Urteil des BVerwG vom 14.11.2007

Waffen Und Munition, Besitz, Anwendungsbereich, Beschränkung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Verkündet
BVerwG 6 C 8.07
am 14. November 2007
VGH 1 S 2698/06
Thiele
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn,
Dr. Graulich, Vormeier und Dr. Bier
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwal-
tungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 19. Januar
2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e :
I
Der Kläger ist Sportschütze und Inhaber einer sog. Gelben Waffenbesitzkarte
für Sportschützen nach § 14 Abs. 4 WaffG, die das Landratsamt Heidenheim
ihm am 15. September 2004 erteilt hat. Die Erlaubnis enthält folgende Be-
schränkung: „Innerhalb von sechs Monaten dürfen nicht mehr als zwei
Schusswaffen erworben werden. Eine Ausnahme hiervon bedarf der vorherigen
Zustimmung der Erlaubnisbehörde.“
Gegen diese Erwerbsbeschränkung legte der Kläger Widerspruch ein, der
durch Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10. Ja-
nuar 2005 zurückgewiesen wurde.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat die Klage mit Urteil vom 9. Oktober 2006
abgewiesen.
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Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom
19. Januar 2007 im Wesentlichen aus folgenden Gründen zurückgewiesen:
Die Klage sei als Anfechtungsklage zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger
könne die in seiner Waffenbesitzkarte vorgenommene zeitliche Erwerbsbe-
schränkung gesondert anfechten, weil es sich dabei um eine Nebenbestim-
mung in Form einer Auflage nach § 36 Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG handele. Die iso-
lierte Aufhebung dieser Nebenbestimmung sei jedoch mit materiellem Recht
nicht vereinbar. Auch der Erwerb der in § 14 Abs. 4 WaffG genannten Waffen,
für den organisierten Sportschützen im Sinne von § 14 Abs. 2 WaffG eine un-
befristete Erlaubnis erteilt werde, unterliege dem Gebot des § 14 Abs. 2 Satz 3
WaffG. Dies ergebe sich aus Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck der
Vorschrift. Die Gesetzgebungsgeschichte stehe dieser Auslegung nicht entge-
gen.
§ 14 Abs. 2 WaffG regelte für alle Mitglieder eines Schießsportvereins, der
einem anerkannten Schießsportverband angehörte, das Bedürfnis für den Er-
werb und Besitz von Schusswaffen und der dafür bestimmten Munition, ohne
dass sich Einschränkungen ergäben. Das Bedürfnis nach § 14 Abs. 2 WaffG
habe dabei zum einen eine personelle Komponente, zum anderen würden an
Art und Anzahl der zu erwerbenden Waffen bestimmte Anforderungen gestellt.
Das darin eingebundene sog. Erwerbsstreckungsgebot beziehe sich ohne Ein-
schränkung auf sämtliche Arten von Schusswaffen. Zu diesen zählten nach § 1
Abs. 2 Nr. 1 WaffG i.V.m. § 1 Abs. 4 WaffG und Anl. 1 Abschn. 1 Unter-
abschn. 1 Nr. 1.1 zum Waffengesetz nach der dort enthaltenen Legaldefinition
auch die in § 14 Abs. 4 WaffG genannten Waffen. Die Art der Erwerbsberechti-
gung als Sportschütze sei nach dem Wortlaut der Regelung unerheblich. Das
Gebot in § 14 Abs. 2 Satz 3 WaffG sei als Regel formuliert und könne daher nur
in begründeten Ausnahmefällen durchbrochen werden.
Entsprechendes gelte für § 14 Abs. 4 WaffG. Gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 WaffG
werde Sportschützen nach § 14 Abs. 2 WaffG abweichend von § 10 Abs. 1
Satz 3 WaffG für vier im Einzelnen bestimmte Waffenarten eine unbefristete
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Erlaubnis erteilt. Die Regelung enthalte nach ihrem Wortlaut lediglich eine Aus-
nahme von § 10 Abs. 1 Satz 3 WaffG, der die Gültigkeit einer Erlaubnis zum
Erwerb auf ein Jahr befriste. Abweichend hiervon werde die Erlaubnis zum Er-
werb der in § 14 Abs. 4 WaffG genannten Waffenarten ohne diese zeitliche
Begrenzung erteilt. Weitere Ausnahmen seien nicht vorgesehen. Allein die Er-
teilung einer unbefristeten Erwerbserlaubnis besage nichts darüber, wie viele
der in § 14 Abs. 4 WaffG genannten Waffen innerhalb welchen Zeitraums er-
worben werden dürften. Mit ihr sei daher auch keine Berechtigung verbunden,
die dort genannten Waffen in beliebiger Anzahl und ohne zeitliche und men-
genmäßige Beschränkung zu erwerben. Mit der Formulierung „Sportschützen
nach Abs. 2“ nehme § 14 Abs. 4 WaffG umfassend auf § 14 Abs. 2 WaffG Be-
zug. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn der Begriff des Sportschützen
in § 14 Abs. 2 WaffG durch eine Legaldefinition festgelegt worden sei. Dies sei
jedoch anders als beim Begriff des Jägers (§ 13 Abs. 1 WaffG) nicht der Fall.
Dies bedeute, dass der gesamte § 14 Abs. 2 WaffG auch für § 14 Abs. 4 WaffG
Bedeutung erlange. Hätte der Gesetzgeber nur auf den persönlichen Status der
Sportschützen hinweisen wollen, so hätte es nahegelegen, dies durch eine
Beschränkung auf § 14 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1 WaffG zum Ausdruck zu
bringen.
Auch aus der Systematik des Gesetzes folge eine Geltung des Gebots des § 14
Abs. 2 Satz 3 WaffG für die in § 14 Abs. 4 WaffG genannten Schusswaffen. Die
§§ 13 bis 20 WaffG enthielten besondere Erlaubnistatbestände für bestimmte
Personengruppen. Innerhalb dieser Bestimmungen stelle § 14 WaffG eine
Sondervorschrift für organisierte Sportschützen dar. § 14 Abs. 1 WaffG enthalte
eine spezialgesetzliche Regelung über das Alterserfordernis für den Erwerb und
Besitz von Schusswaffen und Munition zum Zweck des sportlichen Schießens.
