Urteil des BVerwG vom 28.10.2009

Steigerung, Anspruch auf Bewilligung, Besucher, Durchschnitt

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 6 C 32.08
OVG 10 B 4.07
Verkündet
am 28. Oktober 2009
Jesert
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 28. Oktober 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge,
Dr. Graulich, Dr. Bier und Dr. Möller
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberver-
waltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. August
2008 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e :
I
Die Klägerin begehrt eine Förderungshilfe nach dem Filmförderungsgesetz
- FFG - für die Neuerrichtung eines Multiplexkinos in L.
Mit Formularantrag vom 11. Oktober 2000 beantragte sie - seinerzeit noch als
K. & K. Filmtheater GmbH - bei der Beklagten, ihr nach § 56 Abs. 1 und Abs. 3
des Filmförderungsgesetzes in der Fassung vom 6. August 1998 als Förde-
rungshilfe zur Finanzierung eines Multiplexkinos ein zinsloses Darlehen in Höhe
von 290 000 DM mit einer Laufzeit von zehn Jahren bei Tilgungsfreiheit von
zwei Jahren zu gewähren. Geplant war die Neuerrichtung eines Kinos mit acht
Leinwänden und 2 400 Sitzplätzen bei Gesamtkosten in Höhe von 4 074 441
DM (ohne Mehrwertsteuer). Das Multiplexkino „CineStar L.“ sollte in gemieteten
Räumen in der P.straße 36 - 44 in L. eingerichtet werden.
Mit Bescheid vom 27. November 2000 lehnte die Beklagte den Förderungsan-
trag ab. Durch die Neuerrichtung würde sich die Zahl der Leinwände auf 53 und
die der Sitzplätze auf 11 504 Plätze erhöhen. Demgegenüber gebe es in den
Vergleichsorten jeweils im Durchschnitt 37 Leinwände und 9 979 Sitzplätze. Die
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Auslastung der Sitzplätze betrage dort im Durchschnitt 180 Besucher pro Jahr.
Durch die Neuerrichtung von weiteren 2 400 Plätzen in L. würde dort die Sitz-
platzausnutzung von 183 Besuchern auf 145 Besucher pro Jahr verschlechtert
werden. Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Berlin mit
Urteil vom 4. September 2003 abgewiesen.
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat die Berufung der Klägerin
mit Urteil vom 21. August 2008 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausge-
führt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Bewilligung der beantragten För-
derungshilfe oder auf Neubescheidung ihres Antrages, weil die tatbestandlichen
Voraussetzungen einer Förderung nicht erfüllt seien. Als Rechtsgrundlage für
die von der Klägerin begehrte Förderung durch ein zinsloses Darlehen komme
allein § 56 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 des Gesetzes über Maßnahmen zur Förderung
des deutschen Films (Filmförderungsgesetz - FFG) in der Fassung der Be-
kanntmachung vom 6. August 1998 (BGBl I S. 2053) in Betracht. Nach dieser
Vorschrift gewähre die beklagte Filmförderungsanstalt - FFA - Förderungshilfen
zur Modernisierung und Verbesserung von Filmtheatern sowie zur Neuerrich-
tung, wenn sie der Strukturverbesserung dienten. Die Neuerrichtung eines Film-
theaters diene nur dann der Strukturverbesserung der deutschen Filmtheater-
wirtschaft im Sinne des § 56 Abs. 1 Nr. 1 FFG, wenn an dem Ort, an dem das
Filmtheater errichtet werden solle, im maßgebenden Zeitpunkt eine tatsächlich
feststellbare quantitative Unterversorgung der Bevölkerung mit Kinoleistungen
bestehe. Diese Auslegung folge aus der Entstehungsgeschichte sowie Sinn und
Zweck der Vorschrift.
Vor dem Hintergrund der schlechten wirtschaftlichen Lage vieler Filmtheater-
betreiber habe nicht nur die Modernisierung und Verbesserung bestehender
Filmtheater, sondern auch die Gründung von Filmtheatern gefördert werden
sollen, wenn dies zur Verbesserung der Versorgung mit Kinoleistungen beitra-
ge. Gedacht worden sei vor allem an „kinolose oder kinolos gewordene Orte“.
