Urteil des BVerwG vom 12.09.2005

Überstunden, Mehrarbeit, Vorsorgliche Anordnung, Mitbestimmungsrecht

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
BVerwG 6 P 1.05
OVG 1 A 1294/03.PVL
In der Personalvertretungssache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. September 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. H a h n , B ü g e , V o r m e i e r und Dr. B i e r
beschlossen:
Der Beschluss des Fachsenats für Landespersonalvertretungs-
sachen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-
Westfalen vom 1. Dezember 2004 sowie der Beschluss der
Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen des Ver-
waltungsgerichts Düsseldorf vom 6. Februar 2003 werden auf-
gehoben.
Es wird festgestellt, dass es der Mitbestimmung des Antragstel-
lers nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 NWPersVG un-
terliegt, wenn der Beteiligte für die beiden in seinem Vorzimmer
(Sekretariat) Beschäftigten mit deren Einverständnis zeitlich be-
fristet auf ein Jahr im Voraus anordnet, dass monatlich bis zu
28 (bezahlte) Überstunden bzw. Mehrarbeit zeitlich flexibel ge-
leistet werden müssen, weil er mit der Möglichkeit rechnet, dass
eine ordnungsgemäße und pünktliche Abwicklung der viel-
fältigen Aufgaben seines Sekretariats wegen des hohen
- termingebundenen - Arbeitsanfalls von den beiden Beschäf-
tigten nicht innerhalb der üblichen Arbeitszeit einschließlich der
im Rahmen der flexiblen Arbeitszeit auszugleichenden Über-
stunden bewältigt werden kann.
G r ü n d e :
I.
Im Vorzimmer des Beteiligten sind zwei Angestellte beschäftigt, welche
die dort anfallenden Sekretariatsaufgaben wahrnehmen. Seit Anfang 2000 fielen für
die beiden Angestellten Überstunden an, die nicht mehr im Rahmen der flexiblen
Arbeitszeit durch Freizeitausgleich abgegolten werden konnten. In seiner Sitzung
vom 4. April 2000 erteilte der Antragsteller die Zustimmung für jeweils 28 Überstun-
den pro Monat pauschaliert bis 31. Dezember 2000. Mit Schreiben vom
20. November 2000 bat der Beteiligte den Antragsteller "gemäß § 72 Abs. 4 Nr. 2
LPVG", die Zustimmung um ein Jahr zu verlängern. In seiner Sitzung vom 9. Januar
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2001 verlängerte der Antragsteller seine Zustimmung bis 30. Juni 2001, brachte je-
doch zum Ausdruck, die Zustimmung demnächst nicht mehr erteilen zu wollen. Mit
Schreiben vom 20. November 2001 bat der Beteiligte den Antragsteller "um Zustim-
mung gemäß § 72 LPVG" zur Ableistung von jeweils bis zu 28 bezahlten Mehrar-
beitsstunden monatlich für das Jahr 2002 und verwies dabei auf das Einverständnis
der beiden Angestellten. In seiner Sitzung vom 12. Februar 2002 versagte der An-
tragsteller die erbetene Zustimmung. Mit Schreiben vom 6. März 2002 teilte der Be-
teiligte mit, dass die Anordnung von Überstunden für die beiden Angestellten in sei-
nem Vorzimmer als Einzelfallregelung ohne kollektive Wirkung nicht mitbestim-
mungspflichtig sei und dass er die Überstundenanordnung bis auf weiteres erteilt
habe.
