Urteil des BVerwG vom 22.03.2006

Angestellter, Dienstvertrag, Geschäftsführung, Satzung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
Verkündet
BVerwG 6 P 11.05
am 22. März 2006
OVG 12 LB 8/04
Thiele
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Personalvertretungssache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die Anhörung vom 22. März 2006
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn, Büge, Dr. Graulich,
Vormeier und Dr. Bier
beschlossen:
Der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwal-
tungsgerichts - Fachsenat für Mitbestimmungssachen/
Land - vom 18. April 2005 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Anhörung und Entscheidung an
das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
G r ü n d e :
I
Der am … geborene Beschäftigte ... B. war in der Zeit vom 15. Februar 1991
bis 31. März 1994 Leiter des Rechenzentrums bei der Kassenärztlichen Verei-
nigung Schleswig-Holstein. Aufgrund des Dienstvertrages vom 15. August 1991
war er auf unbestimmte Zeit angestellt. Zum 16. Juni 1997 wurde er zu den Be-
dingungen des Dienstvertrages vom 15. August 1991 erneut bei der Kassen-
ärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein eingestellt, und zwar zusätzlich für
die Abteilung Vertragswesen. Nach dem 3. Nachtrag zum Dienstvertrag vom
1. April 2002 bemisst sich seine Vergütung nach Vergütungsgruppe BAT I. Der
4. Nachtrag zum Dienstvertrag vom 29. September 2004 lautet wie folgt:
„Mit diesem Nachtrag zum Dienstvertrag wird Ihre Position
als leitender Angestellter, die von Ihnen de facto seit
01. Juli 1997 in der täglichen Arbeit wahrgenommen wird,
vertraglich nachvollzogen. Mit diesem Nachtrag wird den
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Erfordernissen aus § 84 Absatz 1 des Mitbestimmungsge-
setzes entsprochen, eine Änderung Ihrer bisher wahrge-
nommenen Verantwortung und Arbeitsbereiche ist damit
nicht verbunden.
Die leitende Position drückt sich in Ihrem Aufgabenfeld
insbesondere in folgenden Bereichen aus:
- Weisungsbefugnis gegenüber allen Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern der Strukturabteilung
- Festlegung der Aufgabenverteilung und der inneren
Strukturierung in dieser Abteilung
- Dienstanordnungsbefugnis, Urlaubsgenehmigungen
u.ä.
- Abhaltung von Mitarbeitergesprächen, Abgabe von
Personalbeurteilungen
- Durchführung von Einstellungsverfahren im Rahmen
des Haushalts
- Fortentwicklung der Arbeitsplätze in der Abteilung
- eigenverantwortliche Organisation Ihrer Arbeitszeiten
unabhängig von den Regelungen in der allgemeinen
Dienstvereinbarung des Hauses
- eigenverantwortliche Disposition von Dienstfahrten in
Schleswig-Holstein
- eigenverantwortliche Beratung von Ärzten und Arzt-
gruppen
- selbständige Verhandlungsführung mit Krankenkassen
und anderen Partnern des Gesundheitswesens zur
Vorbereitung von Vertragsabschlüssen
- Entwicklung neuer Versorgungskonzepte und Vorstel-
lung im Vorstand
- institutionalisierter Gesprächspartner der Ärztegenos-
senschaft im Namen der KVSH
- Vortragstätigkeit im Namen der KVSH
Diese Punkte sind keine abschließende Aufzählung.
Schwerpunkte können von Ihnen eigenverantwortlich ge-
setzt werden, soweit die Rahmenvorgaben und Weisun-
gen des Vorstandes und der Geschäftsführung beachtet
sind.“
Zugleich formulierte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer folgende Stel-
lenbeschreibung:
„Diese Stellenbeschreibung mit Stand von September
2004 stellt die wesentlichen Aufgaben von Herrn B. dar.
Herr B. leitet die Strukturabteilung seit Juli 1997 und ist di-
rekt der Geschäftsführung unterstellt. Die Leitungsaufgabe
umfasst
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- die Festlegung der Aufgabenverteilung und innere
Strukturierung
- Mitarbeitergespräche und Beurteilungen
- Durchführung von Einstellungsverfahren
Die Strukturabteilung ist eine vorwiegend strategisch aus-
gerichtete Abteilung innerhalb der Kassenärztlichen Ver-
einigung Schleswig-Holstein. Die Abteilung entwickelt ver-
tragliche Regelungen mit den Krankenkassen für neue
Versorgungsstrukturen wie z.B. Regionale Praxisnetze
oder für die Förderung des Ambulanten Operierens. Hinzu
kommen neue Vertragsformen an den Schnittstellen zwi-
schen der ambulanten und der stationären Versorgung
wie die Integrierte Versorgung oder Kooperationsverein-
barungen zwischen Ärzten, Arztgruppen und Krankenhäu-
sern. Darüber hinaus wird die Strukturabteilung mit Son-
deraufgaben betraut.
Aufgrund seiner langjährigen und umfassenden Erfahrung
wird von Herrn B. die Identifizierung von Änderungen, Re-
formen und Innovationen der ambulanten und stationären
Versorgungsstrukturen inklusive der Aufzeigung von kon-
kreten Handlungsoptionen für die Kassenärztliche Verei-
nigung erwartet. Für diese Handlungsoptionen ist typisch,
dass sie nicht auf bestehende Verwaltungsroutinen der
Kassenärztlichen Vereinigung als Körperschaft des öffent-
lichen Rechts aufsetzen und auf Vereinbarungen mit Drit-
ten hinauslaufen.
Herr B. stimmt die Vorschläge mit der Geschäftsführung
bzw. dem Vorstand ab und gestaltet federführend weitere
Umsetzungsschritte. In der Folge wird er bei Vertragsver-
handlungen regelhaft mit einem Vertragsmandat ausges-
tattet, dessen Ausgestaltung in hohem Maße selbständig
und eigeninitiativ erfolgt.
In seiner Funktion als Abteilungsleiter und aufgrund seiner
Erfahrungen nimmt Herr B. eine exponierte Position so-
wohl in der Verwaltung als auch außerhalb bei Ärzten,
Krankenhäusern, Krankenkassen und der Gesundheitspo-
litik ein. In diesem Zusammenhang tritt Herr B. als Vertre-
ter der Kassenärztlichen Vereinigung auf Podiumsveran-
staltungen, in Workshops und bei Pressekonferenzen auf.
Seine Aussagen und Gedanken stellen daher Elemente
der Außendarstellung der Kassenärztlichen Vereinigung
dar. Sie gehen ein in Standortbestimmung und Weiter-
entwicklung der Struktur der vertragsärztlichen Versor-
gung.
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Herr B. nimmt im Hause eine besondere Vertrauensstel-
lung ein, so dass er in Entscheidungsvorbereitungen des
Vorstandes und der Geschäftsführung häufig unmittelbar
einbezogen wird. Herr B. ist in seiner Aufgabenwahrneh-
mung mit Ausnahme strategischer oder organisatorischer
Grundsatzentscheidungen für das von ihm verantwortete
Gebiet sowie in der Gestaltung seiner Arbeitszeit eigen-
verantwortlich tätig.“
Mit Schreiben vom 11. November 2003 erklärte der stellvertretende Hauptge-
schäftsführer insgesamt 24 Beschäftigte - darunter Herrn B. als Leiter der Struk-
turabteilung - zu leitenden Mitarbeitern im Sinne von § 84 Abs. 1 MBG SH. Dem
trat der Antragsteller mit Schreiben vom 25. November 2003 entgegen. Da sich
in der Folgezeit eine Einigung nicht erzielen ließ, hat der Antragsteller das
Verwaltungsgericht angerufen und dort beantragt
festzustellen, dass der bei der Kassenärztlichen Vereini-
gung Schleswig-Holstein beschäftigte Mitarbeiter ... B.
kein leitender Mitarbeiter im Sinne von § 84 Abs. 1
MBG SH ist und
festzustellen, dass die Dienststellenleitung verpflichtet ist,
das Mitbestimmungsverfahren hinsichtlich aller personel-
len, sozialen, organisatorischen und sonstigen inner-
dienstlichen Maßnahmen, die den genannten Mitarbeiter
betreffen, nachträglich einzuleiten.
Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass der Mitarbeiter ... B. kein leitender
Angestellter im Sinne von § 84 Abs. 1 MBG SH ist. In den Gründen des erstin-
stanzlichen Beschlusses heißt es am Ende: „Damit unterliegen sämtliche Maß-
nahmen im Sinne des § 51 Abs. 1 Satz 1 MBG der Beteiligten, die den Ange-
stellten ... B. betreffen, gemäß der gesetzlichen Regelung des § 51 Abs. 1 MBG
der Mitbestimmung durch den Antragsteller, ohne dass es hierzu eines gericht-
lichen Ausspruches bedarf.“
Auf die Beschwerde der Hauptgeschäftsführung hat das Oberverwaltungsge-
richt den erstinstanzlichen Beschluss geändert und den Antrag abgelehnt. Zur
Begründung hat es ausgeführt: Herr B. sei leitender Angestellter im Sinne von
§ 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 MBG SH. Die Organe der Kassenärztlichen Vereini-
gung dürften eigenständig entscheiden, ob und in welchem Umfang sie Ver-
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antwortung delegierten. Das Gesetz stelle lediglich darauf ab, ob der Mitarbeiter
im Wesentlichen eigenverantwortlich Aufgaben wahrnehme, also faktisch.
Der Antragsteller trägt zur Begründung seiner Rechtsbeschwerde vor: Entge-
gen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts sei es grundsätzlich nicht
ausreichend, wenn der Angestellte nur rein tatsächlich die in § 84 Abs. 1 Satz 1
Nr. 3 MBG SH genannten Befugnisse wahrnehme, ohne dafür nach dem
Dienstvertrag berechtigt zu sein. Für die Auslegung der unbestimmten Rechts-
begriffe in § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 MBG SH sei auf die gefestigte Rechtspre-
chung des Bundesarbeitsgerichts zur im Wesentlichen gleich lautenden Vor-
schrift des § 5 Abs. 3 BetrVG zurückzugreifen. Danach sei Voraussetzung für
die Einstufung als leitender Angestellter die Wahrnehmung unternehmerischer
Aufgaben in der Nähe des Leiters der Dienststelle. Das sei nur dann der Fall,
wenn der Angestellte Aufgaben von einer gewissen Breite für die Dienststelle
wahrnehme, die ihm im Rahmen eines erheblichen eigenen Entscheidungs-
spielraums Einwirkungsmöglichkeiten auf den Bestand und die Entwicklung der
Dienststelle eröffneten, ihm also eine Schlüsselposition verschafften, in der er
selbstständig Führungsentscheidungen treffe oder sie jedenfalls in solcher
Weise maßgeblich beeinflusse, dass sie nicht unbeachtet gelassen werden
könnten. Diese Voraussetzungen träfen auf den Mitarbeiter B. nicht zu. Er sei
Leiter der Strukturabteilung mit sieben Mitarbeitern. Angesichts einer Gesamt-
mitarbeiterzahl der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein von ü-
ber 260 spreche bereits die geringe Anzahl der Abteilungsmitarbeiter gegen
eine leitende Funktion. Nehme man hinzu, dass der Mitarbeiter B. in der Struk-
turabteilung neue Vertragsformen entwickle, Vertragsabschlüsse vorbereite und
die in der Abteilung erarbeiteten Vorschläge mit Geschäftsführung bzw. Vor-
stand abstimme, so werde hieran erkennbar, dass er letztlich Führungsent-
scheidungen zwar vorbereite, diese aber nicht selbstständig treffe und auch
nicht maßgeblich beeinflusse. Die Bedeutung der Verträge selbst sei sowohl
rechtlich wie wirtschaftlich begrenzt. Auch wenn es für die Zahl der leitenden
Angestellten innerhalb einer Dienststelle keine Höchstgrenze gebe, sondern im
Einzelfall auf Größenordnung und Struktur sowie innere Aufgabenverteilung
abzustellen sei, so sei doch ein Anteil leitender Angestellter von 10 % der Ge-
samtzahl der Beschäftigten der Dienststelle nicht mehr nachvollziehbar.
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Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwal-
tungsgerichts vom 18. April 2005 aufzuheben und die Be-
schwerde des Beteiligten gegen den Beschluss des Ver-
waltungsgerichts Schleswig vom 11. November 2004 zu-
rückzuweisen.
Der Beteiligte beantragt,
die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluss.
Die Vertreterin des Bundesinteresses hält den erstinstanzlichen Beschluss für
zutreffend.
II
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist begründet. Der Be-
schluss des Oberverwaltungsgerichts beruht auf der unrichtigen Anwendung
einer Rechtsnorm (§ 88 Abs. 2 des Gesetzes über die Mitbestimmung der Per-
sonalräte vom
11. Dezember 1990, GVOBl Schl.-H. S. 577, zuletzt geändert durch Art. 3 des
Gesetzes vom 15. Juni 2004, GVOBl Schl.-H. S. 165, i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1
ArbGG). Er ist daher aufzuheben; die Sache ist zur neuen Anhörung und Ent-
scheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 96 Abs. 1
Satz 2 ArbGG i.V.m. § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
1. Im vorliegenden personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren ist das
Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein anzuwenden. Denn die Kassenärzt-
liche Vereinigung Schleswig-Holstein ist eine der Aufsicht des Landes Schles-
wig-Holstein unterstehende Körperschaft des öffentlichen Rechts ohne Ge-
bietshoheit (§ 1 Abs. 1 MBG SH i.V.m. § 77 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5, § 78 Abs. 1
Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V - vom 20. Dezember 1988, BGBl I
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S. 2477, zuletzt geändert durch Art. 2 Nr. 3 des Gesetzes vom 22. Dezember
2005, BGBl I S. 3686).
2. Streitgegenstand in der Rechtsbeschwerdeinstanz ist ausschließlich noch
das Begehren des Antragstellers auf Feststellung, dass der Beschäftigte B.
nicht leitender Angestellter ist.
Zwar hat das Verwaltungsgericht über den zweiten, auf Nachholung des Mitbe-
stimmungsverfahrens gerichteten Antrag des Antragstellers im Tenor seines
Beschlusses nicht förmlich entschieden. Im letzten Satz der Gründe des erstin-
stanzlichen Beschlusses ist aber eine sinngemäße Ablehnung dieses Begeh-
rens wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses zu erblicken. Da der An-
tragsteller dagegen kein Rechtsmittel ergriffen hat, ist der ablehnende Teil des
erstinstanzlichen Beschlusses rechtskräftig geworden.
3. Beteiligter Dienststellenleiter ist hier der Vorstand der Kassenärztlichen Ver-
einigung Schleswig-Holstein.
Gemäß § 8 Abs. 5 Satz 1 MBG SH handelt für die Dienststelle ihr Leiter
(Dienststellenleitung). Er kann sich durch die ihn ständig vertretenden oder in
der Sache entscheidungsbefugten Beschäftigten vertreten lassen (§ 8 Abs. 5
Satz 2 MBG SH). Wer danach Dienststellenleiter ist, bestimmt sich nach dem
einschlägigen Organisationsrecht (vgl. Beschluss vom 26. August 1987
- BVerwG 6 P 11.86 - Buchholz 250 § 7 BPersVG Nr. 2 S. 3 f.). Seit 1. Januar
2005 hat die Kassenärztliche Vereinigung einen hauptamtlichen Vorstand, der
die Körperschaft verwaltet und sie gerichtlich und außergerichtlich vertritt, so-
weit Gesetz oder sonstiges Recht nichts Abweichendes bestimmen (§ 79
Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 SGB V). In der Satzung oder im Einzelfall durch den Vor-
stand kann bestimmt werden, dass auch einzelne Mitglieder des Vorstandes die
Körperschaft vertreten können (§ 79 Abs. 5 Satz 2 SGB V). Derartige Be-
stimmungen finden sich in § 23 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Satzung der Kas-
senärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein vom 28. April 2004. Dies ändert
jedoch nichts daran, dass der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung
Schleswig-Holstein als Dienststellenleitung im Sinne von § 8 Abs. 5 Satz 1
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MBG SH anzusehen ist. Zwar wird in der Gesetzesbegründung und in der
Kommentierung die Auffassung vertreten, der Vorstand einer Körperschaft des
öffentlichen Rechts ohne Gebietshoheit könne eines seiner Mitglieder zum
Dienststellenleiter bestimmen (vgl. LTDrucks 12/996 S. 74; Fuhrmann/
Neumann/Thorenz/Witt, Personalvertretungsrecht Schleswig-Holstein, 5. Aufl.