Wie aus den Worten „vor allem“ in den Gesetzesmaterialien hervorgehe, habe
damit eine Förderung der Neuerrichtung von Filmtheatern an Orten, in denen
schon oder noch ein oder mehrere Filmtheater betrieben worden seien, zwar
nicht gänzlich ausgeschlossen werden sollen. In den Gesetzesmaterialien
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komme jedoch deutlich die Absicht der Bundesregierung zum Ausdruck, durch
die Förderung der Neuerrichtung von Filmtheatern einer vorhandenen Unter-
versorgung in einer bestimmten Region oder Stadt zu begegnen, also die Ent-
stehung von Filmtheatern in „strukturschwachen Gebieten“ zu fördern. Ziel der
Förderung habe offensichtlich die Erhaltung oder Wiederherstellung einer mög-
lichst flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Kinoleistungen im
gesamten Bundesgebiet sein sollen.
Nach Sinn und Zweck der Vorschrift führe nicht jede quantitative Vermehrung
von Kinodienstleistungsangeboten zu einer positiven Änderung der Struktur des
betroffenen (Teil-)Marktes. Eine Strukturverbesserung werde dadurch nur ein-
treten, wenn die Nachfrage nach Kinodienstleistungen auch nach der Vermeh-
rung des Angebotes dem Angebot in etwa entspreche oder nicht wesentlich
unter den Durchschnitt in vergleichbaren Orten sinke. Sei dagegen die Bevölke-
rung einer bestimmten Stadt oder Region unter Berücksichtigung ihres Bedarfs
mit solchen Dienstleistungen bereits ausreichend versorgt oder sogar überver-
sorgt, könne das Hinzukommen weiterer Anbieter nicht zu einer Verbesserung
der Struktur der Filmtheaterwirtschaft führen. Im Gegenteil werde die Struktur
dieser Branche an den betreffenden Orten verschlechtert, weil die Auslastung
der bereits vorhandenen Kinokapazität in der Regel sinken werde. Dadurch
werde der Betrieb des einzelnen Filmtheaterunternehmens unwirtschaftlich.
Eine solche Entwicklung widerspreche den Zielen des Filmförderungsgesetzes.
Unter Berücksichtigung der statistischen Daten für das Jahr 1999, die zur Zeit
der Entscheidung der Beklagten über den Antrag der Klägerin verfügbar gewe-
sen seien, sei die Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass zu dieser Zeit
gemessen an den Durchschnittszahlen für fünf vergleichbare Orte in L. keine
Unterversorgung mit Filmtheaterleistungen vorgelegen habe. Auf 85 Einwohner
sei dort ein Kinoplatz gekommen, während dieser Wert in den Vergleichsorten
bei 82 und im Bundesdurchschnitt bei 97 Einwohnern gelegen habe. Das vor-
handene Sitzplatzangebot sei mit 176 Besuchern pro Sitzplatz auch nur mäßig
ausgenutzt worden, während in den herangezogenen Vergleichsorten durch-
schnittlich 180 bzw. im Bundesdurchschnitt 176 Besucher im Jahr auf einen
Sitzplatz entfallen seien.
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Die Neuerrichtung des Multiplexkinos der Klägerin in L. hätte zu einer Erhöhung
der dort im Jahr 1999 vorhandenen 5 759 Kinoplätze auf 8 159 Plätze, also
einer Steigerung um 41,7 % geführt. Eine entsprechende Erhöhung der Besu-
cherzahlen sei jedoch nicht einmal annäherungsweise zu erwarten gewesen. In
den Regionen, in denen keine Multiplexkinos entstanden seien, habe der Film-
besuch im Zeitraum zwischen 1989 und 1995 stagniert, während er in den Mul-
tiplex-Regionen um rund die Hälfte zugenommen habe. Dies entspreche einer
durchschnittlichen Steigerung der Besucherzahlen an den Orten, in denen in
dieser Zeit Multiplexkinos errichtet worden seien, von jährlich etwa 7,14 %. Ge-
he man davon aus, dass diese Erfahrungswerte auch auf das damals noch zu
errichtende Multiplexkino in L. übertragbar seien, wäre dort im Jahr 1999 eine
Steigerung der Besucherzahlen um maximal 16,7 % von 1 149 485 auf
1 341 449 Besucher zu erwarten gewesen, denen jeweils 8 159 Kinoplätze zur
Verfügung gestanden hätten. Die Auslastungsquote wäre also voraussichtlich
im Jahr 1999 auf 164,41 Besucher gesunken. Darin könne in Anbetracht einer
durchschnittlichen Auslastung in vergleichbaren Orten von 180 Besuchern pro
Sitzplatz und einer Auslastung im Bundesdurchschnitt von 176 (1999) Kinobe-
suchern keine Strukturverbesserung gesehen werden.