Das auf Feststellung seines Mitbestimmungsrechts gerichtete Begehren
hat das Verwaltungsgericht abgelehnt. Die Beschwerde des Antragstellers mit dem
neu gefassten Antrag,
festzustellen, dass es seiner Mitbestimmung aus § 72 Abs. 4
Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 NWPersVG unterliegt, wenn der Beteiligte für die
beiden in seinem Vorzimmer (Sekretariat) Beschäftigten mit deren
Einverständnis zeitlich befristet auf ein Jahr im Voraus anordnet, dass
monatlich bis zu 28 (bezahlte) Überstunden bzw. Mehrarbeit zeitlich flexi-
bel geleistet werden müssen, weil er mit der Möglichkeit rechnet, dass ei-
ne ordnungsgemäße und pünktliche Abwicklung der vielfältigen Aufgaben
seines Sekretariats wegen des hohen - termingebundenen - Arbeitsanfalls
von den beiden Beschäftigten nicht innerhalb der üblichen Arbeitszeit ein-
schließlich der im Rahmen der flexiblen Arbeitszeit auszugleichenden Ü-
berstunden bewältigt werden kann,
hat das Oberverwaltungsgericht aus folgenden Gründen zurückgewie-
sen: Das Mitbestimmungsrecht scheide in der im Antrag umschriebenen Situation mit
Blick auf den eingeschränkten - kollektiv ausgerichteten - Schutzzweck des Mit-
bestimmungstatbestandes nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 NWPersVG
aus. Danach sei die Anordnung von Überstunden erst dann mitbestimmungspflichtig,
wenn sie eine allgemeine (generelle) Regelung enthalte. Bei Individualmaßnahmen
greife das Mitbestimmungsrecht demgegenüber nicht. Ein kollektiver Tatbestand lie-
ge dann vor, wenn die Anordnung nach den konkreten Umständen eine nach objek-
tiven Gesichtspunkten allgemein und umfassend bestimmbare Gruppe betreffe. Da-
bei sei unter Gruppe nicht schon jede beliebige Mehrzahl von Beschäftigten zu ver-
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stehen, sondern nur ein funktional abgrenzbarer Teil der Beschäftigten einer Dienst-
stelle. Daran fehle es, wenn einzelne Beschäftigte aus besonderem Anlass auf deren
erklärte Bereitschaft zur Ableistung von Überstunden ausgewählt würden. Vorliegend
träfe eine an den Ausgangsfall anknüpfende Anordnung jeweils die einzelne
Sekretärin im Vorzimmer des Beteiligten persönlich, die mit der Ableistung von Über-
stunden einverstanden sei. Die beiden Sekretärinnen ließen sich nicht als funktional
abgrenzbarer Teil der Beschäftigten der Dienststelle zusammenfassen. Es handele
sich nicht um die Gruppe der Sekretärinnen der Dienststelle (die mit Sekretariatsauf-
gaben beauftragten Beschäftigten), die funktional nach den übertragenen Aufgaben
abgrenzbar wären. Die Zugehörigkeit zu demselben Arbeitsbereich - "Büro des Be-
teiligten" - begründe für sich keinen kollektiven Tatbestand, zumal die betroffenen
Sekretärinnen nicht die einzigen Beschäftigten im Büro des Beteiligten seien. Die
streitigen Maßnahmen hätten über die betroffenen Sekretärinnen hinaus keine kon-
kreten Auswirkungen auf die Arbeitszeit anderer Beschäftigter.
Der Antragsteller trägt zur Begründung seiner Rechtsbeschwerde vor:
Die hier streitige vorsorgliche Anordnung von Überstunden betreffe einen funktional
abgrenzbaren Teil der Dienststelle. Es handele sich bei den beiden im Vorzimmer
arbeitenden Sekretärinnen um diejenige Gruppe von Sekretärinnen, welche die dort
anfallenden Sekretariatsaufgaben wahrnähmen. Im Übrigen liege ein kollektiver Tat-
bestand immer dann vor, wenn sich eine Regelungsfrage stelle, die grundsätzlich
kollektive Interessen der Arbeitnehmer und arbeitsmarktpolitische Interessen berüh-
re. Bei einem zusätzlichen Arbeitsbedarf sei immer die Frage zu regeln, ob und in
welchem Umfang zur Abdeckung des Arbeitsbedarfs Überstunden geleistet werden
sollten oder ob die Neueinstellung eines Arbeitnehmers zweckmäßiger wäre. Weiter
sei zu entscheiden, wann und von wem die Überstunden geleistet werden sollten.
Diese Regelungsprobleme bestünden unabhängig von der Person und den individu-
ellen Wünschen eines einzelnen Arbeitnehmers. Im vorliegenden Fall sei im Hinblick
auf die Größenordnung des Überstundenbedarfs von bis zu 56 Stunden monatlich
und der vorausgesetzten Dauer des Bedarfs von einem Jahr antragsgemäß eine Si-
tuation vorausgesetzt, in der die Fragestellung nach einer (zweckmäßigeren) Einstel-
lung einer weiteren Beschäftigten gegebenenfalls auch auf Teilzeitbasis jedenfalls
nicht fern liege.
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Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und nach dem
in der Beschwerdeinstanz gestellten Antrag zu erkennen.
Der Beteiligte beantragt,
die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluss ebenso wie der Vertreter
des Bundesinteresses.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist begründet. Der
Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruht auf der unrichtigen Anwendung einer
Rechtsnorm (§ 79 Abs. 2 Satz 1 NWPersVG vom 3. Dezember 1974, GV.NRW.
S. 1514, zuletzt geändert durch Art. VII des Gesetzes vom 1. März 2005, GV.NRW.
S. 69, i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Er ist daher - ebenso wie der durch ihn bes-
tätigte erstinstanzliche Beschluss - aufzuheben. Da der Sachverhalt geklärt ist, ent-
scheidet der Senat in der Sache selbst (§ 96 Abs. 1 Satz 2 ArbGG i.V.m. § 562
Abs. 1, § 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Feststellung des Mitbestimmungsrechts in
dem vom Antragsteller begehrten Umfang.
