Urteil des BVerwG vom 14.01.2010

Stellenausschreibung, Mitbestimmungsrecht, Übertragung, Ausnahme

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
BVerwG 6 P 10.09
OVG 4 A 10328/08
In der Personalvertretungssache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Januar 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge,
Vormeier, Dr. Bier und Dr. Möller
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten gegen den Be-
schluss des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz
(Fachsenat für Personalvertretungssachen - Bund -) vom
7. August 2008 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen,
dass die Feststellung im zweitinstanzlichen Tenor wie folgt
lautet:
Es wird festgestellt, dass die Entscheidung des Beteilig-
ten, die dauerhafte Besetzung des Dienstpostens „Berater
- U25 mit Schwerpunkt Berufsorientierung“ bei der Agen-
tur für Arbeit Trier ohne Ausschreibung vorzunehmen, in
den Fällen, welche der Übertragung des Dienstpostens an
den Arbeitnehmer S. zum 1. Januar 2007 vergleichbar
sind, der Mitbestimmung des Antragstellers unterliegt.
G r ü n d e :
I
Zum 1. September 2006 stellte der Beteiligte Herrn S. auf unbestimmte Zeit als
Arbeitnehmer ein und übertrug ihm auf Dauer die Tätigkeit eines Arbeitsvermitt-
lers - U25 mit Beratungsaufgaben. Mit Wirkung vom 1. Januar 2007 übertrug er
ihm für die Dauer die Tätigkeit eines Beraters - U25 mit Schwerpunkt Berufsori-
entierung. Mit Schreiben vom 16. Januar 2007 machte der Antragsteller Mitbe-
stimmungsrechte nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 und § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG gel-
tend; dabei wies er darauf hin, dass hier eine dienststelleninterne Auswahl unter
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verschiedenen fachlich und persönlich geeigneten Bewerbern in Betracht
komme. Dem Mitbestimmungsbegehren trat der Beteiligte mit Schreiben vom
30. Januar 2007 entgegen.
Das Begehren des Antragstellers auf Feststellung seiner Mitbestimmungsrechte
hat das Verwaltungsgericht abgelehnt. Das Oberverwaltungsgericht hat den
erstinstanzlichen Beschluss geändert und festgestellt, dass die Entscheidung
des Beteiligten, die dauerhafte Besetzung des Dienstpostens „Berater - U25 mit
Schwerpunkt Berufsorientierung“ ohne Ausschreibung vorzunehmen, der Mit-
bestimmung des Antragstellers unterlag. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Der Regelung in § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG sei im Grundsatz die Verpflich-
tung zur dienststelleninternen Ausschreibung zu besetzender Stellen zu ent-
nehmen. Eine Ausnahme davon sei im vorliegenden Fall nicht anzuerkennen.
Hier sei auf eine Dienstpostenausschreibung gerade deshalb verzichtet worden,
um denkbare Bewerbungen anderer Mitarbeiter auszuschließen. Soweit
sachlich gerechtfertigte Erwägungen für ein Absehen von der Stellenausschrei-
bung vorgelegen hätten, hätten diese in einem förmlichen Beteiligungsverfahren
dem Antragsteller mit der Bitte um Zustimmung zum Ausschreibungsverzicht
dargelegt werden müssen. Die weitergehende, die Besetzung des Dienst-
postens betreffende Beschwerde des Antragstellers hat das Oberverwaltungs-
gericht zurückgewiesen.
Gegen dessen Beschluss haben sowohl der Antragsteller als auch der Beteilig-
te Rechtsbeschwerde eingelegt. Der Senat hat mit Beschluss vom 27. Mai 2009
- BVerwG 6 P 17.08 - auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers den
Beschluss des Oberverwaltungsgerichts geändert und festgestellt, dass die
Übertragung des Dienstpostens „Berater - U25 mit Schwerpunkt Berufsorientie-
rung“ an einen Arbeitsvermittler - U25 mit Beratungsaufgaben der Mitbestim-
mung des Antragstellers bei Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit
unterliegt. Zugleich hat er das Verfahren über die Rechtsbeschwerde des Betei-
ligten wegen Mitbestimmung beim Absehen von der Ausschreibung abgetrennt
und unter dem Aktenzeichen BVerwG 6 P 10.09 fortgeführt.