Zur Begründung der vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision
bringt die Klägerin u.a. vor, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletze mit
seiner Auslegung des Begriffs „Strukturverbesserung“ in § 56 Abs. 1 Nr. 1 FFG
Bundesrecht. Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts erfasse
der Begriff „Strukturverbesserung“ auch diejenigen Sachverhalte, bei denen
zwar keine quantitative Unterversorgung der Bevölkerung mit Kinoleistungen
bestehe, jedoch die Neuerrichtung eines Kinos zu einer signifikanten Verbesse-
rung der „Kinolandschaft“ in qualitativer Hinsicht führe und gerade dieser „Qua-
litätssprung“ eine Beibehaltung bzw. Steigerung der Kinobesucherzahlen - und
damit auch die Aufrechterhaltung des Kinobetriebes am Ort - erwarten lasse.
Der unbestimmte Rechtsbegriff der „Strukturverbesserung“ im Sinne von § 56
Abs. 1 Nr. 1 FFG sei entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts
dahingehend zu verstehen, dass durch die Neuerrichtung die Versorgung des
Verbrauchers mit Kinoleistungen insgesamt verbessert werde, um eine mög-
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lichst hohe Besucherzahl zu erreichen. Entgegen der Auffassung des Oberver-
waltungsgerichts seien zur Bewertung der Frage, ob durch die beantragte För-
derung eine „Strukturverbesserung“ erreicht werde, auch qualitative Belange
heranzuziehen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Ober-
verwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. August
2008 und des Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin vom
4. September 2003 die Beklagte unter Aufhebung ihres
Bescheides vom 27. November 2000 in Gestalt des Wi-
derspruchsbescheides vom 12. Juli 2001 zu verpflichten,
der Klägerin als Beitrag zur Finanzierung des neu errichte-
ten Mulitplex-Kinos in L. eine Förderungshilfe als zinsloses
Darlehen in Höhe von 148 274,65 € mit einer Laufzeit von
10 Jahren bei Tilgungsfreiheit in den ersten beiden Jahren
zu gewähren
hilfsweise,
über den Antrag der Klägerin vom 11. Oktober 2000 unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu
entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Berufungsurteil.
II
Die Revision ist zulässig, aber unbegründet. Das Urteil des Oberverwaltungsge-
richts beruht auf einer zutreffenden Anwendung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1
Nr. 1 VwGO). Zu Recht hat es die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung
ihrer Verpflichtungsklage auf Gewährung einer Filmförderung durch das Ver-
waltungsgericht für unbegründet gehalten.
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1. Für das Begehren der Klägerin ist die Regelung in § 56 Abs. 1 und Abs. 3
FFG anzuwenden in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Film-
förderungsgesetzes vom 6. August 1998 (BGBl I S. 2046). Denn nach der durch
Art. 1 Nr. 58 des Vierten Gesetzes zur Änderung des Filmförderungsgesetzes
vom 22. Dezember 2003 (BGBl I S. 2771) erlangten Fassung bestimmt § 73
Abs. 1 FFG, dass „Ansprüche nach diesem Gesetz, die vor dem 1. Januar 2004
entstanden sind“, „nach den bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Vorschrif-
ten abgewickelt“ werden. Das streitgegenständliche Vorhaben unterfiel dieser
Übergangsvorschrift, weil seine Förderung im Oktober 2000 beantragt worden
war und es im Juni 2001 fertiggestellt sein sollte. Die Gesetzesfassung vom
6. August 1998 hat auch das Berufungsgericht richtigerweise zugrunde gelegt.
2. Die Filmförderungsanstalt - FFA - gewährt nach § 56 Abs. 1 Nr. 1 FFG För-
derungshilfen zur Modernisierung und Verbesserung von Filmtheatern sowie
zur Neuerrichtung, wenn sie der Strukturverbesserung dient. Beim Vorhaben
der Klägerin handelt es sich zwar um die Neuerrichtung eines Filmtheaters;
diese dient aber nicht der Strukturverbesserung.
a) Der Begriff der Strukturverbesserung ist als solcher wenig aussagekräftig. Er
ist einerseits offen für ein weites Verständnis, wie es die Klägerin zugrunde legt.
Diese sieht das Merkmal auch dann als erfüllt an, wenn die Neuerrichtung eines
Kinos zu einer signifikanten Verbesserung der Kinolandschaft in qualitativer
Hinsicht führt und gerade dieser Qualitätssprung eine Beibehaltung bzw.