Der Antrag ist zulässig, wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend
ausgeführt hat. Er ist auch begründet. Dem Antragsteller steht nach Maßgabe des
von ihm formulierten Antrages die Mitbestimmung bei der Anordnung von Überstun-
den oder Mehrarbeit durch den Beteiligten zu.
Rechtsgrundlage dafür ist § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1
NWPersVG. Danach hat der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Re-
gelung nicht besteht, mitzubestimmen über Anordnung von Überstunden oder Mehr-
arbeit, soweit sie vorauszusehen oder nicht durch Erfordernisse des Betriebsablaufs
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oder der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bedingt sind. Diese Voraussetzungen
sind in Bezug auf die von der Antragsformulierung erfasste Fallgestaltung erfüllt.
1. Der Tarifvorrang steht dem Mitbestimmungsrecht nicht entgegen.
Zwar enthält § 17 BAT Regelungen über die Anordnung von Überstunden, die von
Angestellten kommunaler Verwaltungen abzuleisten sind. Diese Regelungen bedür-
fen jedoch des Vollzuges durch den Dienststellenleiter in Gestalt von Anordnungen,
auf welche sich das im Wege der Mitbestimmung wahrzunehmende Mitbeurteilungs-
recht des Personalrats bezieht (vgl. dazu allgemein: Beschluss vom 18. Mai 2004
- BVerwG 6 P 13.03 - BVerwGE 121, 38, 41 m.w.N.).
2. Die zusätzlichen Arbeitsstunden, welche die beiden Beschäftigten im
Vorzimmer des Beteiligten in den Jahren 2000 bis 2002 gemäß dessen Anordnungen
abzuleisten hatten und die sie unter den in der Antragsformulierung umschriebenen
Umständen voraussichtlich in Zukunft abzuleisten haben, sind Überstunden oder
Mehrarbeit im Sinne des in Rede stehenden Mitbestimmungstatbestandes.
a) Das nordrhein-westfälische Personalvertretungsgesetz enthält weder
in § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 noch an anderer Stelle eine Definition der Begriffe "Über-
stunden" und "Mehrarbeit". Es liegt daher nahe, auf das Verständnis und die Defini-
tionen in den einschlägigen tarifvertraglichen und beamtenrechtlichen Vorschriften
zurückzugreifen. Davon ist der Senat in seiner bisherigen Spruchpraxis stets ausge-
gangen (vgl. Beschluss vom 28. März 2001 - BVerwG 6 P 4.00 - BVerwGE 114, 103,
108; Beschluss vom 30. Juni 2005 - BVerwG 6 P 9.04 -, zur Veröffentlichung in
BVerwGE bestimmt, S. 6; ebenso Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, Das Perso-
nalvertretungsrecht in Nordrhein-Westfalen, § 72 Rn. 361; Ilbertz/Widmaier, Bun-
despersonalvertretungsgesetz, 10. Aufl. 2004, § 75 Rn. 90; Rehak, in: Loren-
zen/Etzel/Gerhold/ Schlatmann/Rehak/Faber, Bundespersonalvertretungsgesetz,
§ 75 Rn. 115 a). Daran ist festzuhalten, auch wenn die Terminologie nicht einheitlich
ist.
aa) § 17 Abs. 1 Unterabsatz 1 BAT definiert Überstunden als die auf
Anordnung geleisteten Arbeitsstunden, die über die im Rahmen der regelmäßigen
Arbeitszeit (§ 15 Abs. 1 bis 4 BAT und die entsprechenden Sonderregelungen hierzu)
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für die Woche dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich festgesetzten Arbeitsstunden
hinausgehen. Der BAT verwendet den Begriff der Mehrarbeit nicht, doch werden in
seinem Anwendungsbereich darunter mit Blick auf die Regelung in § 34 Abs. 1 Un-
terabsatz 1 Satz 2 BAT solche Arbeitsstunden verstanden, die ein nicht vollbeschäf-
tigter Angestellter über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus leistet, ohne dass die re-
gelmäßige Arbeitszeit überschritten wird (vgl. Beschluss vom 15. Mai 2002 - BVerwG
6 P 8.01 - BVerwGE 116, 242, 246; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/Dassau, BAT,
§ 34 Rn. 3).
bb) § 67 Nr. 39 Abs. 1 des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter ge-
meindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) definiert Überstunden als die auf
Anordnung des Arbeitgebers über die dienstplanmäßige oder betriebsübliche tägliche
Arbeitszeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden. Hier wird im Gegensatz zu § 17 Abs. 1
Unterabsatz 1 BAT nicht auf die Arbeitswoche, sondern auf den Arbeitstag abgestellt.
