Urteil des BVerwG vom 11.07.2012

Vorbehalt des Gesetzes, Widerruf, Inhaber, Ablauf der Frist

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 6 C 39.11
VGH 7 BV 10.1855
Verkündet
am 11. Juli 2012
Harnisch
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juli 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Graulich, Dr. Möller, Hahn und
Prof. Dr. Hecker
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Baye-
rischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. April 2011 und
das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 15. April
2010 geändert. Es wird festgestellt, dass der Bescheid der
Beklagten vom 18. Mai 2009 rechtswidrig gewesen ist. Im
Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Klägerin und die Beklagte tragen die Kosten des
Rechtsstreits je zur Hälfte mit Ausnahme der außerge-
richtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese jeweils
selbst tragen.
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G r ü n d e :
I
Die Klägerin verbreitete als eigenständige Fernsehanstalt das „Bayern Journal“,
ein in Bayern samstags und sonntags ausgestrahltes einstündiges Fensterpro-
gramm innerhalb der Hauptprogramme der Beigeladenen zu 2 und 3. Die Aus-
strahlung erfolgte auf der Grundlage befristeter Genehmigungen, die die Be-
klagte jeweils für einen mehrjährigen Zeitraum erteilt hatte. Die zuletzt erteilte
Genehmigung sollte nach dem Genehmigungsbescheid vom 27. Mai 2002 bis
zum 30. September 2010 gültig sein. Inhaberin dieser Genehmigung war eine
aus der Klägerin und der Beigeladenen zu 1 bestehende Anbietergemeinschaft
mit einer Sendezeitberechtigung der Klägerin von 80 % und der Beigeladenen
zu 1 von 20 %. Gesellschafter der Klägerin waren die Herren B. und P. mit ei-
nem Anteil von jeweils 50 %. Im November 2008 starb Herr B.. Nachdem die
Klägerin seinen Anteil eingezogen hatte, übertrug der nunmehrige Alleingesell-
schafter Herr P. einen Anteil von 10,4 % auf seine Ehefrau und Moderatorin des
„Bayern Journal“, Frau Dr. P. Sein eigener Anteil belief sich danach auf 89,6 %.
Mit Schreiben vom 15. Januar 2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten
die Erteilung einer Genehmigung auf Fortsetzung ihrer Anbietertätigkeit mit den
geänderten Beteiligungsverhältnissen. Mit Schreiben vom 12. Mai 2009 stellte
sie - unter Aufrechterhaltung dieses Antrags - einen weiteren Antrag auf Über-
tragung der bisherigen Sendelizenz auf eine neu gegründete Gesellschaft mit
der Firma „Bayernfenster Fernsehgesellschaft mbH“. Für den Fall der Geneh-
migung dieses Antrags nehme sie ihren - ansonsten vorrangigen - Antrag vom
15. Januar 2009 zurück.
Am 14. Mai 2009 beschloss der Medienrat der Beklagten, den Antrag der Klä-
gerin auf Fortsetzung ihrer Anbietertätigkeit abzulehnen und den Sendezeitan-
teil neu auszuschreiben. In der öffentlichen Beratung vor der Beschlussfassung
wurden u.a. Presseberichte erörtert, wonach der verstorbene Gesellschafter B.
dem vormaligen Vorsitzenden des Medienrats ein Darlehen in Höhe von
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215 000 DM gewährt und dadurch möglicherweise Einfluss auf Entscheidungen
über die Durchsetzung des Schleichwerbungsverbots genommen habe.
Mit Bescheid vom 18. Mai 2009 widerrief die Beklagte die Programmlizenz der
Klägerin und führte zur Begründung aus: Nach § 24 Abs. 1 Satz 3 ihrer Fern-
sehsatzung sei eine vergebene Sendezeit im Regelfall neu auszuschreiben,
wenn sich die Beteiligungsverhältnisse eines Anbieters - wie hier bei der Kläge-
rin - um mindestens 50 % änderten. Von diesem Regelfall sei hier auch keine
Ausnahme zu machen. Der verstorbene Gesellschafter B. habe das „Bayern
Journal“ erheblich mitgeprägt. Sein Ausscheiden und das Anwachsen des An-
teils von Herrn P. auf nunmehr 89,6 % habe die Meinungsvielfalt der Klägerin
erheblich eingeschränkt. Der Einstieg von Frau Dr. P. mit einem Anteil von le-
diglich 10,4 % könne dieses Defizit nicht aufwiegen. Zu beanstanden sei auch
die mangelnde Transparenz der Klägerin. Da sie das Fernsehgeschäft mit Im-
mobiliengeschäften vermischt habe, fehle ihren Kostenrechnungen die erforder-
liche Übersichtlichkeit und Klarheit. Dies hätten auch die Hauptprogrammanbie-
ter RTL und SAT.1 kritisiert. Bei Abwägung der genannten Gründe mit den wirt-
schaftlichen und publizistischen Interessen der Klägerin habe sie sich für eine
Neuausschreibung entschieden. Verhältnismäßig sei diese Entscheidung auch
deshalb, weil es den Gesellschaftern des bisherigen Anbieters freistehe, sich
auf die noch durchzuführende Ausschreibung zu bewerben und somit ihre
Chancen zu wahren, auch weiterhin an der Gestaltung des landesweiten Fern-
sehfensters am Wochenende mitzuwirken.
Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten hat das Bayerische Verwaltungs-
gericht München mit Urteil vom 15. April 2010 abgewiesen.
Im Berufungsverfahren hat die Klägerin ihren Hauptantrag abweichend vom
erstinstanzlichen Verfahren nicht mehr auf eine Aufhebung des Bescheids vom
18. Mai 2009 und eine Verpflichtung der Beklagten zur Bescheidung ihres An-
trags vom 15. Januar 2009 beschränkt, sondern zusätzlich eine Verpflichtung
der Beklagten zur Bescheidung ihres Antrags vom 12. Mai 2009 beantragt. Die
solchermaßen gefasste Berufung hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof
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mit Urteil vom 13. April 2011 zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausge-
führt:
Der Hauptantrag sei bereits unzulässig. Soweit die Klägerin eine Verpflichtung
der Beklagten zur Neubescheidung ihres Antrags vom 15. Januar 2009 begeh-
re, fehle ihr das Rechtsschutzinteresse, weil sich dieser Antrag inzwischen we-
gen Zeitablaufs erledigt habe. Die Genehmigungsfrist sei abgelaufen. Soweit
die Klägerin ihre Klage im Berufungsverfahren erstmals auf die Bescheidung
auch ihres Antrags vom 12. Mai 2009 gerichtet habe, sei die darin liegende
Klageänderung unzulässig.
Der hilfsweise gestellte Fortsetzungsfeststellungsantrag sei zwar zulässig. Der
Antrag sei aber nicht begründet. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Er
finde seine Ermächtigungsgrundlage in § 24 Abs. 1 Satz 3 der Fernsehsatzung
der Beklagten (FSS). Diese Vorschrift sei dahingehend auszulegen, dass die
Beklagte eine von ihr erteilte Sendelizenz widerrufen könne, wenn sich die Be-
teiligungsverhältnisse des Anbieters um 50 % oder mehr änderten. Die sol-
chermaßen als Widerrufsvorbehalt auszulegende Vorschrift stehe mit dem Bay-
erischen Mediengesetz (BayMG) und sonstigem höherrangigem Recht in Ein-
klang. Die Beklagte habe ihr Widerrufsermessen fehlerfrei ausgeübt. Auch habe
sich die Beklagte nicht von sachfremden Erwägungen leiten lassen.
Ihre vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision hat
die Klägerin wie folgt begründet: Ihre Klage sei mit dem Hauptantrag zulässig.
Sie habe ihr Klagebegehren bereits im erstinstanzlichen Verfahren darauf ge-
richtet, dass die Beklagte über ihren Antrag vom 15. Januar 2009 auch in der
Gestalt entscheidet, die sie ihm mit ihrem ergänzenden Antrag vom 12. Mai
2009 gegeben habe. Deshalb sei es entgegen der Auffassung des Berufungs-
gerichts nicht als unzulässige Klageänderung anzusehen, dass sie den ergän-
zenden Antrag vom 12. Mai 2009 noch nicht im erstinstanzlichen Klageantrag,
sondern erstmals im Berufungsantrag ausdrücklich erwähnt habe.
Der Hauptantrag sei auch begründet. Der angefochtene Widerrufsbescheid sei
rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten. Dem Widerrufsbescheid mange-
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le es an einer wirksamen rechtlichen Grundlage. Die hierfür allein in Betracht
kommende Vorschrift des § 24 Abs. 1 Satz 3 FSS sei mit höherrangigem Recht
nicht vereinbar und deshalb unwirksam. Es fehle bereits an einer hinreichenden
Satzungsermächtigung. Von Art. 25 Abs. 13 BayMG werde § 24 Abs. 1 Satz 3
FSS nicht getragen. Art. 25 Abs. 13 BayMG ermächtige nur dazu, die Einzelhei-
ten des „Inhalts der Genehmigungen“, nicht aber das Genehmigungsverfahren
sowie den Widerruf von Genehmigungen durch Satzung zu regeln. Die Ertei-
lung und den Widerruf der Genehmigung habe der Landesgesetzgeber bereits
in Art. 26 BayMG abschließend geregelt. Nach Art. 26 Abs. 5 BayMG sei der
Widerruf nur bei einem Wegfall der Erteilungsvoraussetzungen (Art. 26 Abs. 1
Satz 1 BayMG) möglich. Bestimmte Beteiligungsverhältnisse seien keine Ertei-
lungsvoraussetzung. Mit § 24 Abs. 1 Satz 3 FSS habe die Beklagte eine zusätz-
liche Widerrufsmöglichkeit geschaffen, die entgegen Art. 26 Abs. 1 Satz 1 und 5
BayMG gerade an die Beteiligungsverhältnisse anknüpfe.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichts München
vom 15. April 2010 und des Bayerischen Verwaltungsge-
richtshofs vom 13. April 2011 zu ändern und die Beklagte
unter Aufhebung ihres Bescheides vom 18. Mai 2009 zu
verpflichten, ihren Antrag auf Fortsetzung ihrer Tätigkeit
vom 15. Januar 2009 in Verbindung mit ihrem Antrag vom
12. Mai 2009 zu bescheiden,
hilfsweise festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten
vom 18. Mai 2009 rechtswidrig ist und sie in ihren Rechten
verletzt.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt sie vor: Der Hauptantrag sei unzulässig. Das Begehren
der Klägerin habe sich mit Ablauf des ursprünglichen, bis zum 30. September
2010 währenden Genehmigungszeitraums erledigt. Dies gelte sowohl für den
Antrag vom 15. Januar 2009 als auch für den Antrag vom 12. Mai 2009.
