Urteil des BVerwG vom 28.11.2007

Unternehmen, Zugang, Verwaltungsverfahren, Prognostische Beurteilung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Verkündet
BVerwG 6 C 45.06
am 28. November 2007
VG 1 K 2977/05
Thiele
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn,
Dr. Graulich, Vormeier und Dr. Bier
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwal-
tungsgerichts Köln vom 19. Oktober 2006 wird zurückge-
wiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens
einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigela-
denen.
G r ü n d e :
I
Die beigeladene Deutsche Telekom AG bietet Telekommunikationsdienstleis-
tungen an und betreibt ein bundesweites Telekommunikationsnetz. Die Klägerin
ist eine alternative Teilnehmernetzbetreiberin (sog. City Carrier).
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Mit Beschluss vom 20. April 2005 traf die Bundesnetzagentur (noch unter ihrer
damaligen Bezeichnung Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post)
erstmals Regelungen in Bezug auf den Markt 11 der Empfehlung der
Kommission vom 11. Februar 2003 (ABl Nr. L 114 S. 45). Der definierte Markt
umfasst im Wesentlichen den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung in Form
der Kupferdoppelader sowie bestimmter hybrider Varianten, aber nicht zur Teil-
nehmeranschlussleitung aus reiner Glasfaser. Die Beigeladene als das diesen
Markt beherrschende Unternehmen wurde verpflichtet, anderen Unternehmen
vollständig entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss in Form der Kup-
ferdoppelader, im erforderlichen Umfang gebündelten Zugang zum Teilneh-
meranschluss in Form der Kupferdoppelader einschließlich hybrider Varianten
sowie zu diesem Zweck Kollokation und näher bezeichnete Kooperationsmög-
lichkeiten zu gewähren. Der Beigeladenen wurden Gleichbehandlungsverpflich-
tungen sowie eine Entgeltgenehmigungspflicht auferlegt. Ihr wurde zudem auf-
gegeben, ein einheitliches Standardangebot für näher bezeichnete Zugangs-
leistungen zu veröffentlichen. Die Verpflichtung der Beigeladenen, Zugang zum
Teilnehmeranschluss in Form der reinen Glasfaserleitung zu gewähren, sowie
die diesbezügliche Entgeltgenehmigungspflicht wurden dagegen widerrufen.
Mit der Klage hat die Klägerin begehrt, der Beigeladenen auf dem von der Bun-
desnetzagentur festgelegten Markt zusätzliche Regulierungsverpflichtungen
aufzuerlegen (Kapazitätsausbau, Zulassung von Kooperationsmöglichkeiten
zwischen zugangsberechtigten Unternehmen, Transparenzverpflichtung, ge-
trennte Rechnungsführung). Sie hat zudem verlangt, die bereits angeordneten
Zugangsverpflichtungen auf Teilnehmeranschlussleitungen aus reiner Glasfaser
zu erstrecken.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im We-
sentlichen ausgeführt: Die Verpflichtungsanträge seien zwar zulässig, obwohl
die Klägerin es unterlassen habe, entsprechende Sachanträge bereits im Ver-
waltungsverfahren zu stellen. Diese Voraussetzung sei ausnahmsweise ent-
behrlich, denn die Behörde habe in den Gründen der Regulierungsverfügung
eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass und aus welchen Gründen sie die
nunmehr zusätzlich eingeklagten Regelungen nicht für gerechtfertigt halte. Die
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Klage sei aber insgesamt unbegründet, weil die Auferlegung der begehrten zu-
sätzlichen Verpflichtungen, soweit sie im Telekommunikationsgesetz überhaupt
eine Grundlage fänden, jedenfalls neben den bereits getroffenen Regelungen
nicht erforderlich sei. Darüber hinaus dienten die insoweit einschlägigen
Rechtsnormen nicht dem Schutz der Klägerin. In Bezug auf die Teilnehmeran-
schlussleitung aus reiner Glasfaser sei die bisherige Zugangsverpflichtung ohne
Rechtsfehler widerrufen worden, sodass kein Anspruch auf Feststellung einer
entsprechenden Zugangsverpflichtung bestehe.
