Urteil des BVerwG vom 09.03.2005

Einzelrichter, Unentgeltlichkeit, Europäisches Gemeinschaftsrecht, Beherrschende Stellung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 6 C 8.04
Verkündet
VGH 8 BV 03.1703
am 9. März 2005
Thiele
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 9. März 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. H a h n , B ü g e , Dr. G r a u l i c h und V o r m e i e r
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen
Verwaltungsgerichtshofs vom 11. März 2004 wird zurückgewie-
sen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e :
I.
Die Klägerin ist ein Unternehmen, das u.a. Tiefbauarbeiten durchführt. In der Zeit von
November 2000 bis September 2001 verlegte sie im Gebiet der Beklagten Kabel für
Telekommunikationslinien im öffentlichen Straßengrund.
Mit Bescheid vom 2. November 2001 machte die Beklagte gegenüber der Klägerin
Gebühren in Höhe von 4 877,72 € geltend. Dabei handelte es sich um Gebühren für
verkehrsrechtliche Anordnungen, die die Beklagte im Zusammenhang mit der Verle-
gung der Kabel für Telekommunikationslinien durch die Klägerin getroffen hatte. Die
Klägerin leistete die Gebühr und erhob Widerspruch, der nicht beschieden wurde.
Auf die gegen den Bescheid vom 2. November 2001 gerichtete Klage hat der Einzel-
richter am Verwaltungsgericht, auf den der Rechtsstreit übertragen worden war, den
Bescheid aufgehoben und die Beklagte zur Rückzahlung der Gebühren sowie zur
Leistung von Prozesszinsen verurteilt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat auf die von dem Einzelrichter wegen grundsätzlicher
Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung die Klage unter Abänderung des
erstinstanzlichen Urteils abgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht im Wesentli-
chen dargelegt: Die Zulassung der Berufung durch den Einzelrichter sei verfahrens-
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fehlerhaft. Gleichwohl sei die Berufungsinstanz an die Berufungszulassung gebun-
den. Die Bindungswirkung könne nur entfallen, wenn die Zulassung der Berufung
offensichtlich gesetzeswidrig sei. Dies sei nicht der Fall. Die Berufungsbegründung
genüge den gesetzlichen Anforderungen, obwohl die Beklagte keinen ausdrücklichen
Antrag gestellt habe. Ein solcher Antrag könne den Berufungsgründen entnommen
werden. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die Klägerin könne sich
hinsichtlich der Verlegung der Telekommunikationslinien grundsätzlich auf die
Rechte ihrer Auftraggeber berufen. Mithin könne sie auch die Unentgeltlichkeit der
Benutzung der Verkehrswege im Sinne von § 50 Abs. 1 Satz 1 des Telekommunika-
tionsgesetzes (TKG a.F.) geltend machen. Die Bestimmung hindere den Träger der
Straßenbaulast, Sondernutzungsgebühren für die Inanspruchnahme des öffentlichen
Straßengrundes für Telekommunikationslinien zu erheben. Andere finanzielle Ver-
günstigungen bei der Verlegung oder Änderung solcher Linien und deren Betrieb
seien nicht vorgesehen. Dies gelte auch für Gebühren, die für die Anordnung von
straßenverkehrsrechtlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Verlegung oder
Änderung von Telekommunikationslinien erhoben würden. § 52 und § 53 TKG stän-
den dem nicht entgegen. Der streitige Gebührenbescheid laufe auch Europäischem
Gemeinschaftsrecht nicht zuwider.
Die Klägerin hat die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Revision eingelegt
und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, das Berufungsurteil sei verfah-
rensfehlerhaft. Der Verwaltungsgerichtshof sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass
er an die von dem Einzelrichter fehlerhaft zugelassene Berufung gebunden sei. Die
Berufung hätte auch deshalb als unzulässig verworfen werden müssen, weil die Be-
klagte innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils kei-
nen bestimmten Berufungsantrag gestellt habe. Das angefochtene Urteil erweise sich
überdies auch in materieller Hinsicht als fehlerhaft. Das Recht zur unentgeltlichen
Nutzung von Verkehrswegen für die öffentlichen Zwecken dienenden Telekommuni-
kationslinien nach § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG a.F. stelle eine abschließende Regelung
dar und sei weit auszulegen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs
beschränke sich das Recht zur unentgeltlichen Nutzung nicht auf den Bereich des öf-
fentlichen Sachenrechts bzw. des Straßen- und Wegerechts. Es erstrecke sich auch
auf straßenverkehrsrechtliche Anordnungen im Zusammenhang mit der Nutzung der
Verkehrswege für Telekommunikationslinien. Dies ergebe sich auch aus § 52 Abs. 1
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und 2 TKG a.F. Die Beklagte sei auch mit Blick auf Art. 87 f GG gehindert, die hier in
Rede stehenden Gebühren zu erheben. Die Bestimmung gehe davon aus, dass
private Anbieter alternative Telekommunikationsnetze als Konkurrenz zum Netz des
ehemaligen Monopolisten flächendeckend errichteten. Dies sei bei der Bestimmung
der Reichweite des unentgeltlichen Nutzungsrechts im Sinne von § 50 Abs. 1 Satz 1
TKG a.F. mit der Folge zu berücksichtigen, dass die Erhebung von Gebühren für
straßenverkehrsrechtliche Anordnungen nicht möglich sei. Das Urteil des
Verwaltungsgerichtshofs sei auch nicht mit den Vorgaben des Europäischen
Gemeinschaftsrechts vereinbar. Gemeinschaftsrecht verbiete, Betreiber öffentlicher
Telekommunikationsnetze bei der Erteilung von Wegerechten für die Bereitstellung
solcher Netze zu diskriminieren. Die hier in Rede stehenden Gebühren fielen im We-
sentlichen bei neuen Marktteilnehmern an und liefen dem Ziel zuwider, einen
funktionsfähigen Wettbewerb auf dem Markt der Telekommunikationsdienst-
leistungen zu schaffen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom
11. März 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Die Beteiligte verteidigt ebenfalls das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs.