2000, § 8 Rn. 14). Ob dem zu folgen ist, kann auf sich beruhen. Denn eine der-
artige Bestimmung hat der Vorstand hier soweit ersichtlich nicht getroffen. Aus
dem mit Schriftsatz vom 13. April 2005 überreichten Organigramm ergibt sich
vielmehr, dass der Vorstand den Hauptgeschäftsführer zum Dienststellenleiter
bestimmt hat. Dies steht jedoch mit Wortlaut und Systematik der Regelungen in
§ 8 Abs. 5 MBG SH nicht in Einklang. Danach kann die Eigenschaft des
Dienststellenleiters nicht im Wege der Delegation auf einen Angestellten über-
tragen werden. Der Sache nach hat der Vorstand hier entschieden, sich vom
Hauptgeschäftsführer in den Verhandlungen mit dem Personalrat ständig ver-
treten zu lassen. Dies ist nach § 8 Abs. 5 Satz 2 MBG SH unbedenklich, lässt
aber die Dienststellenleitereigenschaft des Vorstandes unberührt.
Der Senat hat daher im Anhörungstermin das Passivrubrum im Einvernehmen
mit den Beteiligten umgestellt.
4. Der Beschäftigte B. ist nicht gemäß § 83 Abs. 3 ArbGG am Verfahren zu
beteiligen.
Im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren ist Beteiligter, wer durch
die gerichtliche Entscheidung unmittelbar in seiner personalvertretungsrechtli-
chen Rechtsposition berührt wird. Dies ist bei einem einzelnen Beschäftigten
nicht der Fall, wenn Personalrat und Dienststelle darüber streiten, ob in einer
Personalangelegenheit dieses Beschäftigten ein Mitbestimmungsrecht besteht.
Denn in einem solchen Verfahren sind die kollektiv-rechtlichen Rechtsbezie-
hungen zwischen Personalrat und Dienststellenleiter zu klären; die individuelle
Rechtsposition einzelner Beschäftigter bleibt davon grundsätzlich unberührt
(vgl. Beschluss vom 13. Februar 1976 - BVerwG 7 P 4.75 - BVerwGE 50, 186,
193 f.; Beschluss vom 3. Juni 1977 - BVerwG 7 P 2.76 - Buchholz 238.3 A § 75
BPersVG Nr. 2 S. 7; zum Betriebsverfassungsrecht: BAG, Beschluss vom
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27. Mai 1982 - 6 ABR 105/79 - BAGE 39, 102, 103 f.; Beschluss vom 17. Mai
1983 - 1 ABR 5/80 - BAGE 42, 386, 389 f.; Beschluss vom 3. Dezember 1985
- 4 ABR 80/83 - BAGE 50, 241, 244; Matthes, in: Germelmann/Matthes/
Prütting/Müller-Glöge, Arbeitsgerichtsgesetz, 5. Aufl. 2004, § 83 Rn. 47; Dörner,
in GK-ArbGG § 83 Rn. 81).
Im vorliegenden Verfahren geht es zwar nicht um eine einzelne Personalange-
legenheit. Wesentlicher Kern des Verfahrens ist jedoch auch hier die Mitbe-
stimmungspflichtigkeit von Personalangelegenheiten. Denn darauf zielt die in
§ 84 Abs. 1 Satz 1 MBG SH normierte Rechtsfolge ab, und darum geht es dem
Antragsteller mit der von ihm begehrten Feststellung. Der Sache nach wird im
vorliegenden Fall um das Mitbestimmungsrecht des Personalrats in den Perso-
nalangelegenheiten eines Beschäftigten gestritten. Während es sonst üblicher-
weise um eine einzelne Personalangelegenheit geht, wirkt sich die streitige
Feststellung hier auf alle Personalangelegenheiten des betroffenen Beschäftig-
ten aus. Dessen ungeachtet betrifft auch der vorliegende Rechtsstreit allein die
Rechtsbeziehung zwischen Personalrat und Dienststelle. Individuelle Rechts-
positionen des Beschäftigten werden nicht unmittelbar berührt.
Freilich ist der Beschäftigte in seiner personalvertretungsrechtlichen Rechtsstel-
lung unmittelbar berührt, wenn es um sein passives Wahlrecht geht (vgl. Be-
schluss vom 18. Oktober 1977 - BVerwG 7 P 23.75 - Buchholz 238.32 § 13
BlnPersVG Nr. 1 S. 3). Die hier streitige Feststellung hat jedoch keine präjudi-
zielle Wirkung für die Wählbarkeit des Beschäftigten B. zur Personalvertretung
der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein. Letztere bestimmt sich
nach § 12 Abs. 3 Satz 1 MBG SH, dessen Gesamtregelung nicht deckungs-
gleich ist mit derjenigen in § 84 Abs. 1 MBG SH. Zudem verfolgen beide Vor-
schriften unterschiedliche Ziele: Während die Regelung in § 12 Abs. 3 Satz 1
MBG SH der Vermeidung von Interessenkollisionen dient, steht im Rahmen von
§ 84 Abs. 1 MBG SH eher die Unabhängigkeit der Personalentscheidung der
Dienststelle sowie die Unabhängigkeit des Beschäftigten im Vordergrund (vgl.
zu § 77 Abs. 1 BPersVG: Beschluss vom 20. März 2002 - BVerwG 6 P 6.01 -
Buchholz 250 § 77 BPersVG Nr. 16 S. 5 und 7).
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Allerdings pflegt das Bundesarbeitsgericht die Beteiligungsbefugnis der Arbeit-
nehmer, für die vom Betriebsrat die Feststellung begehrt wird, dass sie nicht
leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG sind, zu bejahen (vgl. Be-
schluss vom 23. Januar 1986 - 6 ABR 51/81 - BAGE 51, 1, 4). Doch geht die in
§ 5 Abs. 3 Satz 1 BetrVG vorgesehene Rechtsfolge über diejenige hinaus, wel-
che die Eigenschaft als leitender Angestellter nach § 84 Abs. 1 MBG SH aus-
löst. § 5 Abs. 3 Satz 1 BetrVG bestimmt nämlich, dass das Betriebsverfas-
sungsgesetz auf leitende Angestellte grundsätzlich keine Anwendung findet.
Dies bedeutet nicht nur, dass die Mitbestimmung in Angelegenheiten dieser
Angestellten gänzlich ausgeschlossen ist, sondern auch, dass ihnen das aktive
und passive Wahlrecht zum Betriebsrat verwehrt ist. Die gerichtliche Feststel-
lung zu § 5 Abs. 3 BetrVG ist somit eine echte Statusentscheidung. In dieser
Hinsicht unterscheidet sie sich grundlegend von der hier zu § 84 Abs. 1
MBG SH zu treffenden Entscheidung, die das Wahlrecht unberührt lässt.
Ob die im vorliegenden personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren er-
gehende Entscheidung für einen Individualrechtsstreit insofern präjudizielle
Wirkung entfaltet, als dort die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats in
Rede steht, haben im Streitfall die Arbeitsgerichte zu entscheiden (vgl. zur
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einerseits: Urteil vom 15. Januar
1987 - 6 AZR 589/84 - AP Nr. 21 zu § 75 BPersVG Blatt 956R, 957; anderer-
seits: Urteil vom 3. Juli 1996 - 2 AZR 813/95 - BAGE 83, 266, 274 ff.; Urteil vom
10. März 1998 - 1 AZR 658/97 - AP Nr. 5 zu § 84 ArbGG 1979 Bl. 17 f.).
5. Die Begründetheit des streitigen Feststellungsbegehrens beurteilt sich nach
§ 84 Abs. 1 Satz 1 MBG SH. Danach gelten die Vorschriften über die Mitbe-
stimmung der Personalräte nicht für Personalangelegenheiten der leitenden
Angestellten der Körperschaften des öffentlichen Rechts ohne Gebietshoheit,
wenn sie nach Dienststellung und Dienstvertrag
1. zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von
Beschäftigten der Dienststelle berechtigt sind oder
2. Generalvollmacht oder Prokura haben oder
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3. im Wesentlichen eigenverantwortlich Aufgaben wahr-
nehmen, die ihnen regelmäßig wegen ihrer Bedeutung
für den Bestand und die Entwicklung der Dienststelle
im Hinblick auf besondere Erfahrungen und Kenntnisse
übertragen werden.
a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind, wenn man von
der Ersetzung der Begriffe „Arbeitnehmer“ und „Betrieb“ durch „Beschäftigte“
und „Dienststelle“ absieht, wortgleich mit § 5 Abs. 3 BetrVG vom 15. Januar
1972, BGBl I S. 13, in der bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Fassung.