Die Klägerin hat ihre vom Verwaltungsgericht zugelassene Revision im Wesent-
lichen wie folgt begründet: Die Klage sei insgesamt zulässig und begründet,
insbesondere hätten die hier einschlägigen Vorschriften des Telekommunikati-
onsgesetzes über die Auferlegung von Regulierungsverpflichtungen Dritt-
schutzcharakter. Für einen zweckentsprechenden Zugang zum Teilnehmeran-
schluss sei sie, die Klägerin, auf einen begrenzten Kapazitätsausbau ebenso
angewiesen wie auf verbesserte Nutzungs- und Kooperationsmöglichkeiten im
Rahmen der Kollokation. Durch die Auferlegung einer Transparenzverpflichtung
sei sicherzustellen, dass alle Nachfrager sich über vom Standardangebot ab-
weichende Angebote der Beigeladenen umgehend informieren könnten. Nur
eine getrennte Rechnungsführung könne das bei der Beigeladenen vorhandene
Quersubventionierungs- und Diskriminierungspotenzial verringern. Durch die
Ausgrenzung der reinen Glasfaser aus dem regulierten Markt habe die Beklagte
gegen die Pflicht zur Berücksichtigung nationaler Besonderheiten ebenso
verstoßen wie gegen das Gebot technologieneutraler Regulierung und zudem
getätigten Infrastrukturinvestitionen den notwendigen Schutz versagt.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte
zu verpflichten,
1. der Beigeladenen die Verpflichtung aufzuerlegen, den
vollständig entbündelten Zugang zum Teilnehmeran-
schluss nach Nr. 1.1 der Regulierungsverfügung vom
20. April 2005 auch dann anzubieten, wenn dafür ein Ka-
pazitätsausbau erforderlich sein sollte und die Klägerin
sich auf ein Angebot der Beigeladenen verpflichtet, die In-
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vestitionsrisiken für den nachfragegerechten Kapazitäts-
ausbau zu übernehmen,
2. unter Abänderung von Nr. 1.4 der Regulierungsverfü-
gung vom 20. April 2005 der Beigeladenen die Verpflich-
tung aufzuerlegen, gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 6 TKG im
Rahmen der Erfüllung der Verpflichtung zur Kollokations-
gewährung nach Nr. 1.3 Nutzungsmöglichkeiten von Zu-
gangsleistungen sowie Kooperationsmöglichkeiten zwi-
schen den zum Zugang berechtigten Unternehmen zuzu-
lassen,
3. der Beigeladenen die Transparenz-Verpflichtung auf-
zuerlegen, für die zum Zugang berechtigten Unternehmen
alle für die Inanspruchnahme der entsprechenden Zu-
gangsleistungen benötigten Informationen zu veröffentli-
chen, insbesondere Informationen zur Buchführung, zu
technischen Spezifikationen, Netzmerkmalen, Bereitstel-
lungs- und Nutzungsbedingungen sowie über die zu zah-
lenden Entgelte,
4. der Beigeladenen die Verpflichtung aufzuerlegen, für ih-
re Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Bereitstellung
des Zugangs zum Teilnehmeranschluss eine getrennte
Rechnungsführung durchzuführen,
5. festzustellen, dass der vollständig entbündelte Zugang
zum Teilnehmeranschluss auch in Form der reinen Glas-
faserleitung am Hauptverteiler oder einem näher an der
Teilnehmeranschlusseinheit gelegenen Punkt zu gewäh-
ren ist und dass die Entgelte für die Gewährung dieses
Zugangs der Genehmigung nach Maßgabe des § 31 TKG
unterliegen.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil.
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II
Die Revision ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergeb-
nis zu Recht abgewiesen, denn sie ist bereits unzulässig.
Zwar ist die Klägerin - jedenfalls überwiegend - klagebefugt (1), doch steht der
Zulässigkeit sämtlicher Klageanträge der Umstand entgegen, dass die Klägerin
entsprechende Sachanträge nicht vorab im Verwaltungsverfahren gegenüber
der Bundesnetzagentur gestellt hat (2).
1. Die Klagebefugnis für die Verpflichtungsklage setzt voraus, dass die Klägerin
geltend macht, durch die Ablehnung oder Unterlassung des begehrten Verwal-
tungsakts in ihren Rechten verletzt zu sein (§ 42 Abs. 2 VwGO). Da die Klägerin
unter den hier vorliegenden Umständen nicht Adressatin des von ihr erstrebten
Verwaltungsakts ist, ist ihre Klagebefugnis davon abhängig, dass sie sich auf
eine öffentlich-rechtliche Norm stützen kann, die nach dem in ihr enthaltenen
Entscheidungsprogramm (zumindest auch) sie als Dritte schützt. Insoweit ist
entscheidend, dass sich aus individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der
Norm ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich hinreichend von der All-
gemeinheit unterscheidet (s. nur Urteile vom 16. September 1993 - BVerwG 4 C
28.91 - BVerwGE 94, 151 <158> = Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 118
S. 100 und vom 10. Oktober 2002 - BVerwG 6 C 8.01 - BVerwGE 117, 93
<95 f.> = Buchholz 442.066 § 30 TKG Nr. 1 S. 3; stRspr). Die Verletzung eige-
ner Rechte muss auf der Grundlage des Klagevorbringens möglich sein; diese
Möglichkeit ist nur auszuschließen, wenn offensichtlich und nach keiner Be-
trachtungsweise subjektive Rechte der Klägerin verletzt sein können.
Nach diesen Grundsätzen ist für die hier erhobenen Klageanträge zu 1 bis 4 die
Klagebefugnis anzuerkennen; für den Klageantrag zu 5 dürfte sie dagegen feh-
len.
a) Die Klageanträge zu 1 und 2, die die Auferlegung besonderer Zugangsver-
pflichtungen betreffen, werden auf § 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Abs. 2 Nr. 6
TKG gestützt. Insoweit ist die Klägerin klagebefugt, denn § 21 TKG ist zu ihren
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Gunsten drittschützend, und es ist nach ihrem Vorbringen nicht von vornherein
ausgeschlossen, dass er verletzt sein könnte.