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Der Beteiligte trägt zur Begründung seiner Rechtsbeschwerde vor: Für den in
der Arbeitsagentur zu besetzenden Dienstposten eines „Beraters - U25“ beste-
he grundsätzlich eine Verpflichtung zur internen Stellenausschreibung. In der
Bundesagentur würden nach den internen Verfahrensregelungen in der Regel
alle Dienstposten zunächst intern im Stellenanzeiger ausgeschrieben. Es sei
zulässig, von der grundsätzlich vorgeschriebenen Ausschreibung allgemein
oder im Einzelfall abzusehen, wenn Gründe der Personalplanung oder des
Personaleinsatzes entgegenstünden. Von diesem Gestaltungsspielraum habe
die Bundesagentur in ihren internen Weisungen zur Stellenausschreibung für
den Fall Gebrauch gemacht, dass ein Dienstposten mit einem Bewerber besetzt
werden solle, der bereits über das statusmäßige Amt hinsichtlich des vakanten
Dienstpostens verfüge bzw. dem bereits eine Tätigkeit mit entsprechender
Bewertung auf Dauer übertragen worden sei. Dem liege der Gedanke
zugrunde, dass der Dienstherr aufgrund der Organisations- und Personalhoheit
bei der Besetzung einer frei werdenden Stelle stets ein Wahlrecht zwischen den
Personalmaßnahmen der Beförderung einerseits und der Umsetzung oder
Versetzung eines statusgleichen Beschäftigten andererseits habe. Nur dann,
wenn er ein Auswahlverfahren zur Bestenauslese einleite, das einer Beförde-
rung vorausgehe, habe er dem Leistungsgrundsatz Rechnung zu tragen. Nur in
diesem Fall könne von einer Pflicht zur dienststelleninternen Ausschreibung im
kollektiven Interesse der Beschäftigten die Rede sein. Die Organisations- und
Personalhoheit der öffentlichen Verwaltung würde erheblich eingeschränkt,
wenn bei jeder - eingruppierungsneutralen - Umsetzung eines Mitarbeiters ein
Ausschreibungsverfahren eingeleitet werden müsste. Im Anlassfall sei nicht
beabsichtigt gewesen, ein Auswahlverfahren zur Bestenauslese durchzuführen.
Vielmehr habe von Anfang an nur der bereits auf Dauer in Tätigkeitsebene IV
eingruppierte Beschäftigte mit einem Dienstposten gleicher Tätigkeitsebene
betraut werden sollen. Er habe damit als Statusbewerber um den vakanten
Dienstposten gegolten und daher ohne Ausschreibung umgesetzt werden sol-
len.
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Der Beteiligte beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss in seinem stattgebenden
Teil aufzuheben und insoweit die Beschwerde des An-
tragstellers gegen den erstinstanzlichen Beschluss zu-
rückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zurückzuweisen.
Er verteidigt insoweit den angefochtenen Beschluss.
II
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Beteiligten ist nicht begründet. Der Be-
schluss des Oberverwaltungsgerichts beruht, soweit er dem Antragsteller ein
Mitbestimmungsrecht zugesprochen hat, nicht auf der Nichtanwendung oder
der unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm (§ 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m.
§ 93 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Die Entscheidung des Beteiligten, die dauerhafte
Besetzung des Dienstpostens „Berater - U25 mit Schwerpunkt Berufsorientie-
rung“ bei der von ihm geleiteten Agentur für Arbeit (Tätigkeitsebene IV Tuk
Nr. 42 gemäß Anlage 1.1 zum Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmer der Bundesagentur für Arbeit - TV-BA - vom 28. März 2006 in der
Fassung des Sechsten Änderungstarifvertrages) ohne Ausschreibung vorzu-
nehmen, unterliegt unter den Umständen, die den Anlassfall kennzeichnen, der
Mitbestimmung des Antragstellers.
1. Im Rechtsbeschwerdeverfahren wegen Mitbestimmung bei Übertragung des
Dienstpostens hat der Senat das Begehren des Antragstellers entsprechend
dessen bereits in den Vorinstanzen zum Ausdruck gebrachten Willens dahin
verstanden, dass es ihm nicht mehr um die Mitbestimmung im konkreten An-
lassfall, sondern um diejenige in künftigen vergleichbaren Fällen geht (Be-
schluss vom 27. Mai 2009 - BVerwG 6 P 17.08 - juris Rn. 9). Es besteht kein
Grund, im vorliegenden Rechtsbeschwerdeverfahren wegen Mitbestimmung
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beim Absehen von der Ausschreibung nicht ebenfalls eine abstrakte Antragstel-
lung zugrunde zu legen.
