Urteil des BVerwG vom 22.08.2012

Waffen Und Munition, Öffentliche Sicherheit, Verhütung, Gewalt

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 6 C 30.11
OVG 3 Bf 197/09
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. August 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge, Dr. Graulich, Hahn und
Prof. Dr. Hecker
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
Das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts
vom 11. Januar 2011 wird geändert, soweit es den Be-
scheid der Beklagten vom 10. März 2008 und deren Wi-
derspruchsbescheid vom 3. Juni 2008 insoweit aufgeho-
ben hat, als dem Kläger darin der Besitz von Waffen und
Munition untersagt wird, deren Erwerb der Erlaubnis be-
darf. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Ver-
waltungsgerichts Hamburg vom 31. März 2009 wird in vol-
lem Umfang zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und des Revi-
sionsverfahrens.
G r ü n d e :
I
Der Kläger wendet sich gegen ein Verbot des Besitzes und Erwerbs von Waffen
und Munition.
Das Landgericht H. verurteilte den - zu diesem Zeitpunkt bereits mehrfach, u.a.
wegen Körperverletzung, vorbestraften - Kläger am 1. Februar 2008 wegen
bandenmäßigen besonders schweren Raubes in drei Fällen, davon in einem
Fall wegen Versuchs, in einem Fall in Tateinheit mit besonders schwerer räube-
rischer Erpressung, in zwei Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverlet-
zung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren. Das Urteil wurde mit
der Verwerfung der Revision als unbegründet (BGH, Beschluss vom
2. September 2008) rechtskräftig. Der Kläger befand sich wegen dieser Taten
seit dem 23. August 2007 in Polizei- und Untersuchungshaft; seit Rechtskraft
der Verurteilung befindet er sich in Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt F. Nach
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den Urteilsfeststellungen führte der Kläger bei den drei Raubtaten gegen Prosti-
tuierte einen ausziehbaren Teleskopstab (so genannter Totschläger) mit sich
und drohte damit. In einem der Fälle setzte der Kläger ein Elektroschockgerät
eigenhändig zur Drohung ein.
Die Beklagte untersagte mit für sofort vollziehbar erklärter Verfügung vom
10. März 2008 dem Kläger gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 41 Abs. 2
WaffG die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Waffen aller Art, Schuss-
waffen, Schießapparate, Munition und Geschosse mit pyrotechnischer Wirkung
und bestimmte, dass das Verbot beinhaltet, Waffen und Munition, deren Erwerb
nicht der Erlaubnispflicht des Waffengesetzes unterliegt, zu erwerben und die
tatsächliche Gewalt darüber auszuüben. Zur Begründung führte sie aus, der
Kläger sei waffenrechtlich unzuverlässig gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a
WaffG; dies zeige die massive Gewalt, mit der er und seine Mittäter bei den drei
angeklagten Taten die geschädigten Personen mit einem Elektroschockgerät
verletzt und mit einem Schlagstock bedroht hätten. Die Annahme der Unzuver-
lässigkeit sei daneben im Hinblick auf die bereits erfolgten strafrechtlichen Ver-
urteilungen gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG begründet.
Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom
3. Juni 2008 zurück. Die daraufhin am 4. Januar 2009 erhobene Klage hat das
Verwaltungsgericht mit Urteil vom 31. März 2009 abgewiesen.
Auf Antrag des Klägers hat das Berufungsgericht die Berufung zugelassen. Mit
Schriftsatz vom 15. Dezember 2009 an das Berufungsgericht hat die Beklagte
die nach ihrer Auffassung maßgeblichen Ermessenserwägungen für die streit-
gegenständliche Verbotsverfügung zusammengefasst.
Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 11. Januar 2011 das Urteil des
Verwaltungsgerichts geändert. Den Bescheid vom 10. März 2008 und den Wi-
derspruchsbescheid vom 3. Juni 2008 hat es insoweit aufgehoben, als dem
Kläger darin der Besitz von Waffen und Munition untersagt worden ist, deren
Erwerb der Erlaubnis bedarf. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen.
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Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht u.a. ausgeführt, die angefoch-
tene Untersagungsverfügung der Beklagten habe in Bezug auf Waffen und Mu-
nition, deren Erwerb der Erlaubnis bedürfe, in § 41 Abs. 2 WaffG keine gesetzli-
che Grundlage, weil der Kläger derartige Waffen oder Munition nicht im Besitz
gehabt habe oder habe. Die Untersagung nach § 41 Abs. 2 WaffG setze den
Besitz der bezeichneten Gegenstände voraus. Die Befugnis, jemandem den
Besitz zu untersagen, schlösse es zwar nicht schon dem allgemeinen Wortsinn
nach aus, die Untersagung auch auf einen künftigen Besitz zu beziehen. Die
Begrenzung auf den bestehenden Besitz im Sinne der bereits ausgeübten tat-
sächlichen Gewalt ergebe sich aber aus dem Vergleich mit der Regelung, die
der Gesetzgeber in ein- und demselben Gesetzgebungsakt für die Untersa-
gungsbefugnis in § 41 Abs. 1 WaffG hinsichtlich erlaubnisfreier Waffen und Mu-
nition getroffen habe: Dort seien die Untersagung des Besitzes und die des Er-
werbs ausdrücklich unterschieden und nebeneinander aufgeführt. Habe der
Gesetzgeber in seinem Sprachgebrauch zur Regelung der Untersagungsbefug-
nisse in § 41 WaffG für den einen gegenständlichen Teilbereich (Absatz 1) aber
dergestalt zwischen den Fallgruppen des Besitzes und des Erwerbs unter-
schieden, erscheine es als zwingend, den gleichermaßen differenzierenden
Sprachgebrauch auch bei der Regelung des anderen Teilbereichs (in Absatz 2)
anzunehmen. Dann sei Besitz im Sinne des Absatzes 2 nur der vorhandene
Besitz und nicht auch der (durch Erwerb zu erlangende) künftige Besitz. Der so
differenzierende Sprachgebrauch entspreche zudem den gesetzlichen Begriffs-
bestimmungen in Anlage 1 zu § 1 Abs. 4 WaffG, Abschnitt 2, in denen das Er-
werben und das Besitzen von Waffen oder Munition (in Nummern 1 und 2) als
unterschiedliche waffenrechtliche Begriffe definiert seien. Die Untersagungsver-
fügung betreffend den Besitz und Erwerb erlaubnisfreier Waffen und Munition
habe das Verwaltungsgericht hingegen zutreffend als rechtmäßig angesehen.