Diese Regelung sei erst spät in den Gesetzentwurf übernommen und dem ur-
sprünglich als § 14 Abs. 1 WaffG konzipierten, jetzigen § 14 Abs. 2 WaffG
vorangestellt worden. Dies erkläre, warum erst der § 14 Abs. 2 WaffG eine
allgemeine für alle folgenden Absätze geltende Regelung enthalte, durch die
der Begriff des Sportschützen und das Bedürfnis allgemein, d.h. in grund-
sätzlicher Weise in diesem Absatz umschrieben und festgelegt würden. Für
nichtorganisierte Sportschützen gelte diese Regelung nicht. Sie könnten nicht
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die Erleichterungen und Vorteile in Anspruch nehmen, die organisierten Sport-
schützen im Sinne von § 14 Abs. 2 WaffG eingeräumt seien. Der allgemeinen
Regelung in § 14 Abs. 2 WaffG schlössen sich Sonderregelungen in § 14
Abs. 3 und 4 WaffG an. § 14 Abs. 3 WaffG betreffe Fälle, in denen über das
Regelbedürfnis hinaus Waffen erworben und besessen werden sollten. Der
Gesetzgeber gestehe dem organisierten Sportschützen bis zu drei halbautoma-
tische Langwaffen und zwei mehrschüssige Kurzwaffen zuzüglich der dazuge-
hörigen Munition als Grundbedürfnis zu (sog. Sportschützen-Kontingent), das
lediglich durch eine Bedürfnisbescheinigung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 WaffG
glaubhaft zu machen sei. Eine Überschreitung dieses Kontingents setze hinge-
gen einen qualifizierten Bedürfnisnachweis nach Maßgabe des § 14 Abs. 3
WaffG voraus. § 14 Abs. 4 WaffG enthalte für den Bereich des organisierten
Sportschützenwesens einen weiteren Sonderfall. In Satz 1 habe der Gesetzge-
ber für den Erwerb bestimmter Waffen, denen er eine geringere Bedeutung im
Zusammenhang mit Straftaten beigemessen habe, eine Erwerbserlaubnis in
nicht befristeter Form vorgesehen. Es handele sich dabei um eine auf den As-
pekt der Geltungsdauer der Erlaubnis zum Erwerb begrenzte und nicht etwa
eine abschließende Regelung für die dort genannten Waffen. Der allgemeinen
Regel in § 14 Abs. 2 Satz 3 WaffG entsprechend sei daher das sog. Erwerbs-
streckungsgebot sowohl für die Fälle des § 14 Abs. 3 WaffG als auch für dieje-
nigen des § 14 Abs. 4 WaffG anwendbar.
Sinn und Zweck des Erwerbsstreckungsgebots sprächen ebenfalls für seine
Anwendung auch in den Fällen des § 14 Abs. 4 WaffG. Mit der Regelung des
§ 14 Abs. 2 Satz 3 WaffG werde der Zweck verfolgt, durch eine zeitliche Stre-
ckung der Erwerbsmöglichkeiten für alle Arten von Schusswaffen das Anlegen
von Waffensammlungen unter dem Deckmantel des Sportschützentums zu
verhindern oder zumindest zu erschweren (BTDrucks 14/7758 S. 63). Auch
weniger deliktrelevante Waffen wie die in § 14 Abs. 4 WaffG genannten Waf-
fenarten begründeten eine erhöhte Gefahr für die Allgemeinheit. So könnten
etwa Nachlässigkeiten bei der Aufbewahrung Sicherheitsrisiken nach sich zie-
hen, weil hierdurch unbefugten Personen der Zugang zu den Waffen ermöglicht
werde. Die mit dem Erwerbsstreckungsgebot verfolgte Intention füge sich ein in
das allgemeine Ziel des Waffenrechts, die Verbreitung von Schusswaffen ein-
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zudämmen und die Ausnahmen streng zu regulieren. Ein unbeschränkter Er-
werb in den Fällen des § 14 Abs. 4 WaffG würde daher nicht in Einklang mit der
Absicht der Neuregelung des Waffengesetzes und dem noch immer gültigen
Grundsatz stehen, „so wenig Waffen wie möglich ins Volk“ gelangen zu lassen.
Entgegen der Auffassung des Klägers führe auch die Gesetzgebungsgeschich-
te nicht zu einer anderen Einschätzung.
Mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt der Kläger
unter Wiederholung und Vertiefung seiner Rechtsauffassung sein Begehren
weiter und stellt hilfsweise einen Verpflichtungsantrag auf Erteilung einer unbe-
schränkten waffenrechtlichen Erlaubnis.
Der Beklagte tritt der Revision entgegen.
Der Vertreter des Bundesinteresses unterstützt die Rechtsauffassung des Be-
klagten.
II
1. Die zulässige Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil verletzt
zwar mit seinen Ausführungen zur zulässigen Klageart Bundesrecht, erweist
sich aber in der Sache als zutreffend. Der der Waffenbesitzkarte des Klägers
beigefügte Zusatz entspricht der Rechtslage.
a) Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs steht für das
Begehren des Klägers nicht die Anfechtungs- (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO), son-
dern die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) als geeignete und zu-
lässige Klageart zur Verfügung.