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Der Hilfsantrag sei unbegründet. Ihr Widerrufsbescheid vom 18. Mai 2009 sei
rechtmäßig. Insbesondere sei die Regelung des § 24 Abs. 1 Satz 3 FSS mit
höherrangigem Recht vereinbar. Bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit
dieser Vorschrift sei zu beachten, dass nicht nur die Klägerin, sondern auch sie
- die Beklagte - eine durch die Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ge-
schützte Stellung innehabe. Als staatsfreie Grundrechtsträgerin habe sie auf
Änderungen der Inhaber- und Beteiligungsverhältnisse im Sinne der Erhaltung
der Programmvielfalt zu reagieren. Mit Rücksicht auf diese Grundrechtskonkur-
renz könne die Klägerin aus der ihr zustehenden Rundfunkfreiheit keinen An-
spruch auf Ausnutzung der Restlaufzeit der erteilten Sendegenehmigung ablei-
ten.
II
Die Revision der Klägerin ist mit dem Hauptantrag unbegründet (1.), mit dem
Hilfsantrag hat sie hingegen Erfolg (2.).
1. Der Verwaltungsgerichtshof hat - zumindest im Ergebnis - zu Recht die Klage
mit dem Hauptantrag abgewiesen, den Bescheid der Beklagten vom 18. Mai
2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Antrag der Klägerin
vom 15. Januar 2009 auf Fortsetzung der Anbietertätigkeit in Verbindung mit
dem Antrag vom 12. Mai 2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Ge-
richts zu bescheiden. Unerheblich ist, ob die Klägerin diesen Antrag der Sache
nach bereits in erster Instanz gestellt hatte oder ob sie mit ihm die Klage im Be-
rufungsverfahren geändert hat und der Verwaltungsgerichtshof die Klageände-
rung nach § 91 Abs. 1 VwGO als sachdienlich hätte zulassen müssen. Die Kla-
ge war mit diesem Hauptantrag in jedem Falle im Zeitpunkt der Berufungsent-
scheidung unzulässig (geworden) und musste aus diesem Grund abgewiesen
werden. Daher kann auch offenbleiben, ob der Verwaltungsgerichtshof verfah-
rensfehlerhaft verkannt hat, dass die Klägerin den im Berufungsverfahren aus-
formulierten Hauptantrag der Sache nach bereits in erster Instanz gestellt hat.
Auf dem insoweit behaupteten Verfahrensfehler kann das angefochtene Urteil
nicht beruhen.
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Der Klägerin fehlte im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung das Rechtsschutz-
interesse für den von ihr gestellten Hauptantrag. Sowohl der Bescheid der Be-
klagten vom 18. Mai 2009 als auch das Verpflichtungsbegehren hatten sich in
der Hauptsache erledigt. Unabhängig von dem Bescheid der Beklagten vom
18. Mai 2009 und dem darin ausgesprochenen Widerruf hatte die befristet er-
teilte Genehmigung der Anbietertätigkeit vom 27. Mai 2002 mit Ablauf der Frist
am 30. September 2010 ihre Geltung verloren. Damit hatte sich nicht nur die
Genehmigung selbst, sondern auch der auf sie bezogene Widerruf erledigt. Zu-
gleich mit dieser Genehmigung war das Regelungsobjekt weggefallen, das
Gegenstand des Verpflichtungsbegehrens war. Sowohl der Antrag vom
15. Januar 2009 als auch der Antrag vom 12. Mai 2009 knüpften an die Ge-
nehmigung vom 27. Mai 2002 an. Gegenstand beider Anträge und damit des
Verpflichtungsbegehrens war die Fortsetzung der Anbietertätigkeit, und zwar
gerade auf der Grundlage der bisher erteilten Genehmigung, nämlich entweder
durch die Klägerin selbst (Antrag vom 15. Januar 2009) oder mit einem gesell-
schaftsrechtlich anders strukturierten Anbieter unter Übertragung der Genehmi-
gung auf ihn, verbunden mit einer Verlängerung der Geltungsdauer um weitere
acht Jahre (Antrag vom 12. Mai 2009). Der Wegfall des Regelungsobjekts erle-
digt ein Verpflichtungsbegehren in der Hauptsache und führt zum Verlust des
Rechtsschutzinteresses, weil die angestrebte Entscheidung nicht mehr möglich
ist.
2. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO), soweit
der Verwaltungsgerichtshof die Klage mit dem Hilfsantrag abgewiesen hat, fest-
zustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 18. Mai 2009 rechtswidrig ge-
wesen ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar den Hilfsantrag zu Recht für
zulässig gehalten (a). Er hat aber unter Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG
und den Vorbehalt des Gesetzes in § 24 Abs. 1 Satz 3 der Satzung der Beklag-
ten über die Nutzung von Fernsehkanälen in Bayern nach dem Bayerischen
Mediengesetz (Fernsehsatzung - FSS) vom 18. Dezember 2003 (Bayerischer
Staatsanzeiger Nr. 1/2004) eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für den
Erlass des streitigen Bescheids gesehen. Bei zutreffender Anwendung der bun-
desverfassungsrechtlichen Vorgaben bedarf eine Regelung, wie die Beklagte
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sie in dem streitigen Bescheid getroffen hat, einer Ermächtigungsgrundlage in
der Gestalt eines Parlamentsgesetzes (b). Weil der Bescheid nicht auf eine an-
dere gesetzliche Rechtsgrundlage gestützt werden kann (c), erweist sich das
angefochtene Urteil nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig (§ 144
Abs. 4 VwGO). Hierzu sind weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforder-
lich. Der Senat kann deshalb in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3
Satz 1 Nr. 1 VwGO) und die Rechtswidrigkeit des Bescheids feststellen.
a) Der Hilfsantrag ist als Fortsetzungsfeststellungsantrag gemäß § 113 Abs. 1
Satz 4 VwGO zulässig. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 18. Mai
2009 ist spätestens dadurch erledigt, dass der Zeitraum für die ursprünglich bis
zum 30. September 2010 genehmigte Anbietertätigkeit verstrichen ist. Die Klä-
gerin hat ein besonderes Interesse an der gerichtlichen Feststellung, dass der
angefochtene Bescheid rechtswidrig gewesen ist, denn die Führung einer auf
Schadensersatz oder Entschädigung gerichteten Klage gegen die Beklagte er-
scheint nicht als ausgeschlossen, und in der ausgeübten rundfunkrechtlichen
Genehmigung nach Art. 26 BayMG liegt ein vermögenswertes subjektives öf-
fentliches Recht mit eigentumsähnlichem Charakter.
b) Der Hilfsantrag ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 18. Mai 2009
war rechtswidrig. Die Beklagte konnte ihn nicht auf eine verfassungsgemäße
Ermächtigungsgrundlage stützen. Sie hat hierfür § 24 Abs. 1 Satz 3 FSS in An-
spruch genommen. Diese Vorschrift ist indes unwirksam. Sie ist nicht von der
Satzungsgewalt der Beklagten gedeckt. Eine Vorschrift mit ihrem Inhalt kann
nur der parlamentarische Gesetzgeber erlassen.
aa) Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG fordert für die Veranstaltung privater Rundfunksen-
dungen eine gesetzliche Regelung. Durch diese sind die zur Gewährleistung
der Rundfunkfreiheit erforderlichen Vorkehrungen zu treffen. Um wirksam wer-
den zu können, bedarf die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich ga-
rantierte Freiheit des Rundfunks der gesetzlichen Ausgestaltung (BVerfG, Urteil
vom 16. Juni 1981 - 1 BvL 89/78 - BVerfGE 57, 295 <319>). Die erforderliche
rechtliche Ausgestaltung unterliegt dem Vorbehalt des Gesetzes (BVerfG,
a.a.O. <320>). Dieser Vorbehalt des Gesetzes ist ein (Landes-)Parlaments-
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vorbehalt: Das zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit Wesentliche muss das
Parlament selbst bestimmen; es darf die Entscheidung darüber nicht der Exeku-
tive, etwa in Gestalt einer allgemeinen, die Befugnis zu Auflagen umfassenden
Ermächtigung überlassen, auch nicht in der Weise, dass dies zwar nicht aus-
drücklich, aber der Sache nach durch nicht hinreichend bestimmte Normierun-
gen geschieht. Ebenso wenig darf die Gewährleistung der Rundfunkfreiheit ei-
ner Regelung durch Satzung der Veranstalter anheimgegeben werden (BVerfG,
a.a.O. <321>). Dem Gesetzgeber obliegt es unter anderem, die Voraussetzun-
gen der Erteilung oder Versagung der Erlaubnis selbst zu bestimmen. Das
Recht zur Entscheidung über die Veranstaltung privaten Rundfunks auf die Ex-
ekutive zu übertragen, ist ihm durch den Parlamentsvorbehalt verwehrt. Dieser
Vorbehalt und das Gewaltenteilungsprinzip gebieten ihm, die der staatlichen
Maßnahme offen liegende Rechtssphäre selbst abzugrenzen. Das Gesetz
muss die Tätigkeit der Verwaltung inhaltlich normieren und darf sich nicht da-
rauf beschränken, allgemein gehaltene Grundsätze aufzustellen. Gleiches gilt
für einen Widerruf der Erlaubnis (BVerfG, a.a.O. <326 f.>).
bb) Gemessen an diesen Anforderungen war die in § 24 Abs. 1 Satz 3 FSS ge-
troffene Regelung dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten.