Schon dieser Umstand spricht dafür, die zu § 5 Abs. 3 BetrVG ergangene
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei der Auslegung des § 84 Abs. 1
MBG SH sinngemäß heranzuziehen.
b) Dieser Ansatz wird durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt.
Die Sonderregelungen für Körperschaften des öffentlichen Rechts ohne Ge-
bietshoheit hat der Gesetzgeber getroffen, „um den besonderen Bedürfnissen
dieser Einrichtungen, die zum Teil im Wettbewerb mit privaten Unternehmen
stehen, gerecht zu werden“ (LTDrucks 12/996 S. 134). Der Gesetzgeber sieht
demnach bei diesen Körperschaften eine Nähe zur Privatwirtschaft. Es war da-
her folgerichtig, den Kreis der leitenden Angestellten in Anlehnung an die Vor-
schrift zu beschreiben, die für die entsprechende Abgrenzung im Bereich der
Privatunternehmen einschlägig ist. Auch diese bewusste Hinwendung zum Be-
triebsverfassungsrecht lässt es geboten erscheinen, sich bei der Auslegung des
§ 84 Abs. 1 MBG SH maßgeblich an der Rechtsprechung des Bundesar-
beitsgerichts zu § 5 Abs. 3 BetrVG zu orientieren.
c) Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beansprucht auch Berück-
sichtigung, soweit sie zu der seit 1. Januar 1989 geltenden Neufassung der
Vorschrift, jetzt in der Fassung der Bekanntmachung des Betriebsverfassungs-
gesetzes vom 25. September 2001, BGBl I S. 2518, ergangen ist. Denn bei der
Auslegung der Neufassung knüpft das Bundesarbeitsgericht jedenfalls weitge-
hend an seine bisherige Rechtsprechung an (vgl. Beschluss vom 25. Oktober
1989 - 7 ABR 60/88 - BAGE 63, 200, 202 f.; Beschluss vom 22. Februar 1994
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- 7 ABR 32/93 - juris Rn. 21; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier,
Betriebsverfassungsgesetz, 23. Aufl. 2006, § 5 Rn. 352).
d) Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts war zunächst von einem
Oberbegriff des leitenden Angestellten ausgegangen und hatte jeweils die
Feststellung verlangt, dass zwischen dem Angestellten und der übrigen Arbeit-
nehmerschaft eine Interessenpolarität bestehen müsse (vgl. Beschluss vom
5. März 1974 - 1 ABR 19/73 - BAGE 26, 36, 51, 57 f.; Beschluss vom 19. No-
vember 1974 - 1 ABR 20/73 - BAGE 26, 345, 351, 354; Beschluss vom 17. De-
zember 1974 - 1 ABR 131/73 - BAGE 26, 403, 413; Beschluss vom 9. Dezem-
ber 1975 - 1 ABR 80/73 - BAGE 27, 374, 379, 384). Daran hat das Gericht spä-
ter - unter Bestätigung seiner Rechtsprechung im Übrigen - nicht festgehalten
(vgl. Beschluss vom 29. Januar 1980 - 1 ABR 45/79 - BAGE 32, 381, 386 ff.).
Die demgemäß modifizierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 5
Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG lässt sich wie folgt zusammenfassen:
aa) Der Angestellte muss vornehmlich unternehmerische Aufgaben wahrneh-
men, wobei räumlich oder fachlich begrenzte Teilaufgaben genügen. Das Merk-
mal ist erfüllt, wenn der Angestellte kraft seiner leitenden Funktion maßgebli-
chen Einfluss auf die wirtschaftliche, technische, kaufmännische, organisatori-
sche, personelle oder wissenschaftliche Führung des Unternehmens ausübt.
Dabei ist unbeachtlich, ob der Angestellte die maßgebenden Entscheidungen
selbst trifft (Linienfunktion) oder in Ausfüllung einer „Stabsfunktion“ nur die Vor-
aussetzungen schafft, an denen die Unternehmensleitung nicht vorbeigehen
kann (vgl. BAG, Beschluss vom 29. Januar 1980 a.a.O. S. 384).
bb) Der Angestellte muss im Rahmen seiner unternehmerischen Teilaufgaben
einen erheblichen eigenen Entscheidungsspielraum haben. Dieser wird nicht
dadurch ausgeschlossen, dass Richtlinien und Rechtsvorschriften zu beachten
sind. Er ist auch im Team mit gleichberechtigten Mitarbeitern denkbar (vgl. BAG
a.a.O.).
cc) Der Angestellte muss die unternehmerischen Teilaufgaben nach Dienststel-
lung und Dienstvertrag wahrnehmen. Die tatsächliche Wahrnehmung der über-
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tragenen Aufgaben und die rechtsverbindliche Übertragung im Arbeitsvertrag
müssen sich decken. Die Befugnis zur Wahrnehmung unternehmerischer Auf-
gaben bedarf dabei keiner ausdrücklichen schriftlichen Vereinbarung im Ar-
beitsvertrag. Es genügt, wenn ein darauf gerichteter Wille der Vertragsparteien
hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt. Ein solcher Wille kann sich grund-
sätzlich auch aus der praktischen Durchführung eines Vertragsverhältnisses er-
geben, weil die tatsächlich geübte Vertragspraxis Rückschlüsse auf das von
den Arbeitsparteien vertraglich Vereinbarte erlaubt (BAG, Beschluss vom
5. März 1974 a.a.O. S. 54; Beschluss vom 19. November 1974 a.a.O. S. 354;
Beschluss vom 16. April 2002 - 1 ABR 23/01 - BAGE 101, 53, 58; Fitting u.a.,
a.a.O. Rn. 329).
dd) Eine Gesamtwürdigung der Tätigkeit des Angestellten muss ergeben, dass
die unternehmerischen Teilaufgaben den Schwerpunkt seiner Tätigkeit bilden
und ihr das Gepräge geben. Erforderlich ist, dass jedenfalls ein beachtlicher
Teil der Arbeitszeit von diesen Tätigkeiten beansprucht wird. Es muss eine
mehr als gelegentliche Wahrnehmung unternehmerischer Aufgaben vorliegen.
Feststellungen zum quantitativen Anteil dieser Aufgabenzuweisung sind aller-
dings verzichtbar (vgl. BAG, Beschluss vom 29. Januar 1980 a.a.O. S. 385; Be-
schluss vom 23. Januar 1986 a.a.O. S. 10; Beschluss vom 25. Oktober 1989
a.a.O. S. 205; Beschluss vom 11. Januar 1995 - 7 ABR 33/94 - BAGE 79, 80,
92).
ee) Bei der gebotenen funktionsbezogenen Abgrenzung der leitenden Ange-
stellten lässt sich nicht an die Gesamtzahl der Arbeitnehmer oder einzelner Ar-
beitnehmergruppen anknüpfen. Der Gesetzgeber hat keine Quotenlösung ge-
wählt. Wie viele Angestellte unternehmerische Aufgaben mit erheblichem Ent-
scheidungsspielraum wahrnehmen, hängt davon ab, wie stark die Unterneh-
mensleitung zentralisiert oder dezentralisiert ist (vgl. BAG, Beschluss vom
29. Januar 1980 a.a.O. S. 394).
ff) Ähnliches gilt für die Leitungsebene, der der einzelne Angestellte im Rahmen
der unternehmerischen Hierarchie zuzuordnen ist. Je nach der Delegationsbe-
reitschaft des Unternehmens können noch auf der vierten Leitungsebene Ent-
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scheidungen zu treffen sein, die in manchen Konzernunternehmen nicht einmal
Vorstandsmitgliedern vorbehalten sind (BAG, Beschluss vom 29. Januar 1980
a.a.O. S. 384). Andererseits gilt: Je tiefer die konkrete Entscheidungsstufe in
der Unternehmenshierarchie, auf der der Angestellte unternehmens- oder
betriebsleitende Aufgabenstellungen erfüllt, umso größer ist die Wahrschein-
lichkeit, dass wesentliche unternehmerische Entscheidungsspielräume auf den
höheren Entscheidungsstufen bereits verbraucht werden. Von welcher Delega-
tionsstufe ab leitende Angestellte im Unternehmen nicht mehr angenommen
werden können, lässt sich nur im jeweiligen Einzelfall bestimmen (vgl. BAG,
Beschluss vom 23. Januar 1986 - 6 ABR 51/81 - a.a.O. S. 8; Beschluss vom
23. Januar 1986 - 6 ABR 22/82 - BAGE 51, 19, 24).
gg) Da die Eigenschaft als leitender Angestellter allein von dessen Funktion zu
bestimmen ist, entzieht sie sich der Festlegung durch Einkommensgrenzen
oder zahlenmäßig fixierte Sachverantwortung (vgl. BAG, Beschluss vom
29. Januar 1980 a.a.O. S. 394; Beschluss vom 23. Januar 1986 - 6 ABR 51/81 -
a.a.O. S. 6 f.).
