Urteil des BVerwG vom 05.08.2015

Genehmigung, Subjektives Recht, Unternehmen, Juristische Person

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 6 C 9.14
OVG 13 A 476/08
Verkündet
am 5. August 2015
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 5. August 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz, Dr. Möller, Hahn
und Prof. Dr. Hecker
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Ober-
verwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen
vom 9. Dezember 2013 und das Urteil des Verwaltungsge-
richts Köln vom 27. November 2007 geändert.
Der Beschluss der Regulierungsbehörde für Telekommu-
nikation und Post vom 12. September 2002 wird aufgeho-
ben, soweit durch ihn mit Bezug auf das Rechtsverhältnis
zwischen der Beigeladenen und dem Kläger Entgelte für
die Postdienstleistungen "Standardbrief" national, "Kom-
paktbrief" national, "Großbrief" national und "Postkarte"
national genehmigt werden.
Die weitergehende Revision des Klägers wird zurückge-
wiesen.
Von den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zwei Drit-
tel der Gerichtskosten sowie jeweils zwei Drittel der au-
ßergerichtlichen Kosten der Beklagten und der Beigelade-
nen. Die Beklagte und die Beigeladene tragen jeweils ein
Sechstel der Gerichtskosten und der außergerichtlichen
Kosten des Klägers. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre
außergerichtlichen Kosten selbst.
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G r ü n d e :
I
Der Kläger wendet sich gegen die Genehmigung, die die Regulierungsbehörde
für Telekommunikation und Post (Regulierungsbehörde) der beigeladenen
Deutsche Post AG für die von dieser im Jahr 2003 erhobenen Entgelte für li-
zenzpflichtige Postdienstleistungen erteilt hat. Der Kläger ist ein eingetragener
Verein. Seine Mitglieder sind Unternehmen, die Postdienstleistungen erbringen.
Mit Beschluss vom 26. Juli 2002 entschied die Regulierungsbehörde auf der
Grundlage von § 21 Abs. 1 Nr. 2 PostG sowie § 1 Abs. 2 und § 4 PEntgV über
die Zusammenfassung von Dienstleistungen und die Vorgabe von Maßgrößen
für die Price-Cap-Regulierung von Briefsendungen bis 1 000 Gramm ab dem
1. Januar 2003. Dieser Beschluss fasste die der Entgeltregulierung unterliegen-
den Postdienstleistungen der Beigeladenen in drei Körben zusammen: dem
Korb M (Postdienstleistungen im Monopol mit den ganz überwiegend der Ex-
klusivlizenz der Beigeladenen nach § 51 PostG unterfallenden Formaten Post-
karte national, Standardbrief national, Kompaktbrief national und Großbrief na-
tional), dem Korb W (Postdienstleistungen im Wettbewerbsumfeld) und dem
Korb T (Postalische Teilleistungen). Der Beschluss stellte zudem das Aus-
gangsentgeltniveau für die Dienstleistungen der drei Körbe entsprechend dem
nach den Absatzmengen des Jahres 2001 gewichteten Durchschnitt der jewei-
ligen Entgelte per 31. Dezember 2002 fest. Er zog außerdem als gesamtwirt-
schaftliche Preissteigerungsrate den Preisindex für die Lebenshaltung aller pri-
vaten Haushalte des Statistischen Bundesamtes heran, legte Produktivitätsfort-
schrittsraten fest und formulierte Nebenbedingungen. Er bezeichnete ferner als
Geltungszeit der Price-Cap-Regulierung den Zeitraum vom 1. Januar 2003 bis
zum 31. Dezember 2007, unterteilte diesen Zeitraum in fünf Price-Cap-Perioden
von je einem Jahr und bestimmte als Referenzzeitraum für jede Price-Cap-
Periode das jeweils vorvergangene Kalenderjahr. Er überführte schließlich die
genannten Festlegungen in eine Price-Cap-Formel für die Prüfung der Geneh-
migungsfähigkeit der Entgelte in den jeweiligen Price-Cap-Perioden.
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Eine Klage, mit der der Kläger die Aufhebung dieses Beschlusses und die Ver-
pflichtung der Regulierungsbehörde zur Erteilung von Entgeltgenehmigungen
im Einzelgenehmigungsverfahren begehrt hatte, wies das Verwaltungsgericht
mit der Begründung ab, dem Kläger stehe kein subjektives Recht auf eine an-
dere Entgeltregulierung zur Seite. Das Oberverwaltungsgericht lehnte den An-
trag des Klägers auf Zulassung der Berufung ab.
Mit Beschluss vom 12. September 2002 genehmigte die Regulierungsbehörde
die von der Beigeladenen zur Genehmigung gestellten Entgelte für die Price-
Cap-Periode 2003, nachdem sie festgestellt hatte, dass die durch den Be-
schluss vom 26. Juli 2002 vorgegebenen Maßgrößen eingehalten seien.
Mit seiner auf Aufhebung dieser Entgeltgenehmigung, hilfsweise auf Feststel-
lung ihrer Rechtswidrigkeit gerichteten Klage ist der Kläger in erster Instanz er-
folglos geblieben. Seine Berufung hat das Oberverwaltungsgericht zurückge-
wiesen: Die Klage sei zulässig. Insbesondere lasse sich die Möglichkeit einer
Verletzung von Rechten des Klägers nicht von vornherein mit einer für die Ver-
neinung der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderlichen Gewissheit
ausschließen. Die der Beigeladenen erteilte Entgeltgenehmigung entfalte ge-
mäß § 23 PostG gegenüber deren Kunden eine privatrechtsgestaltende Wir-
kung. Dass es sich bei dem Kläger um einen Kunden der Beigeladenen hande-
le, sei, was die Inanspruchnahme von Leistungen aus den Körben M und W
anbelange, zu unterstellen. Die Klage sei jedoch unbegründet. Dies folge schon
daraus, dass auch eine rechtswidrige Entgeltgenehmigung den Kläger nicht im
Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten verletze. Die post-
rechtlichen Vorschriften über die Entgelthöhe hätten keinen drittschützenden
Charakter. Aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG könne der Kläger subjek-
tive Rechte gleichfalls nicht herleiten. Ein Eingriff in seine grundrechtlich ge-
schützte Privatautonomie sei unabhängig von der Höhe des genehmigten Ent-
gelts allein darin zu sehen, dass dieses Entgelt für ihn nicht frei verhandelbar
sei. Dieser Eingriff sei gerechtfertigt, weil die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte
Privatautonomie des Postkunden durch die Vorschrift des § 23 PostG, die Teil
der verfassungsmäßigen Ordnung sei, eingeschränkt werde. Nicht durch Art. 2
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Abs. 1 GG geschützt sei das Interesse des Kunden, dass die Regulierungsbe-
hörde die zur Genehmigung gestellten Entgelte nur unter Einhaltung der post-
rechtlichen Vorschriften über die zulässige Entgelthöhe genehmige. Es wider-
spräche dem durch Art. 87f GG vorgegebenen Ziel des Postgesetzes, die Vo-
raussetzungen für einen chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerb zu
schaffen, wenn jeder Postkunde gegen eine - in persönlicher Hinsicht nicht teil-
bare - Entgeltgenehmigung klagen, damit eine Änderung der Entgelthöhe her-
beiführen und hierdurch der Beigeladenen und ihren Wettbewerbern die für In-
vestitionsentscheidungen erforderliche verlässliche Planungsgrundlage entzie-
hen könnte. Der angefochtene Entgeltgenehmigungsbeschluss sei überdies
rechtmäßig. Es sei nicht im Sinne des § 21 Abs. 3 Satz 2 PostG offenkundig,
dass die streitigen Entgelte den Anforderungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
oder Nr. 3 PostG nicht entsprächen. Ferner seien die durch den Beschluss vom
26. Juli 2002 vorgegebenen Maßgrößen eingehalten, so dass gemäß § 21
Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 PostG i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 2 PostG die Anforderungen
des Aufschlagsverbots aus § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PostG als erfüllt gälten. Der
Maßgrößenbeschluss sei nicht nichtig. Die von dem Kläger gegen seine
Rechtmäßigkeit erhobenen Einwände griffen bereits deshalb nicht durch, weil
der Beschluss in Bestandskraft erwachsen sei. Sie gingen auch in der Sache
fehl. Insbesondere bestehe kein Anlass für die Annahme, dass die Regulie-
rungsbehörde bei der Festlegung der Produktivitätsfortschrittsrate nicht - wie
von § 4 Abs. 3 PEntgV gefordert - das Verhältnis des Ausgangsentgeltniveaus
zu den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung berücksichtigt habe. Dass
diese Kosten in dem Maßgrößenbeschluss nicht ausdrücklich ausgewiesen sei-
en und die Beklagte nach der Begründung des Beschlusses von einer vollstän-
digen Annäherung der Entgelte an diese Kosten abgesehen habe, rechtfertige
nicht den Schluss, diese Kosten seien gar nicht ermittelt worden. Eine betrags-
mäßige Übereinstimmung von effizienten und berücksichtigten Kosten verlange
§ 20 Abs. 1 PostG nicht. Auch sog. neutralen Aufwendungen der Beigeladenen
habe der Maßgrößenbeschluss auf der Grundlage von § 20 Abs. 2 Satz 2
PostG zu Recht Rechnung getragen.
Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Begehren auf Aufhebung des um-
strittenen Entgeltgenehmigungsbeschlusses weiter: Das Berufungsgericht habe
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zu Unrecht angenommen, dass er als Postkunde durch eine der Beigeladenen
erteilte Genehmigung eines rechtswidrig überhöhten Entgelts nicht in seinen
einfachrechtlich bzw. grundrechtlich gewährleisteten Rechten verletzt werde.
Entgegen der Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts sei die angefochtene
Entgeltgenehmigung rechtswidrig. Sie verstoße gegen das in § 20 Abs. 1 PostG
enthaltene Gebot der Orientierung der Entgelte an den Kosten der effizienten
Leistungsbereitstellung und damit gegen eine andere Rechtsvorschrift im Sinne
des § 21 Abs. 3 Satz 1 PostG. Sie verletze zudem das Aufschlagsverbot des
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PostG. Dessen Anforderungen könnten nicht nach § 21
Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 PostG i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 2 PostG wegen Einhaltung
der durch den Beschluss vom 26. Juli 2002 festgelegten Maßgrößen als erfüllt
gelten. Dieser Beschluss sei ihm, dem Kläger, gegenüber nicht bestandskräftig
geworden, denn er habe den Beschluss mangels eigener rechtlicher Betroffen-
heit nicht erfolgreich anfechten können. Der Maßgrößenbeschluss sei seiner-
seits rechtswidrig. Das Price-Cap-Verfahren dürfe von der Regulierungsbehör-
de nur angewandt werden, wenn bereits die Ausgangsentgelte nach den
Bestimmungen des Postgesetzes genehmigt worden seien. An einer solchen
Genehmigung fehle es hier ebenso wie an der aus § 21 Abs. 4 Satz 3 PostG
ableitbaren weiteren Voraussetzung einer Vorgabe zumindest abstrakter Krite-
rien für die Zusammensetzung der zu bildenden Produktkörbe durch den Ver-
ordnungsgeber. Ferner habe die Regulierungsbehörde jedenfalls die Kosten
des nicht entgeltregulierten Fracht- und Paketbereichs nicht als nach § 20
Abs. 2 Satz 2 PostG berücksichtigungsfähige neutrale Aufwendungen der Bei-
geladenen in die Maßgrößen einfließen lassen dürfen. Das Oberverwaltungsge-
richt habe in diesem Zusammenhang seinen Anspruch auf rechtliches Gehör
und die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts verletzt, weil es seinen diesbe-
züglichen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen und nicht erforscht habe, in-
wieweit neutrale Aufwendungen aus nicht entgeltregulierten Bereichen berück-
sichtigt worden seien. Schließlich gehe aus dem Maßgrößenbeschluss entge-
gen der Annahme des Oberverwaltungsgerichts nicht hervor, dass die Regulie-
rungsbehörde die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung für die in Rede
stehenden Postdienstleistungen ermittelt habe. Ob eine Ermittlung der effizien-
ten Kosten stattgefunden habe und das Ergebnis im Sinne des § 4 Abs. 3
PEntgV in die festgesetzten Produktivitätsfortschrittsraten eingegangen sei, ha-
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be das Berufungsgericht unter Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO nicht aufge-
klärt. Nach der Begründung des Maßgrößenbeschlusses habe die Regulie-
rungsbehörde auf eine Annäherung der Entgelte an die ermittelten Kosten und
Aufwendungen verzichtet.
Die Beklagte und die Beigeladene verteidigen das angefochtene Urteil und be-
gehren die Zurückweisung der Revision.
II
Die zulässige Revision des Klägers hat in der Sache nur zum Teil Erfolg.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen,
soweit der Kläger mit ihr die Aufhebung der Genehmigung von Entgelten für
Postdienstleistungen in den Körben W und T begehrt hat. Insoweit stellt sich
das angefochtene Urteil jedenfalls aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144
Abs. 4 VwGO), weil die Klage entgegen der Annahme des Oberverwaltungsge-
richts bezogen auf diesen Teil der angegriffenen Genehmigung bereits unzu-
lässig ist und deshalb schon aus diesem Grund abzuweisen war. Soweit der
Kläger mit seiner Klage die Aufhebung der Genehmigung von Entgelten für
Postdienstleistungen im Korb M begehrt, verletzt das angefochtene Urteil hin-
gegen Bundesrecht und erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als rich-
tig. Insoweit ist die Klage zulässig und entgegen der Annahme des Oberverwal-
tungsgerichts auch begründet. Das Oberverwaltungsgericht hätte deshalb auf
die Berufung des Klägers diesen abtrennbaren Teil der Genehmigung für das
Rechtsverhältnis zwischen der Beigeladenen und dem Kläger aufheben müs-
sen. Weitere tatsächliche Feststellungen sind hierfür nicht erforderlich. Der Se-
nat kann deshalb insoweit in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1
VwGO).
1. Die Klage ist nur zulässig, soweit sie sich gegen die Genehmigung von Ent-
gelten für Postdienstleistungen im Korb M richtet; nur insoweit ist der Kläger
nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Hingegen fehlt ihm die Klagebefugnis,
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soweit seine Klage sich gegen die Genehmigung von Entgelten für Postdienst-
leistungen in den Körben W und T richtet.
a) Die Klagebefugnis im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO ist gegeben, wenn die
Verletzung eigener Rechte des Klägers auf der Grundlage des Klagevorbrin-
gens möglich ist. Diese Möglichkeit ist nur auszuschließen, wenn offensichtlich
nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte des Klägers verletzt sein
können (BVerwG, Urteile vom 10. Oktober 2002 - 6 C 8.01 - BVerwGE 117, 93
<95 f.> und vom 28. November 2007 - 6 C 42.06 - BVerwGE 130, 39 Rn. 11).
b) Der Kläger kann im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen, durch die
angegriffene Entgeltgenehmigung möglicherweise in seinem Grundrecht der
allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt zu sein. Die allge-
meine Handlungsfreiheit im Sinne dieser Grundrechtsverbürgung umfasst die
Vertragsfreiheit und damit das Recht, den Inhalt vertraglicher Vereinbarungen
mit der Gegenseite frei von staatlicher Bindung auszuhandeln. Dieses Grund-
recht ist nach Art. 19 Abs. 3 GG auch auf den Kläger als juristische Person des
Privatrechts anwendbar. Die von ihm angegriffene Genehmigung hat nach § 23
Abs. 1 und 2 PostG privatrechtsgestaltende Wirkung. Das regulierte Unterneh-
men darf ausschließlich die genehmigten Entgelte verlangen. Verträge über
Dienstleistungen, die andere als die genehmigten Entgelte enthalten, sind mit
der Maßgabe wirksam, dass das genehmigte Entgelt an die Stelle des verein-
barten Entgelts tritt. Fehlt es an einem genehmigten Entgelt, obwohl das Entgelt
genehmigungsbedürftig ist, so sind die Verträge unwirksam. Aufgrund ihrer pri-
vatrechtsgestaltenden Wirkung greift die Genehmigung in die Privatautonomie
der Vertragspartner ein. An die Stelle eines von ihnen vereinbarten Entgelts tritt
ein hoheitlich festgelegtes Entgelt.