2. Das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers ergibt sich aus § 75 Abs. 3
Nr. 14 BPersVG. Danach hat der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder ta-
rifliche Regelung nicht besteht, ggf. durch Abschluss von Dienstvereinbarungen
mitzubestimmen über das Absehen von der Ausschreibung von Dienstposten,
die besetzt werden sollen.
a) Unter einer Ausschreibung ist die allgemeine Aufforderung zu verstehen, sich
um eine freie Stelle zu bewerben. Sie richtet sich - wie im Falle der öffentlichen
oder externen Ausschreibung - an einen unbestimmten Personenkreis oder
- wie im Fall der dienststelleninternen Ausschreibung - an alle Beschäftigten der
Dienststelle oder eine bestimmte Gruppe von ihnen (vgl. Beschluss vom
9. Januar 2007 - BVerwG 6 P 6.06 - Buchholz 251.7 § 72 NWPersVG Nr. 36
Rn. 20 m.w.N.).
b) Die Mitbestimmung beim Absehen von der Ausschreibung von Dienstposten
setzt voraus, dass zu besetzende Stellen üblicherweise ausgeschrieben wer-
den. Eine solche Übung kann einer grundsätzlichen Verpflichtung folgen, die
sich aus Rechts- oder Verwaltungsvorschriften ergibt, oder auf ständiger Ver-
waltungspraxis beruhen. Die grundsätzliche Verpflichtung zur Ausschreibung ist
allerdings nicht bereits aus § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG selbst zu entnehmen.
An anders lautender früherer Senatsrechtsprechung (vgl. Beschlüsse vom
8. März 1988 - BVerwG 6 P 32.85 - BVerwGE 79, 101 <106 ff.> = Buchholz
251.4 § 87 HmbPersVG Nr. 1 S. 5 ff. und vom 29. Januar 1996 - BVerwG 6 P
38.93 - Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 93 S. 28 ff.) wird nicht festgehalten (so
bereits zum nordrhein-westfälischen Recht: Beschluss vom 9. Januar 2007
a.a.O. Rn. 36 f.; vgl. dazu Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, Das Personal-
vertretungsrecht in Nordrhein-Westfalen, § 73 Rn. 40 ff.).
aa) Für die Annahme, aus § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG folge eine generelle
Verpflichtung zur dienststelleninternen Ausschreibung, findet sich ein Anhalt
weder im Wortlaut noch in der Entstehungsgeschichte des Mitbestimmungstat-
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bestandes (vgl. BTDrucks 6/3721 S. 16, 34 und 41 zu Nr. 17 Buchst. a; 7/176
S. 17 und 34; 7/1339 S. 34; 7/1373 S. 1, 2 und 6 zu § 74).
bb) Gegen eine derartige Annahme spricht die Rechtssystematik. Die Mitbe-
stimmungstatbestände in §§ 75, 76 BPersVG benennen arbeits- und dienst-
rechtliche Vorgänge, die in anderen Gesetzen, in Tarifverträgen oder Verwal-
tungsvorschriften geregelt oder in der Verwaltungspraxis der Dienststellen an-
zutreffen sind. Sie regeln die Rechtsbeziehungen zwischen der Dienststelle und
ihren Beschäftigten sowie die sich daraus ergebenden wechselseitigen Rechte
und Pflichten jedoch nicht selbst (vgl. Beschluss vom 13. Oktober 1978
- BVerwG 6 P 6.78 - BVerwGE 56, 324 <325> = Buchholz 238.3 A § 75
BPersVG Nr. 5 S. 32).
cc) Prägend für die zitierte frühere Senatsrechtsprechung war die Sorge, in Er-
mangelung von verfassungsrechtlich begründeten oder dem einfachgesetzli-
chen Dienstrecht zu entnehmenden Geboten, zu besetzende Stellen dienststel-
lenintern auszuschreiben, würde das Mitbestimmungsrecht weitgehend leerlau-
fen. Diese Sorge erweist sich jedenfalls angesichts der festzustellenden
Rechtsentwicklung nicht mehr als begründet.
(1) Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 BBG vom 5. Februar 2009, BGBl I S. 160, sind zu
besetzende Stellen auszuschreiben. Bei der Einstellung von Bewerbern muss
die Ausschreibung öffentlich sein (§ 8 Abs. 1 Satz 2 BBG). Daraus ergibt sich
eine grundsätzliche Verpflichtung zur Ausschreibung von Beamtenstellen (vgl.