II.
Die zulässige Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil erweist sich weder
in formeller (1.) noch in materieller (2.) Hinsicht als fehlerhaft.
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1. Das Berufungsurteil beruht nicht auf der Verletzung von Verfahrensrecht.
a) Der Verwaltungsgerichtshof war nicht deshalb an einer Sachentscheidung gehin-
dert, weil die Berufung nicht wirksam zugelassen worden wäre. Entgegen der Auf-
fassung der Klägerin war der Verwaltungsgerichtshof an die Zulassung der Berufung
wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO
durch den Einzelrichter, auf den der Rechtsstreit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 VwGO über-
tragen worden war, gebunden.
Nach § 124 a Abs. 1 Satz 2 VwGO ist das Oberverwaltungsgericht an die Zulassung
der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124
Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO gebunden. Die Bindung beschränkt sich nicht auf die
Fälle der Berufungszulassung durch die Kammer, sondern erfasst auch die Zulas-
sung durch den Einzelrichter. Der Einzelrichter, dem der Rechtsstreit nach § 6 VwGO
übertragen worden ist, entscheidet als "Verwaltungsgericht" im Sinne von § 124 a
Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. Urteil vom 29. Juli 2004 - BVerwG 5 C 65.03 - NVwZ 2005,
98). Die Bindung an die Zulassung durch den Einzelrichter entfällt nicht deshalb, weil
die Übertragung des Rechtsstreits auf ihn voraussetzt, dass die Sache keine
grundsätzliche Bedeutung hat (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO), die Berufungs-
zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hingegen die grundsätzliche Bedeutung
der Rechtssache erfordert. Diese gegenläufigen Voraussetzungen rechtfertigen nicht
die Annahme, der Gesetzgeber habe die Zulassung der Berufung durch den Einzel-
richter ausschließen wollen. Denn der Einzelrichter ist nicht an die Bewertung der
Kammer im Rahmen des Übertragungsbeschlusses, dass die Rechtssache keine
grundsätzliche Bedeutung habe, gebunden (vgl. Urteil vom 29. Juli 2004, a.a.O.).
Ebenso wenig ist er zur Rückübertragung des Rechtsstreits an die Kammer verpflich-
tet, wenn er entgegen der Bewertung durch die Kammer oder aufgrund einer we-
sentlichen Änderung der Prozesslage zu der Einschätzung gelangt, dass die Sache
grundsätzliche Bedeutung aufweise; vielmehr darf er in solchen Fällen im Rahmen
seines Ermessens nach § 6 Abs. 3 Satz 1 VwGO über den Rechtsstreit selbst ent-
scheiden und zugleich die Berufung zulassen (vgl. Urteil vom 29. Juli 2004, a.a.O.,
S. 98 f.). Soweit in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erwogen
wird, ob die Bindung an die Zulassung eines Rechtsmittels durch den Einzelrichter
entfällt, wenn sie im Einzelfall unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzli-
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chen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 VwGO ergangen ist (vgl. Urteil vom
28. September 2004 - BVerwG 1 C 10.03 - Umdruck S. 4), kann dies im vorliegenden
Fall die Verneinung einer Bindung schon deshalb nicht rechtfertigen, weil hier
Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch den Einzelrichter nicht verletzt wurde. Von einer
manipulativen oder objektiv willkürlichen Missachtung der einschlägigen Vorschriften
der Verwaltungsgerichtsordnung kann nicht die Rede sein.
b) Der Verwaltungsgerichtshof hat auch zu Recht angenommen, dass die Berufung
nicht deshalb unzulässig war, weil die Beklagte innerhalb der gesetzlichen Frist kei-
nen ausdrücklichen Berufungsantrag gestellt hat.