§ 67 Nr. 25 a BMT-G II definiert ferner den Begriff der Mehrarbeitsstunden, worunter
solche Arbeitsstunden verstanden werden, welche zwar die regelmäßige Wochenar-
beitszeit von 38,5 Stunden nach § 14 Abs. 1 Unterabsatz 1 Satz 1 BMT-G II über-
steigen, sich aber noch im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit für Wechsel-
schichtbetriebe sowie für Vor- und Abschlussarbeiten halten (§ 14 Abs. 1
Unterabsatz 1 Satz 2, Abs. 3 BMT-G II). Auf Wechselschichtarbeit entfallende Mehr-
arbeitsstunden werden hinsichtlich der Rechtsfolgen (Arbeitsbefreiung, Zeitzuschlä-
ge) wie Überstunden behandelt (§ 17 Abs. 4 Unterabsatz 2 BMT-G II).
cc) Das nordrhein-westfälische Beamtenrecht kennt nur den Begriff der
Mehrarbeit. § 78 a Abs. 1 LBG versteht darunter - der Überstundendefinition in § 17
Abs. 1 Unterabsatz 1 BAT vergleichbar - den über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus
geleisteten Dienst.
dd) Den verschiedenen Definitionen von Überstunden und Mehrarbeit in
den genannten Regelwerken ist im Kern gemein, dass dadurch Arbeitszeiten erfasst
werden, die - in Abhängigkeit vom jeweiligen Parameter - über das Normalmaß
hinausgehen und deswegen für die betroffenen Beschäftigten eine zusätzliche Be-
lastung darstellen. Es bestehen daher keine Bedenken dagegen, das jeweilige Beg-
riffsverständnis des für den betroffenen Beschäftigten einschlägigen Regelwerks im
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Rahmen des Mitbestimmungstatbestandes nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alternati-
ve 1 NWPersVG zugrunde zu legen, soweit der mit der Mitbestimmung bei der An-
ordnung von Überstunden oder Mehrarbeit verfolgte Gesetzeszweck dies rechtfertigt.
Dass bei der einen Beschäftigtengruppe Überstunden sind, was bei der anderen als
Mehrarbeit gilt, ist für sich gesehen ohne Bedeutung, da der Mitbestimmungstatbe-
stand auf beide Begriffe abstellt.
b) Für die im Vorzimmer des Beteiligten beschäftigten Angestellten gilt
noch bis 30. September 2005 § 17 BAT. Soweit es sich um vollbeschäftigte Ange-
stellte handelt, sind die zusätzlichen Arbeitsstunden gemäß dem streitigen Feststel-
lungsbegehren Überstunden im Sinne von § 17 Abs. 1 Unterabsatz 1 BAT. Soweit es
sich um teilzeitbeschäftigte Angestellte handelt, sind die Arbeitsstunden, die von ih-
nen über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus, aber noch innerhalb der regelmäßigen
Arbeitszeit geleistet werden, Mehrarbeit (vgl. § 34 Abs. 1 Unterabsatz 1 Satz 2 BAT).
Dass sich durch den ab 1. Oktober 2005 geltenden Tarifvertrag für den öffentlichen
Dienst Veränderungen ergeben werden, die im vorliegenden Zusammenhang erheb-
lich sind, ist nicht ersichtlich (vgl. Teil II Abschnitt 3.1 der Informationen des Bun-
desministers des Innern vom 23. März 2005).
c) Bedenken ergeben sich nicht daraus, dass für die Beschäftigten im
Vorzimmer des Beteiligten ein System flexibler Arbeitszeit gilt. Zwar kann es mitunter
Schwierigkeiten bereiten, Überstunden, die grundsätzlich durch entsprechende Ar-
beitsbefreiungen auszugleichen sind (§ 17 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 BAT), von dem
im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit stattfindenden Freizeitausgleich zu unter-
scheiden (vgl. zu dieser Problematik: Uttlinger u.a., a.a.O. § 17 Rn. 3). Solche
Schwierigkeiten bestehen im vorliegenden Fall nicht, weil vom streitigen Feststel-
lungsbegehren - den Erfahrungen der Jahre 2000 bis 2002 entsprechend - nur Ar-
beitsstunden erfasst werden, die nicht im Rahmen der flexiblen Arbeitszeit ausgegli-
chen werden können und im Übrigen ausdrücklich als Überstunden vergütet werden
sollen (§ 17 Abs. 5 Satz 4, § 35 Abs. 3 Unterabsatz 2 BAT).