Die Möglichkeit einer dadurch bewirkten Rechtsverletzung besteht für einen
Kunden der Beigeladenen als Kläger aber in tatsächlicher Hinsicht nur, wenn er
mit der Beigeladenen einen Beförderungsvertrag schließt und eine entgeltregu-
lierte Dienstleistung tatsächlich in Anspruch nimmt. Nur in diesem Fall kann die
Entgeltgenehmigung in seine grundrechtlich garantierte Privatautonomie ein-
greifen. Ist der Kläger hingegen kein konkretes Rechtsverhältnis als Kunde der
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Beigeladenen eingegangen, ist offensichtlich und nach jeder Betrachtungsweise
die Möglichkeit einer Rechtsverletzung durch die angegriffene Entgeltgenehmi-
gung ausgeschlossen.
c) Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats zu der vergleichbaren Lage
im Telekommunikationsrecht. Dort hat der Senat die Klagebefugnis eines Drit-
ten, der die dem regulierten Unternehmen erteilte, nach § 37 TKG 2004 - bzw.
vormals § 29 TKG 1996 - mit privatrechtsgestaltender Wirkung ausgestattete
Entgeltgenehmigung angreift und in einer dieser Wirkung zugänglichen Ver-
tragsbeziehung zu dem regulierten Unternehmen steht, stets bejaht und hierfür
auf eine mögliche Verletzung der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Privatau-
tonomie in ihrer Ausprägung durch das Recht, den Inhalt von vertraglichen Ver-
einbarungen mit der Gegenseite frei von staatlicher Bindung auszuhandeln,
verwiesen (BVerwG, Vorlagebeschluss vom 13. Dezember 2006 - 6 C 23.05 -
Buchholz 442.066 § 24 TKG Nr. 2 Rn. 15; Urteile vom 25. Februar 2009 - 6 C
25.08 - Buchholz 442.066 § 37 TKG Nr. 2 Rn. 15, vom 25. März 2009 - 6 C
3.08 - Buchholz 442.066 § 35 TKG Nr. 2 Rn. 14, vom 25. November 2009 - 6 C
34.08 - Buchholz 442.066 § 31 TKG Nr. 1 Rn. 13, vom 25. Februar 2015 - 6 C
37.13 - N&R 2015, 184 Rn. 18 und vom 1. April 2015 - 6 C 36.13 - juris Rn. 14
sowie - 6 C 38.13 - juris Rn. 18). Der Senat hat in Fällen in denen eine zunächst
bestehende Leistungsbeziehung zwischen dem entgeltregulierten Unternehmen
und dem Anfechtungskläger nach dem Vortrag der Beteiligten aufgelöst worden
war, für die vertragslose Zeit eine Klagebefugnis verneint (BVerwG, Urteile vom
25. Februar 2015 - 6 C 37.13 - N&R 2015, 184 Rn. 19 und vom 1. April 2015
- 6 C 38.13 - juris Rn. 19).
d) Die danach erforderliche tatsächliche Grundlage für eine mögliche Rechts-
verletzung besteht nur, soweit die angegriffene Genehmigung Entgelte für
Postdienstleistungen in dem Korb M betrifft. Nur insoweit kann der Senat mit
der erforderlichen Sicherheit davon ausgehen, dass der Kläger diese Dienstleis-
tungen in Anspruch genommen hat und entsprechende Rechtsverhältnisse mit
der Beigeladenen eingegangen ist. Für Dienstleistungen in den Körben W
und T gilt dies hingegen nicht.
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aa) Was Dienstleistungen in dem Korb M anlangt, reicht für die Möglichkeit ei-
ner tatsächlichen Betroffenheit die Behauptung des Klägers aus, diese Leistun-
gen der Beigeladenen in Anspruch genommen zu haben. Die in dem Korb M
enthaltenen, dem allgemeinen Lebensbedarf zuzuordnenden Briefsendungen
werden von der Beigeladenen aufgrund formlos geschlossener Verträge mas-
senhaft ausgeführt. Nach der Lebenserfahrung verbietet sich die Annahme,
dass der Kläger als ein im öffentlichen Raum tätiger wirtschaftlicher Interessen-
vertreter in der hier fraglichen Zeit vollkommen auf den Versand der durch den
Korb M erfassten gängigen Briefformate, deren gewerbsmäßige Beförderung in
der hier fraglichen Zeit nahezu ausschließlich der Beigeladenen vorbehalten
war, verzichtet haben könnte.
bb) Hingegen kann nicht festgestellt werden, dass zwischen der Beigeladenen
und dem Kläger Verträge über Postdienstleistungen aus den Körben W und T
zustande gekommen sind. Hierfür hat der Kläger keinen Nachweis erbracht. Er
hat im gesamten Verfahren keine Verträge oder sonstigen aussagekräftigen
Urkunden vorgelegt. Ebenso wenig hat der Kläger derartige Leistungsbezie-
hungen durch substantiierte Schilderungen konkretisiert. Sein Prozessbevoll-
mächtigter hat sich vielmehr auf die pauschale Erklärung beschränkt, er gehe
davon aus, dass der Kläger Leistungen aus dem Korb W in Anspruch genom-
men habe, und es sei auch nicht auszuschließen, dass der Kläger - im Rahmen
eines unstreitig bestehenden Geschäftskundenvertrags mit der Beigeladenen -
Leistungen aus dem Korb T nachgesucht habe. Dem Vortrag der Beigeladenen,
unter der dem Kläger als Großkunden zugeteilten Kundennummer seien keine
Umsätze zu verzeichnen gewesen, ist der Kläger nicht entgegengetreten. Der
Geschäftskundenvertrag als solcher wird von der privatrechtsgestaltenden Wir-
kung der Entgeltgenehmigung, die Voraussetzung für die Annahme einer mög-
lichen Rechtsverletzung ist, noch nicht erfasst, sondern erst der hier nicht
nachgewiesene Abschluss konkreter Beförderungsverträge.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht gerechtfertigt, zu Gunsten des Klägers eine
mit der Beigeladenen eingegangene Beziehung über Postdienstleistungen aus
den Körben W und T zu unterstellen. Es ist vielmehr als ausgeschlossen zu
erachten, dass der Kläger, der die Interessen von Wettbewerbern der Beigela-
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denen vertritt, die teilweise sehr speziellen, ganz überwiegend nicht der Exklu-
sivlizenz der Beigeladenen unterfallenden und deshalb dem Wettbewerb unter-
worfenen Postdienstleistungen des Korbs W - wenn überhaupt - dann bei der
Beigeladenen nachgefragt hat. Ebenso spricht nichts dafür, dass der Kläger die
auf Großkunden zugeschnittenen, großvolumigen Postdienstleistungen des
Korbs T ohne eine entsprechende Dokumentation genutzt hat.