Steigerung der Kinobesucherzahlen - und damit die Aufrechterhaltung des Ki-
nobetriebes am Ort - erwarten lässt. Dieses Verständnis bezieht den Struktur-
wandel ein, innerhalb dessen neue, leistungsfähige Kinos ganz oder teilweise
an die Stelle alter Filmtheater treten, wenn damit ein bisher zu beobachtender
rückläufiger Trend der Besucherzahlen gestoppt wird. Der Begriff gestattet aber
andererseits auch ein restriktives Verständnis, wonach eine Kinoneuerrichtung
nur gefördert wird, wenn dies der Schließung von Angebotslücken und damit
der Beseitigung von Strukturdefiziten dient.
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b) Deutliche Hinweise auf ein enges Verständnis liefert der sprachlich-sys-
tematische Zusammenhang, in welchem das Merkmal der Strukturverbesse-
rung im Rahmen der Regelung in § 56 Abs. 1 Nr. 1 FFG verwandt wird.
aa) Der Wortlaut der Vorschrift spricht in zweifacher Hinsicht dafür, dass sich ihr
letzter Halbsatz („wenn sie der Strukturverbesserung dient“) allein auf die
Maßnahme der Neuerrichtung, nicht aber auch auf Modernisierung und Ver-
besserung bezieht. Dies legt bereits die Formulierung im Singular („dient“) na-
he; andernfalls wäre eine Formulierung im Plural („dienen“) angezeigt gewesen.
Abgesehen davon wird durch das Bindewort „sowie“ der erste vom zweiten
Satzteil deutlich abgetrennt, so dass der Nebensatz am Ende keine Klammer
sein kann, welche sich auf die zuvor aufgezählten Maßnahmen gleichermaßen
erstreckt.
bb) Diese sprachliche Schlussfolgerung wird durch die Entstehungsgeschichte
bekräftigt.
Die Neuerrichtungsförderung wurde durch das Erste Änderungsgesetz vom
18. November 1986, BGBl I S. 2040, eingeführt. Die Gesetzesformulierung war
neutral und bezog sich auf die förderungswürdigen Maßnahmen einheitlich,
indem sie Förderungshilfen „zur Modernisierung, Verbesserung und Neuerrich-
tung von Filmtheatern“ vorsah. Die Gesetzesmaterialien stellten die Erweiterung
der Förderung auf Neuerrichtungen besonders heraus. Gedacht war dabei vor
allem an Orte, in denen früher ein Kino bestanden hatte, das später aber einge-
stellt worden war, oder sonstige „kinolose“ Orte, die vom nächsten Ort oder
Ortsteil mit Kino unzumutbar weit entfernt waren (vgl. BTDrucks 10/5448 S. 15).
Demnach schwebte dem Gesetzgeber schon damals die Errichtungsförderung
in den Fällen der Unterversorgung sowie bei vergleichbaren Sachverhalten vor.
Dem ist offenbar in der Folgezeit die FFA im Rahmen ihrer Ermessen aus-
übenden Verwaltungspraxis gefolgt. Daran knüpfte wiederum das Zweite Ände-
rungsgesetz vom 21. Dezember 1992, BGBl I S. 2135, an, durch welches § 56
Abs. 1 Nr. 1 FFG seine hier anzuwendende Gestalt gefunden hat. Dabei hat der
Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass er eine die Errichtungsförderung
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rechtfertigende Strukturverbesserung z.B. dann nicht für gegeben hält, wenn es
um den Bau eines neuen Multiplexkinos „auf der grünen Wiese“ geht (BTDrucks
12/2021 S. 20).