Nach § 124 a Abs. 3 Satz 1 VwGO ist im Fall der Zulassung der Berufung durch das
Verwaltungsgericht diese innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollstän-
digen Urteils zu begründen. Die Berufungsbegründung muss nach § 124 a Abs. 3
Satz 4 VwGO einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzufüh-
renden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Hier hat die Beklagte als Beru-
fungsklägerin innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils des Verwal-
tungsgerichts keinen ausdrücklichen Berufungsantrag gestellt. Daraus ergibt sich
indes nicht die Unzulässigkeit der Berufung. § 124 a Abs. 3 Satz 4 VwGO verlangt
nicht, dass ein ausdrücklicher Antrag gestellt wird. Dem Antragserfordernis wird re-
gelmäßig entsprochen, wenn in dem einzureichenden Schriftsatz hinreichend deut-
lich zum Ausdruck kommt, dass, in welchem Umfang und weshalb der Berufungsfüh-
rer an der Durchführung des zugelassenen Berufungsverfahrens festhalten will
(stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 1. Dezember 2000 - BVerwG 9 B 549.00 - Buchholz
310 § 133 VwGO Nr. 60 S. 18 m.w.N.; Urteil vom 8. März 2004 - BVerwG 4 C
6.03 - NVwZ-RR 2004, 541). Es genügt, wenn das Ziel des Rechtsmittels aus der
Tatsache seiner Einlegung allein oder in Verbindung mit den während der Rechtsmit-
telfrist abgegebenen Erklärungen erkennbar ist (Urteil vom 21. September 1979
- BVerwG 7 C 7.78 - BVerwGE 58, 299 <300 f.>). Dies ist hier der Fall. Die Beklagte
hat mit Schriftsatz vom 17. Juni 2003 gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom
6. Mai 2003 ohne Begründung "Berufung" eingelegt. Aus der Berufungsbegründung
vom 14. Juli 2003 ergibt sich zweifelsfrei, dass sie das Berufungsverfahren durchfüh-
ren wollte, weil sie den streitigen Gebührenbescheid im Gegensatz zu der Rechts-
auffassung des Verwaltungsgerichts insgesamt für rechtmäßig und das erstinstanzli-
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che Urteil deshalb für unzutreffend hielt. Dies entsprach ihrem vor dem Verwaltungs-
gericht gestellten Antrag. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Aufhebung des
erstinstanzlichen Urteils nur hinsichtlich eines Teils der von ihr beanspruchten Ge-
bühren begehrte, sind nicht ansatzweise ersichtlich.
2. Das angefochtene Urteil ist auch in der Sache nicht zu beanstanden. Der streitige
Gebührenbescheid ist rechtmäßig und verletzt deshalb die Klägerin nicht in ihren
Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) Der Gebührenbescheid steht mit der einschlägigen Ermächtigungsgrundlage im
Einklang.
Die streitigen Gebühren wurden für straßenverkehrsrechtliche Anordnungen nach
§ 45 Abs. 6 Satz 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO) vom 16. November 1970
(BGBl I S. 1565, ber. 1971 S. 38), zum hier maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert
durch Verordnung vom 29. Oktober 2001 (BGBl I S. 2785), erhoben. Danach müssen
Unternehmer vor dem Beginn von Arbeiten, die sich auf den Straßenraum auswirken,
von der zuständigen Behörde Anordnungen nach Absatz 1 bis 3 darüber einholen,
wie ihre Arbeitsstellen abzusperren und zu kennzeichnen sind, ob und wie der
Verkehr, auch bei teilweiser Straßensperrung, zu beschränken, zu leiten und zu re-
geln ist, ferner, ob und wie sie gesperrte Straßen und Umleitungen zu kennzeichnen
haben. § 45 Abs. 1 bis 3 StVO verleiht der Straßenverkehrsbehörde die Befugnis,
näher bezeichnete straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen durchzuführen und An-
ordnungen zu treffen. Nach § 6 a Abs. 1 Nr. 1 a des Straßenverkehrsgesetzes
(StVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Dezember 1952 (BGBl I
S. 837), zum hier maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Gesetz vom
29. Oktober 2001 (BGBl I S. 2785), werden u.a. für Amtshandlungen nach den auf
diesem Gesetz beruhenden Rechtsvorschriften, also auch für Amtshandlungen nach
der auf der Grundlage des § 6 Abs. 1 StVG erlassenen Straßenverkehrsordnung,
Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben. Die einzelnen gebührenpflichtigen Amts-
handlungen und die Höhe der jeweils anfallenden Gebühr sind in der Gebührenord-
nung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) vom 26. Juni 1970 (BGBl I
S. 865), zum hier maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung vom
19. September 2001 (BGBl I S. 2552), geregelt. Nach § 1 Satz 1 GebOSt werden für
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Amtshandlungen Gebühren erhoben. Die gebührenpflichtigen Tatbestände und die
Gebührensätze ergeben sich gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 GebOSt aus dem Gebühren-
tarif für Maßnahmen im Straßenverkehr, der Anlage zu § 1 GebOSt. Nach Nr. 261
der Anlage in der hier maßgeblichen Fassung werden für Anordnungen nach § 45
Abs. 6 StVO über Maßnahmen der Unternehmer an Arbeitsstellen 20 bis 350 DM
erhoben. Bei der Gebühr handelt es sich um eine den mit der Amtshandlung ver-
bundenen Personal- und Sachaufwand deckende Verwaltungsgebühr (§ 6 a Abs. 2
Satz 2 1. Halbsatz StVG). Der streitige Gebührenbescheid hält sich im Rahmen der
Ermächtigungsgrundlage. In ihm sind für eine Reihe von Anordnungen nach § 45
Abs. 6 StVO Gebühren zwischen 40 und 130 DM erhoben worden. Der in der Ge-
bührenordnung festgelegte Gebührenrahmen wurde damit nicht überschritten. Es ist
nicht ersichtlich und wird von der Klägerin auch nicht vorgetragen, dass die Bemes-
sung der Gebühr fehlerhaft ist.
b) Der Erhebung der Gebühren steht nicht das Recht auf unentgeltliche Nutzung der
Verkehrswege nach § 50 Abs. 1 Satz 1 des hier noch anwendbaren Telekommunika-
tionsgesetzes vom 25. Juli 1996 (BGBl I S. 1120 - TKG a.F. -), zum hier maßgebli-
chen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. Oktober 2001 (BGBl I
S. 2785), entgegen. Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG a.F. ist der Bund befugt, Ver-
kehrswege für die öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationslinien unent-
geltlich zu benutzen, soweit nicht dadurch der Widmungszweck der Verkehrswege
dauernd beschränkt wird (Nutzungsberechtigung).
aa) Die Klägerin unterfällt dem personellen Anwendungsbereich des § 50 Abs. 1
Satz 1 TKG.
