenpersonalrats in den Grenzen des § 71 Abs. 2 und 3 SAPersVG trifft
den Gesamtpersonalrat auch, wenn er im Rahmen der Mitbestimmung initiativ
wird (§ 61 Abs. 4 SAPersVG) oder allgemeine Aufgaben wahrnimmt.
cc) Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Verselbständigung nach § 6
Abs. 3 Satz 1 SAPersVG durch die Beschäftigten der Nebenstelle selbst dann
einen kollektivrechtlichen Vorteil mit sich bringt, wenn der Personalrat der Ne-
benstelle wegen Fehlens eines Dienststellenleiters über keine originären Kom-
petenzen verfügt. Die Beschäftigten der Nebenstelle legitimieren den Gesamt-
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personalrat in derselben Weise wie den Personalrat der Dienststelle ohne Ver-
selbständigung (§ 55 SAPersVG). Im Fall der Verselbständigung verfügen sie
jedoch über ein eigenständiges Gremium, durch welches sie auf die Willensbil-
dung des zur Beteiligung berufenen Personalrats Einfluss nehmen können. Auf
diese Weise wird dem Zweck der Regelung in § 71 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3
SAPersVG entsprochen, wonach der örtliche Personalrat die für die sachge-
rechte Ausübung des Beteiligungsrechts notwendigen Informationen vermitteln
soll, über welche der Gesamtpersonalrat als „entferntere“ Personalvertretung
nicht verfügt (vgl. Beschluss vom 2. Oktober 2000 a.a.O. S. 5).
3. Der Antragsteller kann nicht verlangen, dass der Beteiligte für die Nebenstel-
le Magdeburg einen Dienststellenleiter bestellt.
a) Ein solches Recht folgt nicht aus der rechtswirksamen Verselbständigung
einer Nebenstelle nach § 6 Abs. 3 Satz 1 SAPersVG. Die Verselbständigung
einer Nebenstelle hat keinen Einfluss auf die Verwaltungsorganisation und die
Befugnisse des Leiters der Hauptdienststelle (vgl. Beschlüsse vom 14. April
1961 - BVerwG 7 P 4.60 - BVerwGE 12, 194 <195> = Buchholz 238.3 § 74
PersVG Nr. 2 S. 5, vom 24. November 1961 - BVerwG 7 P 10.59 - Buchholz
238.3 § 74 PersVG Nr. 3 S. 9 und vom 22. Juni 1962 a.a.O. S. 288 bzw. S. 11;
Faber, a.a.O. § 6 Rn. 38; Ilbertz/Widmaier, a.a.O. § 6 Rn. 17 und 30; Fischer/
Goeres/Gronimus, in: GKÖD, Bd. V, K § 6 Rn. 24; Benecke, in: Richardi/
Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 3. Aufl. 2008, § 6 Rn. 33; Bieler,
a.a.O. G § 6 Rn. 30; Lorse, ZfPR 2004, 144 <150>; Vogelgesang, a.a.O.
S. 107). Der Leiter der Hauptdienststelle ist daher nicht gehalten, irgendeine
seiner personalrechtlichen Kompetenzen auf einen Beschäftigten der Neben-
stelle zu übertragen. In einem solchen Fall ergibt es aber auch keinen Sinn,
überhaupt einen Nebenstellenleiter zu bestellen. Denn ein „Dienststellenleiter“
ohne personalrechtliche Kompetenzen scheidet als verantwortlicher Partner
einer Personalvertretung aus.
b) Der Hinweis des Antragstellers auf die Vierteljahresgespräche zwischen
Dienststellenleiter und Personalrat führt ebenfalls nicht weiter. § 56 Abs. 1
SAPersVG setzt unausgesprochen die Befugnis des Dienststellenleiters zu
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personalvertretungsrechtlich relevanten Entscheidungen voraus. Dies ist bei der
ungeteilten Dienststelle stets und bei Verselbständigung in den Fällen des § 6
Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SAPersVG gegeben. Mangelt es daran in den Fällen des
§ 6 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SAPersVG, so geht die Verpflichtung zur Durchführung
regelmäßiger Besprechungen ins Leere. Die Lücke wird im Interesse der
Beschäftigten der betroffenen Nebenstelle durch die Gespräche zwischen dem
Leiter der Hauptdienststelle und dem Gesamtpersonalrat vollständig geschlos-
sen (§ 56 Abs. 1, § 71 Abs. 4 SAPersVG).
c) Die Bestellung eines Leiters der Nebenstelle kommt schließlich nicht unter
dem Gesichtspunkt in Betracht, dieser müsse in der Funktion eines Boten die
dem Beteiligten gegenüber dem Antragsteller obliegende Informationspflicht
nach § 57 Abs. 2 SAPersVG erfüllen. Dies scheitert daran, dass der Antragstel-
ler - wie ausgeführt - keine Aufgaben hat, die Grundlage für einen Unterrich-
tungsanspruch gegen den Beteiligten sein könnten.
d) Die bereits zitierten Entscheidungen des beschließenden Gerichts vom
22. Juni 1962 (a.a.O. S. 288 bzw. S. 11) und vom 29. Mai 1991 (a.a.O. S. 16)
sind nicht eindeutig. Sie können - wie bereits erwähnt - in der Weise verstanden
werden, dass die Existenz eines Nebenstellenleiters Voraussetzung für eine
rechtswirksame Verselbständigung und damit die Bildung eines örtlichen Per-
sonalrats in der Nebenstelle sein soll. Sollten sie dagegen mit dem Verwal-
tungsgericht dahin zu verstehen sein, dass die Bestellung eines Nebenstellen-
leiters Rechtsfolge der Verselbständigung sein soll, so könnte daran aus den
vorgenannten Gründen nicht festgehalten werden.
Neumann
Büge
Vormeier
Dr. Bier
Dr. Möller
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B e s c h l u s s
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Rechtsbe-
schwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Entscheidung beruht auf § 23 Abs. 3 Satz 2, § 33 Abs. 1 und 8 Satz 1
Halbs. 1 RVG i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG analog. Ungeachtet der ausdifferenzier-
ten Antragstellung war von einem einheitlichen Informationsbegehren auszuge-
hen.
Büge
1
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Personalvertretungsrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
SAPersVG § 6 Abs. 3, §§ 57, 71
Stichworte:
Verselbständigung einer Nebenstelle; Nebenstelle ohne Dienststellenleiter; In-
formationsanspruch des Personalrats der Nebenstelle.
Leitsätze:
1. Die Existenz eines Nebenstellenleiters ist nicht Voraussetzung für die
Rechtswirksamkeit einer personalvertretungsrechtlichen Verselbständigung.
2. Der Personalrat einer Nebenstelle, die keinen Dienststellenleiter hat, hat kei-
nen Informationsanspruch gegenüber dem Leiter der Hauptdienststelle.
3. Der Leiter der Hauptdienststelle ist nicht verpflichtet, für die verselbständigte
Nebenstelle einen Leiter zu berufen.
Beschluss des 6. Senats vom 13. September 2010 - BVerwG 6 P 14.09
I. VG Magdeburg vom 29.09.2006 - Az.: VG 11 A 11/06 MD -
II. OVG Magdeburg vom 13.08.2009 - Az.: OVG 5 L 24/06 -