Wie sich aus der Bezugnahme auf § 14 Abs. 4 des Waffengesetzes (Art. 1 des
Gesetzes zur Neuregelung des Waffenrechts vom 11. Ok-
tober 2002 ) - WaffG 2002 - ergibt, erlaubt die Waffenbesitz-
karte des Klägers diesem den Erwerb einer unbestimmten Anzahl von Schuss-
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waffen, jedoch mit der auf § 14 Abs. 2 Satz 3 WaffG 2002 gestützten Ein-
schränkung, dass innerhalb von sechs Monaten in der Regel nicht mehr als
zwei Waffen erworben werden dürfen. Gegen diese Einschränkung, die verkür-
zend (und wegen ihres Zusammenhangs mit der Erlaubnispflicht nicht in jeder
Hinsicht zutreffend) als „Erwerbsstreckungsgebot“ bezeichnet wird, wehrt sich
der Kläger mit der vorliegenden Klage. Da sie die inhaltliche Reichweite der
gemäß § 2 Abs. 2 WaffG 2002 für alle künftigen Erwerbsfälle erforderlichen
Erlaubnis begrenzt - nach dem Inhalt der Waffenbesitzkarte ist dem Kläger der
Erwerb von mehr als zwei Waffen innerhalb von sechs Monaten nicht gestat-
tet -, handelt es sich nicht um eine selbstständig anfechtbare Auflage im Sinne
des § 36 Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG. Vielmehr erstrebt der Kläger mit seiner Klage
eine Erlaubnis, deren Gestattungswirkung über den bisherigen Erlaubnisinhalt
hinausgeht, d.h. eine Waffenbesitzkarte ohne die in Rede stehende Einschrän-
kung. Ein solches Klagebegehren ist im Wege der Verpflichtungsklage zu ver-
folgen (vgl. Urteil vom 17. Juni 1999 - BVerwG 3 C 20.98 - Buchholz 418.15
Rettungswesen Nr. 9 = GewArch 2000, 62 <63>). Demnach ist die Klage des
Klägers zwar nicht mit dem bereits in den Vorinstanzen gestellten Anfech-
tungsantrag, wohl aber mit dem erstmals im Revisionsverfahren hilfsweise ge-
stellten Verpflichtungsantrag zulässig. Da sein Klagebegehren in der Revisions-
instanz mit dem vorinstanzlichen Klagebegehren übereinstimmt, war er nicht
durch das Verbot der Klageänderung in der Revisionsinstanz (§ 142 VwGO) an
der Stellung des Hilfsantrags gehindert.
b) Die Klage hat aber auch mit dem Hilfsantrag keinen Erfolg. Der Kläger hat
keinen Anspruch darauf, dass die Waffenbesitzkarte ohne einen Ausspruch des
Erwerbsstreckungsgebots erteilt wird.
aa) Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 WaffG 2002 wird die Erlaubnis zum Erwerb und
Besitz von Waffen durch eine Waffenbesitzkarte oder durch Eintragung in eine
bereits vorhandene Waffenbesitzkarte erteilt. Nach § 10 Abs. 1 Satz 3 WaffG
2002 gilt die Erlaubnis zum Erwerb einer Waffe für die Dauer eines Jahres, die
Erlaubnis zum Besitz wird in der Regel unbefristet erteilt. Wer eine Erlaubnis
nach § 10 Abs. 1 Satz 1 WaffG 2002 erwirbt, hat gemäß § 10 Abs. 1 Satz 4
WaffG 2002 binnen zwei Wochen der zuständigen Behörde den Erwerb schrift-
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lich anzuzeigen und seine Waffenbesitzkarte zur Eintragung des Erwerbs vor-
zulegen. Eine Erlaubnis setzt nach § 4 Abs. 1 WaffG 2002 u.a. voraus, dass der
Antragsteller ein Bedürfnis nachgewiesen hat (Nr. 4). Gemäß § 8 Abs. 1 WaffG
2002 ist der Nachweis des Bedürfnisses erbracht, wenn gegenüber den Belan-
gen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung besonders anzuerkennende
Interessen, vor allem u.a. als Sportschütze, und die Geeignetheit und Erforder-
lichkeit der Waffe für den beantragten Zweck glaubhaft gemacht sind.
Gemäß § 14 Abs. 2 WaffG 2002 wird ein Bedürfnis für den Erwerb und Besitz
von Schusswaffen und der dafür bestimmten Munition bei Mitgliedern eines
Schießsportvereins anerkannt, der einem nach § 15 Abs. 1 WaffG 2002 aner-
kannten Schießsportverband angehört (Satz 1). Durch eine Bescheinigung des
Schießsportverbandes oder eines ihm angegliederten Teilverbandes ist glaub-
haft zu machen, dass das Mitglied seit mindestens zwölf Monaten den Schieß-
sport in einem Verein regelmäßig als Sportschütze betreibt und die zu erwer-
bende Waffe für eine Sportdisziplin nach der Sportordnung des Schießsport-
verbandes zugelassen und erforderlich ist (Satz 2). Innerhalb von sechs Mona-
ten dürfen in der Regel nicht mehr als zwei Schusswaffen erworben werden
(Satz 3). Gemäß § 14 Abs. 3 WaffG 2002 wird ein Bedürfnis von Sportschützen
nach Absatz 2 für den Erwerb und Besitz von mehr als drei halbautomatischen
Langwaffen und mehr als zwei mehrschüssigen Kurzwaffen für Patronenmuni-
tion sowie die hierfür erforderliche Munition durch Vorlage einer Bescheinigung
des Schießsportverbandes des Antragstellers glaubhaft gemacht, wonach die
weitere Waffe von ihm zur Ausübung weiterer Sportdisziplinen benötigt wird
oder zur Ausübung des Wettkampfsports erforderlich ist. § 14 Abs. 4 WaffG
2002 bestimmt, dass Sportschützen nach Absatz 2 abweichend von § 10 Abs. 1
Satz 3 WaffG 2002 eine unbefristete Erlaubnis erteilt wird, die zum Erwerb von
Einzellader-Langwaffen mit gezogenen Läufen, von Repetier-Langwaffen mit
gezogenen Läufen sowie von einläufigen Einzellader-Kurzwaffen für
Patronenmunition und von mehrschüssigen Kurz- und Langwaffen mit Zünd-
hütchenzündung (Perkussionswaffen) berechtigt (Satz 1). Die Eintragung von
Waffen, die aufgrund dieser unbefristeten Erlaubnis erworben werden, in die
Waffenbesitzkarte ist durch den Erwerber binnen zwei Wochen zu beantragen
(Satz 2).
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bb) Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, gilt das sog. Erwerbsstre-
ckungsgebot des § 14 Abs. 2 Satz 3 WaffG 2002 auch im Anwendungsbereich
des § 14 Abs. 4 WaffG 2002. Das folgt vor allem aus der Systematik und dem
Sinn und Zweck der Norm. Der gegenteiligen Auffassung (vgl. Steindorf, Waf-
fenrecht, 8. Aufl. 2007, § 14 Rn. 6) vermag der Senat nicht zu folgen.