In der Auslegung des Verwaltungsgerichtshofs ermächtigt § 24 Abs. 1 Satz 3
FSS die Beklagte, eine erteilte Genehmigung nach Art. 26 des Bayerischen
Mediengesetzes (BayMG) zur Verbreitung des Angebots von Fensterprogram-
men zu widerrufen, wenn sich die Inhaber- und Beteiligungsverhältnisse eines
Anbieters um 50 v.H. und mehr verändern. Anders als noch das Verwaltungs-
gericht hat der Verwaltungsgerichtshof der Vorschrift entnommen, dass der Wi-
derruf nicht nur deklaratorisch das Erlöschen der Genehmigung feststellt, son-
dern konstitutiv die Geltung der Genehmigung beendet. Der Verwaltungsge-
richtshof hat ausdrücklich die Auffassung der Beklagten verworfen, bereits die
Änderung der Inhaber- und Beteiligungsverhältnisse lasse die Genehmigung
mit der Folge entfallen, dass die Fortsetzung der Anbietertätigkeit ihrer Geneh-
migung bedürfe und die bisher erteilte Genehmigung bis zu dieser Entschei-
dung schwebend unwirksam sei. § 24 Abs. 1 Satz 3 FSS ist im Verständnis des
Verwaltungsgerichtshofs vielmehr als Bestimmung zu begreifen, welche die
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genehmigte Anbietertätigkeit mit dem Vorbehalt des Widerrufs der Genehmi-
gung für den Fall belastet, dass sich die Inhaber- und Beteiligungsverhältnisse
des Anbieters ändern. Die Bestimmung berechtigt danach die Beklagte, von
dem Widerrufsvorbehalt je nach Lage des Einzelfalles Gebrauch zu machen
und ihn mit näheren Maßgaben zu versehen. Sie hat insbesondere die Funk-
tion, durch Beseitigung der erteilten Genehmigung den Weg zu einer Neuaus-
schreibung der Anbietertätigkeit frei zu machen.
§ 24 Abs. 1 Satz 3 FSS belastet danach eine erteilte Genehmigung unmittelbar
mit dem Vorbehalt ihres Widerrufs und regelt, unter welchen Voraussetzungen
einerseits die Beklagte zur Ausübung des Widerrufs berechtigt ist und anderer-
seits der Inhaber der Genehmigung zur Fortsetzung seiner Tätigkeit einer wei-
teren Genehmigung bedarf und diese erhalten kann. Sie regelt damit Fragen,
die für den Bestand der genehmigten und durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ge-
schützten Anbietertätigkeit von ausschlaggebender Bedeutung sind. Sie gestal-
tet die Rundfunkfreiheit in wesentlicher Beziehung aus und greift damit in den
Bereich über, der dem parlamentarischen Gesetzgeber zur Regelung vorbehal-
ten ist.
cc) Die Regelung in § 24 Abs. 1 Satz 3 FSS konnte nicht deshalb aufgrund blo-
ßer Satzungsgewalt der Beklagten getroffen werden, weil der parlamentarische
Landesgesetzgeber im Bayerischen Mediengesetz die Voraussetzungen der
Genehmigung und die Abhängigkeit ihres Bestandes von den Inhaber- und Be-
teiligungsverhältnissen des Anbieters bereits so im Einzelnen geregelt hat, dass
eine Bestimmung wie § 24 Abs. 1 Satz 3 FSS vorgezeichnet war und sich als
einfache Ergänzung des parlamentarisch verantworteten Regelungswerks dar-
stellt.
Der Landesgesetzgeber hat die Genehmigung allerdings als höchstpersönli-
ches Recht ausgestaltet. Nach Art. 26 Abs. 1 Satz 1 BayMG setzt die Erteilung
der Genehmigung bestimmte persönliche Merkmale des Anbieters voraus,
nämlich Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Staatsferne. Folgerichtig hat der
Gesetzgeber in verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen zum Ausdruck ge-
bracht, dass den Inhaber- und Beteiligungsverhältnissen eines Anbieters eine
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wichtige Bedeutung zukommt. So darf die Genehmigung nach Art. 26 Abs. 1
Nr. 5 BayMG nur erteilt werden, wenn die Beteiligungsverhältnisse des Anbie-
ters nicht befürchten lassen, dass er in einem Maße unter staatlichem Einfluss
steht, das mit dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks nicht zu vereinbaren
ist. Mit Rücksicht darauf hat ein Anbieter seine Inhaber- und Beteiligungsver-
hältnisse bereits bei der Antragstellung mitzuteilen (Art. 25 Abs. 1 Satz 4
BayMG). Jede später beabsichtigte Änderung hat er unaufgefordert ebenfalls
mitzuteilen (Art. 29 Abs. 1 Satz 4 BayMG). Verletzungen dieser Pflichten sind
bußgeldbewehrt (Art. 37 Abs. 2 Nr. 2 BayMG). Sie können einen Widerruf der
Genehmigung (Art. 26 Abs. 5 BayMG) oder eine Einstellung des Sendebetriebs
nach sich ziehen (29 Abs. 1 Satz 6 BayMG). Die Mitteilungspflichten weisen
aber für sich noch nicht über die gesetzlichen Voraussetzungen der Genehmi-
gung und deren Sicherung hinaus. Dass die Inhaber- und Beteiligungsverhält-
nisse bei der Antragstellung offenzulegen sind, ist erforderlich, um die persönli-
chen Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung nach Art. 26 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2, 3 und 5 BayMG überprüfen zu können. Dass spätere Änderungen
der Inhaber- und Beteiligungsverhältnisse mitzuteilen sind, ist erforderlich, weil
die Beklagte nur so feststellen kann, ob die Voraussetzungen für die erteilte
Genehmigung weiter vorliegen, denn bei deren Wegfall ist die Genehmigung
nach der Entscheidung des Gesetzgebers zwingend zu widerrufen (Art. 26
Abs. 5 BayMG).