Schon dem Wortlaut des § 21 TKG sind deutliche Hinweise auf den Schutz-
normcharakter zu entnehmen, der auch der überwiegenden Meinung im Schrift-
tum entspricht (Piepenbrock/Attendorn, in: BeckTKG, 3. Aufl. 2006, § 21
Rn. 349; Korehnke, a.a.O. § 13 Rn. 24; Thomaschki, in: BerlKommTKG, 2006,
§ 21 Rn. 12; Schütz, in: Kommunikationsrecht, 2005, Rn. 336; Jochum,
in: Wilms/Masing/Jochum, TKG, § 21 Rn. 19; Heun, in: ders., Handbuch TKR,
2. Aufl. 2007, Rn. G 241 ff., H 252). Indem § 21 Abs. 1 Satz 1 TKG ausdrücklich
„andere Unternehmen“ als Zugangsbegünstigte anspricht, bezieht er sie er-
kennbar in seinen Schutzzweck ein (s. auch Urteil vom 18. April 2007 - BVerwG
6 C 21.06 - NVwZ 2007, 1321 Rn. 10 zu § 42 Abs. 1 TKG). In Anbetracht der
zusätzlichen Eingrenzung auf Unternehmen, die Telekommunikationsdienste
erbringen (s. die gesetzliche Definition des Zugangs in § 3 Nr. 32 TKG) wird ein
Personenkreis konkretisiert, der sich hinreichend deutlich von der Allgemeinheit
unterscheidet. Der Umstand, dass über Zugangsverpflichtungen nicht nur von
Amts wegen, sondern gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 TKG auch auf Antrag
entschieden wird, liefert einen zusätzlichen Anhaltspunkt für den Drittschutz
zugunsten der Wettbewerbsunternehmen. Zwar muss ein formales An-
tragsrecht nicht stets deckungsgleich sein mit der materiellen Rechtsposition,
auf die sich die Klagebefugnis gründet (Urteil vom 18. April 2007 a.a.O. Rn. 11;
s. auch Urteil vom 10. Oktober 2002 a.a.O. S. 104 bzw. S. 10), im Sinne eines
Indizes deutet es zusammen mit der Nennung „anderer Unternehmen“ aber
doch auf den Schutznormcharakter des § 21 TKG hin.
Die Gesetzessystematik und die Entstehungsgeschichte bestätigen dieses Aus-
legungsergebnis. So ist in § 20 Abs. 1 TKG, der die Auferlegung einer Transpa-
renzverpflichtung regelt, von den „zum Zugang berechtigten Unternehmen“ die
Rede. Darin kommt zum Ausdruck, dass das Zugangsrecht nicht erst durch die
Auferlegung einer Zugangsverpflichtung konstituiert, sondern bereits im Gesetz
vorausgesetzt wird. Denn rechtssystematisch ist die Transparenzverpflichtung
nicht akzessorisch gegenüber der Zugangsverpflichtung, sondern steht als Re-
gulierungsinstrument selbständig neben ihr, wie sich aus § 13 Abs. 1 Satz 1,
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Abs. 3 TKG und gemeinschaftsrechtlich aus Art. 8 Abs. 2, Art. 9, Art. 12 der
Richtlinie 2002/19/EG vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen
Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusam-
menschaltung - Zugangsrichtlinie, ZRL - erschließt. Auch die Motive zu § 21
TKG gehen erkennbar von einem subjektiven Zugangsrecht aus, das in dieser
Norm vorausgesetzt und durch sie näher ausgestaltet wird. So werden in der
Begründung des Regierungsentwurfs zu § 21 TKG (entspr. § 19 TKG-E) Unter-
nehmen, die Zugangsleistungen zur Erbringung von Telekommunikationsdiens-
ten nachfragen, als „Berechtigte“ bezeichnet (BTDrucks 15/2316 vom 9. Januar
2004 S. 64), und die Entwurfsbegründung zu § 13 TKG zählt zu den betroffenen
Unternehmen neben den Verpflichteten auch die Anspruchsberechtigten und
vermerkt, dass den Betroffenen im Falle unterbliebener Verpflichtungen nach
Teil 2 des Gesetzes der Verwaltungsrechtsweg offensteht, soweit sie dadurch
im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO in eigenen Rechten verletzt sein können
(a.a.O. S. 63).
Überlegungen zum Europäischen Rechtsrahmen, dessen Umsetzung § 21 TKG
dient, runden das Auslegungsergebnis ab. So ist in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie
2002/21/EG vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für
elektronische Kommunikationsnetze und -dienste - Rahmenrichtlinie, RRL -
vorgesehen, dass jeder von einer Regulierungsentscheidung betroffene Anbie-
ter Rechtsschutzmöglichkeiten haben soll. Diese Norm geht ersichtlich davon
aus, dass bestimmte spezifische Verpflichtungen, die marktmächtigen Unter-
nehmen gemäß Art. 16 Abs. 2, 4 RRL und der dort angeführten Zugangsrichtli-
nie auferlegt werden, als Schutzmaßnahmen im Interesse der Wettbewerber
anzusehen sind. Zu diesen Schutzmaßnahmen zählen schon dem Wortlaut
nach die in Art. 12 ZRL geregelten Zugangsverpflichtungen; denn dessen
Abs. 1 Satz 1 spricht insoweit von „berechtigten Anträgen auf Zugang“ (zum
Schutznormcharakter des Art. 12 ZRL s. auch Schlussanträge des Generalan-
walts vom 15. Februar 2007 in der Rechtssache C-426/05 Rn. 29, juris).
b) Die Klagebefugnis besteht auch für die Klageanträge zu 3 und 4. Das Be-
gehren, der Beigeladenen zusätzlich eine Transparenzverpflichtung aufzuerle-
gen, stützt sich auf § 20 Abs. 1 TKG. Nach dem oben dargestellten Maßstab ist
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auch diese Norm, die schon ihrem Wortlaut nach die „zum Zugang berechtigten
Unternehmen“ hervorhebt, zu deren Gunsten drittschützend (ebenso
Piepenbrock/Attendorn, in: BeckTKG, 3. Aufl. 2006, § 20 Rn. 31; Nolte, in:
BerlKommTKG, 2006, § 20 Rn. 25). Demgegenüber gibt zwar § 24 Abs. 1 TKG,
der die Verpflichtung zur getrennten Rechnungsführung behandelt, seinem
Wortlaut nach unmittelbar keinen Hinweis auf einen individuell geschützten
Personenkreis. Doch benennt § 24 Abs. 1 Satz 3 TKG als Normzweck u.a. die
Verhinderung von Verstößen gegen das Diskriminierungsverbot, das seinerseits
in § 19 TKG geregelt ist. Dessen Absatz 2 individualisiert als Begünstigte der
dort genannten Gleichbehandlungsverpflichtungen die „anderen Unternehmen,
die gleichartige Dienste erbringen“ und hat insoweit drittschützende Wirkung (s.