Die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG lägen vor.
Soweit das Oberverwaltungsgericht der Klage stattgegeben und die streitige
Verfügung teilweise aufgehoben hat, hat die Beklagte die vom Bundesverwal-
tungsgericht zugelassene Revision eingelegt und sie damit begründet, ent-
gegen der Ansicht des Berufungsgerichts bedürfe es zur Untersagung des Be-
sitzes von erlaubnispflichtigen Waffen und zur Untersagung des Besitzes von
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Munition für entsprechende Waffen keines vorherigen Besitzes des Verfü-
gungsadressaten. Das Berufungsgericht verkenne hiermit den Willen des Ge-
setzgebers und erschwere eine effektive Gefahrenabwehr.
Die Beklagte beantragt,
unter teilweiser Abänderung des Urteils des Hamburgi-
schen Oberverwaltungsgerichts vom 11. Januar 2011 die
Klage vollumfänglich abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt die Auslegung des § 41 Abs. 2 WaffG durch das Berufungsgericht.
Der Kläger und die Beklagte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche
Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Der Senat entscheidet gemäß § 101 Abs. 2 VwGO im Einverständnis der Betei-
ligten ohne mündliche Verhandlung.
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundes-
recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hätte die Beru-
fung des Klägers auch zurückweisen müssen, soweit das Verwaltungsgericht
die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 10. März 2008 und deren
Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2008 insoweit abgewiesen hatte, als dem
Kläger darin der Besitz von Waffen und Munition untersagt worden war, deren
Erwerb der Erlaubnis bedarf. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenom-
men, § 41 Abs. 2 WaffG setze einen bereits vollzogenen Besitzerwerb des Ver-
botsadressaten voraus. Die im Verfahren getroffenen Feststellungen erlauben
den Schluss, dass der Kläger den Verbotstatbestand des § 41 Abs. 2 WaffG
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erfüllt. Der Senat kann daher in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3
Satz 1 Nr. 1 VwGO) und die Berufung vollumfänglich zurückweisen.
1. Die Klage richtete sich ursprünglich gegen die vollständige Verfügung der
Beklagten vom 10. März 2008. Damit ist dem Kläger gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 und § 41 Abs. 2 WaffG die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Waf-
fen aller Art, Schusswaffen, Schießapparate, Munition und Geschosse mit pyro-
technischer Wirkung untersagt worden. Dieses Verbot beinhaltete ausdrücklich
auch das Verbot, Waffen und Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnispflicht
des WaffG unterliegt, zu erwerben und die tatsächliche Gewalt darüber auszu-
üben (§ 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG). Das Verwaltungsgericht hat die da-
gegen gerichtete Klage mit Urteil vom 31. März 2009 vollständig abgewiesen.
Auf die Berufung hat das Oberverwaltungsgericht zwar der Klage gegen die auf
§ 41 Abs. 2 WaffG gestützte Verfügung gegen die erlaubnispflichtigen Waffen
zum Erfolg verholfen, aber die Berufung abgewiesen, soweit es um die auf § 41
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG gestützte Verfügung betreffend erlaubnisfreier Waf-
fen ging. Nachdem der Kläger daraufhin keine Revision eingelegt hat, ist der
Rechtsstreit betreffend das gegen den Kläger ausgesprochene Erwerbs- und
Besitzverbot für erlaubnisfreie Waffen rechtskräftig geworden. Im Streit steht
lediglich noch die Frage der Rechtmäßigkeit des Besitzverbots betreffend er-
laubnispflichtiger Waffen.
2. Das streitgegenständliche Besitzverbot für erlaubnispflichtige Waffen gegen
den Kläger ist rechtmäßig, denn es beruht auf einer gesetzlichen Ermächti-
gungsgrundlage, deren Anforderungen es einhält.
a) Nach § 41 Abs. 2 WaffG kann die zuständige Behörde jemandem den Besitz
von Waffen oder Munition, deren Erwerb der Erlaubnis bedarf, untersagen, so-
weit es zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit oder Kontrolle des Um-
gangs mit diesen Gegenständen geboten ist.
Zu Unrecht hat das Oberverwaltungsgericht die Voraussetzungen des Waffen-
besitzverbotes nach § 41 Abs. 2 WaffG im Falle des Klägers verneint, weil die-
ser eine derartige Waffe oder Munition nicht im Besitz habe oder gehabt habe.