hh) Es kann nicht ohne weiteres vom Umfang der Personalverantwortung, ins-
besondere in Abhängigkeit von der Zahl der unterstellten Arbeitnehmer, auf
Entscheidungsspielraum und eigenverantwortliche Identifikation mit unterneh-
merischen Zielsetzungen geschlossen werden. Eine schlichte Vorgesetztenstel-
lung gegenüber einer größeren Zahl unterstellter Arbeitnehmer ist für eine Qua-
lifikation als leitender Angestellter nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG nicht
ausschlaggebend. Überwachungsfunktionen allein genügen nicht, die Eigen-
schaft als leitender Angestellter zu begründen. Die Einsatzlenkung von Arbeit-
nehmern zur Erfüllung oder Gewährleistung arbeitstechnischer Abläufe nach
vorgegebenen Daten kann nur dann als unternehmerische Teilaufgabe einge-
schätzt werden, wenn der andere Arbeitnehmer führende Angestellte als Vor-
gesetzter auch eigenverantwortlich, d.h. mit erheblichem Entscheidungsspiel-
raum versehen, verbindliche Entscheidungen auf personellem und sozialem
Gebiet trifft, die eine Beteiligung des Betriebsrats erforderlich machen (vgl.
BAG, Beschluss vom 29. Januar 1980 a.a.O. S. 394; Beschluss vom 23. Januar
1986 - 6 ABR 51/81 - a.a.O. S. 8 f.).
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ii) Die Übertragung unternehmerischer Aufgaben muss im Hinblick auf beson-
dere Erfahrungen und Kenntnisse des Angestellten erfolgen. Ein akademisches
Studium oder eine gleichwertige Ausbildung ist dazu allein weder erforderlich
noch genügend. Die erforderlichen Kenntnisse können ebenso gut durch länge-
re Tätigkeit oder Selbststudium erworben sein (vgl. BAG, Beschluss vom 9. De-
zember 1975 a.a.O. S. 385; Beschluss vom 23. Januar 1986 - 6 ABR 51/81 -
a.a.O. S. 7). Diese Voraussetzung bereitet in der Regel keine Schwierigkeiten.
Sie wird bei dem Personenkreis, der den leitenden Angestellten zugeordnet
werden könnte, praktisch immer vorhanden sein (vgl. Fitting u.a., a.a.O.
Rn. 369).
e) § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG in seiner bis zum 31. Dezember 1988 geltenden
Fassung war mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Vorschrift verstieß insbeson-
dere nicht gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot (vgl. BVerfG, Be-
schluss vom 24. November 1981 - 2 BvL 4/80 - BVerfGE 59, 104, 114 ff.; BAG,
Beschluss vom 29. Januar 1980 a.a.O. S. 396 ff.). Dabei hat das Bundesver-
fassungsgericht hervorgehoben, dass der Gesetzgeber nicht beabsichtigt hat,
einen erheblichen Teil der Angestellten von der Anwendung des Betriebsver-
fassungsgesetzes auszunehmen (a.a.O. S. 115). Verfassungsrechtliche Be-
denken gegen § 84 Abs. 1 Satz 1 MBG SH bestehen daher ebenso wenig wie
gegen die Neufassung der Regelung in § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG.
f) Im Gegensatz zu § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG stützen sich die Tatbestände
nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2 BetrVG auf rein formale Abgrenzungs-
merkmale, die auch bei untergeordneten Angestellten erfüllt sein können. Sinn
und Zweck des Gesetzes verlangen eine einschränkende Interpretation, wo-
nach formale Rechtsbefugnisse nur dann die Eigenschaft als leitender Ange-
stellter begründen, wenn ihnen ein entsprechend bedeutendes Aufgabengebiet
zugrunde liegt (vgl. BAG, Beschluss vom 29. Januar 1980 a.a.O. S. 388; Be-
schluss vom 16. April 2002 a.a.O. S. 57).
g) Die vorgenannten Grundsätze sind im Rahmen von § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
MBG SH sinngemäß anzuwenden. An die Stelle der unternehmerischen Aufga-
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ben treten hier die öffentlichen Aufgaben, welche den nicht kommunalen Kör-
perschaften durch Gesetz zugewiesen sind. Der Beschäftigte muss durch die
Wahrnehmung von Schlüsselaufgaben kraft seiner leitenden Funktion maßgeb-
lichen Einfluss auf die wirtschaftliche, technische, kaufmännische, organisatori-
sche, personelle oder wissenschaftliche Führung der Dienststelle ausüben, in-
dem er entweder die maßgebenden Entscheidungen selbst trifft oder die Vor-
aussetzungen schafft, an denen die Dienststellenleitung nicht vorbeigehen
kann. Er muss im Rahmen dieser Leitungsaufgaben einen erheblichen eigenen
Entscheidungsspielraum haben. Diese Leitungsaufgaben muss er nach Dienst-
stellung und Dienstvertrag wahrnehmen. Die Gesamtwürdigung seiner Tätigkeit
muss ergeben, dass die Leitungsaufgaben den Schwerpunkt seiner Tätigkeit
bilden und ihr das Gepräge geben. Die formale Befugnis nach § 84 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 MBG SH kann die Eigenschaft als leitender Angestellter nur dann
begründen, wenn ihr ein entsprechend bedeutendes Aufgabengebiet zugrunde
liegt.
6. Es steht fest, dass der Beschäftigte B. nicht leitender Angestellter nach § 84
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MBG SH ist. Diese Vorschrift verlangt nach ihrem eindeuti-
gen Wortlaut, dass der Beschäftigte zur selbstständigen Einstellung und Ent-
lassung von Beschäftigten der Dienststelle berechtigt ist. Einstellungs- und Ent-
lassungsbefugnis müssen somit kumulativ vorliegen (vgl. zu § 5 Abs. 3 Satz 1
Nr. 1 BetrVG: BAG, Beschluss vom 17. November 1983 - 6 AZR 291/83 - juris
Rn. 41; Beschluss vom 16. April 2002 a.a.O. S. 58; Fitting/Engels/
Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 23. Aufl. 2006, § 5 Rn. 336). Weder
der Dienstvertrag noch die Stellenbeschreibung liefern Anhaltspunkte dafür,
dass der Beschäftigte B. in Bezug auf die Entlassung von Mitarbeitern in seiner
Abteilung Entscheidungsbefugnisse hat.
7. Die Beantwortung der Frage, ob der Beschäftigte B. leitender Angestellter
der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein im Sinne von § 84 Abs. 1
Satz 1 Nr. 3 MBG SH ist, hängt von noch ausstehenden Tatsachenfeststellun-
gen ab, wie die folgenden Ausführungen ergeben:
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a) Ungeklärt ist die Organisationsstruktur der Kassenärztlichen Vereinigung
Schleswig-Holstein.
Diese hat nach § 79 SGB V i.V.m. §§ 9 ff. ihrer Satzung vom 28. April 2004
zwei Organe, nämlich die aus ehrenamtlichen Mitgliedern bestehende Vertre-
terversammlung (in der Terminologie der Satzung: die Abgeordnetenversamm-
lung) als Selbstverwaltungsorgan sowie den hauptamtlichen Vorstand. Sieht
man von der Abgeordnetenversammlung als dem gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1
der Satzung obersten Organ der Kassenärztlichen Vereinigung ab und konzent-
riert sich auf deren hauptamtliche Verwaltung, so bildet der Vorstand die obers-
te Leitungsebene, welche sich nach Maßgabe von § 13 Abs. 2 Satz 3 der Sat-
zung in drei Geschäftsbereiche gliedert. Demgegenüber wird der Hauptge-
schäftsführer in der Satzung nicht erwähnt. Rechtsgrundlage für seine Funktion
ist offensichtlich § 14 Abs. 3 Satz 2 der Satzung, wonach der Vorstand zur Er-
ledigung der laufenden Geschäfte eine Geschäftsstelle unterhalten kann.