(1) Der Wortlaut deutet zwar in mehrfacher Hinsicht auf die Geltung des Er-
werbsstreckungsgebots im Anwendungsbereich des § 14 Abs. 4 WaffG 2002,
ist aber auch offen für ein Verständnis dahin, dass § 14 Abs. 2 Satz 3 WaffG
2002 dort nicht Geltung beanspruchen kann.
Das Erwerbsstreckungsgebot des § 14 Abs. 2 Satz 3 WaffG 2002 bezieht sich
auf „Schusswaffen“. Zu den „Schusswaffen“ gehören alle Waffen, die in § 1
Abs. 2 Nr. 1 WaffG 2002 i.V.m. § 1 Abs. 4 WaffG 2002 und Anl. 1 Abschn. 1
Unterabschn. 1 Nr. 1.1 zum Waffengesetz als Schusswaffen definiert sind. Eine
Einschränkung auf bestimmte Waffen ist der Bestimmung nicht zu entnehmen.
Der Wortlaut des § 14 Abs. 2 WaffG 2002 schließt danach die Waffen, die § 14
Abs. 4 WaffG 2002 auflistet, nicht aus. Hinzu kommt, dass § 14 Abs. 4 WaffG
2002 als Erlaubnisnehmer „Sportschützen nach Absatz 2“ vorsieht. Damit kann
Bezug genommen worden sein auf die dort enthaltene Umschreibung des be-
troffenen Personenkreises als „Mitglieder eines Schießsportvereins, der einem
nach § 15 Abs. 1 anerkannten Schießsportverband angehört“. Andererseits ist
die Bezugnahme auf Absatz 2 nicht auf Teile dieses Absatzes beschränkt. Das
spricht dafür, dass in § 14 Abs. 4 WaffG 2002 die Gesamtregelung des Absat-
zes 2 einschließlich des Satzes 3 aufgegriffen worden ist.
(2) Die Normsystematik des § 14 WaffG 2002 lässt darauf schließen, dass das
Erwerbsstreckungsgebot für alle Erlaubnistatbestände der Vorschrift gelten soll.
Die Vorschrift regelt Voraussetzungen zur Erteilung einer Erlaubnis für Erwerb
und Besitz von Schusswaffen und Munition zum Zwecke des sportlichen
Schießens. Absatz 1 enthält ein Alterserfordernis, das mit einem von seiner
Grundregelung abweichenden Tatbestand für bestimmte Waffen verknüpft ist.
Er stellt damit eine Verschärfung gegenüber den Anforderungen des § 4 Abs. 1
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Nr. 1 WaffG 2002 dar. Dass dieser Absatz im gesamten Anwendungsbereich
des § 14 WaffG 2002 gelten muss, ist nicht zweifelhaft. § 14 Abs. 2 WaffG 2002
erkennt für Mitglieder eines Schießsportvereins, der einem anerkannten
Schießsportverband angehört, ein Bedürfnis für den Erwerb und Besitz von
Schusswaffen und der dafür bestimmten Munition an. Damit füllt diese Vor-
schrift § 4 Abs. 1 Nr. 4 WaffG 2002 aus und ergänzt § 8 WaffG 2002. § 14
Abs. 2 WaffG 2002 erkennt ein Bedürfnis bei bestimmten organisierten Sport-
schützen an, ohne die Anzahl der Waffen zu bestimmen, für die das Bedürfnis
anerkannt wird. Hinsichtlich der Art der Waffen wird auf die Zulassung und die
Erforderlichkeit der zu erwerbenden Waffe für eine Sportdisziplin abgestellt.
Erst aus dem Zusammenhang mit Absatz 3 und Absatz 4 ergibt sich, für welche
Arten von Waffen und in welchem Umfang das Bedürfnis anerkannt wird. Aus
§ 14 Abs. 3 WaffG 2002 ist abzuleiten, dass der Erwerb der dort bezeichneten
Schusswaffen über eine bestimmte Anzahl hinaus von bestimmten zusätzlichen
Voraussetzungen abhängig gemacht wird. Daraus ergibt sich, dass die dort ge-
nannten Waffen bis zu der dort angegebenen Anzahl ohne zusätzliche Anforde-
rungen nach Maßgabe des Absatzes 2 erworben werden dürfen (sog. Sport-
schützenkontingent). In die allgemeine Bedürfnisregelung des § 14 Abs. 2
WaffG 2002 ist das Erwerbsstreckungsgebot des Satzes 3 einbezogen. Dieses
schränkt das anerkannte Bedürfnis ein, ohne dabei auf bestimmte Erlaubnistat-
bestände abzustellen.
§ 14 Abs. 4 WaffG 2002 stellt für die dort aufgezählten Waffenarten eine Ab-
weichung von der grundsätzlichen Bestimmung des § 10 Abs. 1 Satz 3 WaffG
2002 über die Geltungsdauer der Erwerbserlaubnis dar, die besagt, dass unter
Einhaltung der sonstigen waffengesetzlichen Anforderungen eine unbefristete
Erwerbserlaubnis für die aufgeführten Waffenarten erteilt wird. Damit löst sich
die Erlaubnis nach § 14 Abs. 4 WaffG 2002 zugleich von den Erlaubnissen
nach § 14 Abs. 2 und 3 WaffG 2002, die stets auf einzelne Waffen bezogen
sind. Demgegenüber wird durch eine Erlaubnis nach § 14 Abs. 4 WaffG 2002
für eine nicht begrenzte Zeit der Erwerb einer unbestimmten Vielzahl von Waf-
fen der dort aufgeführten Waffenarten gestattet. Die Bedeutung des § 14 Abs. 4
WaffG 2002 liegt deshalb darin, dass er hinsichtlich dieser Waffenarten die
Erteilung einer unbefristeten Globalerlaubnis anordnet und auf diese Weise den
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Erwerb solcher Waffen nicht unerheblich erleichtert. Dies schließt aber nicht
aus, dass auch die durch die Globalerlaubnis erfassten Waffen nur zeitlich
gestreckt erworben werden dürfen. Denn die Wirkung der Erlaubnisse nach
§ 14 Abs. 2 und 3 WaffG 2002 unterscheidet sich nach dem Gesagten, abge-
sehen von ihrer beschränkten Geltungsdauer, von derjenigen nach § 14 Abs. 4
WaffG 2002 nur durch ihren Bezug auf die einzelne Waffe. Auch bei der Ge-
stattung des Erwerbs einer Vielzahl von Waffen können die Voraussetzungen
des § 14 Abs. 2 WaffG 2002 ohne Weiteres geprüft werden, wenn auch nicht
stets bereits bei Erteilung, wohl aber bei der Eintragung der einzelnen Waffen,
die nach § 14 Abs. 4 Satz 2 WaffG 2002 zu erfolgen hat. Der Normsystematik
lässt sich daher nicht entnehmen, dass § 14 Abs. 4 WaffG 2002 einen von
sonstigen Erteilungsvoraussetzungen losgelösten Erlaubnistatbestand darstellt.