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§ 41 Abs. 2 WaffG erlaubt unter den in der Vorschrift bezeichneten Vorausset-
zungen die Verhängung eines Besitzverbots auch zu einem Zeitpunkt, in dem
der Verbotsadressat erlaubnispflichtige Waffen bzw. Munition nicht in Besitz
hat, d.h. nicht die tatsächliche Gewalt über sie ausübt (vgl. Ziff. 2, Abschnitt 2
der Anlage 1 - zu § 1 Abs. 4 - WaffG). Verboten werden darf wie bei § 41 Abs. 1
WaffG auch der künftige Besitz.
aa) Der Wortlaut der Vorschrift ist für diese Auslegung offen. § 41 Abs. 2 WaffG
schreibt nicht vor, dass der Verbotsadressat bereits bei Ausspruch des Verbots
„Besitzer“ sein müsste.
Der Wortlaut von § 41 Abs. 2 WaffG bezieht sich nicht auf eine erteilte Erlaub-
nis, sondern nur allgemein darauf, ob Waffen und Munition grundsätzlich einer
Erlaubnis bedürfen. Damit erfasst der Wortlaut auch Fälle, in denen im konkre-
ten Einzelfall keine Erlaubnis erteilt ist oder diese nicht mehr besteht. Dass der
Gesetzgeber die Anwendung der Verbotsermächtigung in § 41 Abs. 2 WaffG
nicht auf Fälle der aktuellen Innehabung des unerlaubten Besitzes an einer
Waffe beschränken wollte, macht der Wortlaut nicht zuletzt dadurch deutlich,
dass es dort nicht verengend heißt, dem Besitzer könne der „weitere Besitz“
untersagt werden.
bb) Aus Formulierungsunterschieden in der Regelung über das Verbot erlaub-
nisfreier Waffen nach § 41 Abs. 1 WaffG - d.h. Verbot für „Besitz und Erwerb“ -
und dem für erlaubnispflichtige Waffen nach § 41 Abs. 2 WaffG - d.h. Verbot für
„Besitz“ - ist entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nichts
Gegenteiliges abzuleiten. Der Grund für den unterschiedlichen Wortlaut liegt
vielmehr schlicht darin, dass es für erlaubnisfreie Waffen keine Erwerbsbe-
schränkung gibt. Der Erwerb erlaubnispflichtiger Waffen steht dagegen unter
einem Erlaubnisvorbehalt, der den freien Erwerb ausschließt (Lehmann/v.
Grotthuss, in: von Grotthuss/Soens, Aktuelles Waffenrecht, Stand Juli 2012,
§ 41 Rn. 48; Humberg VR 2004, 8).
Es ist schon vom geregelten Sachverhalt her nicht einsehbar, warum die Be-
hörde mit der Anwendung des Waffenverbotes nach § 41 Abs. 2 WaffG bis zu
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dem - für sie gar nicht immer offensichtlichen - Zeitpunkt abwarten sollte, zu
dem der vom Gesetzgeber als verbotswürdig eingestufte Besitz vom Betroffe-
nen schließlich erlangt wird.
cc) Die Auslegung des § 41 Abs. 2 WaffG nach der Gesetzessystematik unter-
stützt die Ansicht, dass ein Verbot zum Besitz erlaubnispflichtiger Waffen auch
ausgesprochen werden kann, wenn der Erwerb einer solchen Waffe noch be-
vorsteht. Das systematische Verständnis des Waffenverbotes nach § 41 Abs. 2
WaffG erschließt sich aus ihrer Vorgängernorm in § 40 WaffG a.F. § 40 WaffG
72 stellte eine Fortentwicklung von § 23 des Reichswaffengesetzes dar, wo-
nach Erwerb, Besitz und Führen von Schusswaffen verboten werden konnten,
durch die eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu befürchten war. In der
Zielrichtung besteht zwischen beiden Vorschriften kein Unterschied, was auch
in der Begründung zu dem Entwurf des Bundesrates, der dem Waffengesetz
zugrunde liegt, zum Ausdruck kommt (BTDrucks 6/2678 S. 23). Die Vorschrift
soll im Gesamtgefüge des Waffengesetzes die Regelungen über die Zuverläs-
sigkeitsprüfung in der Weise ergänzen, dass sie - umfassend und unabhängig
von einer Erwerbssituation - die Allgemeinheit vor dem Schaden bewahrt, der
aus einem Umgang mit Schusswaffen durch ungeeignete Personen droht. Eine
solche Aufgabe kann die Vorschrift aber nur erfüllen, wenn sie auch jenseits
des eigentlichen Gebrauchmachens von Schusswaffen die Tatbestände erfasst,
die für einen derartigen Schutz der Allgemeinheit von Bedeutung sind, so z.B.
die Gefahren, die aus einer nicht sorgfältigen Verwahrung der Schusswaffe
oder einem Überlassen der Waffen an Nichtberechtigte entstehen können (Ur-
teil vom 6. Dezember 1978 - BVerwG 1 C 94.76 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 14
S. 43 f.). Der Ausschluss einer Verbotsmöglichkeit nach § 41 Abs. 2 WaffG hin-
sichtlich zukünftigen Besitzes wäre wertungssystematisch insofern unstimmig,
als die von Absatz 2 betroffenen erlaubnispflichtigen Waffen vom Gesetzgeber
allgemein als gefahrenträchtiger als die in Absatz 1 betroffenen erlaubnisfreien
Waffen eingestuft worden sind. Wenn schon bei den letzteren der zukünftige
Besitz ein hinreichender Bezugspunkt für ein Verbot ist, muss dies bei ersteren
umso mehr gelten.
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Ein weiterer systematischer Aspekt zum Verständnis von § 41 Abs. 2 WaffG
ergibt sich aus dem Zusammenspiel von der Rückgabe oder Verzicht auf eine
waffenrechtliche Erlaubnis und der flankierenden Anordnung eines Waffenver-
botes. Droht der Widerruf einer notwendigen Erlaubnis, versuchen Betroffene
- wie auch Erfahrungen in anderen Rechtsgebieten mit Erlaubnisvorbehalten
zeigen - einen Erlaubniswiderruf durch Rückgabe oder Verzicht zu unterlaufen.