Der Bund übt die Nutzungsberechtigung nicht selbst aus, sondern überträgt sie ge-
mäß § 50 Abs. 2 Satz 1 TKG a.F. auf die Lizenznehmer nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 TKG
a.F. im Rahmen der Lizenzerteilung nach § 8 TKG a.F. Das Recht zur unentgeltli-
chen Nutzung im Sinne von § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG a.F. setzt nicht voraus, dass das
begünstigte Telekommunikationsdienstleistungsunternehmen die Telekommunikati-
onslinie selbst verlegt oder ändert. Die Unternehmen dürfen sich insoweit Dritter be-
dienen, die sich für ihre Tätigkeit auf das Gebot der Unentgeltlichkeit berufen können
(vgl. Schütz in: Büchner/Ehmer/Geppert/Kerkhoff/Piepenbrock/Schütz/Schuster,
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Beck'scher TKG-Kommentar, 2. Aufl., § 50 Rn. 14; Spoerr in: Trute/Spoerr/Bosch,
Telekommunikationsgesetz mit FTEG, 1. Aufl., § 50 Rn. 13). Nach den Feststellun-
gen in dem angefochtenen Urteil ist den Telekommunikationsdienstleistungsunter-
nehmen, deren Telekommunikationslinien die Klägerin verlegt hat, im Rahmen der
ihnen erteilten Lizenz die Nutzungsberechtigung im Sinne von § 50 Abs. 2 Satz 1
TKG a.F. übertragen worden. Mithin kann sich die Klägerin in personeller Hinsicht auf
die Unentgeltlichkeit der Nutzung im Sinne von § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG a.F. berufen.
bb) § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG a.F. hindert nicht die Erhebung der Gebühren für stra-
ßenverkehrsrechtliche Anordnungen auf der Grundlage des § 45 Abs. 6 Satz 1 StVO.
Die Auslegung der Bestimmung nach den herkömmlichen Kriterien ergibt, dass von
der Unentgeltlichkeit nur solche Maßnahmen erfasst werden, durch die
Verkehrswege für Telekommunikationslinien in Anspruch genommen werden, wie in
dem hier vorliegenden Fall der Inanspruchnahme des Straßenkörpers durch Verle-
gung oder Änderung von Telekommunikationslinien. Dies ist bei straßenverkehrs-
rechtlichen Anordnungen auch dann nicht der Fall, wenn sie im Zusammenhang mit
der Verlegung oder Änderung von Telekommunikationslinien stehen.
aaa) Der Wortlaut des § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG a.F. weist deutlich in die Richtung,
dass nur die Inanspruchnahme der Verkehrswege selbst unentgeltlich ist.
Dafür spricht bereits der Inhalt des Begriffs "unentgeltlich". Durch ihn wird zum Aus-
druck gebracht, dass der von der Bestimmung Begünstigte kein Entgelt zu entrichten
hat. Unter "Entgelt" ist eine Vergütung als Gegenleistung für eine zuvor erbrachte
Leistung zu verstehen (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 2. Aufl., S. 435
Stichwort "Entgelt"). Die dem von § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG a.F. Begünstigten gegen-
über erbrachte Leistung ist das Recht, die Verkehrswege für die öffentlichen Zwe-
cken dienenden Telekommunikationslinien zu benutzen. Mithin bezieht sich die Un-
entgeltlichkeit auf die Benutzung der Verkehrswege, im vorliegenden Fall also auf die
Inanspruchnahme des Straßenkörpers. Diese Auslegung trägt auch dem Begriffsin-
halt des Tatbestandsmerkmals "benutzen" und seinem Verhältnis zu dem Merkmal
"unentgeltlich" Rechnung. Das Gebot der Unentgeltlichkeit bezieht sich auf die Be-
nutzung. "Benutzung" bedeutet, sich einer Sache ihrem Zweck entsprechend zu be-
dienen (vgl. Duden, a.a.O., S. 235 Stichwort "benutzen"). Die Sache, auf die die Be-
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nutzung im Sinne von § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG a.F. bezogen ist, ist der Verkehrsweg.
Wegen der Verknüpfung des Merkmals der Unentgeltlichkeit mit demjenigen der Be-
nutzung erstreckt sich die Entgeltfreiheit auf die Benutzung der Verkehrswege, wie
durch Inanspruchnahme des Straßenkörpers. Dieses Verständnis liegt auch der bis-
herigen Rechtsprechung des Senats zugrunde, nach der der Begriff "Benutzung der
Verkehrswege" alle Maßnahmen erfasst, durch die Verkehrswege in Anspruch ge-
nommen werden, wie etwa durch die Verlegung oder Änderung von Telekommunika-
tionslinien (vgl. Beschluss vom 30. Mai 2002 - BVerwG 6 B 3.02 - TKMR 2002, 468).