2. Soweit die Klage danach zulässig ist, ist sie auch begründet. Mit Bundesrecht
nicht vereinbar ist die gegenteilige Beurteilung des Oberverwaltungsgerichts,
weder werde der Kläger im Falle der objektiven Rechtswidrigkeit der Genehmi-
gung im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten verletzt noch
sei die Genehmigung objektiv rechtswidrig.
a) Die einem regulierten Unternehmen erteilte Entgeltgenehmigung ist auf die
von einem Dritten erhobene Anfechtungsklage hin auf ihre Übereinstimmung
mit den materiellen Vorschriften des Postrechts zur Regelung der Entgelthöhe
zu überprüfen, sofern der Dritte die Leistungen des regulierten Unternehmens
aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages in Anspruch nimmt, der durch die
Entgeltgenehmigung gestaltet wird. Die Entgeltgenehmigung greift - wie darge-
legt - aufgrund ihrer privatrechtsgestaltenden Wirkung in die Vertragsfreiheit der
Vertragsparteien ein, indem sie an die Stelle eines frei vereinbarten Entgelts ein
hoheitlich festgesetztes Entgelt setzt. Ist die Entgeltgenehmigung objektiv
rechtswidrig, ist auch der Eingriff in die Privatautonomie rechtswidrig und kann
- hier wie auch sonst - von den davon Betroffenen als Verletzung ihres Grund-
rechts aus Art. 2 Abs. 1 GG abgewehrt werden, ohne dass es darauf ankommt,
ob die einzelnen Genehmigungsvoraussetzungen auch dem Schutz des Kun-
den zu dienen bestimmt sind und deshalb für sich genommen drittschützende
Wirkung haben. Sobald der Dritte als Kunde des regulierten Unternehmens ei-
nen Vertrag über eine entgeltregulierte Dienstleistung abschließt, hat er dafür
wegen der privatrechtsgestaltenden Wirkung der Genehmigung das hoheitlich
festgesetzte Entgelt zu zahlen. Er wird von dieser Rechtsfolge der Genehmi-
gung erfasst und kann sie im Fall ihrer Rechtswidrigkeit als Eingriff in sein
Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG bezogen auf sein Rechtsverhältnis zu dem regulier-
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ten Unternehmen - wie jeder Adressat eines ihn belastenden Verwaltungsakts -
aufgehoben verlangen.
Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG verlangt nicht nur, dass eine Norm, wel-
che die allgemeine Handlungsfreiheit einschränkt, formell und materiell verfas-
sungsgemäß ist, sondern auch, dass die für sich verfassungsgemäße Norm im
Einzelfall rechtmäßig, nämlich ihren Voraussetzungen gemäß angewandt wird.
Auch die objektiv rechtswidrige Anwendung einer die Handlungsfreiheit ein-
schränkenden Norm verletzt das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG. Deshalb
kann eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG nicht allein mit der
(zutreffenden) Begründung des Oberverwaltungsgerichts verneint werden, § 23
PostG sei mit der dort angeordneten privatrechtsgestaltenden Wirkung der Ent-
geltgenehmigung Teil der verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne des Art. 2
Abs. 1 GG und schränke als solcher die Privatautonomie der Kunden ein.
Dass die einem regulierten Unternehmen erteilte Entgeltgenehmigung auf die
von einem Dritten erhobene Anfechtungsklage hin auf ihre Übereinstimmung
mit den materiellen Vorschriften zur Regelung der Entgelthöhe zu überprüfen
ist, sofern der Dritte die Leistungen des regulierten Unternehmens aufgrund
eines privatrechtlichen Vertrages in Anspruch nimmt, der durch die Entgeltge-
nehmigung gestaltet wird, hat der Senat bereits für das Telekommunikations-
recht entschieden (BVerwG, Vorlagebeschluss vom 13. Dezember 2006 - 6 C
23.05 - Buchholz 442.066 § 24 TKG Nr. 2 Rn. 15, 20 ff.; Urteile vom 25. Febru-
ar 2009 - 6 C 25.08 - Buchholz 442.066 § 37 TKG Nr. 2 Rn. 15, 22, vom
25. März 2009 - 6 C 3.08 - Buchholz 442.066 § 35 TKG Nr. 2 Rn. 14, 19 ff., 32,
vom 25. November 2009 - 6 C 34.08 - Buchholz 442.066 § 31 TKG Nr. 1
Rn. 13, 16 ff., 30, vom 25. Februar 2015 - 6 C 37.13 - N&R 2015, 184 Rn. 18,
34 ff., 53 und vom 1. April 2015 - 6 C 36.13 - juris Rn. 14, 19 ff., 38 sowie - 6 C
38.13 - juris Rn. 18, 34 ff., 52). Für den Gleichklang von Prüfungsmaßstäben in
der telekommunikationsrechtlichen und in der postrechtlichen Entgeltregulie-
rung spricht generell die Gleichartigkeit der wesentlichen Regelungsstrukturen
(vgl. in diesem Sinne: BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2013 - 6 C 10.11 - BVerwGE
146, 325 Rn. 17, 28, 31 f.). Diese Übereinstimmung wird für den an die privat-
rechtsgestaltende Wirkung der Entgeltgenehmigung anknüpfenden Anfech-
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tungsrechtsschutz nicht dadurch in Frage gestellt, dass die telekommunikati-
onsrechtlichen Entgelte in der Regel - nach geltendem Recht unter dem Vorbe-
halt des § 39 TKG 2004 - auf der Vorleistungsebene für die Rechtsverhältnisse
zwischen dem marktmächtigen Unternehmen und seinen unternehmerischen
Wettbewerbern reguliert werden, während der Kern der postrechtlichen Entgelt-
regulierung die Endkundenebene und damit auch den postalischen Massenver-
kehr mit den dort bestehenden rechtlichen und faktischen Grenzen einer freien
Vertragsgestaltung betrifft. Entscheidend ist, dass hier wie dort durch Verwal-
tungsakt von hoher Hand gestaltend auf privatrechtliche Vertragsverhältnisse
zugegriffen wird und deshalb in dem einen wie in dem anderen Fall beide Ver-
tragsparteien nach Art. 19 Abs. 4 GG Anspruch auf eine gerichtliche Überprü-
fung der Rechtmäßigkeit dieses Eingriffs in ihre grundrechtlich geschützte Pri-
vatautonomie haben.
Dass die Rechtmäßigkeit einer Entgeltgenehmigung auf die Anfechtungsklage
eines Dritten nur in der eingeschränkten Weise überprüfbar ist, wie das Ober-
verwaltungsgericht sie befürwortet, ist entgegen seiner Einschätzung weder in
den Vorschriften des Postgesetzes über die Entgeltgenehmigung noch in
Art. 87f GG angelegt. Abgesehen davon, dass sich ein dahingehender gesetz-
geberischer Regelungswille dem Gesetz nicht mit der notwendigen Klarheit
entnehmen lässt, fehlt es auch an einem hinreichend gewichtigen Sachgrund
für eine solche Beschränkung (vgl. zu den Voraussetzungen einer die Rechts-
schutzgarantie einschränkenden gesetzlichen Ausgestaltung: BVerfG, Be-
schlüsse vom 27. Oktober 1999 - 1 BvR 385/90 - BVerfGE 101, 106 <123 ff.>
und vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 <21 ff.>; BVerwG, Vor-
lagebeschluss vom 26. Februar 2014 - 6 C 3.13 - BVerwGE 149, 94 Rn. 24,
31 f.). Die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts trifft nicht zu, es werde
die für die Investitionsentscheidungen der Beigeladenen und ihrer Wettbewer-
ber erforderliche verlässliche Kalkulations- und Planungsgrundlage zerstört und
dem aus dem verfassungsrechtlichen Auftrag des Art. 87f GG abgeleiteten Ziel
des Postgesetzes widersprochen, die Voraussetzungen für einen chancenglei-
chen und funktionsfähigen Wettbewerb zu schaffen, wenn jeder Postkunde
durch eine verwaltungsgerichtliche Klage eine Änderung der genehmigten Ent-
gelthöhe herbeiführen könne. Entgegen der Annahme des Oberverwaltungsge-
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richts ist die von einem einzelnen Kunden erfolgreich angefochtene postrechtli-
che Entgeltgenehmigung nicht stets mit Wirkung gegenüber jedermann aufzu-
heben. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass im Telekommunika-
tionsrecht die erfolgreiche Anfechtungsklage eines Vertragspartners des regu-
lierten Unternehmens nur insoweit zu einer Aufhebung der Entgeltgenehmigung
führen kann, als diese sich auf das Rechtsverhältnis zwischen dem regulierten
Unternehmen und dem jeweiligen Kläger auswirkt (grundlegend: BVerwG, Urteil
vom 25. September 2013 - 6 C 13.12 - BVerwGE 148, 48 Rn. 65 ff. und zuletzt:
Urteil vom 1. April 2015 - 6 C 38.13 - juris Rn. 18). Gesichtspunkte, die durch-
greifend in Frage stellen könnten, dass die Aufhebung auch einer postrechtli-
chen Entgeltgenehmigung lediglich inter partes wirkt, sind nicht ersichtlich, so
dass auch insoweit einer Übernahme der in der telekommunikationsrechtlichen
Rechtsprechung des Senats entwickelten Grundsätze nichts entgegensteht.