Piepenbrock/Attendorn, a.a.O. § 19 Rn. 110). Diese erstreckt sich auf § 24 TKG
und schließt die Klägerin ein, soweit sie als alternative Teilnehmer-
netzbetreiberin gleichartige Dienste erbringt wie das vertikal integrierte Unter-
nehmen der Beigeladenen. Auch hinsichtlich der Klageanträge zu 3 und 4 ist
schließlich nach dem Vorbringen der Klägerin nicht von vornherein auszu-
schließen, dass die Abweisung sie in eigenen Rechten verletzen könnte.
c) Etwas anderes gilt allerdings für den Klageantrag zu 5, der auf den Zugang
zur Teilnehmeranschlussleitung in Form der reinen Glasfaser zielt. Zwar stützt
sich auch dieser Klageantrag unmittelbar auf die drittschützende Regelung des
§ 21 TKG, denn die Klägerin will die in der Regulierungsverfügung vom 20. April
2005 angeordnete Zugangsverpflichtung auf den Zugang zur Glasfaser-
Teilnehmeranschlussleitung ausgedehnt wissen. Doch dürfte in Bezug auf das
mit dem Klageantrag zu 5 verfolgte Verpflichtungsbegehren eine Verletzung
eigener Rechte der Klägerin ausscheiden. Diese wäre nur möglich, wenn die
durch die Bundesnetzagentur vorgenommene Definition des sachlich relevanten
Marktes, die die Teilnehmeranschlussleitung aus reiner Glasfaser ausdrücklich
nicht einbezieht, ihrerseits subjektive Rechte der Klägerin berühren würde. Das
ist aber - jedenfalls nach Maßgabe des nationalen Rechts - nicht der Fall.
Schon der Wortlaut des § 10 TKG über die Marktdefinition lässt jeden Hinweis
auf einen individuell geschützten Personenkreis vermissen. Die drei in § 10
Abs. 2 Satz 1 TKG für eine Regulierungsbedürftigkeit genannten Kriterien
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- beträchtliche und anhaltende Marktzutrittsschranken, fehlende Tendenz zu
wirksamem Wettbewerb, Insuffizienz des allgemeinen Wettbewerbsrechts - sind
rein objektiver Natur. Die Festlegung der zu regulierenden Märkte im Wege der
Marktdefinition ist eine der Bundesnetzagentur vom Gesetzgeber übertragene
quasi-gesetzliche Aufgabe, die auf den Erlass einer abstrakt-generellen
Regelung zielt (Pape, in: BeckTKG, 3. Aufl. 2006, vor § 9 Rn. 5). Demzufolge ist
auch im Schrifttum überwiegend anerkannt, dass die Marktdefinition grund-
sätzlich im öffentlichen Interesse liegt und kein subjektives Recht auf die Defini-
tion eines bestimmten Marktes besteht (Korehnke, in: BeckTKG, 3. Aufl. 2006,
§ 13 Rn. 24; Gurlit, in: BerlKommTKG, 2006, § 13 Rn. 49; differenzierend Heun,
in: ders., Handbuch TKR, 2. Aufl. 2007, Rn. G 239, 245 ff.).
Die Entstehungsgeschichte bestätigt diesen Befund. Vor Erlass des Telekom-
munikationsgesetzes 2004 verschiedentlich erhobenen Forderungen, die §§ 10,
11 ausdrücklich drittschützend auszugestalten (Schütz, MMR Beilage 12/2002,
18 <22 f.>; Schütz/Attendorn, MMR Beilage 4/2002, 1 <32 f.>; s. auch Scherer,
MMR Beilage 12/2002, 23 <26 f.>), ist schon der Regierungsentwurf nicht ge-
folgt. Dabei ist es auch im weiteren Gesetzgebungsverfahren geblieben, wie
sich insbesondere an dem Ergebnis der Auseinandersetzung um § 14 TKG
zeigt, der die turnusmäßige Überprüfung der Marktdefinition und -analyse re-
gelt. So hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der
Bundesregierung angeregt, in § 14 Abs. 1 ein Antragsrecht der betroffenen Un-
ternehmen vorzusehen (BTDrucks 15/2316 S. 111). Dem ist die Bundesregie-
rung aber unter Hinweis darauf entgegengetreten, dass die Regulierungsbe-
hörde im Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 TKG „nach pflichtgemäßem Er-
messen von Amts wegen“ zur Einleitung des Verfahrens verpflichtet sei
(BTDrucks 15/2345 vom 14. Januar 2004 S. 2). Anders als etwa bei § 42 Abs. 4
TKG konnte sich der Bundesrat mit der Aufnahme eines zusätzlichen
Antragsrechts im Zusammenhang mit der Marktdefinition und ihrer Überprüfung
endgültig nicht durchsetzen.