cc) Der Gesetzgeber unterscheidet demnach in § 56 Abs. 1 Nr. 1 FFG syste-
matisch zwischen Modernisierung und Verbesserung bestehender Kinos einer-
seits und Errichtung neuer Kinos andererseits. Dabei hat die Erhaltung beste-
hender Kinos Präferenz. Modernisierungs- und Verbesserungsmaßnahmen, die
der baulichen und technischen Ausstattung sowie den Serviceleistungen die-
nen, sind ohne Einschränkungen förderungswürdig; bei ihnen wird die Struktur-
verbesserung unwiderlegbar vermutet (vgl. v. Have/Schwarz, in: v. Hartlieb/
Schwarz, Handbuch des Film-, Fernseh- und Videorechts, 4. Aufl. 2004, S. 373
Rn. 2; v. Have/Fischer-Zernin, Filmförderungsgesetz, 2005, § 56 Rn. 2). Dem-
gegenüber wird die Errichtung neuer Kinos nur unter der einschränkenden Vor-
aussetzung der Strukturverbesserung gefördert. Dabei hat der Gesetzgeber vor
allem an Orte ohne Kinos gedacht. Dagegen erscheint ihm, wie das Beispiel
des Baus eines neuen Multiplexkinos „auf der grünen Wiese“ verdeutlicht, die
Schaffung erheblicher neuer Sitzplatzkapazitäten ohne Rücksichtnahme auf die
Verhältnisse der Kinowirtschaft am Ort nicht förderungswürdig. Denn eine sol-
che Maßnahme ist mit der Gefahr des Absinkens der örtlichen Sitzplatzausnut-
zung und einer nachfolgenden Verdrängung vorhandener Kinos verbunden und
stellt sich bei Einbeziehung dieser möglichen Folgewirkungen nicht als eine
strukturverbessernde, sondern eher als eine strukturverschlechternde Maß-
nahme dar.
c) Aus dem Vorstehenden ergeben sich die Ziele, welche der Gesetzgeber mit
der Förderung nach § 56 Abs. 1 Nr. 1 FFG verfolgt. Ausgangspunkt ist dabei
die Feststellung, dass sich die Lage der deutschen Filmtheater bis 1984 stark
verschlechtert hat und die Zahl der Kinobesucher auf den niedrigsten Stand seit
1949 gesunken war (BTDrucks 10/5448 S. 9). Dieser Abwärtstrend bei den
Kinobesucherzahlen soll gestoppt und wenn möglich umgekehrt werden. Dem-
gemäß sind alle Maßnahmen der Modernisierung und Verbesserung von Kinos
förderungswürdig, welche die Attraktivität des Angebotes für die Kinobesucher
erhöhen. Weiter soll bestehenden Strukturmängeln wie einer lokalen Unterver-
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sorgung begegnet werden. Hier liegt der Schwerpunkt für die Förderung von
Kinoneubauten.
Verdrängungswettbewerb in der Form der Schaffung erheblicher neuer Sitz-
platzkapazitäten, die die Existenz der vorhandenen Kinos gefährdet, ist dage-
gen nicht förderungswürdig. Dass Großinvestoren durch neue attraktive Ange-
bote alte Unternehmen verdrängen, ist ein in der Marktwirtschaft üblicher und
unvermeidlicher Vorgang. Dass dies jedoch unter Einsatz öffentlicher Mittel ge-
schieht, ist nach dem im vorliegenden Zusammenhang deutlich gewordenen
Willen des Gesetzgebers nicht hinnehmbar. Dieser wollte schon im Ansatz Be-
denken entgehen, denen die Subventionierung von Unternehmen als grund-
rechtsrelevanter Eingriff in die Rechte von Wettbewerbern ausgesetzt sein
kann. Dies gilt umso mehr, als die Kinobetreiber durch die von ihnen zu entrich-
tende Filmabgabe die Filmabspielförderung finanzieren (§§ 66, 68 Abs. 1 Nr. 6
FFG), so dass der Gefahr zu begegnen ist, dass die von ihnen aufgebrachten
Mittel zu ihrer eigenen Verdrängung eingesetzt werden.
Über den Ansatz des Oberverwaltungsgerichts, wonach eine Strukturverbesse-
rung bei Neuerrichtung - von den Fällen der Unterversorgung abgesehen - nur
vorliegt, wenn eine so erhebliche Steigerung der Besucherzahlen zu erwarten
ist, dass die durchschnittliche Platzauslastung nicht wesentlich unter den
Durchschnittswert in vergleichbaren Orten sinkt, kann daher nicht hinausge-
gangen werden. Immerhin ist dieser Ansatz nicht ausschließlich auf die Behe-
bung von Angebotslücken im engeren Sinne festgelegt. Er kann etwa auch
dann zum Tragen kommen, wenn das neu zu errichtende Kino spezielle Besu-
chergruppen anspricht, die durch die bisherige lokale Kinowirtschaft nicht aus-
reichend erschlossen wurden. Der Ansatz der Klägerin, dass eine Strukturver-
besserung stets schon dann vorliegt, wenn die Neuerrichtung eines Kinos zu
einer signifikanten Verbesserung der Kinolandschaft in qualitativer Hinsicht führt
und dieser Qualitätssprung eine Beibehaltung oder Steigerung der Kino-
besucherzahlen erwarten lässt, überschreitet dagegen die Zielvorstellungen des
Gesetzgebers. Wirkt sich der Neubau des Kinos nur dahin aus, dass die
Besucherzahlen gehalten oder mäßig gesteigert werden, so ist bei erheblicher
Kapazitätssteigerung die Verdrängung der bisherigen Kinobetreiber vorpro-
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grammiert. Dazu will das Gesetz nicht durch eine öffentliche Finanzierung die
Hand reichen.