b) Der angefochtene Beschluss vom 12. September 2002 ist rechtswidrig, so-
weit die Regulierungsbehörde die nach § 19 Satz 1 PostG i.V.m. §§ 5 Abs. 1,
51 Satz 1, 53 PostG genehmigungsbedürftigen Entgelte für die Postdienstleis-
tungen der Beigeladenen aus dem Korb M genehmigt hat. Die Beigeladene
kann nach § 21 Abs. 3 PostG die Genehmigung eines Entgelts in der von der
Regulierungsbehörde zuerkannten Höhe nicht beanspruchen. Zwar sind die in
§ 21 Abs. 3 Satz 2 PostG und § 21 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 PostG normierten Grün-
de für eine Versagung der Genehmigung nicht erfüllt, jedoch fehlt es nach § 21
Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 PostG i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 2 PostG und § 20 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1 PostG an der Genehmigungsfähigkeit der beantragten Entgelte.
aa) Das Oberverwaltungsgericht hat die Regulierungsbehörde zu Recht nicht
befugt gesehen, die Genehmigung der beantragten Entgelte gestützt auf die
Versagungsgründe des § 21 Abs. 3 Satz 2 PostG und des § 21 Abs. 3 Satz 1
Alt. 2 PostG abzulehnen. Es ist nicht im Sinne des § 21 Abs. 3 Satz 2 PostG
offenkundig, dass die Entgelte den Anforderungen des Abschlagsverbots aus
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PostG oder des Diskriminierungsverbots nach § 20
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PostG nicht entsprechen. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass
ein Verstoß gegen die in § 21 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 PostG genannten anderen
Rechtsvorschriften vorliegt, denen nach der Gesetzessystematik jedenfalls die
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- 15 -
Bestimmung des § 20 Abs. 1 PostG, die den Maßstab der Kosten der effizien-
ten Leistungsbereitstellung enthält, nicht zuzurechnen ist.
bb) Die Genehmigung der Entgelte war in der von der Beigeladenen beantrag-
ten Höhe gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 PostG i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 2
PostG wegen eines Verstoßes gegen das Aufschlagsverbot aus § 20 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1 PostG zu versagen. Zwar hielten die beantragten Entgelte die fest-
gelegten Maßgrößen ein, so dass nach dem Wortlaut des § 21 Abs. 2 Satz 2
PostG das Aufschlagsverbot als eingehalten galt. Jedoch hätte das Berufungs-
gericht die Festlegung der Maßgrößen inzident auf ihre Rechtmäßigkeit über-
prüfen und dabei die Rechtswidrigkeit der festgelegten Produktivitätsfortschritts-
rate feststellen müssen. Deren Rechtswidrigkeit führt zur Rechtswidrigkeit der
Genehmigung der den Korb M betreffenden Entgelte der Beigeladenen, so dass
der Kläger die entsprechende (Teil-)Aufhebung des Entgeltgenehmigungsbe-
schlusses vom 12. September 2002 verlangen kann.
aaa) Das Postgesetz sieht das Price-Cap-Verfahren gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 2
PostG als Verfahrensart für die Entgeltgenehmigung neben dem Einzelgeneh-
migungsverfahren nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 PostG vor. Kennzeichen des in § 1
Abs. 2 sowie §§ 4, 5 und 8 Abs. 1 der Post-Entgeltregulierungsverordnung
(PEntgV) vom 22. November 1999 (BGBl. I S. 2386) näher geregelten Price-
Cap-Verfahrens ist seine zweistufige Ausgestaltung. Auf der ersten Stufe wer-
den Dienstleistungen in Körben zusammengefasst, für die so zusammengefass-
ten Dienstleistungen das gewichtete Ausgangsentgeltniveau festgestellt und
Maßgrößen für die durchschnittlichen Änderungsraten der Entgelte - insbeson-
dere die zu erwartende Produktivitätsfortschrittsrate des regulierten Unterneh-
mens - vorgegeben, die Referenzzeiträume für die Maßgrößen festgelegt sowie
die Geltungsdauer der Entscheidung, die regelmäßig in einzelne Price-Cap-
Perioden unterteilt ist, bestimmt. Auf der zweiten Verfahrensstufe, dem Entgelt-
genehmigungsverfahren, prüft die Behörde nur noch, ob mit den zur Genehmi-
gung gestellten Entgelten die zuvor festgelegten Maßgrößen eingehalten wer-
den.
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- 16 -
bbb) Im vorliegenden Fall legte die Regulierungsbehörde die Maßgrößen in
dem an die Beigeladene gerichteten Beschluss vom 26. Juli 2002 fest. In dem
Entgeltgenehmigungsbeschluss vom 12. September 2002 legte die Regulie-
rungsbehörde dar, dass die von der Beigeladenen für die Price-Cap-Periode
2003 beantragten Entgelte - unter ihnen diejenigen für die Dienstleistungen des
Korbs M - die durch den Beschluss vom 26. Juli 2002 vorgegebenen Maßgrö-
ßen einhielten. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass diese Darle-
gungen zutreffen. Diese Feststellung ist tatsächlicher Natur und bindet den Se-
nat nach § 137 Abs. 2 VwGO, weil sie der Kläger nicht mit Verfahrensrügen
angegriffen hat. Nach dem Wortlaut des § 21 Abs. 2 Satz 2 PostG gelten bei
Einhaltung der Maßgrößen die Anforderungen des Aufschlagsverbots aus § 20
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PostG als erfüllt, was wiederum gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1
Alt. 1 PostG zur Folge hat, dass die Entgeltgenehmigung nicht wegen eines
Verstoßes gegen das Aufschlagsverbot versagt werden darf.
ccc) Mit diesem Ergebnis kann es für die Anfechtung des Entgeltgenehmi-
gungsbeschlusses vom 12. September 2002 durch den Kläger indes nicht sein
Bewenden haben. Vielmehr verlangt die in Art. 19 Abs. 4 GG enthaltene Garan-
tie des effektiven Rechtsschutzes, dass sich der Maßgrößenbeschluss vom
26. Juli 2002 als Grundlage der konkreten Genehmigung auf eine inzident vor-
zunehmende Kontrolle hin als rechtmäßig erweist.
Nach der Funktionsweise des postrechtlichen Price-Cap-Verfahrens hängt die
auf der zweiten Verfahrensstufe zu prüfende Genehmigungsfähigkeit der in ei-
ner Price-Cap-Periode beantragten Entgelte davon ab, dass die auf das Preis-
niveau des Referenzzeitraums bezogene mittlere gewichtete Preisänderungsra-
te für den jeweiligen Dienstleistungskorb das zulässige Maß, wie es sich aus
den vorgegebenen Maßgrößen ergibt, nicht übersteigt. Diese Prüfung hat aller-
dings den Charakter einer bloßen Berechnung. Die zulässige Höhe des durch-
schnittlichen Entgelts der in einem Korb zusammengefassten Dienstleistungen
wird abstrakt bereits auf der ersten Verfahrensstufe bestimmt.