3. Die vom Feststellungsbegehren des Antragstellers erfassten Anord-
nungen des Beteiligten sind - ebenso wie vergleichbare Anordnungen für die Jahre
2000 bis 2002 - Anordnungen von Überstunden bzw. Mehrarbeit im Sinne von § 72
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Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 NWPersVG. Sie regeln, dass, von wem und in wel-
chem Höchstumfang zusätzliche Arbeitsstunden geleistet werden müssen. Sie regeln
nicht, an welchem Tag in welchem Umfang die Überstunden bzw. Mehrarbeits-
stunden zu leisten sind. Dies ist jedoch für die Mitbestimmungspflichtigkeit nach § 72
Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 NWPersVG unschädlich:
Zum einen ist die Festlegung der zeitlichen Lage von Überstunden und
Mehrarbeit mitbestimmungspflichtig nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 NWPersVG. Das
dort normierte Mitbestimmungsrecht des Personalrats betreffend Beginn und Ende
der täglichen Arbeitszeit sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochen-
tage ist nicht auf die regelmäßige Arbeitszeit beschränkt (vgl. OVG Münster, Be-
schluss vom 29. März 1990 - CL 15/87 - PersR 1991, 217; Beschluss vom
4. November 1992 - CL 52/89 - NWVBl. 1993, 143, 144 f.; Cecior u.a., a.a.O.
Rn. 361 b; vgl. ferner zu § 75 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 BPersVG: Beschluss vom 30. Juni
2005 - BVerwG 6 P 9.04 - S. 6 f. m.w.N.).
Zum anderen kann nicht verlangt werden, dass die Mitbestimmung des
Personalrats erst einsetzt, wenn auch die Festlegung der zeitlichen Lage von Über-
stunden und Mehrarbeit durch den Dienststellenleiter ansteht. Es dient der Effektuie-
rung der personalvertretungsrechtlichen Beteiligung, wenn die "Grundanordnung" der
Mitbestimmung nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 NWPersVG schon dann
unterworfen wird, wenn sich ihre - möglicherweise kurzfristig notwendig werdende -
zeitliche Konkretisierung noch nicht absehen lässt. Die Belange der Dienststelle
kommen dabei nicht zu kurz. Hat der Personalrat im Mitbestimmungsverfahren nach
§ 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 NWPersVG seine Zustimmung erteilt, so kann
er die dafür maßgeblichen Gesichtspunkte später im Rahmen seiner Mitbestimmung
über die zeitliche Lage der Überstunden nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 NWPersVG
nicht erneut problematisieren; die Befugnis des Dienststellenleiters zu
Eilmaßnahmen nach § 66 Abs. 8 NWPersVG bleibt ohnehin unberührt.
Dass der spezielle Anspruch des Beschäftigten auf eine Überstunden-
vergütung tarifrechtlich eine die zeitliche Lage der Überstunden konkretisierende An-
ordnung des Dienststellenleiters voraussetzt, ist für das Entstehen des Mitbestim-
mungsrechts der Personalvertretung bei der Anordnung von Überstunden nach § 72
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Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 NWPersVG unerheblich. Gegenstand dieser Mitbe-
stimmung sind nicht die Rechtsfolgen angeordneter Überstunden, sondern deren
Voraussetzungen in Bezug auf die Frage, ob und in welchem Umfang die Beschäf-
tigten mit Überstunden belastet werden sollen.
4. Bei den von der Antragstellung erfassten Anordnungen des Beteilig-
ten handelt es sich um kollektive Maßnahmen.
a) Dieses Merkmal des Mitbestimmungstatbestands lässt sich zwar
nicht dem Wortlaut des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 NWPersVG entneh-
men, ergibt sich aber aus dem Sinn und Zweck der Regelung. Aufgabe des Perso-
nalrats nach der vorbezeichneten Vorschrift ist es, die Einhaltung der maßgeblichen
tariflichen und gesetzlichen Bestimmungen zu überwachen und so dem Schutz der
Beschäftigten vor übermäßiger zeitlicher Inanspruchnahme zu dienen. Indem diese
Bestimmungen Überstunden und Mehrarbeit auf "dringende Fälle" beschränken und
vom Erfordernis "zwingender dienstlicher Verhältnisse" abhängig machen (vgl. § 17
Abs. 1 Unterabsatz 2 BAT, § 17 Abs. 1 BMT-G II, § 78 a Abs. 1 Satz 1 LBG), wollen
sie verhindern, dass die Beschäftigten auf Dauer über die regelmäßige Arbeitszeit
hinaus dienstlich in Anspruch genommen werden (vgl. zu § 75 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4
BPersVG: Beschluss vom 30. Juni 2005 - BVerwG 6 P 9.04 - S. 9 f.).