Soweit sich die Nutzungsberechtigung und damit auch die Unentgeltlichkeit auf die
Verlegung von Telekommunikationslinien bezieht, umfasst sie neben der Einbringung
der Telekommunikationslinie in den Straßenkörper auch dessen damit verbundene
weitergehende Inanspruchnahme, wie etwa zur Lagerung von Erdaushub,
Baumaterial oder Baugerät (vgl. Beschluss vom 7. Mai 2001 - BVerwG 6 B 55.00 -
Buchholz 442.066 § 50 TKG Nr. 1 S. 2).
Dem Wortlaut des § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG a.F. ist nicht zu entnehmen, dass die
Freistellung von Entgelten sich auch auf Maßnahmen erstreckt, die zwar mit der In-
anspruchnahme von Verkehrswegen für Telekommunikationslinien im Zusammen-
hang stehen, sich hingegen nicht als eine solche Inanspruchnahme darstellen. Dies
entspricht der Rechtsprechung des Senats. Nach dieser läuft es (auch) dem Wortlaut
des § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG a.F. nicht zuwider, wenn für die Erteilung der für die
Benutzung von Verkehrswegen für Telekommunikationslinien notwendigen Zustim-
mung des Trägers der Wegebaulast nach § 50 Abs. 3 Satz 1 TKG a.F. eine Gebühr
erhoben wird (vgl. Beschluss vom 30. Mai 2002, a.a.O., 469).
Nach dem Gesagten streitet das Ergebnis der grammatikalischen Auslegung dafür,
dass straßenverkehrsrechtliche Anordnungen, die im Zusammenhang mit der Inan-
spruchnahme von Verkehrswegen für Telekommunikationslinien ergehen, nicht von
der Entgeltfreiheit erfasst werden, weil diese Anordnungen keine Inanspruchnahme
von Verkehrswegen darstellen, sondern (lediglich) aus Anlass einer solchen Inan-
spruchnahme ergehen.
bbb) Die an Sinn und Zweck des § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG a.F. ausgerichtete Ausle-
gung bestätigt, dass nur die Inanspruchnahme der Verkehrswege unentgeltlich ist.
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Sinn und Zweck der Bestimmung ergeben sich insbesondere aus ihrer Entstehungs-
geschichte. Nach der Begründung des Entwurfs zu § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG a.F.
knüpft die Bestimmung an das früher nach § 1 Satz 1 des Telegraphenwegegesetzes
(TWG) vom 18. Dezember 1899 (RGBl S. 705) i.d.F. vom 24. April 1991 (BGBl I
S. 1053) zugestandene Recht der Deutschen Bundespost Telekom an, die Ver-
kehrswege für ihre öffentlichen Zwecken dienenden Fernmeldelinien zu benutzen
(vgl. BTDrucks 13/3609 S. 48 f. zu § 49 des Entwurfs). Das Fernmeldeleitungsrecht
des Bundes nach § 1 TWG war an keine Gegenleistung gebunden, also ebenfalls
unentgeltlich (vgl. Eidenmüller, Post- und Fernmeldewesen § 1 TWG Anm. 5; Au-
bert/Klingler, Fernmelderecht/Telekommunikationsrecht, Bd. 2, 4. Aufl., C III § 1
TWG Rn. 57). Das unentgeltliche Nutzungsrecht ist nach der Begründung des Ge-
setzentwurfs ein unverzichtbares Mittel des Bundes zur Erfüllung seiner Pflicht, eine
flächendeckende Versorgung im Telekommunikationsbereich zu gewährleisten. Da
nach Art. 87 f Abs. 2 GG die Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation als
privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die Deutsche Telekom AG und andere private
Anbieter erbracht werden und deshalb das Recht nach § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG a.F.
auf private Lizenznehmer übertragen wird (§ 50 Abs. 2 Satz 1 TKG a.F.), werden
durch das unentgeltliche Nutzungsrecht die privaten Anbieter von Telekommunikati-
onsdienstleistungen in die verfassungsrechtliche Gewährleistungspflicht des Bundes
zur flächendeckenden Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen einge-
bunden (vgl. BTDrucks 13/3609 S. 49). Mit der Unentgeltlichkeit der Nutzung werden
wirtschafts- und ordnungspolitische Zwecke verfolgt. Sie dient der Vermeidung von
Kosten, die zu einer Verteuerung von Telekommunikationsdienstleistungen führten
und die flächendeckende und nachfragegerechte Versorgung mit Telekommunikati-
onsdienstleistungen behindern würden (vgl. Koenig/Siewer, NVwZ 2000, 609 <612>;
vgl. auch Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesra-
tes, BTDrucks 13/4438 S. 36 zu Nr. 61). Die Unentgeltlichkeit verfolgt auch das Ziel
der Wettbewerbsneutralität, weil die Telekommunikationslinien der Deutschen Tele-
kom AG auf der Grundlage des unentgeltlich eingeräumten Wegerechts nach § 1
TWG errichtet wurden (vgl. Spoerr, a.a.O., § 50 Rn. 4). Die mit § 50 Abs. 1 Satz 1
TKG a.F. verfolgten Zwecke beziehen sich nur auf Maßnahmen, die sich als Inan-
spruchnahme der Verkehrswege darstellen. Auf der Grundlage des § 50 TKG a.F.
