Urteil des BVerwG vom 16.10.2007

Rechtliches Gehör, Kritik, Meinung, Arbeitsentgelt

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 C 36.07
(BVerwG 6 C 27.06)
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Oktober 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn
und Dr. Graulich
beschlossen:
Die Anhörungsrüge des Klägers gegen das Urteil des Se-
nats vom 25. Juli 2007 - BVerwG 6 C 27.06 - wird zurück-
gewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rügeverfahrens.
G r ü n d e :
1. Gemäß § 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO entscheidet der Senat durch Beschluss.
2. Die Anhörungsrüge ist unbegründet. Der Kläger hat nicht aufgezeigt, dass
der Senat bei der Entscheidung über seine Revision gegen das Urteil des Ver-
waltungsgerichts Koblenz vom 10. Juli 2006 entscheidungserheblichen Vortrag
nicht zur Kenntnis genommen oder in Erwägung gezogen hat. Aus der Anhö-
rungsrüge lässt sich ableiten, dass der Kläger das Urteil vom 25. Juli 2007 für
unrichtig hält. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt, wenn das
Gericht dem zur Kenntnis genommenen und in Erwägung gezogenen Vorbrin-
gen nicht folgt, sondern zu einem anderen Ergebnis gelangt als es der Beteilig-
te für richtig hält (Beschluss vom 31. Juli 2007 - BVerwG 6 B 30.07 -). Da es
nicht Sinn des Rechtsbehelfs nach § 152a VwGO ist, den Senat zu einer Er-
gänzung oder Erläuterung seines Urteils zu veranlassen (vgl. BTDrucks
15/3706 S. 16) sind lediglich folgende Hinweise angezeigt:
a) Die vom Kläger zur Begründung eines Verstoßes gegen Art. 3 GG dargeleg-
te „mittelbare“ Ungleichbehandlung hinsichtlich des „Merkmals der sexuellen
Identität“ hat der Senat im Tatbestand unter Randnummer 13 angeführt sowie
im Rahmen der Entscheidungsgründe mit seinem Hinweis auf Art. 2 Abs. 1 GG
i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG aufgegriffen und mit dem Verweis auf das Urteil vom
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27. Februar 1996 - BVerwG 1 C 41.93 - (BVerwGE 100, 287 <295>) zu erken-
nen gegeben, dass er berücksichtigt hat, ob der Betroffene in der Lage ist, die
„Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden
wird“. Im Übrigen hat der Senat die „mittelbare Diskriminierung“ in anderem Zu-
sammenhang (s. Rn. 36) unter Verweis auf die Ausführungen zu Art. 3 GG aus-
drücklich angesprochen. Die behauptete „Unterbewertung der Bedeutung des
Art. 3 GG im Verhältnis zu Art. 6 GG“ stellt keine Versagung des rechtlichen
Gehörs dar, sondern betrifft das Ergebnis der rechtlichen Würdigung.
b) Mit seinen unter dem Punkt „Kinder als Rechtfertigung der Ungleichbehand-
lung“ erhobenen Rügen greift der Kläger die rechtliche Würdigung insbesondere
unter den Randnummern 28 und 29 des Urteils an, die berücksichtigt hat, dass
die Versorgungssituation hinterbliebener Ehegatten im Hinblick auf die Lebens-
entscheidungen vor dem Tod des Mitglieds der Versorgungseinrichtung
typischerweise eine andere ist als bei hinterbliebenen Partnern einer Lebens-
gemeinschaft, die typischerweise auf jeweils selbständiger Altersvorsorge auf-
baut. Mit einer Kritik an dieser Auffassung kann die Anhörungsrüge nicht be-
gründet werden. Der Senat ist nicht gehalten, jede Einzelheit des Vorbringens
eines Beteiligten im Urteil zu erwähnen und zu würdigen.
c) Auch das Vorbringen, der Senat habe im Zusammenhang mit den Ausfüh-
rungen zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz das rechtliche Gehör ver-
sagt, ist nicht begründet. Dass der Senat die Ausführungen des Klägers zu die-
sem Gesetz zur Kenntnis genommen hat, ergibt sich aus dem Tatbestand
(Rn. 14). Eine nach Meinung des Klägers lückenhafte rechtliche Würdigung
rechtfertigt nicht den Vorwurf der Versagung des rechtlichen Gehörs. Abgese-
hen davon hat der Senat mit dem Verweis auf die Ausführungen zu Art. 3 GG
(Rn. 25 ff.) unmissverständlich seine Rechtsauffassung zum Ausdruck ge-
bracht, dass eine sachlich gerechtfertigte Privilegierung der Ehe gemäß Art. 6
Abs. 1 GG die Annahme einer unzulässigen mittelbaren Benachteiligung der
Lebenspartner wegen ihrer sexuellen Identität ausschließt.
d) Die Entscheidung des Senats beruht in Bezug auf die Richtlinie 2000/78/EG
auf der Erwägung, dass sie auf die Versorgungseinrichtung der Ärzte keine
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Anwendung findet, weil deren Leistungen nicht einem Arbeitsentgelt gleichge-
stellt sind. Ob der Partner des Klägers selbständig oder unselbständig tätig war,
ist daher für die Frage der Anwendung der Richtlinie ohne Bedeutung. Die Aus-
führungen unter Randnummer 43 des Urteils können den Vorwurf der Versa-
gung des rechtlichen Gehörs schon deshalb nicht rechtfertigen, weil sie die Ent-
scheidung nicht tragen.
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Dr. Bardenhewer Dr. Hahn Dr. Graulich
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