Vielmehr zeigt der Regelungsmechanismus der Vorschrift des § 14 WaffG
2002, dass § 14 Abs. 2 WaffG 2002 die Grundregelung für die Anerkennung
eines Bedürfnisses für den Erwerb und den Besitz von Waffen und Munition für
Sportschützen darstellt. Art und Anzahl der Waffen werden in den Absätzen 3
und 4 des § 14 WaffG 2002 geregelt; darüber hinaus findet sich in Absatz 3
eine teilweise Verschärfung der Bedürfnisanforderungen nach Absatz 2 sowie in
Absatz 4 die Regelung eines speziellen, den dort aufgeführten Waffenarten
angepassten und den Erwerb erleichternden Erlaubnistyps.
Mit dieser Normstruktur ähnelt § 14 WaffG 2002 Parallelvorschriften in demsel-
ben Gesetz, die den Erwerb und Besitz von Schusswaffen und Munition durch
andere Personengruppen als Sportschützen zum Gegenstand haben. § 14
WaffG 2002 gehört dem Unterabschnitt 3 des Abschnitts 2 über „besondere
Erlaubnistatbestände für bestimmte Personengruppen“ (§§ 13 - 20 WaffG 2002)
an. Innerhalb dieses Unterabschnitts wird für die einzelnen Personengruppen
regelmäßig in Absatz 1 der betreffenden Vorschrift eine Bedürfnisregelung für
den Erwerb und Besitz von Waffen und Munition getroffen, während im
nachfolgenden Normtext Einzelheiten im Anwendungsbereich des jeweiligen
Absatzes 1 bestimmt sind (vgl. z.B. § 13 WaffG 2002 für Jäger, § 17 WaffG
2002 für Waffen- oder Munitionssammler, § 18 WaffG 2002 für Waffen- oder
Munitionssachverständige). Diese Systematik liegt auch dem § 14 WaffG 2002
zugrunde. Denn § 14 Abs. 1 WaffG 2002 ist erst im Verlauf des Gesetzge-
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bungsverfahrens in den Gesetzentwurf übernommen und dem ursprünglich als
§ 14 Abs. 1 WaffG 2002 konzipierten, jetzigen § 14 Abs. 2 WaffG 2002 voran-
gestellt worden. Dies erklärt, warum erst der § 14 Abs. 2 WaffG 2002 eine all-
gemeine, für alle folgenden Absätze geltende Bedürfnisregelung enthält.
(3) Sinn und Zweck gebieten die Geltung des Erwerbsstreckungsgebots auch
im Rahmen des § 14 Abs. 4 WaffG 2002. Aus § 28 Abs. 2 Satz 1 des Waffen-
gesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. März 1976 (BGBl I
S. 432), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. Dezember 2001 (BGBl I
S. 3714), - WaffG 1976 - war vielfach abgeleitet worden, dass Sportschützen
erlaubt war, unbeschränkt Einzelladerwaffen mit einer Länge von mehr als
60 cm zu erwerben (vgl. Steindorf, Waffenrecht, 7. Aufl. 1999, § 28 Rn. 14
m.w.N.). Wie sich aus der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregie-
rung zum Waffenrechtsneuregelungsgesetz (BTDrucks 14/7758 S. 63) ergibt,
ist die Bundesregierung davon ausgegangen, dass die frühere Regelung nicht
verhindert hatte, dass Sportschützen eine größere Anzahl von Waffen („Waf-
fensammlungen unter dem Deckmantel des Sportschützentums“) erworben
hatten. Dabei ging der Gesetzgeber davon aus, dass das „Anlegen von Waf-
fensammlungen“ namentlich wegen der für das frühere Recht angenommenen
Nichtkontingentierung von Einzellader-Langwaffen möglich war. Dem gegenzu-
steuern ist erklärtes Ziel des Erwerbsstreckungsgebots.
Die für Sportschützen erlaubnisfähigen Waffen sind nach § 14 Abs. 4 WaffG
2002 (über die von § 14 Abs. 2 und 3 WaffG 2002 erfassten Waffenarten hin-
aus) auf bestimmte Repetier-Langwaffen und Einzellader-Kurzwaffen sowie
sog. Perkussionswaffen erweitert worden. Würde das Erwerbsstreckungsgebot
des § 14 Abs. 2 Satz 3 WaffG 2002 nur auf die Fälle des § 14 Abs. 2 und 3
WaffG 2002 angewandt, so würde es weitgehend seines Zweckes beraubt.