Damit unterbleibt zunächst die Aufklärung und Feststellung des Widerrufssach-
verhalts mit wachsenden Beweisschwierigkeiten für die Waffenbehörde im Falle
späterer Antragsverfahren auf Neuerteilung einer Erlaubnis. Soweit Verbote
neben dem Widerruf oder der Versagung einer notwendigen Erlaubnis möglich
sind, dienen sie zur Umsetzung einer Präventionswirkung auch für den Fall der
Erlaubnisrückgabe und verhindern die andernfalls drohenden Nachteile einer
Verschlechterung der Beweislage (Lehmann/v. Grotthuss a.a.O. Rn. 50). Inso-
fern wird das Verbot nach § 41 Abs. 2 WaffG in den Fällen von Rückgabe oder
Verzicht auf eine waffenrechtliche Erlaubnis zu einem präventiven Mittel ge-
genüber dem Besitz oder Wiedererwerb von erlaubnispflichtigen Waffen durch
den vormaligen Erlaubnisinhaber.
dd) Der Gesetz gewordene Wortlaut des § 41 Abs. 2 WaffG, wonach nur der
Besitz und nicht auch der Erwerb untersagt werden kann, ist auf ein einge-
schränktes situatives Problemverständnis im Gesetzgebungsverfahren zurück-
zuführen und kann darüber hinaus kein einschränkendes Gesetzesverständnis
nach sich ziehen. Dass der „Erwerb“ in § 41 Abs. 1 WaffG gesondert aufgeführt
ist, bedeutet nicht, dass nur von § 41 Abs. 1 WaffG der Erwerb und folglich der
künftige Besitz erfasst sind. Der Gesetzgeber hat die Vorschrift des § 41 Abs. 2
WaffG in Ansehung eines Vorfalls gefasst, bei dem ein rechtmäßiger Waffenbe-
sitzer eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellte (BTDrucks 14/7758 S. 77). Im
Anschluss daran sollte die Vorschrift die sofortige Sicherstellung der Waffen in
Fällen ermöglichen, die nicht durch Rücknahme oder Widerruf der Erlaubnis
nach § 45 WaffG - in Fällen der Unzuverlässigkeit oder Ungeeignetheit - oder
durch das Vorgehen wegen illegalen Waffenbesitzes erfasst werden könnten.
Für die Regelung eines Erwerbsverbots hat der Gesetzgeber vor dem Hinter-
grund dieses konkreten Problemverständnisses anscheinend keinen Bedarf
gesehen und demzufolge den Erwerb auch nicht in § 41 Abs. 2 WaffG wörtlich
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erwähnt, zumal sich der Sache nach ein Erwerbsverbot bei den Waffen, die un-
ter § 41 Abs. 2 WaffG fallen, regelmäßig schon durch das notwendige Erlaub-
nisverfahren ergibt, indem eine Erlaubnis dann versagt wird. Jedenfalls bietet
die Entstehungsgeschichte keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber
bei Erlass des neuen § 41 Abs. 2 WaffG die in der Anwendungspraxis zu § 40
WaffG 1972 vielfach anerkannte Befugnis, auch zukünftigen Waffenbesitz zu
verbieten (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 24. November 1992 - 4 StR 539/92 -
NStZ 1993, 192; Potrykus/Steindorf, Waffenrecht, 5. Aufl. 1982, S. 238; Nr. 40.1
WaffVwV i.d.F. der Bekanntmachung von 1979), beseitigen wollte. Dies hätte
auch nicht im Einklang mit der allgemeinen Stoßrichtung der Novellierung ge-
standen, wonach die Umgestaltung der Vorschrift auf eine „Erweiterung der Be-
fugnis zum Erlass eines Waffenbesitzverbotes gegenüber der bisherigen Rege-
lung in § 40 des Waffengesetzes“ (vgl. BTDrucks 14/7758 S. 76) gezielt hat.
Bereits unter Geltung der Vorgängervorschrift des § 40 WaffG a.F. war ebenso
anerkannt, dass die Behörde das Recht hatte, nach Ausstellung der Waffenbe-
sitzkarte zum Nachweis der Anmeldung ein Waffenbesitzverbot zu erlassen,
und es ihr auch möglich sein musste, die Prüfung der Voraussetzungen eines
entsprechenden Waffenbesitzverbotes vorbeugend in das Verfahren zur Ertei-
lung einer Waffenbesitzkarte nach § 59 WaffG 72 einzubeziehen (Urteil vom
6. Dezember 1978 a.a.O. S. 42 f.). Hieran sollte durch die Einführung des § 41
Abs. 2 WaffG nichts geändert werden. Denn § 40 WaffG a.F. sollte lediglich
umgestaltet sowie die Befugnis zum Erlass eines Waffenbesitzverbotes gegen-
über der bisherigen Regelung in § 40 WaffG a.F. erweitert und der Rechtspre-
chung angepasst, keinesfalls gelockert werden (BTDrucks 14/7758 S. 76).
ee) Sinn und Zweck des Verbotes für den Besitz von erlaubnispflichtigen Waf-
fen nach § 41 Abs. 2 WaffG zeigen, dass es nach dem Normverständnis nicht
darauf ankommt, dass der Pflichtige die tatsächliche Gewalt über Waffen oder
Munition im Verbotszeitpunkt bereits ausübt. Das Bundesverwaltungsgericht hat
sich zu der Vorgängernorm von § 41 Abs. 2 WaffG in § 40 WaffG a.F. dahinge-
hend geäußert, dass die Vorschrift im Gesamtgefüge des Waffengesetzes die
Regelungen über die Zuverlässigkeitsprüfung in der Weise ergänze, dass sie
die Allgemeinheit vor dem Schaden bewahren solle, der aus dem Umgang mit
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Schusswaffen durch ungeeignete Personen drohe. Dies zeige, dass der Schutz
der Allgemeinheit im Vordergrund stehe und dieses Ziel auf dem effektivsten
Wege verfolgt werden müsse (Urteil vom 6. Dezember 1978 a.a.O. S. 43 f.).