Die Entscheidung, die die Regulierungsbehörde auf der ersten Verfahrensstufe
trifft, ist ein Verwaltungsakt. In dieser Rechtsform ergehen nach ausdrücklicher
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Bestimmung durch § 46 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 PostG i.V.m. § 73 Abs. 1
Satz 2 TKG 1996 bzw. § 132 Abs. 1 Satz 2 TKG 2004 die Entscheidungen der
Regulierungsbehörde im Bereich der Entgeltregulierung nach §§ 19 ff. PostG.
Zum Kreis dieser Entscheidungen zählt im Rahmen des Price-Cap-Verfahrens
nicht nur die auf der zweiten Stufe zu erlassende Entgeltgenehmigung, sondern
auch der Akt, der die erste Stufe mit den beschriebenen, für die zweite Stufe
verbindlichen Festlegungen abschließt. Dieser Verwaltungsakt - der Maßgrö-
ßenbeschluss, hier in Gestalt des Beschlusses der Regulierungsbehörde vom
26. Juli 2002 - ergeht, wie sich aus § 8 Abs. 1 Satz 2 PEntgV ergibt, gegenüber
dem regulierten Unternehmen (vgl. Sedemund, in: Badura/von Danwitz/
Herdegen/Sedemund/Stern , Beck`scher PostG-Kommentar, 2. Aufl.
2004, § 21 Rn. 47; Anh. zu § 21, § 8 PEntgV Rn. 8; für das Telekommunikati-
onsrecht: Stamm, in: Scheurle/Mayen , TKG, 2. Aufl. 2008, § 32 Rn. 34
und § 34 Rn. 57; Höffler, in: Arndt/Fetzer/Scherer/Graulich , TKG,
2. Aufl. 2015, § 33 Rn. 12).
In dem derart ausgestalteten zweistufigen Price-Cap-Verfahren ist eine Be-
schränkung der gerichtlichen Überprüfung einer Entgeltgenehmigung auf die
Versagungsgründe der zweiten Stufe nur dann gerechtfertigt, wenn und soweit
der die erste Stufe abschließende Maßgrößenbeschluss - für die Betroffenen
erkennbar - einer wirkungsvollen gerichtlichen Kontrolle zugeführt werden konn-
te (vgl. zu ähnlichen Konstellationen: BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011
- 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 <32 f.>; BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2004
- 7 C 21.03 - Buchholz 428 § 1 Abs. 7 VermG Nr. 14 S. 50 f.). Dies ist im Hin-
blick auf den Kläger nicht der Fall.
Der Maßgrößenbeschluss vom 26. Juli 2002 konnte gegenüber dem Kläger
nicht in Bestandskraft erwachsen, weil der Kläger mangels einer Bekanntgabe
des Beschlusses an ihn bzw. mangels einer öffentlichen Bekanntgabe des Be-
schlusses nach § 41 Abs. 3 und 4 VwVfG nicht gehalten war, gegen diesen
Klage zu erheben. Im Rahmen des gleichwohl anhängig gemachten Klagever-
fahrens hat der Kläger einen wirkungsvollen Rechtsschutz nicht erlangt. Denn
die seinerzeitige Klage ist zwar durch Sachurteil abgewiesen worden, jedoch
ohne eine Überprüfung der materiellen Rechtmäßigkeit des Maßgrößenbe-
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schlusses, sondern allein unter Verweis darauf, dass dem Kläger kein subjekti-
ves Recht auf eine andere Entgeltregulierung zur Seite stehe.
ddd) Der hiernach inzident zu überprüfende Maßgrößenbeschluss vom 26. Juli
2002 ist entgegen der - insoweit hilfsweise angestellten - Beurteilung des Ober-
verwaltungsgerichts mit den Bestimmungen der postrechtlichen Entgeltregulie-
rung nicht vereinbar. Dabei hat das Berufungsgericht allerdings zu Recht keine
Zweifel im Hinblick auf die Anwendbarkeit des Price-Cap-Verfahrens als sol-
ches gehegt. Ferner kann die Berechtigung der berufungsgerichtlichen Annah-
me, dass die Regulierungsbehörde die durch § 20 Abs. 1 PostG und § 4 Abs. 3
i.V.m. § 3 Abs. 2 PEntgV in Bezug genommenen Kosten der effizienten Leis-
tungsbereitstellung ermittelt hat, ebenso dahingestellt bleiben wie diejenige,
dass die Behörde sog. neutrale Aufwendungen im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1
a.E. und Satz 2 PostG in zulässiger Weise berücksichtigt hat. Der Maßgrößen-
beschluss erweist sich jedenfalls deshalb als rechtswidrig, weil die Regulie-
rungsbehörde bei der Bestimmung der zu erwartenden Produktivitätsfort-
schrittsrate der Beigeladenen die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung
nicht in der durch § 20 Abs. 1 PostG und § 4 Abs. 3 und 4 PEntgV gebotenen
Weise berücksichtigt hat.
(1) Die Zulässigkeit des Price-Cap-Verfahrens setzt keine nach §§ 19 ff. PostG
genehmigten Ausgangsentgelte voraus. Vielmehr kann die Regulierungsbehör-
de, soweit es - wie hier - an derartigen Entgelten fehlt, auf die tatsächlich erho-
benen Entgelte zurückgreifen. Die Gefahr, dass ein ungerechtfertigt hohes,
nicht durch Einzelentgeltgenehmigungsverfahren vorab gemindertes Aus-
gangsentgeltniveau durch die Anwendung des Price-Cap-Verfahrens fortge-
schrieben werden könnte, besteht nicht. Denn gemäß § 4 Abs. 3 PEntgV ist bei
der Vorgabe von Maßgrößen, insbesondere bei der Festlegung der nach § 4
Abs. 2 Nr. 2 PEntgV zu erwartenden Produktivitätsfortschrittsrate des regulier-
ten Unternehmens das Verhältnis des Ausgangsentgeltniveaus zu den Kosten
der effizienten Leistungsbereitstellung im Sinne des § 3 Abs. 2 PEntgV zu be-
rücksichtigen, das heißt es ist - nach Maßgabe der noch folgenden Darlegun-
gen - eine Angleichung der Entgelte an die effizienten Kosten herbeizuführen.
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- 19 -
Ferner bedarf es für die Anwendung des Price-Cap-Verfahrens keiner über den
Bestand der Post-Entgeltregulierungsverordnung hinausgehender verordnungs-
rechtlicher Vorgaben. Allerdings überantwortet die Vorschrift des § 21 Abs. 4
Satz 3 PostG die Bestimmung der Bestandteile und des Inhalts der in § 21
Abs. 1 Nr. 2 PostG genannten Maßgrößen und Körbe dem Verordnungsgeber.
Diese Ermächtigung kann indes sinnvoller Weise nur so verstanden werden,
dass es zwar notwendig aber auch ausreichend ist, wenn in beiderlei Hinsicht
- wie in § 1 Abs. 2 und § 4 PEntgV geschehen - durch Rechtsverordnung, das
heißt normativ die abstrakt-generellen Kriterien beschrieben werden, während
die Regulierungsbehörde für die konkret-individuellen Festlegungen in dem je-
weiligen, auf einen bestimmten Lizenznehmer und dessen Dienstleistungen
bezogenen Price-Cap-Verfahren entsprechend dem administrativen Charakter
dieser Aufgabe zuständig ist (Sedemund, in: Badura/von Danwitz/Herdegen/
Sedemund/Stern , Beck`scher PostG-Kommentar, 2. Aufl. 2004, § 21
Rn. 36 f., 44, 70).