entsteht in den Fällen der Verlegung und der Änderung von Telekommunikationsli-
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nien im öffentlichen Straßenraum zwischen dem Lizenznehmer und dem Wegebau-
lastträger ein öffentlich-rechtliches Nutzungsverhältnis nach Maßgabe der Vorschrif-
ten des Telekommunikationsgesetzes, das einen Rückgriff auf die allgemeinen Re-
gelungen des Straßenrechts ausschließt (vgl. Urteil vom 1. Juli 1999 - BVerwG 4 A
27.98 - BVerwGE 109, 192 <195>). Dieses Nutzungsverhältnis entzieht die Benut-
zung des Verkehrsweges durch Telekommunikationslinien dem Regime des Stra-
ßenrechts (vgl. Beschluss vom 7. Mai 2000, a.a.O., S. 2) mit der Folge, dass es für
die Benutzung des Verkehrsweges im Sinne von § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG a.F. insbe-
sondere keiner Sondernutzungserlaubnis bedarf. Die Herausnahme der mit der Be-
nutzung der öffentlichen Straße einhergehenden Maßnahmen aus dem Regime des
allgemeinen Straßenrechts verdeutlicht zugleich die Grenze der unentgeltlichen Nut-
zungsberechtigung im Sinne von § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG a.F. Sie soll den begünstig-
ten Lizenznehmer von Entgelten freistellen, die er ansonsten für die Inanspruchnah-
me des Straßenraums zu entrichten hätte, insbesondere von der Gebühr für eine
nach Straßenrecht an sich erforderliche Sondernutzungserlaubnis. Daran gemessen
beschränkt sich das unentgeltliche Nutzungsrecht auf Maßnahmen, die als Inan-
spruchnahme des Straßenraums selbst anzusehen sind. Straßenverkehrsrechtliche
Maßnahmen, die im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs ergriffen
werden, werden selbst dann nicht von der Unentgeltlichkeit erfasst, wenn sie mit ei-
ner Benutzung des öffentlichen Straßenraums für Telekommunikationslinien im Zu-
sammenhang stehen. Dementsprechend hat der Senat bereits ausgesprochen, dass
§ 50 Abs. 1 TKG a.F. kein Gebot enthält, den Telekommunikationsunternehmen die
Verwirklichung von Investitionsvorhaben im Zusammenhang mit Telekommunikati-
onslinien frei von öffentlichen Abgaben zu ermöglichen (vgl. Beschluss vom 30. Mai
2002, a.a.O., 469).
Daraus, dass - wie aufgezeigt - die Lizenznehmer in den verfassungsrechtlichen Auf-
trag zur flächendeckenden Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen
eingebunden sind und §§ 50 ff. TKG a.F. auch den Zweck verfolgen, die telekom-
munikative Grundversorgung zu gewährleisten, folgt nicht, dass die Telekommunika-
tionsunternehmen von jeglichen finanziellen Lasten im Zusammenhang mit der Be-
nutzung im Sinne von § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG a.F. freigestellt sind. Nach der Recht-
sprechung des Senats ist nicht erkennbar, dass bei Wahrung der bundesrechtlichen
Vorgaben für die Erhebung von Gebühren, insbesondere bei Beachtung des Äquiva-
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lenzprinzips, die Erhebung von Gebühren im Zusammenhang mit der Ausübung der
Nutzungsberechtigung im Sinne von § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG a.F. die verfassungs-
rechtlichen Aufträge zur flächendeckenden Versorgung und zur Privatisierung im
Bereich der Telekommunikation beeinträchtigt (vgl. Beschluss vom 30. Mai 2002,
a.a.O., 469). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem allgemeinen Zweck des
Telekommunikationsgesetzes nach § 1 TKG a.F. Danach ist der Zweck des Geset-
zes, durch "Regulierung" näher bezeichnete Ziele zu erreichen. Fragen der Gebüh-
renerhebung betreffen nicht die Regulierung (vgl. Urteil vom 7. Juli 2004 - BVerwG
6 C 23.03 - CR 2004, 907 <910>).
ccc) Dem bisherigen Auslegungsergebnis steht nicht die Systematik des Gesetzes
entgegen. Insbesondere das Verhältnis des § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG a.F. zu den
§§ 52 bis 56 TKG a.F. rechtfertigt nicht die Annahme, dass für straßenverkehrsrecht-
liche Anordnungen nach § 45 Abs. 6 Satz 1 StVO im Zusammenhang mit der Verle-
gung oder Änderung von Telekommunikationslinien im öffentlichen Straßenraum
keine Gebühren erhoben werden dürfen.