§ 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 NWPersVG betrifft mithin - im
Gegensatz zu den an das individuelle Beschäftigungsverhältnis anknüpfenden Mit-
bestimmungstatbeständen in § 72 Abs. 1 NWPersVG, jedoch in Übereinstimmung
mit den meisten anderen Mitbestimmungstatbeständen in § 72 Abs. 4 NWPersVG -
die Arbeitsbedingungen der in der Dienststelle Beschäftigten und dient ihrem kollek-
tiven Schutz. Infolgedessen greift die Mitbestimmung nach dieser Vorschrift nament-
lich bei Überstundenanordnungen des Dienststellenleiters ein, die sich an alle Be-
schäftigten oder eine nach bestimmten Kriterien abgegrenzte Gruppe der Beschäftig-
ten richten. Darin erschöpft sich indes der Schutzzweck der Vorschrift nicht. Vielmehr
sind die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten schon immer dann in der in § 72
Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 NWPersVG vorausgesetzten Weise angesprochen,
wenn es um die Entscheidung des Dienststellenleiters geht, ob er auf einen in der
Dienststelle aufgetretenen zusätzlichen Arbeitsbedarf mit der Anordnung von Über-
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stunden reagieren soll. Die Zahl der betroffenen Beschäftigten ist nicht erheblich,
sondern allenfalls ein Indiz dafür, dass ein kollektiver Tatbestand vorliegt. Bei zusätz-
lichem Arbeitsbedarf ist immer die Frage zu beantworten, ob und in welchem Umfang
zur Abdeckung dieses Arbeitsbedarfs Überstunden geleistet werden sollen oder ob
die Neueinstellung eines Beschäftigten zweckmäßiger wäre. Weiter ist zu ent-
scheiden, wann und von wem die Überstunden geleistet werden sollen. Diese Rege-
lungsprobleme bestehen unabhängig von der Person und den individuellen Wün-
schen eines einzelnen Beschäftigten (vgl. Beschluss vom 30. Juni 2005 - BVerwG
6 P 9.04 - S. 11 f.). Der kollektive Charakter einer Überstundenanordnung entfällt
nicht allein deshalb, weil sich die Beschäftigten mit der Ableistung von Überstunden
einverstanden erklärt haben. Die Beschäftigten können über die Mitbestimmung des
Personalrats nicht disponieren; Abweichendes gilt nur kraft ausdrücklicher gesetzli-
cher Regelung (vgl. § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, Abs. 4 Satz 2 NWPersVG). An-
ders kann es sich verhalten, wenn die Dienststelle ohne ein entsprechendes dienstli-
ches Erfordernis Überstunden von einem einzelnen Beschäftigten auf dessen
Wunsch entgegennimmt, etwa weil dieser aus persönlichen Gründen Arbeitsbefrei-
ung zu einem späteren Zeitpunkt anstrebt. Solche und vergleichbare Sachverhalte
sind dadurch geprägt, dass die Ableistung von Überstunden nicht der Verantwor-
tungssphäre des Dienststellenleiters zuzuordnen ist, sondern ausschließlich auf den
individuellen Wünschen des Beschäftigten beruht. In einem derartigen Fall ist die
Notwendigkeit personalvertretungsrechtlichen Schutzes gegen die übermäßige zeitli-
che Belastung nicht gegeben oder jedenfalls in zu vernachlässigender Weise gering.
Hiernach kann der Mitbestimmungstatbestand des § 72 Abs. 4 Satz 1
Nr. 2 Alternative 1 NWPersVG auch dann erfüllt sein, wenn der Dienststellenleiter
nicht alle Beschäftigten oder eine bestimmte Gruppe der Beschäftigten, sondern nur
einzelne Beschäftigte zur Ableistung von Überstunden heranziehen will, die zudem
mit ihrer Inanspruchnahme einverstanden sind. Der Senat folgt damit der Rechtspre-
chung des Bundesarbeitsgerichts zu dem mit § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1
NWPersVG vergleichbaren Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG
(vgl. BAG, Beschluss vom 27. November 1990 - 1 ABR 77/89 - AP Nr. 41 zu § 87
BetrVG 1972 Arbeitszeit Bl. 29 R, 30; Beschluss vom 16. Juli 1991 - 1 ABR 69/90 -
AP Nr. 44 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit Bl. 38). Nach dieser Rechtsprechung
hängt die Anwendung der Vorschrift nicht vom Adressatenkreis der Überstundenan-
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ordnung, sondern davon ab, ob die Anordnung eine Regelungsproblematik aufwirft,
die die Interessen der Beschäftigten unabhängig von der Person und den individuel-
len Wünschen des Einzelnen berührt. Dementsprechend hat der Senat in seiner
neueren Rechtsprechung zur arbeitszeitbezogenen Mitbestimmung auf den Ge-
sichtspunkt des "kollektiven Tatbestands" abgestellt und nicht mehr auf einer "gene-
rellen Maßnahme" in dem Sinne bestanden, dass es sich um eine Überstundenan-
ordnung handeln muss, die sich an alle Beschäftigten der Dienststelle oder an eine
Gruppe von ihnen richtet (vgl. Beschluss vom 12. August 2002 - BVerwG 6 P 17.01 -
Buchholz 251.7 § 72 NWPersVG Nr. 29 S. 34 f.; Beschluss vom 30. Juni 2005
- BVerwG 6 P 9.04 - S. 11 ff.). Seine gegenteilige Rechtsprechung im Beschluss vom