Indem der Gesetzgeber für die Genehmigung entscheidend auch auf persönli-
che Merkmale wie Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Staatsferne abstellt,
misst er zwar zugleich dem Gebot der Meinungsvielfalt und der Ausgewogen-
heit der Programme eine zentrale Bedeutung bei. Im Bayerischen Medienge-
setz werden Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit der Programme allerdings
ausdrücklich nur mit Blick auf die Gesamtheit der im jeweiligen Verbreitungsge-
biet empfangbaren Rundfunkprogramme angesprochen (Art. 4, Art. 26 Abs. 1
Satz 1 Nr. 4 BayMG), nicht hingegen mit Blick auf eine Binnenpluralität der An-
bieter. Das gilt auch für Art. 25 Abs. 5 BayMG. Nach dessen Satz 1 darf nie-
mand durch seine Beteiligung an Rundfunkprogrammen einen in hohem Maße
ungleichgewichtigen Einfluss auf die Bildung der öffentlichen Meinung im Ver-
sorgungsgebiet (vorherrschende Meinungsmacht) erhalten. Zur Verhinderung
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vorherrschender Meinungsmacht kommt nach Satz 2 Nr. 1 im Einzelfall einzeln
oder in Kombination mit anderen Vorkehrungen eine plurale gesellschaftsrecht-
liche Zusammensetzung des Anbieters in Betracht, die keinem Gesellschafter
einen beherrschenden Einfluss in den Organen der Gesellschaft ermöglicht.
Der Gesetzgeber muss beim privaten Rundfunk lediglich dafür sorgen, dass die
verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Vielfalt in der Berichterstattung im
Ergebnis durch das Gesamtangebot aller Veranstalter erfüllt werden; für private
Rundfunkveranstalter verlangt Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG keine binnenpluralisti-
sche Organisation, weil damit diese Form der Veranstaltung von Rundfunksen-
dungen um das Grundelement privater autonomer Gestaltung und Entschei-
dung und damit um ihre eigentliche Substanz gebracht würde (BVerfG, Urteil
vom 12. März 2008 - 2 BvF 4/03 - BVerfGE 121, 30 <50 ff.>). Wenn der Ge-
setzgeber danach von Verfassungs wegen zwar nicht verpflichtet ist, das Gebot
der Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit der Programme durch Vorschriften
über die Binnenpluralität privatrechtlich organisierter Anbieter zu sichern, kann
er doch im Rahmen seiner weiten Gestaltungsfreiheit Meinungsvielfalt und Aus-
gewogenheit der Programme auch durch geeignete Anforderungen an die Bin-
nenpluralität der Anbieter fördern. Vorschriften wie § 24 Abs. 1 FSS mögen
deshalb ihrem Inhalt nach zulässig sein.
Das vom Bayerischen Mediengesetz geschaffene und intendierte Regelwerk
bleibt aber nicht unvollständig, wenn eine Regelung dieser Art fehlt. Die steu-
ernden Vorgaben für die Erteilung einer Genehmigung und deren Bestand sind
nicht derart dicht, dass es als Ausgestaltung und bloßer Abschluss der gesetzli-
chen Vorgaben erscheint, wenn unabhängig vom Fortbestand der Genehmi-
gungsvoraussetzungen der Wegfall der Genehmigung auch bei einer bestimm-
ten Änderung der Inhaber- und Beteiligungsverhältnisse vorgesehen wird. Be-
stimmte Anforderungen an die Binnenpluralität der Anbieter sind nicht Voraus-
setzung der Genehmigung, auf deren Sicherung sich die gesetzlichen Vorschrif-
ten beziehen. Indem der Satzungsgeber eine bestimmte prozentuale Änderung
der Inhaber- und Beteiligungsverhältnisse festlegt und abhängig von ihr den
Bestand der Genehmigung in Frage stellt, trifft er nicht eine Regelung, die sich
ohne Weiteres schon aus der Höchstpersönlichkeit der Genehmigung ergibt. Er
schafft vielmehr einen eigenständigen zusätzlichen Beendigungstatbestand mit
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einem weiterreichenden Regelungsziel. Andere Gestaltungen sind denkbar und
gesetzeskonform. Bezeichnenderweise haben einige andere Bundesländer in
ihren Mediengesetzen abweichende Bestimmungen getroffen; sie lassen teil-
weise auch bei Änderungen der Inhaber- und Beteiligungsverhältnisse von
mehr als 50 v.H. eine Fortführung der Anbietertätigkeit zu, sofern Belange der
Meinungsvielfalt und der Ausgewogenheit nicht entgegen stehen (vgl. bei-
spielsweise § 17 Abs. 3 des Staatsvertrages über das Medienrecht in Hamburg
und Schleswig-Holstein, HmbGVBl 2007, 48).