(2) In materieller Hinsicht bestimmt § 20 Abs. 1 PostG, dass sich genehmi-
gungsbedürftige Entgelte an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung
zu orientieren haben. Nach der bereits erwähnten Vorschrift des § 4 Abs. 3
PEntgV gehen in Anknüpfung hieran die Kosten der effizienten Leistungsbereit-
stellung bezogen auf ihr Verhältnis zum Ausgangsentgeltniveau in die für das
regulierte Unternehmen festgelegte Produktivitätsfortschrittsrate ein, wobei
nach § 4 Abs. 4 PEntgV auch die Produktivitätsfortschrittsraten von Unterneh-
men auf vergleichbaren Märkten mit Wettbewerb zu berücksichtigen sind. Die
Regulierungsbehörde muss - zumindest einmalig zum Zeitpunkt der Feststel-
lung des Ausgangsentgeltniveaus - für jede einzelne Leistung eines Korbs im
Sinne des § 3 Abs. 2 PEntgV die langfristigen zusätzlichen Kosten der Leis-
tungsbereitstellung, den angemessenen Zuschlag für leistungsmengenneutrale
Gemeinkosten, den dem unternehmerischen Risiko angemessenen Gewinnzu-
schlag und die Notwendigkeit dieser Kosten für die Leistungsbereitstellung fest-
stellen. Hierfür hat das regulierte Unternehmen Kostenunterlagen beizubringen
(zutreffend: Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, Mitteilung
Nr. 433/2001, Price-Cap-Regulierung 2003 für Postdienstleistungen
- Eckpunkte -, Abl. RegTP S. 2519 <2521, 2523>; für das Telekommunikations-
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- 20 -
recht: Winzer, in: Geppert/Schütz, Beck´scher TKG-Kommentar, 4. Aufl. 2013,
§ 33 Rn. 27; Groebel/Voß, in: Säcker , TKG, 3. Aufl. 2013, § 33 Rn. 27).
Es unterliegt ferner keinem Zweifel, dass im Price-Cap-Verfahren nicht anders
als im Einzelgenehmigungsverfahren (vgl. für dieses: BVerwG, Urteil vom
29. Mai 2013 - 6 C 10.11 - BVerwGE 146, 325 Rn. 30) der Maßstab der Kosten
der effizienten Leistungsbereitstellung aus § 20 Abs. 1 Alt. 1 PostG durch § 20
Abs. 2 Satz 1 a.E. und Satz 2 PostG erweitert wird (Sedemund, in: Badura/von
Danwitz/Herdegen/Sedemund/Stern , Beck`scher PostG-Kommentar,
2. Aufl. 2004, § 20 Rn. 2, 127 f.; für das Telekommunikationsrecht: Stamm, in:
Scheurle/Mayen , TKG, 2. Aufl. 2008, § 34 Rn. 40). Danach sind im
Rahmen der Entgeltgenehmigung auch für die effiziente Leistungsbereitstellung
nicht notwendige und andere neutrale Aufwendungen zu berücksichtigen, die
auf einer nachgewiesenen rechtlichen Verpflichtung oder einem nachgewiese-
nen sonstigen sachlichen Grund beruhen. Dabei handelt es sich im Hinblick auf
die Beigeladene insbesondere um diejenigen Kosten, die aus Sonderverpflich-
tungen herrühren, die die Beigeladene in ihrer Eigenschaft als Rechtsnachfol-
gerin der vormaligen Deutschen Bundespost treffen.
Darauf, ob das Oberverwaltungsgericht verfahrensfehlerfrei zu dem Schluss
gelangt ist, dass die Regulierungsbehörde vor Erlass des Maßgrößenbeschlus-
ses vom 26. Juli 2002 die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung für die
betroffenen Postdienstleistungen der Beigeladenen ermittelt hat, kommt es für
die Entscheidung des Senats nicht an. Gleiches gilt für die Frage, ob das Beru-
fungsgericht zu Recht angenommen hat, dass die in der Begründung des Maß-
größenbeschlusses vom 26. Juli 2002 genannten, über die Kosten der effizien-
ten Leistungsbereitstellung hinausgehenden Aufwendungen von der Regulie-
rungsbehörde in Übereinstimmung mit den Vorgaben des § 20 Abs. 2 Satz 1
a.E. und Satz 2 PostG berücksichtigt worden sind bzw. ob es insoweit jedenfalls
weiterer Aufklärung über die Zusammensetzung des in dem Maßgrößenbe-
schluss umschriebenen Kostenrasters und über die Maßstäbe, nach denen die
betroffenen Kostenpositionen den entgeltregulierten Postdienstleistungen zu-
geordnet worden sind, bedurft hätte.
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(3) Selbst wenn unterstellt wird, dass das Berufungsurteil in beiderlei Hinsicht
nicht der Aufhebung unterliegt, steht es gleichwohl nicht im Einklang mit Bun-
desrecht, weil es unbeanstandet gelassen hat, dass die Regulierungsbehörde
bei dem Erlass des Maßgrößenbeschlusses vom 26. Juli 2002 auch ihre Bin-
dung durch den um die neutralen Aufwendungen erweiterten Maßstab der Kos-
ten der effizienten Leistungsbereitstellung nicht beachtet hat. Denn in der Be-
gründung des Maßgrößenbeschlusses heißt es, von einer vollständigen Annä-
herung der Entgelte an die - erweiterten - Kosten der effizienten Leistungsbe-
reitstellung sei abgesehen worden. Im Rahmen der Berücksichtigung des Ver-
hältnisses des Ausgangsentgeltniveaus zu den Kosten der effizienten Leis-
tungsbereitstellung nach § 4 Abs. 3 PEntgV seien die Ziele aus § 2 Abs. 2
PostG gegeneinander abzuwägen gewesen. Eine im Kundeninteresse liegende
weitere Absenkung der Entgelte der Beigeladenen hätte wegen der damit ein-
hergehenden Verringerung der Gewinnerwartungen den bereits tätigen, finanz-
schwächeren Wettbewerbern der Beigeladenen ihre Wettbewerbsfähigkeit ge-
nommen bzw. für potentielle neue Wettbewerber eine zu hohe Markteintrittsbar-
riere geschaffen und dadurch die Bedingungen für die Herbeiführung und Si-
cherstellung von Wettbewerb erheblich verschlechtert. Ein Vergleich mit libera-
lisierten und teilliberalisierten Märkten im Sinne von § 4 Abs. 4 PEntgV habe
zum Ergebnis gehabt, dass eine zunächst ausreichende Annäherung an das
internationale Entgeltniveau erreicht werde.
Durch diese in der Begründung des Maßgrößenbeschlusses vom 26. Juli 2002
dokumentierte Vorgehensweise hat die Regulierungsbehörde bei der Festle-
gung der zu erwartenden Produktivitätsfortschrittsrate der Beigeladenen nach
§ 4 Abs. 2 Nr. 2 PEntgV nicht die - im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 a.E. und
Satz 2 PostG erweiterten - Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung in der
durch § 20 Abs. 1 PostG gebotenen und deshalb von § 4 Abs. 3 PEntgV ver-
langten Weise in ihrem Verhältnis zu dem nach § 4 Abs. 1 PEntgV festgestell-
ten Ausgangsentgeltniveau berücksichtigt. Hiernach muss die Produktivitäts-
fortschrittsrate - auch in ihrem Zusammenspiel mit den anderen Maßgrößen
nach § 4 Abs. 2 PEntgV und unterstützt durch einen Vergleich im Sinne von
§ 4 Abs. 4 PEntgV - so gewählt werden, dass die durch sie definierte Entgelt-
obergrenze für die in einem Korb zusammengefassten Dienstleistungen wäh-
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rend der gesamten Geltungsdauer des Maßgrößenbeschlusses nach der zum
Zeitpunkt des Beschlusserlasses zu erwartenden Entwicklung der Verhältnisse
voraussichtlich nicht oberhalb der durchschnittlichen Kosten der effizienten
Leistungsbereitstellung zuzüglich der darüber hinaus berücksichtigungsfähigen
Kosten liegt. Anders gewendet, muss die Produktivitätsfortschrittsrate unter Be-
rücksichtigung des Ausgangsentgeltniveaus und der Preissteigerungsrate in der
Zeitschiene das Entgelt abbilden, das für eine effiziente Unternehmenstätigkeit
benötigt wird. Die Regulierungsbehörde hat sich in Widerspruch zu diesen
rechtlichen Vorgaben zu einer Entgeltgenehmigung auf der Grundlage einer
bloßen Abwägung der postrechtlichen Regulierungsziele befugt erachtet.