2. Juni 1992 - BVerwG 6 P 14.90 - (Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 78) hat er
ausdrücklich aufgegeben (Beschluss vom 30. Juni 2005 - BVerwG 6 P 9.04 -
S. 12 f.).
b) In Ansehung der vorstehenden Grundsätze liegt in den vom streiti-
gen Feststellungsbegehren erfassten Fällen ein kollektiver Tatbestand vor. Der Be-
teiligte hat zu regeln, ob, in welchem Umfang und von wem Überstunden bzw. Mehr-
arbeit geleistet werden müssen, weil eine ordnungsgemäße und pünktliche Abwick-
lung der vielfachen Aufgaben seines Sekretariats wegen des hohen
- termingebundenen - Arbeitsanfalls von den beiden Beschäftigten nicht innerhalb der
regelmäßigen Arbeitszeit bewältigt werden kann. Der Regelungsbedarf ist durch die
von der Dienststelle zu erfüllenden öffentlichen Aufgaben bestimmt und daher
unabhängig von der Person und den individuellen Wünschen der beiden Beschäftig-
ten. Daran ändert sich durch das Einverständnis der beiden Beschäftigten nichts.
5. Die Überstunden und die Mehrarbeit sind in Bezug auf die Situation,
wie sie im streitigen Feststellungsbegehren beschrieben wird, vorauszusehen. Vom
Mitbestimmungsrecht nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 NWPersVG nicht
erfasst werden Fälle, in denen zwischen der Erkenntnis, dass Überstunden und
Mehrarbeit notwendig werden, und ihrer Anordnung so wenig Zeit verbleibt, dass das
Mitbestimmungsverfahren nicht mehr durchgeführt werden kann (vgl. Cecior u.a.,
a.a.O. Rn. 366). Die im streitigen Feststellungsantrag beschriebene Situation ent-
spricht derjenigen in den Jahren 2000 bis 2002: Der Beteiligte wusste jeweils am
Ende eines Jahres, dass im folgenden Jahr die beiden in seinem Vorzimmer Be-
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schäftigten Überstunden in einer bestimmten Größenordnung abzuleisten haben
würden, um die im Sekretariat anfallenden Aufgaben zeitgerecht bewältigen zu kön-
nen. Dass es nicht exakt vorhersehbar war, an welchem Tag um welche Uhrzeit in
welchem Umfang Überstunden oder Mehrarbeit abzuleisten sein würden, ist für die
Mitbestimmung nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 NWPersVG unerheblich.
Denn dieser Mitbestimmungstatbestand erfasst nicht die zeitliche Lage der Über-
stunden und der Mehrarbeit, wie bereits oben ausgeführt wurde.
6. Die vom Feststellungsbegehren erfassten Überstunden und Mehrar-
beitsstunden sind nicht durch Erfordernisse des Betriebsablaufs bedingt.
Dieses die Mitbestimmung einschränkende negative Tatbestands-
merkmal will die Handlungs- und Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung ge-
währleisten (vgl. LTDrucks 9/3845 S. 68). Es ist nicht bereits dann gegeben, wenn
der Arbeitsanfall ohne die Anordnung von Überstunden oder Mehrarbeit mit dem
vorhandenen Personal nicht zeitgerecht bewältigt werden kann und für diese Anord-
nung sachliche Gründe wie übermäßiger Arbeitsanfall, Arbeitsrückstände oder Per-
sonalausfälle sprechen. Andernfalls droht die Mitbestimmung leer zu laufen. Im Übri-
gen kommen die Erfordernisse des Betriebsablaufs als die Mitbestimmung aus-
schließender Gesichtspunkt nach der inneren Logik des Mitbestimmungstatbestan-
des gerade dann zum Tragen, wenn die Notwendigkeit von Überstunden und Mehr-
arbeit vorauszusehen ist. Bei fehlender Voraussehbarkeit ist die Mitbestimmung be-
reits aus diesem Grunde ausgeschlossen. Nach alledem müssen an das Vorliegen
des Merkmals "Erfordernisse des Betriebsablaufs" strenge Anforderungen gestellt
werden (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 29. Januar 1996 - 1 A 3920/92.PVL -
PersR 1996, 244, 245 f. m.w.N.). Es müssen unausweichliche wirtschaftliche oder
technische Zwänge vorliegen, welche die Anordnung von Überstunden oder Mehrar-
beit durch den Dienststellenleiter als alternativlos erscheinen lassen. In einem sol-
chen Fall macht die Mitbestimmung des Personalrats keinen Sinn, weil sie materielle
Entscheidungsspielräume auf Seiten des Dienststellenleiters voraussetzt. Dies ist
nicht bereits dann der Fall, wenn die Belastung des vorhandenen Personals mit Ü-
berstunden oder Mehrarbeit für die Dienststelle wirtschaftlicher erscheint als die Ein-
stellung zusätzlichen Personals. Solche Zwänge liegen aber etwa dann vor, wenn in
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dem Zeitraum, in welchem die Arbeit zu bewältigen ist, hinreichend qualifiziertes zu-
sätzliches Personal nicht zur Verfügung steht.