Die weitere Organisation der Kassenärztlichen Vereinigung ist offenbar im Fluss
und bedarf der Aufklärung hinsichtlich ihrer Struktur zum für die Beurteilung
maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts.
Es existieren derzeit nicht weniger als drei Modelle, die jeweils voneinander
abweichen: das mit Schriftsatz vom 4. November 2004 überreichte Organi-
gramm, das mit Schriftsatz vom 13. April 2005 überreichte Organigramm sowie
das der Verfügung des stellvertretenden Hauptgeschäftsführers vom 11. No-
vember 2003 zugrunde liegende Schema. Davon weicht wiederum die aus den
Internetseiten ersichtliche Gliederung ab.
Der Beschäftigte B. ist nach der für ihn maßgeblichen Stellenbeschreibung di-
rekt „der Geschäftsführung“ unterstellt. Wenn dies so zu verstehen ist, dass der
Hauptgeschäftsführer sein Vorgesetzter ist, dann befindet sich der Beschäftigte
B. auf der dritten Leitungsebene. Das mit Schreiben des Hauptgeschäftsführers
vom 4. November 2004 überreichte Organigramm scheint dies zu bestätigen.
Im Gegensatz dazu scheint die Strukturabteilung nach dem mit Schriftsatz des
Beteiligten vom 13. April 2005 überreichten Organigramm direkt dem Vorstand
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zu unterstehen, und zwar als Teil des Geschäftsbereichs „Außenbereich ein-
schließlich Grundsatzfragen und politische Richtlinienkompetenz“ (§ 13 Abs. 2
Satz 3 Buchst. b der Satzung). In diesem Fall gehört der Beschäftigte B. als
der Frage ist geboten. Je tiefer in der Hierarchie der Dienststelle sich die Tätig-
keit des Beschäftigten vollzieht, umso weniger wahrscheinlich ist es, dass sie
noch als Wahrnehmung von Leitungsaufgaben charakterisiert werden kann.
b) Der Tatbestand des § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 MBG SH kann vor allem dann
erfüllt sein, wenn der Beschäftigte echte Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt.
Dies ist der Fall, wenn der Beschäftigte eigenverantwortlich, d.h. mit erhebli-
chem Entscheidungsspielraum versehen, verbindliche Entscheidungen auf per-
sonellem und sozialem Gebiet trifft, die eine Beteiligung des Personalrats er-
fordern. Diese zeigt die Bedeutung der Arbeitgebermaßnahme für die Beschäf-
tigten und die Dienststelle und qualifiziert sie damit zu einer Leitungsfunktion
mit Gewicht (vgl. zu § 5 Abs. 3 Nr. 3 BGtrVG: BAG, Beschluss vom 23. Januar
1986 - 6 ABR 51/81 - BAGE 51, 1, 9).
aa) Nach dem 4. Nachtrag zum Dienstvertrag ist der Beschäftigte B. in Bezug
auf die ihm unterstellten Mitarbeiter der Strukturabteilung für Urlaubsgenehmi-
gungen zuständig. Nach der Generalklausel des § 51 Abs. 1 Satz 1 MBG SH ist
die Entscheidung über die zeitliche Lage des Urlaubs eines Beschäftigten eine
Maßnahme, die der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt. Dies ergibt sich
im Gegenschluss schon aus § 54 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 MBG SH. Die Befugnis
des Beschäftigten B., den Urlaub eines ihm unterstellten Mitarbeiters antrags-
gemäß zu genehmigen, wäre jedoch in ihrer Bedeutung stark abgeschwächt,
wenn der Antragsteller für solche Fälle nach Maßgabe von § 51 Abs. 3 Satz 1
MBG SH generell seine Zustimmung erklärt hätte. Solches ist nach der Erklä-
rung des Antragstellers im Anhörungstermin des Senats in Betracht zu ziehen.
Eine echte Arbeitgeberfunktion stünde dem Beschäftigten B. freilich zu Gebote,
wenn ihm auch die Kompetenz zugewiesen wäre, das Urlaubsgesuch verbind-
lich abzulehnen, ohne dass eine höhere Hierarchieebene innerhalb der Dienst-
stelle angerufen werden könnte. Ob dies der Fall ist, ist im angefochtenen Be-
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schluss nicht festgestellt. Der Wortlaut des Dienstvertrages lässt die Frage of-
fen.
bb) Nach dem Dienstvertrag ist der Beschäftigte B. ferner für die „Abgabe von
Personalbeurteilungen“ zuständig. Auch in dieser Hinsicht ist der Wortlaut des
Dienstvertrages offen. Zum einen ist denkbar, dass der Beschäftigte B. jeweils
einen Leistungsbericht erstellt, den der Hauptgeschäftsführer im Rahmen seiner
Beurteilungskompetenz selbstständig verarbeitet und dabei die Gleichmäßigkeit
des Beurteilungswesens in der Dienststelle sicherstellt. In diesem Fall fehlt es
auf Seiten des Beschäftigten B. an dem erforderlichen Entscheidungsspielraum.
Zum anderen ist es aber auch denkbar, dass der Beschäftigte B. selbst die
unmittelbare Verantwortung für die Beurteilung trägt und dies jeweils durch
seine Unterschrift dokumentiert.
Ob im letztgenannten Fall der Beschäftigte B. eine Leitungsfunktion wahrnimmt,
hängt nicht davon ab, ob die Erteilung einer dienstlichen Beurteilung eine Maß-
nahme ist, die nach § 51 Abs. 1 Satz 1 MBG SH der Mitbestimmung des Per-
sonalrats unterliegt (verneinend: LTDrucks 12/996 S. 107; Fuhrmann/ Neu-
mann/Thorenz/Witt, Personalvertretungsrecht Schleswig-Holstein, § 51 Rn. 26).
Die verbindliche Abgabe einer dienstlichen Beurteilung durch den dafür verant-
wortlichen Beschäftigten ist als Wahrnehmung einer gewichtigen Arbeitgeber-
funktion unabhängig von der Mitbestimmungspflichtigkeit zu betrachten. Dies
drängt sich wegen der erheblichen Bedeutung einer dienstlichen Beurteilung für
den weiteren beruflichen Werdegang eines Beschäftigten auf. Damit kommt es
in jedem Falle darauf an, welche Kompetenzen dem Beschäftigten B. im Beur-
teilungswesen im Einzelnen zustehen. Die fehlenden Tatsachenfeststellungen
sind nachzuholen.
cc) Nach dem Dienstvertrag ist der Beschäftigte B. weiter für die Durchführung
von Einstellungsverfahren zuständig.
Einstellungen sind nach § 51 Abs. 1 Satz 1 MBG SH mitbestimmungspflichtig.
Eine diesbezügliche Befugnis mit Entscheidungsspielraum kann auch dann an-
genommen werden, wenn der Beschäftigte die Auswahlentscheidung trifft, der
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formelle Abschluss des Arbeitsvertrages aber der Dienststellenleitung vorbehal-
ten ist (vgl. Beschluss vom 22. Juni 2005 - BVerwG 6 P 2.05 - PersR 2005, 464,
467). Eine solche Fallgestaltung könnte hier vorliegen. In der Anhörung vor dem
Verwaltungsgericht hatte der damalige Hauptgeschäftsführer - jetziges
Vorstandsmitglied - erklärt: „Hinsichtlich von Einstellungen ist die Geschäftsfüh-
rung bei der Besetzung wichtiger Stellen - ich meine BAT II a - federführend
und zuständig unter Einbeziehung des Managementzentrums. Außerdem ist die
Geschäftsführung für Entlassungs- und Auflösungsverhandlungen zuständig.