BTDrucks 16/7076 S. 101). Von der Ermächtigung in § 8 Abs. 1 Satz 3 BBG,
Ausnahmen vorzusehen, ist in § 4 Abs. 2 und 3 BLV vom 12. Februar 2009,
BGBl I S. 284, Gebrauch gemacht worden.
(2) Eine weitgehende Pflicht zu dienststellenbezogenen Ausschreibungen er-
öffnet § 6 Abs. 2 Satz 1 Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG) vom
30. November 2001, zuletzt geändert durch Art. 15 Abs. 54 des Gesetzes vom
5. Februar 2009, BGBl I S. 160. Danach soll, wenn Frauen in einzelnen Berei-
chen unterrepräsentiert sind, die Besetzung eines freien Arbeitsplatzes ausge-
schrieben werden, um die Zahl der Bewerberinnen zu erhöhen. Unterrepräsen-
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tiert sind Frauen, wenn ihr Anteil an den Beschäftigten in den einzelnen Berei-
chen jeweils unter 50 % liegt (§ 4 Abs. 6 BGleiG). Bereiche sind dabei die ein-
zelnen Besoldungs- und Entgeltgruppen, Laufbahngruppen, Laufbahnen und
Fachrichtungen sowie die Funktionen mit Vorgesetzten- und Leitungsaufgaben
in der Dienststelle (§ 4 Abs. 3 Satz 1 BGleiG). Unter Arbeitsplätze fallen Stellen
für Beamte, Arbeitnehmer und Auszubildende (§ 4 Abs. 8 BGleiG). Die Sollre-
gelung besagt, dass für den Regelfall die Ausschreibung unter den in § 6 Abs. 2
Satz 1 BGleiG normierten Voraussetzungen vorzunehmen ist und nur in
atypischen Ausnahmefällen davon abgesehen werden darf. Im Übrigen verweist
§ 6 Abs. 2 Satz 3 BGleiG auf § 8 Abs. 1 Satz 3 BBG i.V.m. § 4 Abs. 2 und 3
BLV (vgl. dazu v. Roetteken, Bundesgleichstellungsgesetz, § 6 Rn. 176 f.).
(3) Eine grundsätzliche Pflicht zur Ausschreibung kann sich ferner aus Verwal-
tungsvorschriften ergeben, die in der Dienststelle praktiziert werden. Ebenso
kann eine Übung in der Dienststelle, wonach regelmäßig ausgeschrieben wird,
Anknüpfungspunkt für das Eingreifen der Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3
Nr. 14 BPersVG sein (vgl. Beschluss vom 9. Januar 2007 a.a.O. Rn. 36).
dd) Die Herleitung einer Pflicht zur dienststelleninternen Ausschreibung aus
§ 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG zwingt dazu, im Interesse der Organisations- und
Personalhoheit des Dienstherrn Einschränkungen zu formulieren. Nach der zi-
tierten Senatsrechtsprechung soll das Mitbestimmungsrecht entfallen, wenn
sich nach Lage der Dinge ergibt, dass für eine Ausschreibung kein Anlass be-
steht oder dass sie mit dem Zweck der Maßnahme nicht in Einklang zu bringen
ist (vgl. Beschluss vom 29. Januar 1996 a.a.O. S. 29). Die Beurteilung „nach
Lage der Dinge im Einzelfall“ erzielt nicht das Maß an Rechtssicherheit, auf
welches Dienststelle und Personalrat angewiesen sind. Zudem werden die bei-
den grundlegenden Fragen, die sich im Mitbestimmungsfall stellen, nämlich
diejenige nach der Mitbestimmungspflichtigkeit einerseits und diejenige nach
der Ausübung des Mitbestimmungsrechts andererseits, nicht mehr hinreichend
auseinandergehalten. Diese Probleme stellen sich nicht, wenn die Mitbestim-
mung nach § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG an generelle Vorgaben in speziellen
Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder an eine regelmäßige Ausschrei-
bungspraxis in der Dienststelle anknüpft und den Personalrat ermächtigt, mit
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Blick darauf die ausnahmsweise Nichtvornahme der Ausschreibung auf ihre
Recht- und Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen.