Dies wird im Normtext sichtbar anhand der Formulierung des § 41 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 WaffG, in dem von „Verhütung von Gefahren für die Sicherheit“ ausge-
gangen wird und aufgrund § 1 Abs. 1 WaffG, der von der „Berücksichtigung der
Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ spricht. Als Leitlinie der Vor-
schrift ist somit der Rechtsgüterschutz beabsichtigt. Um ein solches Ziel ernst-
haft und bestmöglich zu erreichen, sind indes Maßnahmen mit Präventivcharak-
ter notwendig (Humberg, VR 2004, 8), wie sie im Erwerbs- und Besitzverbot
gegenüber einem Betroffenen liegen, der die tatsächliche Gewalt über Waffen
oder Munition noch nicht ausübt.
Ein Verbot des Besitzes erlaubnispflichtiger Waffen nach § 41 Abs. 2 WaffG ist
zulässig, wenn damit ein künftiger Erwerb verhindert werden soll. Dass der Er-
werb solcher Waffen an einen Erlaubnisvorbehalt gebunden ist, steht dem Er-
lass eines Verbotes nicht entgegen. Mit der Versagung einer Erlaubnis und dem
Ausspruch eines Waffenverbotes nach § 41 Abs. 2 WaffG werden unterschied-
liche Zwecke umgesetzt. Bei der Versagung einer Erlaubnis wird nur das Er-
werbsinteresse des Einzelnen und die Erfüllung der daran geknüpften Anforde-
rungen geprüft, beim Waffenverbot steht die Prävention und der Schutz von
Leben und Gesundheit im Vordergrund (Lehmann/v. Grotthuss a.a.O. Rn. 47).
Der Hauptanwendungsfall eines Waffenverbotes nach § 41 Abs. 2 WaffG betrifft
Konstellationen, in denen zuvor eine Waffenbesitzerlaubnis erteilt wurde. So-
weit die Voraussetzungen für den Erlass eines Waffenverbotes nach § 41
Abs. 2 WaffG gegeben sind, rechtfertigt dies vielfach zwar auch den Widerruf
der Erlaubnis (§ 45 WaffG). Dies bedarf jedoch bis zur Bestands- oder Rechts-
kraft einer gewissen Zeit, in der das allgemeine Sicherungsbedürfnis ohne die
Möglichkeit des Waffenverbotes nicht bedient würde (Lehmann/v. Grotthuss
a.a.O. Rn. 43).
b) Die danach allein erforderlichen Voraussetzungen für ein Waffenbesitzverbot
nach § 41 Abs. 2 WaffG liegen vor.
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aa) Das Besitzverbot muss zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit ge-
boten sein.
Anknüpfungspunkt für die Regelung in § 41 Abs. 2 WaffG ist eine Gefährlichkeit
des Waffenbesitzers. Das Besitzverbot ist dann „zur Verhütung von Gefahren
für die Sicherheit“ geboten, wenn der fortdauernde Waffenbesitz des Verbots-
adressaten eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt (Gade/Stoppa,
WaffG, 2011, § 41 Rn. 10); das gleiche gilt - für den Fall, dass der Betreffende
noch nicht im Besitz einer Waffe ist - für den künftigen Besitz. Im Rahmen die-
ser auf Tatsachen gestützten Gefahrenprognose ist derselbe Maßstab anzule-
gen, der auch im Zuge eines Erwerbs- und Besitzverbotes nach § 41 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 WaffG zur Anwendung kommt (Gade/Stoppa a.a.O. Rn. 10 u. 6).
Der Begriff „zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit“ ist nach der Vorstel-
lung des Gesetzgebers am Rechtsgüterschutz orientiert und hat die Verhütung
von Gefahren zum Gegenstand (BTDrucks 14/7758 S. 76). Dabei handelt es
sich um den aus dem allgemeinen Gefahrenabwehrrecht stammenden Begriff
der öffentlichen Sicherheit.