Die §§ 52 bis 56 TKG a.F. regeln die Rechtsbeziehungen zwischen dem Nutzungs-
berechtigten und dem Wegeunterhaltungspflichtigen sowie zwischen dem Nutzungs-
berechtigten und den Betreibern "besonderer Anlagen" als sonstigen Nutzungs-
berechtigten. Die Bestimmungen betreffen Gefährdungen, Beeinträchtigungen und
Konflikte unterschiedlicher Art, die typischerweise mit der Benutzung der Verkehrs-
wege für Telekommunikationslinien einhergehen, und normieren insoweit insbeson-
dere Pflichten des Nutzungsberechtigten, deren Einhaltung von dem Wegeunterhal-
tungspflichtigen überwacht werden. Die Bestimmungen verpflichten den Nutzungsbe-
rechtigten in unterschiedlichen Zusammenhängen zur Tragung von Kosten (vgl. § 52
Abs. 2 und 3 Satz 2, § 53 Abs. 3, § 54 Abs. 3, § 55 Abs. 1 Satz 2, § 56 Abs. 2 Satz 1
und Abs. 3 TKG a.F.). Sie sehen auch Kostenansprüche des Wegeunterhaltungs-
pflichtigen gegenüber dem Nutzungsberechtigten vor. Den §§ 52 bis 56 TKG a.F. ist
nicht zu entnehmen, dass sie das Rechtsverhältnis zwischen dem Nutzungsberech-
tigten und dem Wegeunterhaltungspflichtigen auch mit der Folge abschließend re-
geln, dass Gebühren für Maßnahmen, die sich nicht als Inanspruchnahme der Ver-
kehrswege durch Telekommunikationslinien darstellen, nicht erhoben werden dürfen.
Aus den Bestimmungen ergibt sich lediglich, dass hinsichtlich der in ihnen angespro-
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chenen Sachverhalte eine abschließende Regelung insbesondere dahingehend ge-
troffen wird, welche Pflichten den Nutzungsberechtigten treffen. Straßenverkehrs-
rechtliche Anordnungen im Zusammenhang mit der Benutzung des öffentlichen
Straßenraums durch Telekommunikationslinien sind nicht Gegenstand der Regelun-
gen. Sie betreffen nicht die in den §§ 52 bis 56 TKG a.F. geregelten speziellen, auf
den Verkehrsweg selbst bezogenen Nutzungskonflikte und werden dementspre-
chend nicht von dem Wegeunterhaltungspflichtigen getroffen, sondern von der Stra-
ßenverkehrsbehörde, die nicht mit dem Wegeunterhaltungspflichtigen identisch sein
muss.
Daraus, dass das Telekommunikationsgesetz a.F. an verschiedenen Stellen aus-
drücklich die Erhebung von Gebühren vorsieht (vgl. z.B. § 16 Abs. 1 Satz 1 TKG a.F.
für die Lizenzgebühr, § 43 Abs. 3 Satz 3 TKG a.F. für die Nummerngebühr und § 48
Abs. 1 Satz 1 TKG a.F. für die Frequenzgebühr), nicht hingegen im Zusammenhang
mit der Benutzung im Sinne von § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG a.F., ergibt sich nicht, dass
Gebühren für Amtshandlungen aus Anlass der Inanspruchnahme des öffentlichen
Straßenraums für Telekommunikationslinien ausgeschlossen sind. Die Gebührentat-
bestände des Telekommunikationsgesetzes a.F. betreffen Amtshandlungen auf der
Grundlage dieses Gesetzes. Gebühren für Amtshandlungen aufgrund anderer Ge-
setze, wie hier der Straßenverkehrsordnung, sind selbstredend nicht Gegenstand
des Telekommunikationsgesetzes, so dass aus dem Fehlen solcher Regelungen im
Telekommunikationsgesetz nicht auf die Unzulässigkeit der Erhebung entsprechen-
der Gebühren geschlossen werden kann.
c) Der Erhebung von Gebühren für straßenverkehrsrechtliche Anordnungen im Zu-
sammenhang mit der Inanspruchnahme des öffentlichen Straßenraums durch Tele-
kommunikationslinien steht Europäisches Gemeinschaftsrecht nicht entgegen. Ins-
besondere ist die Gebührenerhebung nicht von Art. 4 d Satz 1 der hier noch anwend-
baren Richtlinie 90/388/EWG der Kommission vom 28. Juni 1990 über den Wettbe-
werb auf dem Markt für Telekommunikationsdienste - Wettbewerbsrichtlinie - (ABl
EG Nr. L 192 S. 10) ausgeschlossen.
Nach Art. 4 d Satz 1 der Wettbewerbsrichtlinie dürfen die Mitgliedstaaten Betreiber
öffentlicher Telekommunikationsnetze bei der Erteilung von Wegerechten für die Be-
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reitstellung solcher Netze nicht diskriminieren. Angesichts des Wortlauts der Be-
stimmung bestehen erhebliche Zweifel an ihrer Anwendbarkeit im vorliegenden Fall,
der nicht die Erteilung von Wegerechten betrifft, sondern die Erhebung von Gebüh-
ren im Zusammenhang mit der Realisierung des bestehenden Rechts an der Benut-
zung der Verkehrswege. Selbst wenn die Bestimmung hier grundsätzlich anwendbar
sein sollte, wäre das Diskriminierungsverbot durch die streitige Gebührenerhebung
nicht verletzt.
Der Klägerin ist darin zuzustimmen, dass Art. 4 d Satz 1 der Wettbewerbsrichtlinie
insbesondere das Ziel verfolgt, chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerb
im Bereich der Telekommunikation herzustellen. Die Wettbewerbsrichtlinie bezweckt,
der Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung der Telekommunikationsdienst-
leistungsunternehmen entgegenzuwirken, die bei der Errichtung und Nutzung ihrer
Netze bereits eine beherrschende Stellung einnehmen (vgl. 15. Erwägungsgrund).