ee) Zuzugeben ist, dass bei dieser Sichtweise die Mitbestimmung nicht stattfin-
det, soweit die Ausschreibung weder in Rechts- oder Verwaltungsvorschriften
vorgesehen noch in der Dienststelle regelmäßige Verwaltungspraxis ist. Dies ist
angesichts dessen hinzunehmen, dass die im Arbeitsleben erfahrenen Tarifver-
tragsparteien die Normierung einer generellen Ausschreibungspflicht bislang
offenbar nicht für unentbehrlich gehalten haben, um einen leistungsgerechten
Aufstieg von Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst zu gewährleisten.
c) Die Effizienz der Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG verlangt
nicht, von dem rechtssystematischen Zusammenhang mit § 69 Abs. 1 BPersVG
abzusehen, wonach die Mitbestimmung nur bei Maßnahmen des Leiters der
Dienststelle in Betracht kommt. Dies setzt ein positives - ausdrückliches oder
konkludentes - Handeln des Dienststellenleiters voraus. Solches liegt aber nicht
nur dann vor, wenn der Dienststellenleiter gegenüber dem Personalrat oder
sonst verlautbart, dass im gegebenen Fall von einer Ausschreibung abgesehen
wird. Eine - stillschweigende - positive Entscheidung ist auch dann gegeben,
wenn der Dienststellenleiter von einer sonst befolgten Praxis der Ausschreibung
abweicht. Denn dies setzt die Prüfung und Beurteilung eines gegenüber dem
Regelfall veränderten Sachverhalts voraus. Von einem schlichten Unterlassen,
welches nicht zur Mitbestimmung führt, ist nur in solchen Fällen auszugehen, in
welchen der Dienststellenleiter eine bisherige Praxis der Nichtausschreibung
fortsetzt (vgl. Beschluss vom 9. Januar 2007 a.a.O. Rn. 34). Letzteres ist bei
einer an Recht und Gesetz gebundenen Verwaltung nur bei einem
ungeregelten Zustand denkbar, nicht aber dann, wenn Rechts- und Verwal-
tungsvorschriften die Ausschreibung grundsätzlich gebieten.
d) Dagegen greift die Mitbestimmung unabhängig davon ein, ob die Nichtvor-
nahme der Ausschreibung nach dem zugrunde zu legenden speziellen Regel-
werk auf einer zwingenden Ausnahme beruht oder ins Ermessen des Dienst-
stellenleiters gestellt ist.
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Die Beteiligung des Personalrats in Zusammenhang mit der Stellenausschrei-
bung rechtfertigt sich aus der Überlegung, dass die Auswahl der Person, mit
der eine freie Stelle besetzt wird, in der Regel das berufliche Fortkommen oder
sonstige berufsbezogene Belange und Vorstellungen anderer in der Dienststelle
Beschäftigter berührt und deswegen ein schutzwürdiges kollektives Interesse
daran besteht, sicherzustellen, dass sich nach Möglichkeit jeder interessierte
Beschäftigte an der Bewerberkonkurrenz beteiligen kann. Dieses Interesse ist
besonders stark, wenn sich die Stellenbesetzung innerhalb der Dienststelle
vollzieht. Die Frage, ob die zu besetzende Stelle dienststellenintern ausge-
schrieben wird oder nicht, hat Gewicht. Denn darin, ob das geschieht, liegt die
Entscheidung darüber, ob innerhalb der Dienststelle eine offene Bewerberkon-
kurrenz ermöglicht wird oder ob die Stelle auf andere Weise besetzt wird (vgl.
Beschluss vom 9. Januar 2007 a.a.O. Rn. 32).
Diesem Schutzgedanken wird am ehesten entsprochen, wenn sich das Mitbe-
stimmungsrecht des Personalrats auch auf die Frage erstreckt, ob die beab-
sichtigte Nichtvornahme der Ausschreibung als eine zwingende Ausnahme
nach dem zugrunde zu legenden Regelwerk berechtigt ist. Die Beteiligung des
Personalrats bleibt unvollständig, wenn ihm eine entsprechende Richtigkeits-
kontrolle vorenthalten wird. Zugleich wird vermieden, dass die Exekutive in die
Lage versetzt wird, durch die Ausgestaltung der Ausnahmetatbestände die Mit-
bestimmung nach Belieben auszuschließen oder einzuschränken.
