Urteil des BVerwG vom 09.10.2002

Sammlung, Waffen Und Munition, Firma, Sammler

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IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 6 C 9.02
Verkündet
OVG 2 A 10816/01
am 10. Oktober 2002
Thiele
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 9. Oktober 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht Dr. H a h n , Dr. G e r h a r d t ,
B ü g e und Dr. G r a u l i c h
für Recht erkannt:
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts
Rheinland-Pfalz vom 7. September 2001 wird
aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung
und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht
zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der
Schlussentscheidung vorbehalten.
G r ü n d e :
I.
Der Kläger ist Berufsjäger und Revierjagdmeister. Der Beklagte
erteilte ihm am 30. September 1996 eine Waffenbesitzkarte zur
Sammlung von Faustfeuerwaffen der Firma Mauser, die bis 1900
entwickelt und hergestellt worden sind. Am 27. Januar 1998 än-
derte der Beklagte die Waffenbesitzkarte zur Verbreiterung des
Sammelthemas und erlaubte dem Kläger nunmehr den Erwerb von
Faustfeuerwaffen der Firma Mauser, die bis zum Jahre 1900 ent-
wickelt worden sind.
Am 31. Oktober 1997 beantragte der Kläger eine erneute Erwei-
terung seiner Sammlerberechtigung. Dabei ging es ihm um die
Genehmigung zur Ergänzung des Bestandes bis zur Gegenwart, und
zwar von Faustfeuerwaffen der Firmen Mauser, Walther und Smith
& Wesson. In zwei vom Kläger vorgelegten Gutachten von Waffen-
sachverständigen wurde das Sammelthema konkretisiert. Der Gut-
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achter R. schlug vor, die beiden Mauser- und die 13 Walther-
Kurzwaffen im Besitz des Klägers thematisch folgendermaßen zu
fassen: Faustfeuerwaffen der Firma Mauser von 1878 bis 1943
sowie Pistolen der Firma Walther aus der Zeit von 1908 bis
1945 einschließlich der Ulmer- und Manurhin-Neuauflagen. Der
Gutachter M. unterschied demgegenüber thematisch zwischen der
Ausweitung des Sammelgebiets bezüglich der Waffen der Firma
Mauser und einem neuen Sammelgebiet für Pistolen der Firma
Walther, die bis zum Jahre 1945 entwickelt worden sind. Für
letzteres verfolge der Kläger ein spezielles und schlüssig er-
scheinendes Sammelkonzept.
Der Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 22. Oktober
1998 mit, dass seinem Begehren nicht vor Ablegung einer Sach-
kundeprüfung vor dem staatlichen Prüfungsausschuss bei der Be-
zirksregierung entsprochen werden könne; der bei der Jägerprü-
fung erbrachte Sachkundenachweis reiche für die Anlegung einer
Waffensammlung nicht aus.
Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren eingelegte Klage
ist beim Verwaltungsgericht ohne Erfolg geblieben. Das Ober-
verwaltungsgericht hat den Beklagten unter Zurückweisung der
Berufung des Klägers im Übrigen verpflichtet, die Erteilung
einer Waffenbesitzkarte, die dem Kläger die Sammlung von
Mauser-Kurzwaffen, die bis zum Jahre 1945 entwickelt worden
sind, sowie das Sammeln von Selbstladepistolen der Fa. Walther
aus der Zeit von 1908 bis 1945 einschließlich der Ulmer- und
Manurhin-Neuauflagen gestattet, nicht aus den Gründen der an-
gegriffenen Verwaltungsentscheidungen abzulehnen. Zur Begrün-
dung hat es ausgeführt: Der Kläger habe seine Sachkunde nach-
gewiesen, weil er die Jägerprüfung bestanden habe. Der Sach-
kundenachweis erstrecke sich nicht auf Kenntnisse über das
Sammelgebiet. Die Erteilung einer Waffenbesitzkarte zur Anle-
gung oder Erweiterung einer Sammlung setze als immanentes Ge-
bot des Bedürfnisbegriffs den Nachweis der individuellen Samm-
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lerbefähigung voraus. Sei der Regeltatbestand des § 32 Abs. 1
Nr. 4 WaffG erfüllt, könne die Behörde einen dahin gehenden
Eignungsnachweis jedoch nur verlangen, wenn vernünftige Zwei-
fel an der Sammlerbefähigung bestünden. Der Kläger habe den
Regeltatbestand glaubhaft gemacht. Der Beklagte habe bislang
keine speziellen sammlungsspezifischen Zweifel gegenüber dem
Kläger verlautbart. Dies beruhe möglicherweise auf seinem
rechtsirrigen Standpunkt, dass jedem Waffensammler eine ins
Detail gehende Nachweispflicht bezüglich seiner sammlungsspe-
zifischen Befähigung ohne weiteres obliege. Deshalb habe das
Gericht davon abgesehen, das Vorliegen eines waffenrechtlichen
Bedürfnisses positiv festzustellen.