d) Ein Beurteilungsspielraum kommt der FFA nicht zu. Zwar wird die Entschei-
dung nach § 56 Abs. 1 Nr. 1 FFG nicht stets ohne Prognoseerwägungen aus-
kommen. Sie ist jedoch in ihrer Tragweite auf eine spezielle ortsnahe Unter-
stützungsmaßnahme beschränkt. Sie entbehrt damit jener Komplexität, die es
rechtfertigen könnte, die gerichtliche Kontrolldichte zurückzunehmen.
e) Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts kann im vorliegenden
Fall weder von einer Unterversorgung die Rede sein noch angenommen wer-
den, dass die zu erwartende Steigerung der Besucherzahlen den mit dem Neu-
bau verbundenen Kapazitätszuwachs kompensieren konnte. Damit wird das im
zuvor erörterten Sinne auszulegende Merkmal der Strukturverbesserung ver-
fehlt.
Wie das Oberverwaltungsgericht festgestellt hat, lag im Jahr 1999 gemessen an
den Durchschnittszahlen für fünf vergleichbare Orte in Leipzig keine Unter-
versorgung mit Filmtheaterleistungen vor. Auf 85 Einwohner kam dort ein Kino-
platz, während dieser Wert in den Vergleichsorten bei 82 und im Bundesdurch-
schnitt bei 97 Einwohnern lag. Das vorhandene Sitzplatzangebot wurde mit 176
Besuchern pro Sitzplatz durchschnittlich ausgenutzt, während in den herange-
zogenen Vergleichsorten durchschnittlich 180 bzw. im Bundesdurchschnitt
gleichfalls 176 Besucher im Jahr auf einen Sitzplatz entfielen.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts fehlte es im Übrigen auch an
dem Nachweis einer zu erwartenden so erheblichen Steigerung der Besucher-
zahlen durch die Neuerrichtung, dass den vorhandenen Anbietern kein Nachteil
entstehen würde. Die Neuerrichtung des Multiplexkinos der Klägerin in L. führte
zu einer Erhöhung der dort im Jahr 1999 vorhandenen 5 759 Kinoplätze auf
8 159 Plätze, also einer Steigerung um 47,7 %. Eine entsprechende Erhöhung
der Besucherzahlen war jedoch nicht einmal annäherungsweise zu erwarten.
Nach den von der Klägerin dazu beigebrachten Erkenntnisquellen soll die im
Jahre 2001 in ganz Deutschland beobachtete Steigerung der Besucherzahlen
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auf die neu erbauten Multiplexkinos zurückzuführen gewesen sein; die Steige-
rung der Besucherzahlen betrug aber im Durchschnitt (nur) 16,7 %. Geht man
davon aus, dass diese Erfahrungswerte auch auf das damals noch zu errich-
tende Multiplexkino in L. übertragbar sind, wäre dort im Jahr 1999 eine Steige-
rung der Besucherzahlen um maximal 16,7 % von 1 149 485 auf 1 341 449
Besucher zu erwarten gewesen, denen jeweils 8 159 Kinoplätze zur Verfügung
gestanden hätten. Die Auslastungsquote wäre also voraussichtlich im Jahr
1999 auf 164,41 Besucher pro Sitzplatz gesunken. Darin liegt in Anbetracht
einer durchschnittlichen Auslastung in vergleichbaren Orten von 180 Besuchern
(1999) pro Sitzplatz und einer Auslastung im Bundesdurchschnitt von 176
(1999) Kinobesuchern wegen der Gefahr der Verdrängung bestehender Kinos
keine Strukturverbesserung im Sinne von § 56 Abs. 1 Nr. 1 FFG.
3. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen (§ 154 Abs. 2
VwGO).
Dr. Bardenhewer Büge Dr. Graulich
Dr. Bier Dr. Möller
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B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf
83 340,58 € festgesetzt.
Dr. Bardenhewer Büge Dr. Graulich