Rechtsschutzmöglichkeiten der Wettbewerber auf dieser Ebene wären zudem
kaum vereinbar mit dem europäischen Rechtsrahmen, nach dem die Kommis-
sion eine von den nationalen Regulierungsbehörden „weitestgehend“ zu be-
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rücksichtigende Empfehlung in Bezug auf relevante Produkt- und Dienstmärkte
ausspricht (Art. 15 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 RRL), deren Beachtung sie erforderli-
chenfalls mit einem Veto gegen abweichende nationale Festlegungen durch-
setzen kann (Art. 7 Abs. 4 Satz 3 RRL). Mit diesem Durchgriffsrecht der Kom-
mission könnte ein individueller gerichtlicher Rechtsschutz in Konflikt geraten.
2. Die Klage ist - auch soweit eine Klagebefugnis im Sinne des § 42 Abs. 2
VwGO besteht - deshalb unzulässig, weil die Klägerin versäumt hat, im Verwal-
tungsverfahren gegenüber der Bundesnetzagentur den Erlass derjenigen Re-
gelungen zu beantragen, die im gerichtlichen Verfahren Gegenstand ihrer Ver-
pflichtungsanträge sind.
a) Für die Verpflichtungsklage ist anerkannt, dass ihre Zulässigkeit grundsätz-
lich von einem vorher im Verwaltungsverfahren erfolglos gestellten Antrag auf
Vornahme des eingeklagten Verwaltungsakts abhängt (Urteile vom 30. August
1973 - BVerwG 2 C 10.73 - Buchholz 232 § 181 BBG Nr. 6 S. 12, vom 17. April
1975 - BVerwG 2 C 30.73 - Buchholz 235 § 1 BBesG Nr. 1 S. 7 f., vom
14. Dezember 1978 - BVerwG 5 C 1.78 - BVerwGE 57, 204 <209 f.> und
vom 24. Februar 1982 - BVerwG 6 C 8.77 - Buchholz 238.4 § 30 SG Nr. 5;
Beschluss vom 6. Mai 1993 - BVerwG 1 B 201.92 - juris; Urteil vom 31. August
1995 - BVerwG 5 C 11.94 - BVerwGE 99, 158 <160> = Buchholz 436.0 § 119
BSHG Nr. 2 S. 2 f.; Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 42 Rn. 37
m.w.N.). Diese Zulässigkeitsvoraussetzung folgt aus § 68 Abs. 2, § 75 Satz 1
VwGO („Antrag auf Vornahme“) und zusätzlich aus dem Grundsatz der Gewal-
tenteilung, nach dem es zunächst Sache der Verwaltung ist, sich mit Ansprü-
chen zu befassen, die an sie gerichtet werden. Sie gilt grundsätzlich unabhän-
gig davon, ob der erstrebte Verwaltungsakt auf Antrag oder von Amts wegen zu
erlassen ist (Urteil vom 31. August 1995 a.a.O.).
b) Die Zulässigkeitsvoraussetzung der vorherigen Antragstellung bei der Ver-
waltungsbehörde steht unter dem Vorbehalt, dass das einschlägige - bundes-
rechtlich geordnete - Verwaltungsverfahrensrecht keine abweichende Regelung
trifft (Urteil vom 2. Mai 1984 - BVerwG 8 C 94.82 - BVerwGE 69, 198 <200>;
Beschluss vom 6. Mai 1993 a.a.O.). Indes nötigen die Vorschriften des Tele-
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kommunikationsgesetzes nicht dazu, in Bezug auf den erstrebten Erlass tele-
kommunikationsrechtlicher Regulierungsverpflichtungen von dem genannten, in
der Rechtsprechung allgemein anerkannten Grundsatz des Prozessrechts ab-
zuweichen, sondern sprechen für das Gegenteil.
Das Regulierungsverfahren ist allerdings dadurch gekennzeichnet, dass es
- auch ohne individuelle Sachanträge - auf eine abschließende Gesamtregelung
aller Fragen angelegt ist, die die Regulierungsbedürftigkeit des von der Bun-
desnetzagentur nach §§ 10, 11 TKG definierten und analysierten Marktes
aufwirft. Die Regulierungsverfügung ist - insoweit dem Planfeststellungsbe-
schluss vergleichbar - Ausdruck einer gesetzlich ausgeformten Gestaltungsfrei-
heit, die sich auf die Verwirklichung des gesetzlichen Regulierungsauftrags und
die prospektive Bewältigung der damit zusammenhängenden Probleme er-
streckt. Daraus folgt aber nicht, dass ein auf die Auferlegung bestimmter Regu-
lierungsmaßnahmen gerichteter Antrag an die Bundesnetzagentur als Zuläs-
sigkeitsvoraussetzung für eine Verpflichtungsklage, mit der dieses Ziel (weiter)
verfolgt wird, entbehrlich wäre. Vielmehr geben gerade die Besonderheiten des
Regulierungsverfahrens Anlass, auf einem solchen Antrag zu bestehen.