Der Beklagte verfolgt mit der Revision sein Begehren nach Kla-
geabweisung weiter und führt zur Begründung aus: Der Begriff
der Sachkunde in § 30 Abs. 1 Nr. 2 und § 31 WaffG verlange
nicht lediglich waffentechnische und waffenrechtliche Kennt-
nisse. Aus dem systematischen Zusammenwirken mit den Erlaub-
nisanforderungen in § 28 WaffG ergebe sich, dass der Waffenbe-
sitz nur unter solchen Umständen zu erlauben sei, bei denen
gewährleistet sei, dass die betreffende Person verantwortungs-
voll, zweckentsprechend und ohne Gefahr für die eigene Sicher-
heit und die der Allgemeinheit mit den Waffen umgehe. Die "er-
forderliche Sachkunde" i.S. von § 30 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 31
WaffG müsse im Zusammenhang mit der beantragten Erlaubnis ge-
sehen werden. In § 31 WaffG werde der Begriff der "Sachkunde"
im Übrigen nicht definiert, sondern nur geregelt, auf welche
Weise ihr Nachweis als erbracht angesehen werden könne. Zu-
treffend sei das Oberverwaltungsgericht von dem Erfordernis
eines sammlungsspezifischen Kenntnisnachweises in § 32 Abs. 1
Nr. 4 WaffG ausgegangen. Allerdings trage für das Vorliegen
dieser Kenntnis der Kläger die Nachweispflicht und nicht er,
der Beklagte.
Der Kläger tritt der Revision entgegen.
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II.
Die zulässige Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil
steht mit Bundesrecht insoweit nicht im Einklang, als es über
die Voraussetzungen für die Erteilung der vom Kläger erstreb-
ten Waffenbesitzkarte nicht abschließend entschieden hat. Dies
führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverwei-
sung der Sache an das Oberverwaltungsgericht (§ 137 Abs. 1
Nr. 1, § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
1. Allerdings hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend ange-
nommen, dass der Kläger die für die Erteilung der begehrten
Sammler-Waffenbesitzkarte gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2
Satz 2, § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG erforderliche Sachkunde
besitzt. Der Kläger hat die Jägerprüfung bestanden. Damit gilt
die Sachkunde gemäß § 31 Abs. 2 WaffG, § 32 Abs. 1 Nr. 1
Buchst. a 1. WaffV als nachgewiesen. Entgegen der Ansicht der
Revision erstreckt sich der Nachweis der Sachkunde nicht auf
die Kenntnisse, die von einem Waffensammler in Bezug auf sein
Sammelgebiet zu fordern sind. Diese Kenntnisse sind daher
nicht gemäß § 31 Abs. 1 WaffG durch Bestehen der in dieser
Vorschrift vorgesehenen Prüfung oder durch eine Tätigkeit oder
Ausbildung nachzuweisen. Dementsprechend kann der Nachweis der
Sachkunde auch von Waffensammlern durch das Bestehen der Jä-
gerprüfung erbracht werden.