dd) Im Übrigen hat der parlamentarische Gesetzgeber im Bayerischen Medien-
gesetz entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben die Voraussetzun-
gen der Erteilung oder Versagung der Genehmigung (Art. 26 Abs. 1 Satz 1
BayMG) sowie die Voraussetzungen ihres Widerrufs (Art. 26 Abs. 5 BayMG)
geregelt. Er hat vorgeschrieben, dass die Genehmigung mit einer Befristung
versehen werden soll (Art. 26 Abs. 1 Satz 2 BayMG), hat aber die Beklagte
nicht ermächtigt, der Genehmigung einen Widerrufsvorbehalt für andere als die
von ihm ausdrücklich geregelten Widerrufsgründe beizufügen. Die von ihm er-
teilte Ermächtigung zum Erlass einer Satzung bezieht sich nur auf Einzelheiten
des Verfahrens, Fragen der Programmorganisation, des Inhalts der Genehmi-
gungen sowie der einzubringenden Angebote (Art. 25 Abs. 13 BayMG). Vo-
raussetzungen für die Erteilung der Genehmigung oder deren Widerruf sind dort
nicht genannt. Da der parlamentarische Gesetzgeber diese Fragen in Erfüllung
der verfassungsrechtlichen Vorgaben in dem folgenden Art. 26 BayMG selbst
geregelt hat, ist sein Schweigen in der Ermächtigungsnorm des Art. 25 Abs. 13
BayMG in dem Sinne beredt, dass neben den Fällen des Art. 26 Abs. 5 BayMG
keine weiteren Widerrufsfälle im Wege der Satzung eingeführt werden dürfen.
Die hiervon abweichende weite Auslegung der Satzungsermächtigung durch
den Verwaltungsgerichtshof berücksichtigt ihrerseits die verfassungsrechtlichen
Vorgaben nicht. Bei dem verfassungsrechtlich gebotenen Verständnis der Sat-
zungsermächtigung deckt Art. 25 Abs. 13 BayMG die hier in Rede stehende
Satzungsbestimmung nicht. Sie ist auch aus diesem Grunde unwirksam.
ee) Entgegen der Auffassung der Beklagten kann der parlamentarische Ge-
setzgeber die Regelungsdichte bei der Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit nicht
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deshalb zurücknehmen und auch wesentliche Entscheidungen etwa dem Ver-
anstalter als Satzungsgeber überlassen, weil bei der Ausgestaltung der Rund-
funkfreiheit dem Gebot der Staatsferne Rechnung zu tragen ist. Staatsfreiheit
des Rundfunks bedeutet, dass der Staat weder selbst Rundfunkveranstalter
sein noch bestimmenden Einfluss auf das Programm der von ihm unabhängi-
gen Veranstalter gewinnen darf (BVerfG, Urteil vom 12. März 2008 a.a.O.
<61>). Das Gebot der Staatsfreiheit stellt damit Anforderungen an den Inhalt
der Regelungen, die jeder Normgeber zu beachten hat. Es sagt aber nichts da-
rüber aus, von wem die Regelung aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes ge-
troffen werden darf.
ff) Der Beklagten als Satzungsgeber kommt auch keine erhöhte demokratische
Legitimation zu, die es rechtfertigen könnte, im Verhältnis zu ihr die Anforde-
rungen an den Vorbehalt des Gesetzes im Sinne des Parlamentsvorbehalts
abzusenken. Die Beklagte nimmt keine Aufgaben der funktionalen Selbstver-
waltung wahr. Sie schafft kein Binnenrecht, an dessen Entstehung die Norm-
unterworfenen durch ihre Repräsentation in den Organen der Beklagten betei-
ligt sind. Die Anbieter von Rundfunkprogrammen sind in den Organen der Be-
klagten nicht vertreten und verwalten sich nicht selbst. Die Beklagte übt die
Aufsicht ihnen gegenüber aus.
c) Der Widerruf der Genehmigung kann nicht statt auf § 24 Abs. 1 Satz 3 FSS
auf Art. 49 BayVwVfG oder auf Art. 26 Abs. 5 BayMG gestützt werden.
aa) Nach Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG darf ein rechtmäßiger begüns-
tigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wir-
kung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Behörde auf Grund nachträg-
lich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu er-
lassen und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde.