Das Waffenverbot aus § 41 Abs. 2 WaffG dient im vorliegenden Fall auch der
Verhütung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit, denn es soll Schaden
von den Rechtsgütern Einzelner abwenden. Der Kläger bietet keine ausrei-
chende Gewähr dafür, dass er mit Waffen in einer Weise umgeht, die Dritte in
ihren Rechten nicht gefährdet. Das Landgericht H. verurteilte ihn wegen ban-
denmäßigen besonders schweren Raubes in drei Fällen, davon in einem Fall
wegen Versuchs, in einem Fall in Tateinheit mit besonders schwerer räuberi-
scher Erpressung, in zwei Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren. Nach den Urteilsfeststellun-
gen führte der Kläger bei den drei Raubtaten gegen Prostituierte in deren Mo-
dellwohnungen einen ausziehbaren Teleskopstab (sog. Totschläger) mit sich
und drohte damit. In einem der Fälle setzte der Kläger auch das Elektroschock-
gerät eigenhändig zur Drohung ein. Bei dem im landgerichtlichen Urteil festge-
stellten Sachverhalt handelte es sich nicht um ein isoliertes strafwürdiges Ver-
halten. Der Kläger war vielmehr bereits damals mehrmals vorbestraft, unter an-
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derem wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs
Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
bb) Nach § 41 Abs. 2 WaffG wird die Möglichkeit eines waffenrechtlichen Ver-
botes nicht einfach eingeräumt, „soweit es zur Verhütung von Gefahren für die
Sicherheit“ in Betracht kommt, sondern soweit es „geboten“ ist. Darin drückt
sich eine gesteigerte Anforderung im Sinne einer „Erforderlichkeit“ aus. Diese
Anforderung begrenzt den im Verbot liegenden Eingriff, indem nicht jede Gefahr
für die öffentliche Sicherheit die Voraussetzungen erfüllt, sondern nur eine mit
höherer Dringlichkeit. Ein Verbot ist dann geboten, wenn der Waffenbesitzer
bzw. der Erwerbswillige in der Vergangenheit ein Verhalten oder eine seiner
Person anhaftende Eigenschaft zutage gelegt hat, welche den auf Tatsachen
beruhenden Verdacht begründet, dass durch einen Umgang mit der Waffe Ge-
fahren für die öffentliche Sicherheit verursacht werden (Gade/Stoppa a.a.O.
Rn. 6). Nach § 41 Abs. 2 WaffG kann jemandem der Besitz nur untersagt wer-
den, wenn durch den fortdauernden Besitz eine nicht hinnehmbare Gefahrensi-
tuation entstehen würde (Papsthart, in: Steindorf/Heinrich/Papsthart, WaffG,
9. Aufl. 2010, § 41 Rn. 9). Anknüpfungspunkt beim Verbot zum Besitz erlaub-
nispflichtiger Waffen nach § 41 Abs. 2 WaffG ist ebenso wie bei demjenigen
nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaffG eine Gefährlichkeit des Waffenbesitzers
(Gade/Stoppa a.a.O. Rn. 10).
Diese gesteigerten gesetzlichen Voraussetzungen eines zur Verhütung von Ge-
fahren für die Sicherheit „gebotenen“ Waffenverbotes erfüllt der Kläger. Anord-
nungen nach § 41 Abs. 2 WaffG sind nämlich insbesondere dann gerechtfertigt,
wenn der Betroffene eine Straftat begangen hat und aus der Tat auf eine rohe
oder gewalttätige Gesinnung oder eine Schwäche des Täters zu schließen ist,
sich zu Gewalttaten hinreißen zu lassen, oder wenn der Täter eine schwere
Straftat mit Hilfe oder unter Mitführen von Waffen begangen hat oder Straftaten
begangen hat, die nicht selten unter Mitführen oder Anwendung von Waffen
begangen werden (Nr. 41.3 WaffVwV i.d.F. der Bekanntmachung von 2012).
Das im Strafurteil des Landgerichts H. vom 1. Februar 2008 zum Ausdruck
kommende Maß an Gewaltbereitschaft, und zwar insbesondere in Verbindung
mit dem Gebrauch oder zumindest der Androhung von Waffengewalt lassen die
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Verhängung des Verbots als unausweichlich und somit geboten erscheinen, um
die andernfalls von einem im Besitz von Waffen befindlichen Kläger drohende
Gefahr für die Sicherheit abzuwenden.
Darüber hinaus ist das Verbot für erlaubnispflichtige Waffen nach § 41 Abs. 2
WaffG auch geboten, weil der Kläger bereits nicht die Voraussetzungen für die
Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis erfüllt. Es fehlt bei ihm an den Vo-
raussetzungen für die Erteilung einer Waffen- und Munitionserlaubnis, weil er
die erforderliche persönliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a
und Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG nicht besitzt. Die erforderliche Zuverlässigkeit
besitzen nämlich Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtferti-
gen, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgerecht um-
gehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden (§ 5 Abs. 1
Nr. 2 Buchst. a WaffG). Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen darüber hi-
naus in der Regel Personen nicht, die wegen einer vorsätzlichen Straftat zu
einer Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind (§ 5 Abs. 2 Nr. 1
Buchst. a WaffG). Darauf hat der Widerspruchsbescheid das Verbot auch aus-
drücklich gestützt.
cc) Dass damit auf Umstände abgestellt wird, die in der Person des Klägers lie-
gen, führt nicht zur Unanwendbarkeit des § 41 Abs. 2 WaffG. Soweit teilweise
behauptet wird, § 41 Abs. 1 Satz 1 WaffG unterscheide nach objektbezogenen
Untersagungsgründen in Nr. 1 und personenbezogenen Untersagungsgründen
in Nr. 2, weshalb wegen der gleichartig wie in Nr. 1 des § 41 Abs. 1 Satz 1
WaffG formulierten Voraussetzungen des § 41 Abs. 2 WaffG dort nur objektbe-
zogene Untersagungsgründe eine Rolle spielen würden (Bushart, in:
Apel/Bushart, Waffenrecht, Band 2, 3. Aufl. 2004, § 41 Rn. 10), kann dem aus
mehreren Gründen nicht gefolgt werden. Zum einen sind objektbezogene Ge-
fahren schon Gegenstand der Regelungen des Beschussgesetzes (vgl.