Denn die nach § 14 Abs. 2 WaffG 2002 in Verbindung mit einem Umkehr-
schluss aus § 14 Abs. 3 WaffG 2002 zulässigen Waffen (drei halbautomatische
Langwaffen und zwei mehrschüssige Kurzwaffen) sind ohnehin zahlenmäßig
kontingentiert, so dass das Erwerbsstreckungsgebot hier nur geringe Bedeu-
tung erlangen kann, etwa zur Verhinderung einer allzu schnellen Anschaffung
derartiger Waffen durch junge Schützen, wie es in der mündlichen Verhandlung
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vor dem Senat angesprochen worden ist. Für einen über das Kontingent hi-
nausgehenden Bedarf ist gemäß § 14 Abs. 3 WaffG 2002 eine Bescheinigung
des Schießsportverbandes erforderlich, dass die weitere Waffe zur Ausübung
weiterer Sportdisziplinen benötigt wird oder zur Ausübung des Wettkampfsports
erforderlich ist. Diese Bescheinigung ist bei einem vorauszusetzenden
rechtstreuen Verhalten eines anerkannten Schießsportverbandes (§ 15 WaffG
2002) nur zu erreichen, wenn die Voraussetzungen tatsächlich vorliegen. Ihr
Vorliegen kann zugleich regelmäßig eine Abweichung von der Regel des § 14
Abs. 2 Satz 3 WaffG 2002 rechtfertigen. Ein bedeutsamer Anwendungsbereich
für das Erwerbsstreckungsgebot kann danach nur in den Fällen des § 14 Abs. 4
WaffG 2002 gegeben sein. Nichts spricht dafür, dass gerade dieser Anwen-
dungsbereich verschlossen sein soll, insbesondere wenn der bereits erwähnte
Umstand berücksichtigt wird, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist,
dass auf der Grundlage des früheren Rechts Waffenansammlungen gerade bei
nicht kontingentierten Waffen zustande gekommen waren. Eine mengenmäßige
Kontingentierung ist für die in § 14 Abs. 4 WaffG 2002 aufgelisteten Waffen
ebenfalls nicht angeordnet worden, so dass gerade hier die Erwägungen zur
Einführung des Erwerbsstreckungsgebots gelten müssen. Aus dem Umstand,
dass § 14 Abs. 4 WaffG 2002, wie bereits erwähnt, eine globale Genehmigung
von Waffen bestimmter Kategorien gestattet, muss allerdings abgeleitet wer-
den, dass die Einhaltung des Erwerbsstreckungsgebots nicht bereits bei Ertei-
lung dieser Genehmigung geprüft werden kann, sondern erst im Zusammen-
hang mit der Eintragung des Erwerbs, die nach § 14 Abs. 4 Satz 2 WaffG 2002
binnen zwei Wochen zu beantragen ist. Zugleich wird mit der Anwendung des
Erwerbsstreckungsgebots die sichere Aufbewahrung der Waffen aufgrund der
geringeren Anzahl (§ 36 WaffG 2002) erleichtert.
Das mit dem Erwerbsstreckungsgebot verfolgte Ziel fügt sich in das allgemeine
Ziel des Waffenrechts ein, die Verbreitung von Schusswaffen einzudämmen
und die Ausnahmen streng zu regulieren. Ein unbeschränkter Erwerb in den
Fällen des § 14 Abs. 4 WaffG 2002 stünde nicht in Einklang mit der Absicht der
Neuregelung des Waffengesetzes und dem Grundsatz, „so wenig Waffen wie
möglich ins Volk“ (vgl. dazu Urteil vom 13. Juli 1999 - BVerwG 1 C 5.99 -
Buchholz 402.5 WaffG Nr. 85 S. 8 = GewArch 1999, 483 <484>) gelangen zu
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lassen. Der Zweck des Gesetzes wird in § 1 Abs. 1 WaffG 2002 mit dem
Merkmal zum Ausdruck gebracht, dass es den Umgang mit Waffen oder Muni-
tion „unter Berücksichtigung der Belange der öffentlichen Sicherheit und Ord-
nung“ regelt. Demgemäß muss zur Erbringung des Nachweises eines Bedürf-
nisses für eine waffenrechtliche Erlaubnis gemäß § 8 Abs. 1 WaffG 2002 ein
gegenüber den Belangen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung besonders
anzuerkennendes Interesse bestehen.
(4) Die Gesetzesgeschichte steht dem dargelegten Verständnis jedenfalls nicht
entgegen.
Im Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Waffenrechts
(BTDrucks 14/7758) sah § 14 Abs. 1 Satz 3, der dem jetzigen § 14 Abs. 2
Satz 3 WaffG 2002 entspricht, das Erwerbsstreckungsgebot vor. § 14 Abs. 3
Satz 1 des Entwurfs, der § 14 Abs. 4 WaffG 2002 entspricht, enthielt einen aus-
drücklichen Bezug auf diese Bestimmung („unter Beachtung des Absatzes 1
Satz 2 und 3“). In der Begründung zum Regierungsentwurf (BTDrucks 14/7758
S. 62) heißt es, für Sportschützen sei aufgrund des bisherigen § 28 Abs. 2
Satz 1 WaffG 1976 davon ausgegangen worden, dass sie unbegrenzt viele
Einzellader-Langwaffen erwerben und besitzen dürften. Diese irrige Auffassung,
die teilweise auch der Verwaltungspraxis entspreche, stehe nicht in Einklang mit
dem bisherigen § 32 Abs. 1 Nr. 2 WaffG 1976. Das Verbot des Satzes 3 solle
daher der Verhinderung des Anlegens von Waffensammlungen unter dem
Deckmantel des Sportschützentums dienen (BTDrucks 14/7758 S. 63).
Im weiteren Gesetzgebungsverfahren beschloss der Innenausschuss
(4. Ausschuss) am 24. April 2002 zahlreiche Änderungen, welche am 26. April
2002 vom Bundestag in zweiter und dritter Lesung übernommen wurden. Nun-
mehr waren in § 14 Abs. 3 Satz 1 des Entwurfs die Wörter: „unter Beachtung
des Absatzes 1 Satz 2 und 3“ gestrichen worden. Zugleich sah der Entwurf eine
Ausweitung der „Gelben WBK" auf Repetier-Langwaffen, einläufige Einzellader-
Kurzwaffen für Patronenmunition sowie mehrschüssige Kurz- und Langwaffen
mit Zündhütchenzündung (Perkussionswaffen) vor. Damit sollte der (vorausge-
setzten) geringeren Deliktsrelevanz dieser Waffen und deren Verbreitung im
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Schießsport - in Ausweitung gegenüber der bestehenden Rechtslage - Rech-
nung getragen werden. Nach der früheren Rechtslage konnte der Sportschütze
auf der Grundlage der Gelben Waffenbesitzkarte nämlich nur eine Waffenart
(Einzellader-Langwaffen mit einer Länge von mehr als 60 cm) erwerben. Die
Streichung der Wörter „unter Beachtung des Absatzes 1 Satz 2 und 3“ sollte der
Begründung zufolge die Waffenbehörde beim Vorgang der Eintragung der be-
reits auf „Gelber WBK“ erworbenen Waffen der Prüfung der in Abs. 1 Satz 2
und 3 statuierten spezifischen Bedürfnisvoraussetzungen für Schießsportler
entheben (BTDrucks 14/8886 S. 112).