Wie schon erwähnt, gilt die Regel, dass die Zulässigkeit der Verpflichtungsklage
einen erfolglos gestellten Antrag bei der Behörde auf Vornahme des begehrten
Verwaltungsakts voraussetzt, sogar dann, wenn die Behörde nach dem
einschlägigen Fachgesetz über den Erlass des betreffenden Verwaltungsakts
ohne Antrag von Amts wegen entscheidet. Von ihr abzuweichen, besteht umso
weniger Anlass, wenn die mit der Klage geltend gemachten subjektiven Rechte
wegen der Besonderheiten des anzuwendenden Fachrechts vollumfänglich nur
von der Behörde berücksichtigt werden können. Dies ist im Bereich der hier
umstrittenen telekommunikationsrechtlichen Regulierungsmaßnahmen aus fol-
genden Gründen der Fall:
Die Normen, auf die die Klägerin die Auferlegung der von ihr zusätzlich begehr-
ten Regulierungsverpflichtungen gegenüber der Beigeladenen gestützt wissen
will, sind, wie oben bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt, (zumindest
auch) ihren rechtlich geschützten Interessen zu dienen bestimmt. Für die Gel-
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tendmachung eigener subjektiver Rechte gebietet der Zweck der jeweiligen An-
spruchsnorm die - die von einer bloßen Stellungnahme im Rahmen einer Kon-
sultation (§ 12 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG) zu unterscheidende - Stellung
eines Sachantrages, wie ihn im Übrigen das Gesetz im Bereich der Zugangs-
rechte ausdrücklich hervorhebt (§ 21 Abs. 1 Satz 1 TKG). Denn er zielt darauf,
dass die Bundesnetzagentur die mit ihm geltend gemachten individuellen Be-
lange im Rahmen der von ihr zu verantwortenden Entscheidung berücksichtigt.
Die Entscheidung über die Auferlegung von Regulierungsverpflichtungen ist das
Ergebnis einer umfassenden und komplexen Abwägung, bei der gegenläufige
öffentliche und private Belange einzustellen, zu gewichten und auszugleichen
sind (in diesem Sinne bereits Urteil vom 31. März 2004 - BVerwG 6 C 11.03 -
BVerwGE 120, 263 <271> = Buchholz 442.066 § 37 TKG Nr. 1 S. 7 zur
Zusammenschaltungsanordnung nach § 37 Abs. 1 TKG 1996). Die Bundes-
netzagentur hat zwar kein Entschließungsermessen in Bezug auf ihr regulatori-
sches Tätigwerden auf einem gemäß §§ 10, 11 TKG als regulierungsbedürftig
festgestellten Markt, denn in § 9 Abs. 2 TKG ist im Einklang mit Art. 16 Abs. 4
RRL das Gebot angelegt, einem marktmächtigen Unternehmen Maßnahmen
nach Teil 2 des Gesetzes aufzuerlegen. Ihr steht aber bei der Frage, welche der
in § 13 Abs. 1 und 3 TKG vorgesehenen Maßnahmen sie ergreift und ge-
gebenenfalls kombiniert, ein umfassender Auswahl- und Ausgestaltungsspiel-
raum zu, bei dessen Ausübung sie sich an den in § 2 Abs. 2 TKG vorgegebe-
nen Regulierungszielen auszurichten hat. Die Kriterien für die von der Bundes-
netzagentur vorzunehmende Abwägung sind dabei im Bereich der Zugangs-
verpflichtungen noch weiter ausdifferenziert. Denn nach § 21 Abs. 1 Satz 2
TKG hat sie bei der Prüfung, ob eine Zugangsverpflichtung gerechtfertigt ist und
in einem angemessenen Verhältnis zu den Regulierungszielen nach § 2 Abs. 2
TKG steht, einen sieben Punkte umfassenden Katalog mit weiteren Ab-
wägungsgesichtspunkten zu berücksichtigen.
Diese Normstruktur schließt es aus, die durch zahlreiche unbestimmte Rechts-
begriffe gesteuerte Abwägung von einer sich etwa daran erst anschließenden
Ermessensbetätigung zu trennen und erstere der vollen gerichtlichen Kontrolle
zu unterwerfen. Vielmehr ist die Abwägung ein untrennbarer Bestandteil des
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Regulierungsermessens selbst, das der Bundesnetzagentur bei zweckentspre-
chender Auslegung des Gesetzes insoweit eingeräumt ist. Der Senat übersieht
dabei nicht, dass die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe grundsätz-
lich Sache der Gerichte ist, die die Rechtsanwendung der Verwaltungsbehörden
uneingeschränkt zu überprüfen haben. Doch kann ein gesetzlich vorgegebenes
Entscheidungsprogramm wegen hoher Komplexität oder besonderer Dynamik
der geregelten Materie so vage und seine Konkretisierung im Nachvollzug der
Verwaltungsentscheidung so schwierig sein, dass die gerichtliche Kontrolle an
die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stößt (BVerfG, Beschluss vom
17. April 1991 - 1 BvR 419/81 u.a. - BVerfGE 84, 34 <49 f.>). Die Pflicht zur
gerichtlichen Überprüfung reicht nicht weiter als die materiell-rechtliche Bindung
der Exekutive. Sie endet dort, wo das materielle Recht der Verwaltungsbehörde
in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise Entscheidungen abverlangt, ohne
dafür hinreichend bestimmte Entscheidungsprogramme vorzugeben (BVerfG,
Beschluss vom 16. Dezember 1992 - 1 BvR 167/87 - BVerfGE 88, 40 <56, 61>;