BTDrucks 14/7758 S. 48 f.). Zum anderen gibt es keine Anhaltspunkte für eine
derartige Unterscheidung in § 41 Abs. 1 Satz 1 WaffG. Denn die Kontrollbedürf-
tigkeit nach der Nr. 1 bezieht sich auf den „Umgang“ und damit auf menschliche
Verhaltensweisen in Bezug auf Waffen (vgl. § 1 Abs. 3 WaffG), ist also gleich-
falls personenbezogen. Dasselbe gilt, soweit die Verhütung von Gefahren für
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die Sicherheit angesprochen wird. Denn damit sollen, entsprechend dem Zweck
des Gesetzes (§ 1 Abs. 1 WaffG) hochrangige Rechtsgüter vor einem nicht ord-
nungsgemäßen Umgang mit Waffen oder Munition geschützt werden
(BTDrucks 14/7758 S. 51), womit wiederum auf Gefahren abgestellt wird, die
durch auf Waffen bezogenes Verhalten von Waffenbesitzern entstehen. Die
Nr. 1 des § 41 Abs. 1 Satz 1 WaffG unterscheidet sich daher nur insoweit von
der Nr. 2 als sie auf die Verhütung von Gefahren zum Schutz von Rechtsgütern
durch nicht ordnungsgemäßes Verhalten von Waffenbesitzern ausgerichtet ist,
während die Nr. 2 nicht in erster Linie auf solche Gefahren abstellt, sondern auf
die tatsachengestützte fehlende Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen im Hin-
blick auf die erforderlichen persönlichen Voraussetzungen (Eignung bzw. Zu-
verlässigkeit) für den Umgang mit Waffen, vgl. BTDrucks 14/7758 S. 76). Ent-
sprechend den Ausführungen zu § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaffG betrifft daher
auch § 41 Abs. 2 WaffG nicht nur objektbezogene Gründe, sondern generell die
Verhütung von Gefahren für Rechtsgüter, die für diese durch den nicht ord-
nungsgemäßen Umgang von Waffenbesitzern mit Waffen und Munition entste-
hen. Bestätigt wird dies durch den oben genannten Zweck des § 41 Abs. 2
WaffG im Hinblick auf eine sofortige Sicherstellung nach § 46 Abs. 4 Satz 1
Nr. 1 WaffG (schon vor Fristablauf nach § 46 Abs. 2 Satz 2 WaffG), der sonst
unterlaufen würde sowie durch die Gesetzesbegründung zu § 41 Abs. 2 WaffG,
wo ausschließlich ein personenbezogener Untersagungsgrund genannt wird
(VG Ansbach, Urteil vom 11. Oktober 2006 - AN 15 K 06.00854 - juris Rn. 54;
ebenso VG Sigmaringen, Urteil vom 26. April 2006 - 1 K 1331/05 - juris Rn. 20).
c) Bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen kann (aa)) die zuständi-
ge Behörde jemandem den Besitz von Waffen oder Munition, deren Erwerb der
Erlaubnis bedarf, untersagen (bb)). Diese Rechtsfolge hat die Beklagte in recht-
mäßiger Weise gezogen.
aa) Mit der streitgegenständlichen Verfügung hat die Beklagte angeordnet, dass
der Kläger keine erlaubnispflichtigen Waffen und Munition erwerben oder besit-
zen darf. Die Anordnung des Waffenbesitzverbotes nach § 41 Abs. 2 WaffG
verbietet nicht nur den Besitz erlaubnispflichtiger Waffen und Munition, d.h. die
Ausübung tatsächlicher Gewalt über sie, sondern sperrt damit auch zugleich die
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Möglichkeit zum rechtmäßigen Erwerb, soweit die betroffene Person erst da-
durch zukünftig Besitz begründen würde. Der ausdrücklichen Erwähnung eines
Erwerbsverbotes im Rahmen der Verfügung nach § 41 Abs. 2 WaffG bedarf es
deshalb nicht; die Erwähnung macht den Bescheid aber auch nicht fehlerhaft.
Gegenständlich fallen erlaubnispflichtige Waffen in den Anwendungsbereich der
Vorschrift. Nach Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 WaffG sind prinzipiell
Schusswaffen, ihnen gleichgestellte Gegenstände sowie dafür bestimmte Muni-
tion erlaubnispflichtig. Mit Rücksicht auf die Ausnahmen von der Erlaubnispflicht
für bestimmte Waffen, deren Verbot ggf. auf § 41 Abs. 1 WaffG zu stützen ist,
unterfallen nur diejenigen erlaubnispflichtigen Waffen dem Verbot nach § 41
Abs. 2 WaffG, die hinsichtlich des Erwerbs nicht von der Erlaubnispflicht aus-
genommen sind (vgl. die Ausnahmen nach Anlage 2 Abschnitt 2 Unterab-
schnitt 2 Nr. 1 WaffG; Gade/Stoppa, WaffG, 2011, § 41 Rn. 9).
bb) Das Waffenbesitzverbot wird als Ermessensentscheidung getroffen. Es gilt
daher das eingeschränkte Prüfungsprogramm des Verwaltungsgerichts nach
§ 114 Satz 1 VwGO darauf hin, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die
gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermes-
sen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Ge-
brauch gemacht hat. Im Ausgangsbescheid vom 10. März 2008 sowie dem Wi-
derspruchsbescheid vom 3. Juni 2008 sind solche Ermessenserwägungen al-
lenfalls ansatzweise zu erkennen. Das Oberverwaltungsgericht hat daher nach
§ 114 Satz 2 VwGO mit richterlicher Verfügung vom 2. Dezember 2009 der Be-
klagten Gelegenheit gegeben, zur Erfüllung der Schriftlichkeitsanforderungen
nach § 39 Abs. 1 Satz 3 HmbVwVfG, die für die Ausübung des Ermessens
nach § 41 Abs. 2 WaffG maßgeblichen Ermessenserwägungen schriftlich mitzu-
teilen. Dem ist die Beklagte mit Schreiben an das Gericht vom 15. Dezember
2009 nachgekommen.