Die Ereignisse von Erfurt am 26. April 2002 führten dann jedoch dazu, dass
Nachbesserungen für notwendig gehalten wurden. Der Bundesrat rief deshalb
am 31. Mai 2002 den Vermittlungsausschuss an und verlangte eine nochmalige
Überarbeitung des vom Bundestag verabschiedeten Gesetzes (BTDrucks
14/9341 S. 1 und 2). Dabei sollte „der nach dem Bundestagsbeschluss (in
Ausweitung sowohl der geltenden Rechtslage als auch des ursprünglichen Re-
gierungsentwurfs) im Verfahren erleichterte Erwerb bestimmter Repetier-
Langwaffen mittels unbefristeter Erwerbserlaubnis ohne Voreintragung der er-
werbbaren Waffe (‚Gelbe WBK’) wieder zurückgenommen“ werden (BRDrucks
355/1/02 S. 3). Dem Bundesrat war die „Beschränkung des erleichterten Er-
werbes gefährlicher Gebrauchswaffen durch Sportschützen“ ein ausdrückliches
Anliegen. Außerdem wurde die Heraufsetzung der Altersgrenze für den Erwerb
und Besitz von Schusswaffen durch Sportschützen auf 21 Jahre gefordert.
Im Ergebnis dieses Prozesses ist das Alterserfordernis entsprechend dem Ver-
langen des Bundesrats bestimmt worden (BTDrucks 14/9432 S. 2) mit der Fol-
ge, dass dem bisherigen § 14 Abs. 1 ein neuer § 14 Abs. 1 WaffG 2002 voran-
gestellt wurde. Außerdem wurde in den nunmehrigen Absatz 3 hinter dem Ein-
gangswort „Sportschützen“ der Zusatz „nach Absatz 2“ eingefügt. In gleicher
Weise wurden in den nunmehrigen § 14 Abs. 4 nach dem Wort „Sportschützen“
die Wörter „nach Absatz 2“ eingefügt. Diese Fassung ist sodann Gesetz ge-
worden.
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Eine Begründung für die doppelte Bezugnahme auf Absatz 2 in § 14 Abs. 3
und 4 WaffG 2002 findet sich in der Beschlussempfehlung des Vermittlungs-
ausschusses nicht. Der dargelegte Geschehensablauf lässt jedoch vermuten,
dass der Vermittlungsausschuss und ihm folgend die Gesetzgebungsorgane
von der Absicht geleitet waren, es einerseits bei dem vom Bundestag be-
schlossenen erweiterten Geltungsbereich der „Gelben Waffenbesitzkarte“ zu
belassen, andererseits aber in Anlehnung an den Regierungsentwurf jeden
Waffenerwerb durch organisierte Sportschützen den Grundanforderungen des
§ 14 Abs. 2 WaffG 2002 und damit insbesondere dem dort normierten Er-
werbsstreckungsgebot zu unterwerfen.
Selbst wenn die Entstehungsgeschichte des Gesetzes, wie der Kläger meint,
wegen der sein Gesetzesverständnis stützenden, freilich den Ereignissen von
Erfurt am 26. April 2002 vorangegangenen Stellungnahme des Innenausschus-
ses des Deutschen Bundestages (a.a.O.) nicht zugunsten der Anwendbarkeit
des § 14 Abs. 2 Satz 3 WaffG 2002 im Rahmen des § 14 Abs. 4 WaffG 2002
angeführt werden könnte, würde dies das nach den vorrangigen Auslegungs-
methoden gewonnene Ergebnis nicht erschüttern. Für die Auslegung einer Ge-
setzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille
des Gesetzgebers maßgebend, so wie er sich aus dem Wortlaut und dem
Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist. Der Entstehungsge-
schichte kommt für die Auslegung nur insoweit Bedeutung zu, als sie die Rich-
tigkeit einer nach den angeführten Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt
oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Weg allein nicht ausgeräumt
werden können (zum Ganzen BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 1981
- 1 BvR 898/79 u.a. - BVerfGE 59, 128 <153>). Vor allem die Systematik und
der Zweck streiten aber nach dem Gesagten ausschlaggebend dafür, dass das
Erwerbsstreckungsgebot auch in den Fällen des § 14 Abs. 4 WaffG 2002 gilt.
cc) Die Anwendung des Erwerbsstreckungsgebots auch bei Erwerbsvorgängen
im Anwendungsbereich des § 14 Abs. 4 WaffG 2002 stößt nicht auf verfas-
sungsrechtliche Bedenken.
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(1) Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab ist in erster Linie Art. 2 Abs. 1 GG.
In den Schutzbereich dieses Grundrechts fällt als Betätigungsform menschli-
chen Handelns auch der Erwerb von Schusswaffen und Munition zum Zwecke
der Betätigung als Sportschütze. Freilich gehört eine solche Betätigung nicht
zum Kernbereich privater Lebensgestaltung. Sie kann daher durch Gesetz oder
aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden, sofern dabei der Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit beachtet wird (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 6. Juni
1989 - 1 BvR 921/85 - BVerfGE 80, 137 <155, 159>). An Letzterem besteht
kein Zweifel. Die Verwendung von Waffen soll in erster Linie dem Schutz der
Rechtsordnung dienen, für deren Verteidigung mit Waffengewalt der Staat ein
Monopol hat (BVerfG, Kammerbeschluss vom 1. April 2003 - 1 BvR 539/03 -
GewArch 2003, 241 <242>). Wer Schusswaffen zu privaten Zwecken verwen-
den möchte, begründet eine erhöhte Gefahr für die Allgemeinheit. Das Gesetz
gestattet dem Sportschützen den Erwerb von Waffen in beschränktem Umfang
und nimmt damit bereits eine erhöhte Gefahr für die Allgemeinheit im privaten
Interesse hin. Es ist nicht erforderlich, dass der Waffenerwerb von Sportschüt-
zen in unbegrenzter Anzahl erlaubt wird. Das gilt auch für die möglicherweise
weniger gefährlichen Waffen, die in § 14 Abs. 4 WaffG 2002 aufgelistet sind.