Von einer derartigen oder vergleichbaren Situation kann in Bezug auf
die Beschäftigten im Vorzimmer eines Oberbürgermeisters nicht die Rede sein. Es ist
objektiv möglich, den zusätzlichen Arbeitsanfall durch den Einsatz zusätzlichen
Personals zu bewältigen. Dass dies wirtschaftlich möglicherweise nicht sinnvoll ist,
führt nicht zum Ausschluss der Mitbestimmung, sondern ist ein wichtiges Abwä-
gungskriterium bei der Wahrnehmung der Mitbestimmung durch den Personalrat, der
sich den Gesichtspunkten wirtschaftlicher Vernunft nicht verschließen darf (vgl. § 67
Abs. 5 Satz 2 NWPersVG).
7. Dass die Anordnung von Überstunden oder Mehrarbeit hier durch
Erfordernisse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bedingt ist, ist nicht ersichtlich
und wird auch vom Beteiligten nicht geltend gemacht.
8. Die Mitbestimmung des Personalrats bei der Anordnung von Über-
stunden oder Mehrarbeit nach Maßgabe der hier vorgenommenen Auslegung des
Mitbestimmungstatbestandes nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 NWPersVG
begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dem demokratischen Prinzip ist
bereits dadurch grundlegend Rechnung getragen, dass die Letz-
tentscheidungskompetenz bei der der Volksvertretung verantwortlichen Stelle liegt
(§ 66 Abs. 7 Satz 4, § 68 NWPersVG). Die einschränkenden Merkmale des Mitbe-
stimmungstatbestandes, insbesondere dasjenige der Voraussehbarkeit, stellen zu-
dem sicher, dass die Erfüllung öffentlicher Aufgaben nicht an zeitlichen Aspekten des
Mitbestimmungsverfahrens scheitert. Die Befugnis des Dienststellenleiters zu
Eilmaßnahmen gemäß § 66 Abs. 8 Satz 1 NWPersVG bleibt ohnehin unberührt.
Bardenhewer Hahn Büge
Vormeier Bier
- 15 -
B e s c h l u s s
Der Gegenstandswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 4 000 € festge-
setzt (§ 23 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2, § 33 Abs. 1, Abs. 8 Satz 1 Halbsatz 1 RVG).
Büge
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Personalvertretungsrecht
Fachpresse:
ja
Rechtsquelle:
NWPersVG § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2
Stichworte:
Mitbestimmung des Personalrats bei der Anordnung von Überstunden oder Mehrar-
beit; kollektiver Tatbestand; Erfordernisse des Betriebsablaufs.
Leitsätze:
1. Die Begriffe "Überstunden" und "Mehrarbeit" in § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alternati-
ve 1 NWPersVG folgen grundsätzlich dem Verständnis in den jeweils einschlägigen
tarifrechtlichen und beamtenrechtlichen Bestimmungen.
2. Die Mitbestimmung kann unter dem Gesichtspunkt des "kollektiven Tatbestandes"
auch dann eingreifen, wenn sich die Überstundenanordnung lediglich an zwei Be-
schäftigte richtet.
3. Die Anordnung von Überstunden oder Mehrarbeit ist nur dann durch Erfordernisse
des Betriebsablaufs bedingt, wenn unausweichliche wirtschaftliche oder technische
Zwänge vorliegen, welche die Maßnahme für den Dienststellenleiter als alternativlos
erscheinen lassen.
Beschluss des 6. Senats vom 12. September 2005 - BVerwG 6 P 1.05
I. VG Düsseldorf vom 06.02.2003 - Az.: VG 34 K 6239/02.PVL -
II. OVG Münster vom 01.12.2004 - Az.: OVG 1 A 1294/03.PVL -