Danach hält die Beklagte den Erlass der waffenrechtlichen Verbotsverfügung
nach § 41 Abs. 2 WaffG auch unter Berücksichtigung des Vollzuges der Frei-
heitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt F. für geeignet, erforderlich und ange-
messen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass erlaubnispflichtige oder verbotene
Waffen in die Anstalt gelangen könnten. Auch wenn in Bezug auf erlaubnis-
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pflichtige Waffen die Wahrscheinlichkeit zum Erwerb faktisch erheblich einge-
schränkt sein möge, sei das verbleibende Risiko nicht hinzunehmen. Sie ist au-
ßerdem der Auffassung, dass bei einer Verbotsverfügung, die eine Dauerwir-
kung entfalte, eine temporäre Reduzierung der Gefahrenlage nicht zur Aufhe-
bung der Verbotsverfügung führen müsse. Hierbei sei insbesondere zu berück-
sichtigen, dass vorliegend der Zeitraum, in dem der Kläger die Möglichkeit zum
Waffenerwerb habe, den Zeitraum, in dem die Möglichkeit des Klägers zum
Waffenerwerb aufgrund der Inhaftierung reduziert sei, erheblich übersteige.
Auch stehe dem Einwand des Klägers, Vollzugslockerungen seien derzeit un-
wahrscheinlich, die Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung nicht entgegen. Denn
zumindest seien Vollzugslockerungen in absehbarer Zeit nach den Vorschriften
des H. Strafvollzugsgesetzes möglich. Dieses Restrisiko müsse im Hinblick auf
die zu erwartende Gefährdung hoher Rechtsgüter nicht hingenommen werden.
Diesem Risiko könne auch nicht durch eine Information der Justizvollzugsan-
stalt an die zuständige Waffenbehörde über bevorstehende Vollzugslockerun-
gen begegnet werden.
Das Berufungsgericht hat sich mit diesen Ermessenserwägungen nicht ausei-
nander gesetzt, weil es den Bescheid insoweit bereits aus anderen Gründen für
fehlerhaft gehalten hat. Die Erwägungen der Beklagten verhalten sich aber in-
nerhalb des von § 41 Abs. 2 WaffG vorgezeichneten Ermessensspielraums.
Dieser Spielraum war vorliegend bereits dadurch stark eingeschränkt, dass
sehr erhebliche Gründe für die Erforderlichkeit des Waffenverbotes auf der Tat-
bestandsseite der Norm sprachen. Bei Vorliegen derart gewichtiger - sich aus
den Vorstrafen des Klägers ergebender - Tatsachen beschränkt sich der Abwä-
gungsspielraum in der Tat auf die Frage, ob seine derzeitige Inhaftierung ein
Verbot nach § 41 Abs. 2 WaffG entbehrlich macht. Abgesehen davon, dass die
insoweit gegen ein Verbot während der Haftzeit in das Feld zu führenden Ar-
gumente zugleich von geringem Gewicht sind, weil sie den Kläger in dieser Zeit
mangels Gelegenheit zum legalen Erwerb auch nicht nennenswert belasten, hat
die Beklagte jedoch einleuchtend ein verbleibendes Restrisiko beschrieben, das
mit einem Verbot besser begrenzt werden kann als ohne. Diese Belastung hat
der Kläger zum Schutz der Öffentlichkeit hinzunehmen.
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3. Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger gemäß § 154 Abs. 1
und 2 VwGO zu tragen.
Neumann
Büge
Dr. Graulich
Hahn
Prof. Dr. Hecker
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 2 500 €
festgesetzt.
Neumann
Büge
Dr. Graulich
Hahn
Prof. Dr. Hecker
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Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Waffenrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
WaffG
§§ 1, 5, 41, 45
VwGO
§§ 101, 114, 137
Stichworte:
Waffen; Munition; Erwerbsverbot; Besitzverbot; erlaubnispflichtige Waffen; er-
laubnisfreie Waffen; Verhütung von Gefahren; Verbot des künftigen Besitzes;
Gefährlichkeit des Waffenbesitzers; geboten; Erforderlichkeit; Ermessensent-
scheidung; richterliche Verfügung; Mitteilung der Ermessenserwägungen; Ein-
schränkung des Ermessensspielraums.
Leitsätze:
1. § 41 Abs. 2 WaffG erlaubt unter den in der Vorschrift bezeichneten Voraus-
setzungen die Verhängung eines Besitzverbots auch zu einem Zeitpunkt, in
dem der Verbotsadressat erlaubnispflichtige Waffen bzw. Munition nicht in Be-
sitz hat, d.h. nicht die tatsächliche Gewalt über sie ausübt. Verboten werden
darf auch der künftige Besitz.
2. Nach § 41 Abs. 2 WaffG wird die Möglichkeit eines waffenrechtlichen Verbo-
tes eingeräumt, soweit es „geboten“ ist. Darin drückt sich eine gesteigerte An-
forderung im Sinne einer „Erforderlichkeit“ aus.
3. Anknüpfungspunkt für die Regelung in § 41 Abs. 2 WaffG ist eine Gefährlich-
keit des Waffenbesitzers.
Urteil des 6. Senats vom 22. August 2012 - BVerwG 6 C 30.11
I. VG Hamburg vom 31.03.2009 - Az.: VG 4 K 17/09 -
II. OVG Hamburg vom 11.01.2011 - Az.: OVG 3 Bf 197/09 -