Gefahrlos sind auch diese nicht. Dem Gebot der Verhältnismäßigkeit wird auch
noch dadurch Rechnung getragen, dass das Erwerbsstreckungsgebot als Re-
geltatbestand ausgestaltet ist. Es lässt danach für von der Regel abweichende
Fallgestaltungen einen überschießenden Waffenerwerb zu (vgl. zu diesem As-
pekt in anderem Zusammenhang Urteil vom 13. Dezember 1994 - BVerwG 1 C
31.92 - BVerwGE 97, 245 <251>).
(2) Art. 3 Abs. 1 GG, der ebenfalls als Prüfungsmaßstab in Betracht kommt, ist
nicht verletzt. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt, niemanden im
Vergleich zu anderen Normadressaten anders zu behandeln, ohne dass zwi-
schen ihnen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass
sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen. Nach der ständigen Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts belässt Art. 3 Abs. 1 GG dem Ge-
setzgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Mit Blick auf den allgemeinen
Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht zu prüfen, ob der Gesetzgeber die
gerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen hat, sondern allein, ob die
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äußeren Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt sind. Bei der Bestimmung
des Personenkreises, auf den eine gesetzliche Regelung Anwendung finden
soll, steht dem Gesetzgeber im Rahmen der Grundwerteentscheidung der
Verfassung ein weiter Spielraum zu. Dieser ist nach der ständigen Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts namentlich bei einer rechtsgewäh-
renden Regelung, hier der waffenrechtlichen Privilegierung von Sportschützen,
besonders weit (vgl. etwa Beschluss vom 2. Mai 2006 - BVerwG 6 B 53.05 -
Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 206 = NVwZ-RR 2006, 626). Nach diesen Maß-
stäben durfte der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der waffenrechtlichen
Erlaubnis für Sportschützen (auch im Anwendungsbereich des § 14 Abs. 4
WaffG 2002) ein Erwerbsstreckungsgebot erlassen, auch wenn er für andere
Erwerbstatbestände eine solche Regelung nicht vorsah.
Als Vergleichsgruppe können Jäger (§ 13 WaffG 2002) herangezogen werden.
Die Tatbestände des § 13 WaffG 2002 und des § 14 WaffG 2002 betreffen je-
doch unterschiedliche Fälle, die eine unterschiedliche gesetzliche Regelung
rechtfertigen können. § 13 WaffG 2002 betrifft einen besonderen Personen-
kreis. Jäger im Sinne dieser Regelung sind, wie aus § 13 Abs. 1 Satz 1 WaffG
2002 folgt, Inhaber von gültigen Jagdscheinen im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1
BJagdG. Aus den Anforderungen des § 15 Abs. 5 BJagdG ergibt sich, dass die
erstmalige Ausstellung eines Jagdscheines die erfolgreiche Ablegung der Jä-
gerprüfung voraussetzt, die ausreichende Kenntnisse u.a. im Waffenrecht, der
Waffentechnik und der Waffenführung einschließt. Damit kann als weitgehend
sichergestellt angesehen werden, dass die Waffen stets ordnungsgemäß ge-
nutzt und aufbewahrt werden. Eine entsprechende Prüfung wird von Sport-
schützen nicht verlangt. Der Tatbestand des § 13 Abs. 1 WaffG 2002, der die
Anerkennung eines Bedürfnisses für den Erwerb und Besitz von Schusswaffen
und Munition betrifft, setzt zudem voraus, dass die Schusswaffen für die um-
schriebenen jagdlichen Zwecke benötigt werden und nach dem Bundesjagdge-
setz nicht verboten sind, also Jagdwaffen sind. Damit soll verhindert werden,
dass die Waffen zu anderen Zwecken als der Jagd erworben werden. Ist nach
Maßgabe des § 13 Abs. 2 WaffG 2002 eine nur eingeschränkte Prüfung der
Erlaubnisvoraussetzungen erforderlich, bezieht sich diese Privilegierung nur auf
Inhaber von Jahresjagdscheinen für den Besitz von Langwaffen und zwei Kurz-
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waffen, die Jagdwaffen sein müssen. Diese Beschränkungen verhindern jeden-
falls regelmäßig die Anlegung von Waffensammlungen ohne Bezug zur Jagd,
so dass ein Erwerbsstreckungsgebot wie bei Sportschützen für entbehrlich
gehalten werden durfte, das dazu dienen soll, der „Anlegung von Waffensamm-
lungen unter dem Deckmantel des Sportschützentums“ (BTDrucks 14/7758
S. 63) entgegenzuwirken
Ein Vergleich mit den Regelungen über die anderen privilegierten Erlaubnistat-
bestände bietet sich nicht an. Brauchtumsschützen (§ 16 WaffG 2002) sind nur
hinsichtlich des Erwerbs und Besitzes von Einzellader-Langwaffen und bis zu
drei Repetier-Langwaffen privilegiert, dürfen also der Art nach nicht auf der
Grundlage des § 16 WaffG 2002 das ganze in § 14 Abs. 2, 3 und 4 WaffG 2002
umschriebene Waffenarsenal erwerben. Die Tatbestände des § 17 WaffG 2002
(Waffensammler, Munitionssammler) und des § 18 WaffG 2002 (Waffen- oder
Munitionssachverständige) können aus der Natur der Sache heraus ein
Erwerbsstreckungsgebot nicht rechtfertigen. Der Erwerbstatbestand des § 19
WaffG 2002 (gefährdete Personen) betrifft nur eine Waffe, so dass regelmäßig
kein Raum für ein Erwerbsstreckungsgebot ist. Der Erwerb infolge Erbfalls (§ 20
WaffG 2002) betrifft einen von den sonstigen Erwerbsvorgängen abweichenden
Sachverhalt, der einen über den Nachlass hinausgehenden Erwerb nicht
einschließt und deshalb einem Erwerbsstreckungsgebot nicht zugänglich ist.
2. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Dr. Bardenhewer Dr. Hahn Dr. Graulich
Vormeier Dr. Bier
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41
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B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 5 000 €
festgesetzt.
Dr. Bardenhewer Dr. Hahn Dr. Graulich