Die in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG aufgeführten Vorausset-
zungen für die Erteilung einer Waffenbesitzkarte (Zuverlässig-
keit, Sachkunde und körperliche Eignung) bezwecken, dass nur
solche Antragsteller in den Besitz von Schusswaffen kommen,
die mit ihnen sicher umgehen können. Der Sachkundenachweis hat
danach ausschließlich die Zielrichtung konkreter Gefahrenvor-
beugung. Dies wird durch die nähere Regelung der Sachkunde in
§ 31 WaffG bestätigt, auch wenn diese Vorschrift keine unmit-
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telbare Aussage über den Gegenstand der Sachkunde trifft. Wäh-
rend § 31 Abs. 1 WaffG deren Nachweis grundsätzlich regelt,
wird der Bundesminister des Innern in Absatz 2 ermächtigt,
durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Vor-
schriften über die Anforderungen an die waffentechnischen und
waffenrechtlichen Kenntnisse, über die Prüfung und das Prü-
fungsverfahren einschließlich der Einrichtung von Prüfungs-
ausschüssen sowie über den anderweitigen Nachweis der Sachkun-
de zu erlassen. Damit setzt der Gesetzgeber voraus, dass die
Sachkunde im unmittelbaren Anwendungsbereich der § 30 Abs. 1
Nr. 2, § 31 WaffG (nur) waffentechnische und waffenrechtliche
Kenntnisse umfasst (anderes mag bei der in § 41 Abs. 1 Satz 2
WaffG angeordneten entsprechenden Anwendung gelten; vgl. § 29
Abs. 3 1. WaffV). Dem entspricht die Verordnungslage. § 29
Abs. 1 1. WaffV bestimmt, dass die in der Prüfung nach § 31
Abs. 1 WaffG nachzuweisende Sachkunde ausreichende Kenntnisse
über die Handhabung der Schusswaffe und den Umgang mit Muniti-
on, über die Reichweite und Wirkungsweise der Geschosse sowie
über die wichtigsten Vorschriften über den Umgang mit Waffen
und Munition sowie über Notwehr und Notstand umfasst. Die
nachzuweisenden Kenntnisse brauchen gemäß § 29 Abs. 2
1. WaffV nur für die Schusswaffen- und Munitionsart nachgewie-
sen zu werden, für die die Erlaubnis beantragt wird. Da die in
§ 29 Abs. 1 1. WaffV genannten Kenntnisse im Wesentlichen
auch Gegenstand der Jägerprüfung sind (vgl. § 15 Abs. 5 Satz 1
BJagdG), kann deren Bestehen als Nachweis der Sachkunde gelten
(§ 32 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a 1. WaffV).
Der von der Revision insbesondere unter Berufung auf Nr. 31.1
WaffVwV geforderte Nachweis auf die beabsichtigte Sammlung be-
zogener Kenntnisse wird von der dargelegten Zielsetzung des
Sachkundenachweises nicht umfasst. Soweit die Revision vor-
trägt, es müsse gewährleistet sein, dass der Sammler nicht in
Randbereichen seines Sammlungsthemas mit nach dem Waffen- oder
gar dem Kriegswaffenkontrollgesetz verbotenen Gegenständen in
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Konflikt gerät, rechtfertigt dies keinen gesonderten Kenntnis-
nachweis. Insoweit genügt zur Gefahrenvorbeugung das zur all-
gemeinen Sachkunde gehörende waffenrechtliche Wissen gemäß
§ 29 Abs. 1 Nr. 3 1. WaffV. Auf die Sammlung bezogene Kennt-
nisse historischer oder technischer Art sind nicht für den
Nachweis der Befähigung zum sicheren Umgang mit den Waffen von
Bedeutung, sondern für den Nachweis eines berechtigten Inte-
resses am Waffenbesitz, das das angesichts der abstrakten Ge-
fährlichkeit jeglichen Waffenbesitzes bestehende öffentliche
Interesse überwiegt, dass möglichst wenige Waffen "ins Volk"
kommen. Diese Fragestellung ist nach der Systematik des Waf-
fengesetzes der Prüfung des Bedürfnisses zugeordnet.
2. Dem Oberverwaltungsgericht ist ferner im Ausgangspunkt zu-
zustimmen, dass der Nachweis des Bedürfnisses für die Anlage
oder Erweiterung einer kulturhistorisch bedeutsamen Sammlung
von Schusswaffen (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 32 Abs. 1 Nr. 4
WaffG) die sog. "Sammlerbefähigung" des Antragstellers um-
fasst. Das Oberverwaltungsgericht hat es jedoch zu Unrecht un-
terlassen, die Sache insoweit spruchreif zu machen (§ 113
Abs. 5 Satz 1 VwGO).