Der Regulierungsbehörde steht allerdings für die Bestimmung der zu erwarten-
den Produktivitätsfortschrittsrate des regulierten Unternehmens nach § 4 Abs. 2
Nr. 2 und Abs. 3 und 4 PEntgV ein Beurteilungsspielraum zu (a.A., jedoch
gleichwohl administrative Einschätzungsspielräume betonend: Sedemund, in:
Badura/von Danwitz/Herdegen/Sedemund/Stern , Beck`scher
PostG-Kommentar, 2. Aufl. 2004, § 21 Rn. 48, Anh. zu § 21, § 4 PEntgV
Rn. 15; für das Telekommunikationsrecht: Stamm, in: Scheurle/Mayen ,
TKG, 2. Aufl. 2008, § 34 Rn. 61 f.). Die Voraussetzungen, die vor dem Hinter-
grund des Art. 19 Abs. 4 GG für die Annahme eines solchen behördlichen
Letztentscheidungsrechts bestehen (vgl. hierzu aus der Rechtsprechung des
Senats zuletzt: BVerwG, Vorlagebeschluss vom 10. Dezember 2014 - 6 C
16.13 - N&R 2015, 173 Rn. 36 ff.), sind erfüllt. Ein derartiges Recht ist im Ge-
setzeswortlaut deutlich angelegt. Nach der Bestimmung des § 21 Abs. 1 Nr. 2
PostG sind die für die Durchführung des Price-Cap-Verfahrens entscheidenden
Maßgrößen innerhalb der durch die Post-Entgeltregulierungsverordnung defi-
nierten abstrakt-generellen Kriterien von der Regulierungsbehörde konkret-
individuell vorzugeben. Ferner besteht ein tragfähiger Sachgrund für eine Re-
duzierung der gerichtlichen Kontrolle dieser behördlichen Vorgaben. Die Regu-
lierungsbehörde hat eine auf die gesamte Geltungsdauer des Maßgrößenbe-
schlusses bezogene, bewertende Prognoseentscheidung darüber zu treffen,
ob, in welchem Umfang und in welcher Frist dem regulierten Unternehmen in
dem jeweiligen ökonomischen Umfeld durch Rationalisierung oder Innovation
eine Steigerung der Produktivität gelingen kann. Für diese Entscheidung ist die
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Regulierungsbehörde, die gemäß § 44 Satz 2 PostG i.V.m. §§ 74 ff. TKG 1996
bzw. §§ 134 ff. TKG 2004 in dem förmlichen Beschlusskammerverfahren ent-
scheidet, personell und verfahrensmäßig prädestiniert. Schließlich steht in An-
betracht der nach der Rechtsprechung des Senats gebotenen gerichtlichen
Kontrolle regulierungsbehördlicher Beurteilungsspielräume (vgl. auch hierzu
nur: BVerwG, Vorlagebeschluss vom 10. Dezember 2014 - 6 C 16.13 - N&R
2015, 173 Rn. 43) die zu gewährleistende Substanz des Rechtsschutzes nicht
in Frage.
Dieser Beurteilungsspielraum ist indes durch § 20 Abs. 1 PostG und § 20
Abs. 2 Satz 1 a.E. und Satz 2 PostG gesetzlich beschränkt. Der Senat hat be-
reits entschieden, dass der in § 20 Abs. 1 PostG enthaltene Maßstab der Kos-
ten der effizienten Leistungsbereitstellung zugleich den Inhalt des Aufschlags-
verbots aus § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PostG bestimmt und insoweit
- vorbehaltlich der Erweiterung durch § 20 Abs. 2 Satz 1 a.E. und Satz 2
PostG - einen bindenden Charakter hat, so dass er die Entgeltobergrenze defi-
niert und nicht lediglich einen Orientierungspunkt für eine weitergehende Prü-
fung darstellt (BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2013 - 6 C 10.11 - BVerwGE 146,
325 Rn. 28 ff.). Nach dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes gilt dieser
- im Sinne von § 20 Abs. 2 Satz 1 a.E. und Satz 2 PostG erweiterte - Maßstab
der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung aus § 20 Abs. 1 PostG mit
seiner das Aufschlagsverbot des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PostG ausfüllenden
Wirkung im Grundsatz unabhängig davon, in welcher Verfahrensart
- Einzelgenehmigung oder Price-Cap - ein postrechtliches Entgelt genehmigt
wird. Dies entspricht für den Bereich des Universaldienstes auch den unions-
rechtlichen Vorgaben. Denn Art. 12 der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vor-
schriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemein-
schaft und die Verbesserung der Dienstequalität (ABl. L 15 S. 14), für den hier
maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch die Richtlinie 2002/39/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juni 2002 (ABl. L 176 S. 21),
schreibt unter anderem die Kostenorientiertheit der Tarife vor, was auf den
Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung deutet (vgl. dazu für
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- 24 -
das Telekommunikationsrecht: BVerwG, Urteil vom 25. September 2013 - 6 C
13.12 - BVerwGE 148, 48 Rn. 19).
Dadurch dass der Gesetzgeber zwei verschiedene Verfahrensarten für die Ent-
geltgenehmigung zur Verfügung gestellt hat, hat er lediglich den für die Funkti-
onsweise dieser Verfahren notwendigen Unterschieden im Hinblick auf die
Wirkkraft des - erweiterten - Maßstabs der Kosteneffizienz Raum gegeben. Dies
bedeutet für das Price-Cap-Verfahren, dass die Genehmigung nicht, wie dies im
Einzelgenehmigungsverfahren nach § 21 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 PostG i.V.m. § 21
Abs. 2 Satz 1 PostG der Fall ist, unmittelbar an der Einhaltung des durch den
besagten Maßstab bestimmten Aufschlagsverbots hängt, sondern durch diesen
Maßstab gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 PostG i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 2
PostG vermittelt über die Maßgrößen des Maßgrößenbeschlusses
- insbesondere die Produktivitätsfortschrittsrate - geprägt wird. Dem ist durch
die Auslegung des § 4 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 und 4 PEntgV in der hier zu Grunde
gelegten Weise Rechnung zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Beigela-
dene hat in allen Rechtszügen Anträge gestellt. Sie ist einerseits gemäß § 154
Abs. 3 VwGO an der Kostentragung zu beteiligen, andererseits entspricht die
Erstattungsfähigkeit ihrer außergerichtlichen Kosten der Billigkeit im Sinne des
§ 162 Abs. 3 VwGO.
Neumann
Richter am BVerwG Dr. Heitz
Dr. Möller
kann wegen Urlaubs nicht
unterschreiben.
Neumann
Hahn
Richter am BVerwG Prof. Dr. Hecker
kann wegen Urlaubs nicht
unterschreiben.
Neumann
44
45
- 25 -
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 5 000 €
festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG).
Neumann
Richter am BVerwG Dr. Heitz
Dr. Möller
kann wegen Urlaubs nicht
unterschreiben.
Neumann
Hahn
Richter am BVerwG Prof. Dr. Hecker
kann wegen Urlaubs nicht
unterschreiben.
Neumann