Der Richtlinie 96/19/EG der Kommission vom 13. März 1996 zur Änderung der Richt-
linie 90/388/EWG hinsichtlich der Einführung des vollständigen Wettbewerbs auf den
Telekommunikationsmärkten (ABl EG Nr. L 74 S. 13), mit der Art. 4 d der Wettbe-
werbsrichtlinie eingeführt wurde, liegt auch die Erwägung zugrunde, dass zu verhin-
dern ist, dass nach der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes die markt-
beherrschenden Unternehmen ihre Stellung aufrechterhalten und diese nicht ange-
griffen werden kann (vgl. 6. und 9. Erwägungsgrund). Art. 4 d der Wettbewerbsricht-
linie will erreichen, dass den neu lizenzierten Betreibern ermöglicht wird, ihre Netze
unter Bedingungen auszubauen, die mit denjenigen des marktbeherrschenden Un-
ternehmens vergleichbar sind (vgl. 23. Erwägungsgrund). Daran gemessen könnte
es mit Blick auf das Diskriminierungsverbot geboten sein, in Rechnung zu stellen,
dass die Deutsche Telekom AG aufgrund ihrer nachwirkenden Monopolstellung über
ein flächendeckendes Telekommunikationsnetz verfügt und deshalb auf die Inan-
spruchnahme der Verkehrswege durch Telekommunikationslinien weitaus weniger
angewiesen ist als neue Wettbewerber, so dass sie auch im geringeren Umfang von
Gebühren für straßenverkehrsrechtliche Anordnungen im Zusammenhang mit der
Verlegung oder Änderung von Telekommunikationslinien betroffen sein dürfte. Ein
Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot wäre allerdings nur zu besorgen, wenn
die hier in Rede stehenden Gebühren im Fall ihrer Umlegung auf die Telekommuni-
kationsdienstleistungsunternehmen, für deren Telekommunikationslinien die Klägerin
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die Arbeiten durchgeführt hat, eine spürbare Belastung im Sinne eines Wettbewerbs-
nachteils darstellen würden. Der Gebührenbescheid in Höhe von etwa 4 900 € be-
zieht sich auf straßenverkehrsrechtliche Anordnungen im Zusammenhang mit einer
Vielzahl von Bautätigkeiten, wobei für je Baustelle ein Betrag zwischen 40 DM und
130 DM erhoben wurde. Gemessen an den von den Telekommunikationsunterneh-
men aufzubringenden Investitionskosten für die Errichtung ihres Telekommunikati-
onsnetzes erweisen sich die Gebühren als eine kaum mehr spürbare Belastung für
die Unternehmen, so dass von einer wettbewerbsrelevanten Beeinträchtigung im
Sinne des Diskriminierungsverbots von Art. 4 d Satz 1 der Wettbewerbsrichtlinie nicht
ausgegangen werden kann. Die Klägerin hat auch nicht substantiiert behauptet, dass
die hier in Rede stehenden Gebühren einen eine Verletzung des Diskriminie-
rungsverbots bewirkenden Wettbewerbsnachteil darstellen. Dass bei dieser Lage das
Diskriminierungsverbot von Art. 4 d Satz 1 der Wettbewerbsrichtlinie nicht verletzt
sein kann, erweist sich als offenkundig und frei von vernünftigen Zweifeln, so dass
eine Anrufung des Europäischen Gerichtshofs nach Art. 234 EG ausscheidet (vgl.
EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs 283.78 - Slg. 1982, 3415 <3430>).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Bardenhewer
Hahn
Büge
Graulich
Vormeier
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 4 877 € fest-
gesetzt (§ 13 Abs. 2 GKG a.F. i.V.m. § 72 GKG n.F.).
Bardenhewer
Hahn
Vormeier
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Telekommunikationsrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
GG
Art. 87 f Abs. 2
TKG a.F.
§ 50 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1,
§§ 52 bis 56
StVO
§ 45 Abs. 6 Satz 1
StVG
§ 6 a Abs. 1 Nr. 1 a
VwGO
§ 6 Abs. 1 Nr. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3, § 124 a Abs. 1 Satz 2
und Abs. 3 Satz 4
Wettbewerbsrichtlinie
(90/388/EWG)
Art. 4 d Satz 1
Stichworte:
Einzelrichter; Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung; Bindung
an Zulassungsentscheidung; Berufungsantrag; Benutzung des öffentlichen Straßen-
raums für Telekommunikationslinien; Unentgeltlichkeit der Benutzung; Gebühr für
straßenverkehrsrechtliche Anordnung.
Leitsatz:
Das Recht der Telekommunikationsunternehmen zur unentgeltlichen Benutzung der
Verkehrswege gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG a.F. hindert nicht die Erhebung einer
Gebühr für straßenverkehrsrechtliche Anordnungen im Zusammenhang mit der In-
anspruchnahme des Straßenkörpers für die Verlegung oder Änderung von Tele-
kommunikationslinien.
Urteil des 6. Senats vom 9. März 2005 - BVerwG 6 C 8.04
I. VG Ansbach vom 06.05.2003 - Az.: VG AN 10 K 02.936 -
II. VGH München vom 11.03.2004 - Az.: VGH 8 BV 03.1703 -