a) Die Waffenbesitzkarte ist zu versagen, wenn ein Bedürfnis
nicht nachgewiesen ist (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WaffG). Die
Bedürfnisprüfung dient dem Ziel, die Zahl der Waffenbesitzer
sowie die Art und Zahl der in Privatbesitz befindlichen
Schusswaffen auf das unbedingt und mit Rücksicht auf die Inte-
ressen der öffentlichen Sicherheit vertretbare Maß zu be-
schränken (BTDrucks VI/2678 S. 31; stRspr; vgl. Urteil vom
13. Juli 1999 – BVerwG 1 C 5.99 – Buchholz 402.5 WaffG Nr. 85,
S. 7 f. ). In § 32 Abs. 1 WaffG sind Fälle aufgeführt, in de-
nen "insbesondere" ein Bedürfnis vorliegt. Gemäß § 32 Abs. 1
Nr. 4 WaffG liegt ein Bedürfnis vor, wenn der Antragsteller
glaubhaft macht, als Waffensammler oder Munitionssammler wis-
senschaftlich oder technisch tätig zu sein oder durch den Er-
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werb eine kulturhistorisch bedeutsame Sammlung anzulegen oder
zu erweitern, sofern diese gegen unbefugten Zugriff genügend
gesichert ist. In diesen Fällen wird bestimmten anderen Inte-
ressen der Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse einge-
räumt, den privaten Waffenbesitz möglichst zu beschränken. Die
in § 32 Abs. 1 Nr. 4 WaffG erwähnten Interessen unterscheiden
sich von rein privaten Interessen ("Hobby"). Sie weisen Bezüge
zu objektiven Interessen der Allgemeinheit auf. Diese recht-
fertigen die waffenrechtliche Privilegierung, auch wenn die
jeweilige Sammlertätigkeit der Allgemeinheit nicht unmittelbar
und konkret greifbar von Nutzen sein muss. Dies gilt sowohl
für wissenschaftliche und technische Tätigkeiten als auch für
diejenigen Sammlertätigkeiten, die der Kulturgeschichte die-
nen. Ist der Antragsteller nicht willens oder nicht in der La-
ge, wissenschaftlich oder technisch tätig zu sein oder die
Waffen- oder Munitionssammlung nach kulturhistorischen Ge-
sichtspunkten anzulegen oder zu erweitern, fehlt der Grund für
die waffenrechtliche Privilegierung. Die Waffenbesitzkarte ist
dementsprechend zu versagen, wenn der Antragsteller nicht
glaubhaft macht, in der Lage zu sein, das kulturhistorische
Anliegen der angestrebten Sammlung zu verwirklichen, und die-
ses Ziel ernsthaft zu verfolgen (grundsätzlich zu den Voraus-
setzungen des § 32 Abs. 1 Nr. 4 WaffG Urteil vom 6. September
1988 – BVerwG 1 C 28.86 – Buchholz 402.5 Nr. 51). Dabei sind
die Anforderungen an den Nachweis der Kenntnisse desjenigen,
der eine kulturhistorisch bedeutsame Sammlung anlegen will,
grundsätzlich nicht geringer als die, die an den Nachweis ei-
ner wissenschaftlichen oder technischen Tätigkeit zu stellen
sind (vgl. Nr. 32.4.1.1 und 32.4.1.2 WaffVwV). Allerdings
hängt es von den konkreten Umständen ab, über welche Kenntnis-
se der Antragsteller verfügen muss. Sie werden - die nötige
Ernsthaftigkeit des Sammlers vorausgesetzt - bei der Neuanlage
einer Sammlung nicht das Niveau haben können, das bei einem
Antrag auf Sammlungserweiterung zu erwarten ist.
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Ferner werden Differenzierungen nach den zeitlichen und sach-
lichen Dimensionen des Sammelgebietes angezeigt sein.
Nach dem Gesagten sind die zuständigen Behörden nicht befugt,
von einem Antragsteller zum Nachweis seiner "Sammlerbefähi-
gung" die Ablegung einer Prüfung vor dem Prüfungsausschuss
nach § 31 Abs. 1 WaffG, § 30 Abs. 1 1. WaffV zu verlangen.
Vielmehr haben sie den Sachverhalt nach allgemeinen verwal-
tungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen (vgl. § 24 Abs. 1 und 2
VwVfG) zu ermitteln und über den Antrag anhand aller Umstände
des Einzelfalls zu entscheiden. Hat der Antragsteller das The-
ma der angestrebten Sammlung selbst entwickelt und unter Dar-
legung eigener Kenntnisse begründet und ergeben sich keine ge-
genteiligen Anhaltspunkte aus einer fachkundigen Begutachtung,
werden die Behörden in der Regel ohne weiteres von der "Samm-
lerbefähigung" des Antragstellers ausgehen können. Besteht
hingegen der Verdacht, dass die angestrebte und als solche den
Anforderungen des § 32 Abs. 1 Nr. 4 WaffG genügende Sammlung
lediglich den Vorwand dafür bildet, Schusswaffen oder Munition
anzusammeln oder eine vorhandene Ansammlung zu erweitern, sind
weitere Ermittlungen angezeigt. Die Behörde kann sich der von
ihr für erforderlich gehaltenen Beweismittel bedienen (vgl.