Die Änderung der Inhaber- und Beteiligungsverhältnisse könnte zwar eine
nachträglich eingetretene Tatsache sein, die die Beklagte berechtigte, die Ge-
nehmigung jetzt nicht zu erteilen. Eine ursprüngliche vorhandene Binnenplurali-
tät in der Gestalt mehrerer Gesellschafter könnte ein Umstand sein, der bei der
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Auswahl unter mehreren Bewerbern für eine Anbietertätigkeit den Ausschlag
gibt und insoweit für die Ausübung des Auswahlermessens von Bedeutung war.
Der Wegfall dieses Umstandes berechtigte die Beklagte, jetzt eine andere Er-
messensentscheidung zu treffen.
Allerdings ist nicht ersichtlich, dass im konkreten Fall ohne den Widerruf das
öffentliche Interesse gefährdet wäre. Dies kann nicht pauschal mit einem öffent-
lichen Interesse an einem vielfältigen Rundfunk bejaht werden. Vielmehr käme
es darauf an, ob durch die Änderung der Beteiligungsverhältnisse konkret die
Meinungsvielfalt in einer Weise verkürzt würde, dass die Fortsetzung auch nur
für die Restlaufzeit der Genehmigung nicht mehr hinnehmbar wäre. Dafür ist
hier nichts hervorgetreten.
Entscheidend ist jedoch, dass ein Widerruf nach Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
BayVwVfG namentlich mit Blick auf das dort geforderte öffentliche Interesse
ganz andere Ermessenserwägungen verlangt, als sie die Beklagte hier ange-
stellt hat und mit Blick auf die einfach strukturierte Vorschrift des § 24 Abs. 1
Satz 3 FSS nur anzustellen brauchte. Mithin fehlen in dem streitigen Bescheid
Ermessenserwägungen, die einen Widerruf nach Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
BayVwVfG zu tragen vermögen. Dies schließt es aus, den Bescheid auf diese
Ermächtigungsgrundlage zu stützen.
bb) Nach Art. 26 Abs. 5 BayMG muss die Genehmigung widerrufen werden,
wenn nachträglich die Voraussetzungen für ihre Erteilung nach Art. 26 Abs. 1
Satz 1 BayMG entfallen sind. Nach Art. 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayMG setzt die
Genehmigung voraus, dass der Anbieter erwarten lässt, er werde die rechtli-
chen Bestimmungen sowie die Auflagen der Beklagten einhalten. Zweifel an der
damit umschriebenen Zuverlässigkeit des verbliebenen Gesellschafters sind in
der Sitzung des Medienrates vom 14. Mai 2009 geäußert, aber nicht geklärt
worden. Einer solchen Klärung bedarf es auch jetzt nicht. Ein Widerruf wegen
nicht mehr gegebener Zuverlässigkeit stellt sowohl nach der Ermächtigungs-
grundlage als auch nach dem heranzuziehenden Sachverhalt einen gänzlich
anderen Verfahrensgegenstand dar als ein Widerruf wegen geänderter Inhaber-
und Beteiligungsverhältnisse. Es ginge nicht mehr darum, denselben Verwal-
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tungsakt auf eine andere Ermächtigungsgrundlage zu stützen, sondern um den
Erlass eines anderen Verwaltungsakts, den die Beklagte erklärtermaßen nicht
wollte.
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162
Abs. 3 VwGO.
Neumann
Dr. Graulich
Dr. Möller
Hahn
Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. Hecker hat Urlaub und ist des-
halb verhindert, seine Unterschrift bei-
zufügen.
Neumann
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 25 000 €
festgesetzt.
Neumann
Dr. Graulich
Dr. Möller
Hahn
Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. Hecker hat Urlaub und ist des-
halb verhindert, seine Unterschrift bei-
zufügen.
Neumann
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Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Rundfunkrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
GG
Art. 5 Abs. 1
VwGO
§ 113 Abs. 1 Satz 4
BayMG
Art. 25, 26
FSS
§ 24
Stichworte:
Fortsetzungsfeststellungsklage; Klageänderung; privater Rundfunk; Anbieter;
Genehmigung; Widerruf; Fernsehsatzung; Satzungsermächtigung; Gesetzes-
vorbehalt; Parlamentsgesetz.
Leitsätze:
1. In der ausgeübten rundfunkrechtlichen Genehmigung nach Art. 26 BayMG
liegt ein vermögenswertes subjektives öffentliches Recht mit eigentumsähnli-
chem Charakter.
2. Die allgemeine Satzungsermächtigung in Art. 25 Abs. 13 BayMG reicht als
Grundlage für die Widerrufsregelung in § 24 Abs. 1 Satz 3 FSS nicht aus.
Urteil des 6. Senats vom 11. Juli 2012 - BVerwG 6 C 39.11
I. VG München vom 15.04.2010 - Az.: VG 17 K 09.2619 -
II. VGH München vom 13.04.2011 - Az.: VGH 7 BV 10.1855 -