Einstellungen in der Ebene unter BAT II a erfolgen entweder direkt über die
Abteilungsleiter oder werden zumindest von diesen vorbereitet, so dass wir nur
noch unterschreiben müssen. Die Geschäftsführung ist aber nicht an die Per-
sonalvorschläge der Abteilungsleiter gebunden.“ Das Oberverwaltungsgericht
hat sich nicht dazu geäußert, ob es dieser Darstellung folgt. Die entsprechen-
den Feststellungen sind nachzuholen. Nach den Ausführungen im zuletzt zitier-
ten Senatsbeschluss ist es für die Bejahung der erforderlichen Eigenständigkeit
unschädlich, wenn die Geschäftsleitung in seltenen Ausnahmefällen vom Per-
sonalvorschlag des Abteilungsleiters abweicht.
dd) Die Wahrnehmung einer Arbeitgeberfunktion durch den Beschäftigten B.
könnte nicht schon deswegen ihren Charakter als Leitungsaufgabe verlieren,
weil sie sich lediglich auf die ihm unterstellten, weniger als 10 zählende Mitar-
beiter seiner Abteilung bezieht. Im Rahmen von § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 MBG
SH ist eine Gesamtwürdigung vorzunehmen. Diese kann sich auf die Wahr-
nehmung verschiedener Leitungsfunktionen beziehen, die je für sich betrachtet
nicht ausreichen, aber in ihrer Gesamtheit den genannten Tatbestand erfüllen.
Sollte dem Beschäftigten B. daher in den genannten Personalangelegenheiten
ein eigener erheblicher Entscheidungsspielraum zukommen, so wäre dies ein
Teilelement, welches zusammen mit anderen den Schluss zulassen könnte, er
sei leitender Angestellter.
ee) Andererseits erscheint es im Hinblick auf die geringe Anzahl der nachge-
ordneten Mitarbeiter ausgeschlossen, dass der Beschäftigte B. allein wegen
seiner personellen Befugnisse leitender Angestellter nach § 84 Abs. 1 Satz 1
Nr. 3 MBG SH ist. Nach dem Willen des Gesetzgebers reicht es für die Eigen-
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schaft als leitender Angestellter nach § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MBG SH aus,
dass die dort genannten personellen Befugnisse sich auf einen Teil der Be-
schäftigten der Dienststelle erstrecken (vgl. LTDrucks 12/996 S. 134). Bei ei-
nem kleinen, abgeschlossenen Personenkreis ist jedoch erforderlich, dass die
Tätigkeit der Mitarbeiter für die Aufgabenerfüllung durch die Dienststelle quali-
tativ wesentlich ist, weil es sich etwa um hochqualifizierte Tätigkeiten mit ent-
sprechenden Entscheidungsspielräumen oder um die Wahrnehmung bedeut-
samer Verantwortungsbereiche handelt (vgl. zu § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG:
BAG, Beschluss vom 16. April 2002 a.a.O. S. 60). Ein vergleichbarer, hier nach
§ 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 MBG SH zu berücksichtigender Sachverhalt liegt nicht
vor. Nach den Angaben des Hauptgeschäftsführers im erstinstanzlichen Anhö-
rungstermin erstrecken sich die Personalbefugnisse der Abteilungsleiter nur auf
Angestellte unterhalb der Vergütungsgruppe BAT II a. Solche Mitarbeiter erfül-
len aber schon nach den tariflichen Vergütungsgruppenmerkmalen nicht dieje-
nigen Qualifikationsanforderungen, die gegeben sein müssen, damit personelle
Befugnisse in Bezug auf eine kleine Gruppe nachgeordneter Mitarbeiter bereits
die Eigenschaft als leitender Angestellter nach sich ziehen. Eine solche Bewer-
tung scheidet aber auch dann aus, wenn sich die personellen Befugnisse des
Beschäftigten B. neuerdings - wie im heutigen Anhörungstermin angespro-
chen - auf einen einzelnen Angestellten der Vergütungsgruppe BAT II a („Refe-
rent“) erstrecken sollte.
c) Neben den soeben erörterten Arbeitgeberfunktionen kommen als mögliche
Leitungsfunktionen die dem Beschäftigten B. als Leiter der Strukturabteilung
obliegenden Sachaufgaben in Betracht. In dieser Hinsicht nennt der Dienstver-
trag als Aufgabenfelder die selbstständige Verhandlungsführung mit den Kran-
kenkassen zur Vorbereitung von Vertragsabschlüssen sowie die Entwicklung
neuer Versorgungskonzepte und deren Vorstellung im Vorstand. Damit ist die
zentrale Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung angesprochen, nämlich die
vertragsärztliche Versorgung durch schriftliche Verträge mit den Verbänden der
Krankenkassen zur medizinischen Versorgung der Versicherten und zur Vergü-
tung der ärztlichen Leistungen zu regeln (§ 72 Abs. 2 SGB V).
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Dies geschieht grundlegend durch die Gesamtverträge (§ 82 Abs. 2, § 83
SGB V). Deren Inhalt wird maßgeblich durch die gesetzlichen Vorschriften, die
zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden
der Krankenkassen zu vereinbarenden Bundesmantelverträge, den als deren
Bestandteil zu vereinbarenden einheitlichen Bewertungsmaßstab sowie die
Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses gesteuert (§ 82 Abs. 1,
§§ 87, 92 SGB V). Für die Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen gelten
ab dem Jahre 2006 die Regelungen in §§ 85a bis 85d SGB V.
Auf die Gesamtverträge mit ihrem üblichen Inhalt bezieht sich die Tätigkeit der
Strukturabteilung augenscheinlich nicht. Wie sich aus dem Vortrag des Beteilig-
ten im Beschwerdeverfahren, der Stellenbeschreibung für den Beschäftigten B.
sowie der Aufgabenbeschreibung für die Strukturabteilung auf den Internetsei-
ten der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein ergibt und der Anhö-
rungstermin des Senats bestätigt hat, beschäftigt sich die Strukturabteilung
schwerpunktmäßig mit der Vorbereitung und dem Abschluss von Sonderverträ-
gen außerhalb und innerhalb des Gesamtvertrages.
aa) Zu nennen sind hier zunächst Modellvorhaben nach §§ 63, 64 SGB V. De-
ren Gegenstände sind zum einen die Weiterentwicklung der Verfahrens-, Or-
ganisations-, Finanzierungs- und Vergütungsformen der Leistungserbringung
(§ 63 Abs. 1 SGB V), zum anderen Leistungen zur Verhütung und Früherken-
nung von Krankheiten sowie zur Krankenbehandlung, die keine Leistungen der
Krankenversicherung sind (§ 63 Abs. 2 SGB V). Die Kompetenz der Kassen-
ärztlichen Vereinigung zum Abschluss entsprechender Vereinbarungen mit den
Krankenkassen ergibt sich aus § 63 Abs. 6 SGB V. Die Modellvorhaben sind im
Regelfall auf längstens acht Jahre zu befristen (§ 63 Abs. 5 Satz 2 SGB V).
§§ 3, 26 sowie die Anlage 3 der Satzung der Kassenärztlichen Vereinigung
Schleswig-Holstein vom 28. April 2004 bezeichnet vier Modellvorhaben und
erklärt sie zum Bestandteil der Satzung. Für den Bereich Umweltmedizin galt
die Modellvereinbarung mit der AOK Schleswig-Holstein vom 26. Januar 1995,
welche zum 31. Dezember 2000 ausgelaufen ist. Für den Bereich Hautkrebs-
Screening galt eine Vereinbarung mit mehreren Betriebskrankenkassen vom
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15. November 2001, die am 30. Juni 2004 ausgelaufen ist. Eine Folgevereinba-
rung konnte jedoch mit der Innungskrankenkasse Schleswig-Holstein abge-
schlossen werden, welche zum 1. Juli 2004 in Kraft getreten ist und zum
30. Juni 2012 endet. Für den Bereich Ambulantes Operieren galt eine mit meh-
reren Krankenkassen abgeschlossene Modellvereinbarung vom 23. Februar
2000, die spätestens zum 31. Dezember 2004 ausgelaufen ist. Der vierte Be-
reich (qualitätsgesicherte Mamma-Diagnostik) ist entgegen der satzungsmäßi-
gen Bezeichnung nicht Gegenstand eines Modellvorhabens nach §§ 63, 64
SGB V, sondern einer Vereinbarung nach § 73c SGB V.