3. In den hier zu beurteilenden Fällen ergibt sich die grundsätzliche Pflicht zur
Ausschreibung aus Nr. 3 Abs. 1 des Handbuchs des Dienstrechts, Teil A (HDA)
Abschnitt A120 betreffend Stellenausschreibung und Bewerbermanagement in
der Bundesagentur für Arbeit. Danach sind grundsätzlich alle bei der Bundes-
agentur zu besetzenden Dienstposten auszuschreiben. Jede Entscheidung des
Beteiligten, von diesem Grundsatz abzuweichen, löst die Mitbestimmung des
Antragstellers nach § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG aus. Gegenstand der Mitbe-
stimmung ist jeweils die Frage, ob der Beteiligte sich auf einen Ausnahmetat-
bestand nach Nr. 3 Abs. 2 HDA Abschnitt A120 berufen kann.
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Eine verfassungsrechtlich bedenkliche Einschränkung der Personal- und Orga-
nisationshoheit des Dienstherrn ist damit nicht verbunden. In Fällen wie den
hier zu beurteilenden ist die Mitbestimmung des Personalrats lediglich darauf
gerichtet, über die Einhaltung der von der Dienststellenseite selbst gesetzten
Regeln zu wachen sowie darauf zu achten, dass verbleibende Ermessensspiel-
räume sachgerecht genutzt werden. Da Ausschreibungen die personellen Aus-
wahlentscheidungen vorbereiten, bei denen das Modell der eingeschränkten
Mitbestimmung gilt, ist es folgerichtig, dass auch in den Mitbestimmungsverfah-
ren nach § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG die oberste Dienstbehörde das letzte
Wort hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 1995 - 2 BvF 1/92 - BVerfGE 93,
37 <72>; dazu Beschlüsse vom 30. Juni 2005 - BVerwG 6 P 9.04 - BVerwGE
124, 34 <44 ff.> = Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 106 S. 46 ff. und vom
30. März 2009 - BVerwG 6 PB 29.08 - juris Rn. 20).
4. Den obigen Ausführungen in Abschnitt II 1. der Gründe gemäß war im Tenor
klarzustellen, dass sich die Mitbestimmung des Antragstellers auf die dem An-
lassfall vergleichbaren Fälle bezieht.
5. Über einen Widerantrag des Beteiligten war nicht zu befinden. Zwar hat die-
ser in seiner Rechtsbeschwerdebegründung einen negativen Feststellungsan-
trag formuliert. Dass er damit jedoch einen gerichtlichen Ausspruch erstreben
wollte, der in seiner Rechtswirkung über die Antragsablehnung hinausgeht, ist
anhand der Ausführungen in der Rechtsbeschwerdebegründung nicht ersicht-
lich. Im Übrigen wäre ein gegenüber dem primären Feststellungsantrag spie-
gelbildlich gestellter leugnender Feststellungsantrag wegen anderweitiger
Rechtshängigkeit unzulässig (vgl. Beschluss vom 30. Juni 2005 - BVerwG 6 P
9.04 - juris Rn. 46, insoweit bei BVerwGE 124, 34 = Buchholz 250 § 75
BPersVG Nr. 106 nicht abgedruckt; BAG, Beschluss vom 13. Oktober 2004
- 7 ABR 56/03 - BAGE 112, 166 <171 f.>).
Dr. Bardenhewer
Büge
Vormeier
Dr. Bier
Dr. Möller
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B e s c h l u s s
Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird für das vorliegende
Rechtsbeschwerdeverfahren für die Zeit nach der Abtrennung vom Rechtsbe-
schwerdeverfahren BVerwG 6 P 17.08 auf 5 000 € festgesetzt (§ 23 Abs. 3
Satz 2, § 33 Abs. 1 und 8 Satz 1 Halbs. 1 RVG i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG analog).
Büge
Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Personalvertretungsrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquelle:
BPersVG
§ 75 Abs. 3 Nr. 14
Stichworte:
Mitbestimmung beim Absehen von der Ausschreibung.
Leitsätze:
1. Eine grundsätzliche Verpflichtung zur Ausschreibung von Dienstposten folgt
nicht bereits aus § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG.
2. Eine - stillschweigende - positive Entscheidung, von der Ausschreibung ab-
zusehen, ist auch dann gegeben, wenn der Dienststellenleiter von einer sonst
befolgten Praxis der Ausschreibung abweicht.
Beschluss des 6. Senats vom 14. Januar 2010 - BVerwG 6 P 10.09
I. VG Mainz vom 14.02.2008 - Az.: VG 2 K 92/07.MZ -
II. OVG Koblenz vom 07.08.2008 - Az.: OVG 4 A 10328/08 -