Urteil vom 20. Februar 2001 - 2 BvR 1444/00 - BVerfGE 103, 142 <156 f.>). Vor
diesem Hintergrund hat das Bundesverwaltungsgericht dem Gesetz unter
anderem dann eine Entscheidungsprärogative für die Exekutive entnommen,
wenn der von ihr zu treffenden Entscheidung in hohem Maße wertende
Elemente anhaften und das Gesetz für sie deshalb ein besonderes
Verwaltungsorgan für zuständig erklärt, das mit besonderer fachlicher
Legitimation in einem besonderen Verfahren entscheidet, zumal wenn es sich
um ein Kollegialorgan handelt, das mögliche Auffassungsunterschiede bereits in
sich zum Ausgleich bringt und die zu treffende Entscheidung damit zugleich
versachlicht (zuletzt Urteil vom 16. Mai 2007 - BVerwG 3 C 8.06 - NJW 2007,
2790 Rn. 27 m.w.N.). Das ist hier der Fall.
Die Mitglieder der Beschlusskammern der Bundesnetzagentur, deren Sach-
kunde durch fortlaufende wissenschaftliche Unterstützung institutionell abgesi-
chert ist (§ 125 Abs. 2 TKG), nehmen im Rahmen eines mit besonderen An-
trags- und Beteiligungsrechten ausgestatteten, förmlichen Verwaltungsverfah-
rens (§§ 132 ff. TKG) eine gestaltende Aufgabe wahr, deren Ergebnis weitge-
hend frei ist von festen normativen Vorgaben und eine prognostische Beurtei-
lung darüber voraussetzt, wie die unterschiedlichen Ziele der Regulierung unter
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Berücksichtigung aller abwägungserheblichen öffentlichen und privaten Belange
bestmöglich zu erreichen sind. Der damit notwendigerweise verbundene
Entscheidungsspielraum ist aus dem Blickwinkel des Gemeinschaftsrechts
Ausdruck dessen, dass nach dem Normzweck des Art. 8 Abs. 1, 2 und 4 ZRL
die nationale Regulierungsbehörde über den vollen Ermessensspielraum verfü-
gen soll, wenn es um die Entscheidung geht, welche Verpflichtungen ange-
messen sind und im Einklang mit dem gemeinschaftlichen Rechtsrahmen ste-
hen (so die Europäische Kommission in einer gemäß Art. 226 EG abgegebenen
Stellungnahme gegenüber der Bundesrepublik Deutschland vom 12. April
2005).
Ist somit das Verwaltungsgericht in einem auf die Auferlegung von (zusätzli-
chen) Regulierungsverpflichtungen gerichteten Verwaltungsprozess auf die
Überprüfung beschränkt, ob die Bundesnetzagentur die Interessen der Beteilig-
ten ermittelt, alle erforderlichen tatsächlichen Erkenntnisse gewonnen, die für
die Abwägung wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigt und keine sach-
fremden Erwägungen angestellt hat, so kann von dem allgemein geltenden
prozessualen Erfordernis der vorherigen Antragstellung im Verwaltungsverfah-
ren gerade hier nicht abgesehen werden. Denn nur auf diese Weise ist hinrei-
chend gesichert, dass die Belange des Klägers, die die Grundlage der Klage
bilden, bereits im Verfahren vor der Bundesnetzagentur berücksichtigt werden
konnten und mithin die Gewährung von Rechtsschutz im Einklang mit der Pro-
zessordnung auf solche Fälle beschränkt ist, in denen die Bundesnetzagentur
ihrer Pflicht zur Berücksichtigung nicht oder nicht ordnungsgemäß nachge-
kommen ist.
c) Die Klägerin hat nach der Veröffentlichung des Entwurfs der hier umstrittenen
Regulierungsverfügung im Amtsblatt der Behörde (s. § 12 Abs. 1 Satz 1, § 13
Abs. 1 Satz 1 TKG) keinen Sachantrag auf Auferlegung der jetzt eingeklagten
zusätzlichen Regulierungsverpflichtungen gestellt. Hierfür hat sie sich darauf
berufen, dass sie zum Regulierungsverfahren habe beigeladen werden wollen,
die Bundesnetzagentur aber Beiladungsanträge grundsätzlich abgelehnt habe.
Ein bloßer Antrag auf Beiladung zum Verwaltungsverfahren würde allerdings,
auch wenn ihn die Klägerin selbst erfolglos gestellt hätte, für die Zulässigkeit
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der Verpflichtungsklage nicht ausreichen. Denn er wäre nur auf die Einräumung
einer verfahrensrechtlichen Position, nicht aber auf das sachliche Anliegen der
Klägerin gerichtet gewesen. Diese hat den erforderlichen Sachantrag auch
später nicht gegenüber der Bundesnetzagentur gestellt. Ob das materielle
Recht die Stellung eines solchen Antrages noch nach Erlass der Regu-
lierungsverfügung mit dem Ziel ihrer Ergänzung ermöglicht (so wohl
Piepenbrock/Attendorn, in: BeckTKG, 3. Aufl. 2006, § 21 Rn. 23), kann dabei
ebenso offenbleiben wie die prozessrechtliche Frage, ob die beim Verwal-
tungsgericht eingereichte Klagebegründung grundsätzlich geeignet sein kann,
einen fehlenden Verwaltungsantrag mit heilender Wirkung für die Zulässigkeit
der Verpflichtungsklage zu ersetzen (in diesem Sinne Urteil vom 4. August 1993
- BVerwG 11 C 15.92 - Buchholz 436.36 § 46 BAföG Nr. 16 S. 14 f.). Selbst
wenn es sich bei dem Antragserfordernis nicht um eine Klagevoraussetzung
handeln sollte (so aber Urteil vom 31. August 1995 a.a.O.), sondern um eine
bloße Sachentscheidungsvoraussetzung, die erst im Zeitpunkt der ab-
schließenden gerichtlichen Entscheidung vorliegen muss (so Urteil vom 14. De-
zember 1978 und Beschluss vom 6. Mai 1993, jeweils a.a.O.), scheidet jeden-
falls angesichts der Besonderheiten des telekommunikationsrechtlichen Be-
schlusskammerverfahrens eine Nachholung des Antrages durch die Klagebe-
gründung aus. Denn dem auf eine Kollegialentscheidung im förmlichen Verwal-
tungsverfahren (§§ 132 ff. TKG) gerichteten Antrag kann die Klagebegründung
ebenso wenig gleichstehen, wie die (ablehnende) Ausübung des Regulierungs-
ermessens der Beschlusskammer durch die Klageerwiderung des Prozessver-
treters der Behörde ersetzt werden kann.