Angesichts des dargestellten Sachstands bedarf der Aufklärung, ob Modellvor-
haben künftig für die Arbeit der Strukturabteilung noch von nennenswerter Be-
deutung sind.
bb) Nach § 73 c SGB V sollen in den Gesamtverträgen Versorgungsaufträge
vereinbart werden, deren Durchführung bestimmte qualitative oder organisato-
rische Anforderungen an die Vertragsärzte stellt. In den Verträgen sind die Ver-
gütung und die Teilnahmeberechtigung der Vertragsärzte zu regeln. Einen der-
artigen Versorgungsauftrag über eine qualitätsgesicherte Mamma-Diagnostik
hat die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein am 4. Juli 2005 mit
einer Reihe von Krankenkassen vereinbart. Dieser Versorgungsvertrag ist an
die Stelle früherer Modellvorhaben getreten.
cc) Nach § 73a SGB V können die Kassenärztlichen Vereinigungen mit den
Krankenkassenverbänden in den Gesamtverträgen Versorgungs- und Vergü-
tungsstrukturen vereinbaren, die einem vom Versicherten gewählten Verbund
haus- und fachärztlich tätiger Vertragsärzte (vernetzte Praxen) Verantwortung
für die Gewährleistung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen
Versorgung übertragen. Für die Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen
können die Vertragspartner von den nach § 87 SGB V getroffenen Leistungs-
bewertungen abweichen. Die Teilnahme von Versicherten und Vertragsärzten
ist freiwillig. Mit dem Instrument der Strukturverträge soll unwirtschaftlichen
Mehrfachinanspruchnahmen und medizinisch fragwürdigen Doppeluntersu-
chungen begegnet werden (vgl. Hess, in: Kasseler Kommentar zum Sozialver-
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sicherungsrecht, § 73a SGB V Rn. 3). Der Stellenbeschreibung für den Be-
schäftigten B. ist zu entnehmen, dass die Entwicklung regionaler Praxisnetze zu
den Aufgabenfeldern der von ihm geleiteten Strukturabteilung zählt. Deren
Anzahl und Bedeutung für die Kassenärztliche Vereinigung ist bisher ebenfalls
nicht aufgeklärt.
dd) Die integrierte Versorgung nach §§ 140a ff. SGB V gehört seit dem
1. Januar 2004 nicht mehr zu den Aufgaben der Kassenärztlichen Vereinigun-
gen. Nach § 140b Abs. 2 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden
Fassung waren die Kassenärztlichen Vereinigungen noch potentielle Vertrags-
partner der Krankenkassen. § 140b Abs. 1 SGB V in der seit 1. Januar 2004
geltenden Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14. November
2003, BGBl I S. 2190, hat diese Befugnis der Kassenärztlichen Vereinigungen
beseitigt (vgl. dazu BTDrucks 15/1525 S. 130).
ee) Der Abschluss der genannten Sonderverträge stellt auf Seiten der Kassen-
ärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein eine Führungsaufgabe dar. Die Son-
derverträge stehen für Innovation und sind Gestaltungsspielräumen zugänglich,
wie sie für die Gesamtverträge mit ihrem gewöhnlichen Inhalt nicht bestehen.
Das Honorarvolumen, welches auf die Sonderverträge entfällt, beläuft sich nach
Angaben des Beteiligten im Beschwerdeverfahren auf etwa 30 Mio. € und ist
damit absolut gesehen beträchtlich. Dass dieser Betrag relativ zum gesamten
Honorarvolumen bei der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein von
rund 800 Mio. € nur einen kleinen Anteil ausmacht, nimmt dem Abschluss der
Sonderverträge nicht den Charakter als Wahrnehmung einer Führungsaufgabe.
An dieser Führungsaufgabe nimmt der Beschäftigte B. teil, wenn ihm in Bezug
auf den Abschluss der Sonderverträge auf Seiten der Kassenärztlichen Verei-
nigung eine Stabsfunktion zukommt. Dazu muss er durch seine Tätigkeit Vor-
aussetzungen schaffen, an denen die für den Vertragsschluss zuständigen Lei-
tungsorgane - die Abgeordnetenversammlung und der Vorstand - nicht vorbei-
gehen können. Ob dies der Fall ist, lässt sich allein anhand des Textes von
Dienstvereinbarung und Stellenbeschreibung nicht bestimmen. Einerseits ist
dort die Rede von selbstständiger Verhandlungsführung mit Krankenkassen
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und Entwicklung neuer Versorgungskonzepte; sogar von der Ausstattung mit
einem Vertragsmandat wird gesprochen. Andererseits hat er seine Konzepte im
Vorstand vorzustellen, ist er der Geschäftsführung unterstellt, hat er seine Vor-
schläge mit der Geschäftsführung und dem Vorstand abzustimmen und sind
strategische sowie organisatorische Grundsatzentscheidungen den vorgesetz-
ten Leitungsebenen vorbehalten. Daraus wird nicht klar, ob die Tätigkeit des
Beschäftigten B. in Bezug auf Konzeption und Verhandlungsführung im We-
sentlichen vorbereitender Natur ist, seine Vorarbeiten also typischerweise nen-
nenswerten inhaltlichen Änderungen auf der Ebene des Vorstandes und der
Geschäftsführung unterliegen oder ob er sowohl in der Konzeptions- als auch in
der Verhandlungsphase die Linie der Kassenärztlichen Vereinigung durch seine
Beiträge inhaltlich ganz wesentlich bestimmt. Nur im letztgenannten Fall übt der
Beschäftigte B. eine Leitungsfunktion mit erheblichem eigenem Entscheidungs-
spielraum aus. Dies bedarf der Aufklärung.
d) Nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen wird das Oberverwaltungs-
gericht ergänzende Feststellungen dazu zu treffen haben, ob und gegebenen-
falls in welchem Umfang der Beschäftigte B. mit Entscheidungsspielraum die
genannten Führungsaufgaben wahrnimmt. Im Rahmen der Gesamtwürdigung
wird sodann zu prüfen sein, ob die Gesamttätigkeit des Beschäftigten durch von
ihm wahrzunehmende Leitungsaufgaben geprägt wird.
Dem Oberverwaltungsgericht bleibt ein Beurteilungsspielraum. Die Anwendung
der in § 84 Abs. 1 Satz 1 MBG SH enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe
durch die Tatsachengerichte ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nur daraufhin
überprüfbar, ob der Bewertungsmaßstab verkannt wurde, die Gesamtwürdigung
der maßgeblichen Umstände vertretbar ist und keine Verstöße gegen
Denkgesetze oder Erfahrungssätze vorliegen (vgl. BAG, Beschluss vom
29. Januar 1980 a.a.O. S. 385, 395 f.; Beschluss vom 23. Januar 1986 - 6 ABR
51/81 - a.a.O. S. 10; Beschluss vom 11. Januar 1995 a.a.O. S. 82 f.; Beschluss
vom 16. April 2002 a.a.O. S. 57).
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8. Der heutige Anhörungstermin veranlasst den Senat, den Beteiligten Folgen-
des zu bedenken zu geben: Dem Antragsteller geht es nach seiner Interessen-
lage ersichtlich nicht darum, zu verhindern, dass einzelne wenige, durch ihre
Funktion besonders herausgehobene Mitarbeiter der Kassenärztlichen Vereini-
gung Schleswig-Holstein als leitende Angestellte im Sinne von § 84 Abs. 1 MBG
SH eingestuft werden. Denn dadurch werden seine gesetzlichen Beteili-
gungsrechte nicht in Frage gestellt. Der Beteiligte mag anhand der Ausführun-
gen im vorliegenden Senatsbeschluss erwägen, ob seine Einordnung von Be-
schäftigten als leitende Angestellte in dem ursprünglich vorgestellten Umfang
noch realistisch erscheint. Da beide Beteiligte über die nötigen tatsächlichen
Einblicke verfügen, liegt es nahe, dass sie nunmehr auf der Grundlage der Se-
natsentscheidung im Sinne einer engen und gleichberechtigten Zusammenar-
beit (§ 1 Abs. 2 Satz 1 MBG SH) erneut den Versuch unternehmen, bei der per-
sonalvertretungsrechtlichen Einordnung der in Rede stehenden Beschäftigten
zu einer einvernehmlichen Rechtsauffassung zu gelangen.
Dr. Hahn Büge Dr. Graulich
Vormeier Dr. Bier
B e s c h l u s s
Der Gegenstandswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 4 000 €
festgesetzt (§ 23 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2, § 33 Abs. 1, Abs. 8 Satz 1 Halbs. 1
RVG).
Büge
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