§ 26 VwVfG); mit Einverständnis des Antragstellers kommt auch
eine „Prüfung“ vor dem erwähnten Prüfungsausschuss in Be-
tracht. Unausräumbare Zweifel gehen gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1
Nr. 3, § 32 Abs. 1 WaffG zu Lasten des Antragstellers.
b) Die Verwaltungsgerichte überprüfen in vollem Umfang, ob im
Streitfall ein Bedürfnis i.S. von § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3,
§ 32 Abs. 1 WaffG gegeben ist. Abgesehen von der durch eine
Prüfung vor dem dafür bestimmten Prüfungsausschuss nachzuwei-
senden Sachkunde (§ 31 Abs. 1 WaffG, § 30 1. WaffV; vgl. Ur-
teil vom 8. Dezember 1992 - BVerwG 1 C 5.92 - Buchholz 402.5
WaffG Nr. 66 S. 57) unterliegen sämtliche Voraussetzungen für
die Erteilung einer Waffenbesitzkarte uneingeschränkter ge-
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richtlicher Überprüfung. Erhebt ein Antragsteller Verpflich-
tungsklage mit dem Ziel der Erteilung einer Waffenbesitzkarte,
hat das Gericht die tatbestandlichen Voraussetzungen - von der
genannten Ausnahme abgesehen - umfassend zu untersuchen und
die Sache spruchreif zu machen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das
geltende Waffenrecht bietet keinen Ansatzpunkt dafür, dass die
vom Oberverwaltungsgericht im vorliegenden Zusammenhang ange-
nommenen "Indizwirkungen" und "Eignungszweifel" über den Be-
reich der behördlichen bzw. gerichtlichen Überzeugungsbildung
hinaus von Bedeutung und für das gerichtliche Prüf- und Ent-
scheidungsprogramm bestimmend sein könnten.
Das Oberverwaltungsgericht hat gegen die Pflicht verstoßen,
die Sache spruchreif zu machen. Es hat sich nicht für befugt
und erst recht nicht für verpflichtet angesehen, ohne die Dar-
legung von Tatsachen, die gegen die "Sammlerbefähigung" des
Klägers sprechen, seitens des Beklagten diese Voraussetzung
der begehrten Waffenbesitzkarte zu prüfen und über ihr Vorlie-
gen abschließend zu entscheiden. Darin liegt, wie dargelegt,
ein Verstoß gegen das materielle Recht, nach dem sich der Ge-
genstand der gerichtlichen Überprüfung bestimmt.
Das angefochtene Urteil beruht auf diesem Rechtsfehler. Hätte
das Oberverwaltungsgericht die "Sammlerbefähigung" des Klägers
untersucht, hätte es möglicherweise die Berufung des Klägers
zurückgewiesen und damit dem Klageabweisungsbegehren des Be-
klagten entsprochen. Dies muss zur Zurückverweisung der Sache
an das Oberverwaltungsgericht zur anderweitigen Verhandlung
und Entscheidung führen. Bereits im Hinblick auf die erstin-
stanzlichen Ausführungen lässt sich nicht ausschließen, dass
der Kläger die subjektiven Voraussetzungen für die Erteilung
der von ihm begehrten Sammler-Waffenbesitzkarte nicht erfüllt.
Die erforderliche Würdigung der tatsächlichen Umstände ist dem
Oberverwaltungsgericht vorbehalten.
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c) Auf die namentlich vom Vertreter des Bundesinteresses beim
Bundesverwaltungsgericht angeschnittene Frage, ob die vom Klä-
ger beabsichtigte Sammlung als kulturhistorisch bedeutsam an-
gesehen werden kann, kommt es in diesem Revisionsverfahren
nicht an. Die vorliegende Entscheidung steht einer Behandlung
dieser Frage im Rahmen der erneuten Verhandlung vor dem Ober-
verwaltungsgericht nicht entgegen.
3. Die Entscheidung über die Kosten muss der Schlussentschei-
dung vorbehalten bleiben.
Bardenhewer Hahn Gerhardt
Richter am Bundes- Graulich
verwaltungsgericht
Büge kann wegen
Urlaubs nicht unter-
schreiben
Bardenhewer
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 11 760 € (entspricht
23 000 DM) festgesetzt.
Bardenhewer Gerhardt Graulich
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Waffenrecht
Fachpresse:
ja
Rechtsquellen:
WaffG § 28 Abs. 2 Satz 2, § 32 Abs. 1 Nr. 4
Stichworte:
Waffensammlung; Bedürfnis; Ernsthaftigkeit; sammlungsspezifi-
sche Kenntnisse.
Leitsatz:
Die Erteilung einer Sammler-Waffenbesitzkarte setzt sammlungs-
spezifische Kenntnisse des Antragstellers voraus, von deren
Vorliegen sich die zuständige Behörde nach allgemeinen verwal-
tungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen zu überzeugen hat.
Urteil des 6. Senats vom 10. Oktober 2002 - BVerwG 6 C 9.02
I. VG Neustadt an der Weinstraße vom 13.03.2000
- Az.: VG 5 K 1089/99.NW -
II. OVG Rheinland-Pfalz vom 07.09.2001
- Az.: OVG 2 A 10816/01 -