d) Die Klägerin war entgegen ihrer Ansicht durch die grundsätzliche Ablehnung
von Beiladungsgesuchen auch nicht daran gehindert, einen eigenen Sachan-
trag in das Regulierungsverfahren einzubringen, denn die Beteiligtenstellung als
Antragsteller (§ 134 Abs. 2 Nr. 1 TKG) ist unabhängig von der Beiladung (§ 134
Abs. 2 Nr. 3 TKG). Durch den Hinweis der Beklagten auf die aus ihrer Sicht
ausreichende Interessenwahrnehmung durch den Bundesverband der
regionalen und lokalen Telekommunikationsgesellschaften (Breko) und den
Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM)
mag die Klägerin dazu veranlasst worden sein, die eigene Antragstellung zu
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unterlassen. Das rechtfertigt es aber nicht, den erforderlichen Sachantrag der
Klägerin als durch die gemeinsame Stellungnahme beider Verbände vom
24. Januar 2005, die diese im Rahmen der Konsultation nach § 13 Abs. 1
Satz 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 TKG abgegeben haben, ersetzt anzusehen. Wie
schon das Verwaltungsgericht insoweit zu Recht ausgeführt hat, handelt es sich
bei dieser Stellungnahme um eine „konsolidierte“, also mit sämtlichen Ver-
bandsmitgliedern abgestimmte Meinungsäußerung, aber nicht um das individu-
elle Begehren nach einer bestimmten Sachentscheidung, wie es den Antrag
kennzeichnet. Davon abgesehen ist die abgestimmte Stellungnahme der Inte-
ressenverbände mangels der für Willenserklärungen erforderlichen Bevoll-
mächtigung (§ 14 Abs. 1 VwVfG) nicht gerade der Klägerin rechtlich zurechen-
bar. Diese war zwar nicht gehindert, ihre Interessen in der geschehenen Weise
durch die beiden Verbände wahrnehmen zu lassen. Um Vorsorge für eine aus
ihrer Sicht etwa gebotene Klageerhebung zu treffen, wäre sie allerdings gehal-
ten gewesen, zusätzlich einen eigenständigen Antrag bei der Bundesnetzagen-
tur zu stellen, was unterblieben ist. Der Umstand, dass die Bundesnetzagentur
sich mit den von den Verbänden vorgebrachten Argumenten in der Regulie-
rungsverfügung auseinandergesetzt, sich in den vorliegenden Klageverfahren
zur Sache eingelassen und dabei zusätzliche Individualanträge neben der An-
hörung im Konsultationsverfahren für entbehrlich gehalten hat, vermag unter
diesen Umständen an der Unzulässigkeit der Verpflichtungsklage nichts zu än-
dern. Denn die Einhaltung zwingender Klage- bzw. Sachentscheidungsvoraus-
setzungen steht nicht zur Disposition der Beteiligten.
Die Regel, dass die Zulässigkeit der Verpflichtungsklage von einem im Verwal-
tungsverfahren erfolglos gestellten Antrag auf Vornahme des eingeklagten Ver-
waltungsakts abhängt, ist nach der bisherigen Rechtsprechung eindeutig, so-
dass auch das bei der Auslegung und Anwendung des Prozessrechts zu be-
achtende Gebot der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4
GG) sowie das darin eingeschlossene Verbot, die Beschreitung des eröffneten
Rechtswegs in unzumutbarer, aus Rechtsgründen nicht zu rechtfertigender
Weise zu erschweren, nicht zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis
führen. Dabei berücksichtigt der Senat auch, dass die hier umstrittene Regulie-
rungsverfügung vom 20. April 2005, auf deren Ergänzung die Verpflichtungs-
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klage zielt, mittlerweile durch die denselben Markt betreffende neue Regulie-
rungsverfügung vom 27. Juni 2007 (ABl BNetzA S. 2620) ersetzt worden ist,
was nur deshalb (noch) nicht zur Erledigung des vorliegenden Rechtsstreits
geführt hat, weil diese Regulierungsverfügung ihrerseits noch keine Bestands-
kraft erlangt hat. In dem der neuen Regulierungsverfügung vorangegangenen
Verwaltungsverfahren hat die Klägerin einen Sachantrag auf Ergänzung der
Regulierungsverpflichtungen gestellt, den sie mit der Verpflichtungsklage wei-
terverfolgt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es
entspricht der Billigkeit, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen aufzuerlegen, da diese einen eigenen Antrag gestellt hat und
damit selbst ein Kostenrisiko eingegangen ist.
Dr. Bardenhewer Dr. Hahn Dr. Graulich
Vormeier Dr. Bier
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf
250 000 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG).
Dr. Bardenhewer Dr. Hahn Dr. Bier
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