Urteil des BVerwG vom 27.10.2004

Verfassungskonforme Auslegung, Rechtsberatung, Vorrang des Gesetzes, Ausbildung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 6 C 30.03
Verkündet
VG 4 K 233/03.MZ
am 27. Oktober 2004
Thiele
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 27. Oktober 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. H a h n , B ü g e , Dr. G r a u l i c h und V o r m e i e r
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungs-
gerichts Mainz vom 1. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e :
I.
Der Kläger ist in einer Kapitalgesellschaft für Unternehmensberatung und -sanierung
sowie als Insolvenzverwalter tätig. Er beantragte mit Schreiben vom 11. November
2002 die Zulassung als Rechtsbeistand für das Sachgebiet des Insolvenzrechts. Mit
Bescheid vom 14. Januar 2003 (fälschlich datiert auf den 13. Januar 2003) lehnte der
Präsident des Landgerichts Mainz den Antrag unter Hinweis auf das Fehlen einer
Rechtsgrundlage ab. Der Präsident des Oberlandesgerichts Koblenz wies den
dagegen eingelegten Widerspruch mit Bescheid vom 4. Februar 2003 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 5. März 2003 Klage mit dem Ziel erhoben, den Beklag-
ten unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zu verpflichten, ihm eine
Teilbereichserlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz auf dem Gebiet des Insol-
venzrechts zu erteilen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 1. Oktober 2003 abgewiesen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen An-
spruch auf Erteilung einer Teilbereichserlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz
für das Gebiet des Insolvenzrechts. Art. 1 § 1 RBerG sehe eine solche Erlaubnis
nicht vor. Die Aufzählung der dort benannten Sachbereichserlaubnisse sei abschlie-
ßend. Dafür sprächen Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Norm. Der Kläger
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könne sich auch nicht mit Erfolg auf § 2 der 1. Verordnung zur Ausführung des
Rechtsberatungsgesetzes berufen. Die Vorschrift sei im Zusammenhang mit Art. 1
§ 1 Abs. 2 RBerG zu sehen, so dass eine "Erlaubnis für bestimmte Sachgebiete"
nach Änderung des Rechtsberatungsgesetzes im Jahre 1980 nur noch eine sachli-
che Beschränkung innerhalb eines der in Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 RBerG genannten
Sachbereiche beinhalten könne. Der geltend gemachte Anspruch folge auch nicht
aus einer analogen Anwendung des Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 RBerG. Es fehle an ei-
ner planwidrigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber habe beabsichtigt, die Teilbe-
reichserlaubnisse auf wenige Sachgebiete zu beschränken. Wie sich Art. 1 § 3 Nr. 6
und Nr. 9 RBerG entnehmen lasse, habe er das Problem der Rechtsberatung im Be-
reich des Insolvenzrechts gesehen, jedoch gleichwohl davon abgesehen, das Insol-
venzrecht als weiteren Sachbereich in Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 RBerG aufzunehmen.
Art. 12 Abs. 1 GG werde dadurch nicht verletzt. Ein Eingriff in den Schutzbereich lie-
ge nicht vor, soweit es um die nach Art. 1 § 3 Nr. 6 RBerG nicht erlaubnispflichtige
Tätigkeit des Klägers als Insolvenzverwalter gehe. Ebenso fehle es an einem Eingriff,
soweit es sich bei der gewünschten Berufstätigkeit nicht um die Besorgung von
Rechtsangelegenheiten, sondern um Wirtschaftsangelegenheiten handele, die vom
Rechtsberatungsgesetz unberührt blieben. Zu Gunsten des Klägers könne aber un-
terstellt werden, dass er bei der Insolvenzberatung auch erlaubnispflichtige Rechts-
angelegenheiten besorgen wolle. Insoweit liege ein Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG vor,
da er für die von ihm beabsichtigte Tätigkeit keine Teilbereichserlaubnis nach dem
Rechtsberatungsgesetz erhalten könne. Das Grundrecht der Berufsfreiheit sei jedoch
selbst dann nicht verletzt, wenn man die Untersagung der Teilerlaubnis nicht lediglich
als Einschränkung der Berufsausübung, sondern als Einschränkung der Berufswahl
durch Aufstellung einer subjektiven Zulassungsvoraussetzung qualifiziere. Der
Eingriff sei verfassungsrechtlich unbedenklich, da er geeignet und erforderlich sei,
um überragende Gemeinwohlinteressen, nämlich den Schutz der Rechtsuchenden
und eine geordnete Rechtspflege, zu sichern, und keine unzumutbare Belastung
enthalte. Bei der Insolvenzberatung stellten sich Rechtsfragen aus Kerngebieten des
Rechts, auf die ein erheblicher Teil der für die juristische Ausbildung erforderlichen
Zeit entfalle und deren Regelungen zunehmend komplizierter würden. Hinzu komme
eine besondere Schutzbedürftigkeit der Klientel, die um eine Insolvenzberatung
nachsuche. Zu berücksichtigen sei ferner, dass es seit 1999 Fachanwälte für
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Insolvenzrecht gebe, die auch entsprechende Kenntnisse auf wirtschaftlichem Gebiet
nachweisen müssten. Zudem werde Insolvenzberatung häufig von Sozietäten
geleistet, in denen sich Rechtsanwälte mit Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern
zusammengeschlossen hätten. Ferner gebe es Anwaltssozietäten, die mit
Betriebswirten oder spezialisierten Unternehmensberatungen zusammenarbeiteten.
Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 RBerG verstoße auch nicht gegen das Gleichbehandlungs-
gebot in Art. 3 GG. Zwischen der Insolvenzberatung und den in Art. 1 § 1 Abs. 1
Satz 2 RBerG genannten Berufen bestünden Unterschiede von solcher Art und sol-
chem Gewicht, dass eine ungleiche Behandlung gerechtfertigt sei.
Mit seiner Sprungrevision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und trägt zur Be-
gründung im Wesentlichen vor: Durch die Versagung der Teilbereichserlaubnis nach
dem Rechtsberatungsgesetz für das Gebiet des Insolvenzrechts werde er in seinen
Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Das Berufsbild eines
Insolvenzberaters habe sich durch die Einführung der Insolvenzordnung in einer
Weise entwickelt, die eine Monopolisierung bei der Rechtsanwaltschaft als unver-
hältnismäßig erscheinen lasse. Bei der Insolvenzberatung seien wirtschaftliche Fra-
gestellungen derart mit Rechtsfragen verquickt, dass eine isolierte Beratung in nur
einem der Sachbereiche nicht möglich sei, zumindest aber nicht dem Kundeninte-
resse entspreche. Für die Prüfung, ob für ein Unternehmen eine Sanierung und ge-
gebenenfalls welche Form wirtschaftlich gesehen sinnvoll sei, sei es unvermeidlich,
die Auswirkungen der verschiedenen insolvenzrechtlichen Instrumente in den Blick
zu nehmen. Der Zweck des Rechtsberatungsgesetzes, Rechtsuchende vor unqualifi-
ziertem Rechtsrat zu schützen, werde durch die Monopolisierung der Insolvenzbera-
tung bei der Anwaltschaft nicht erreicht. Die Gefahr eines unqualifizierten Rechtsra-
tes sei dadurch vielmehr erhöht, da die im Zusammenhang mit der Insolvenzbera-
tung zu beantwortenden Fragen überwiegend wirtschaftlicher Natur seien und der
überwiegende Teil der Anwaltschaft insoweit nicht über die erforderlichen Kenntnisse
verfüge. Auch die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung für Insolvenzrecht sei
angesichts der nur geforderten betriebswirtschaftlichen Grundlagenkenntnisse kein
ausreichender Nachweis für die Geschäftskunde.
Die Annahme des Verwaltungsgerichts, bei der Insolvenzberatung stellten sich Fra-
gen aus den Kerngebieten des Rechts, gehe fehl. Auf die Rechtsgebiete Insolvenz-
recht, Arbeitsrecht, Anfechtungsrecht und Steuerrecht entfalle kein erheblicher Teil
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der juristischen Ausbildung. Mit Ausnahme des eigentlichen Insolvenzrechts seien
auch keine umfassenden Kenntnisse der jeweiligen Materie erforderlich; es genüge
das Wissen um die mit der Insolvenz zusammenhängenden Rechtsfragen. Frage-
stellungen des Handels- und Gesellschaftsrechts stünden mit betriebswirtschaftlichen
Fragen in untrennbarem Zusammenhang. Eine strafrechtliche oder steuerrechtliche
Beratung erfolge hingegen nicht. Nicht ersichtlich sei auch, inwieweit gewerbe-
rechtliche Fragen von Belang seien. Das Anforderungsprofil sei im Übrigen mit der in
§ 56 Insolvenzordnung (InsO) für den Insolvenzverwalter geforderten Geschäftskun-
de vergleichbar. Der Umstand, dass als Insolvenzverwalter auch Nichtjuristen einge-
setzt würden, zeige die gesetzgeberische Einschätzung, dass die Bewältigung insol-
venzrechtlicher Aufgaben keine rechtswissenschaftliche Ausbildung voraussetze. Es
gehe vor allem um die Anwendung von Spezialwissen, das gleichermaßen durch den
nichtjuristischen Insolvenzberater und durch den Rechtsanwalt erst erworben werden
müsse. Dem Zweck des Rechtsberatungsgesetzes, eine reibungslose Abwicklung
des Rechtsverkehrs zu gewährleisten, werde durch eine Versagung der Teilbe-
reichserlaubnis für das Gebiet des Insolvenzrechts ebenfalls nicht gedient. Es gehe
nicht um eine gerichtliche Vertretung. Zudem gebe erst die Erlaubniserteilung
Rechtssicherheit, in welchem Umfang die Dienste des Insolvenzberaters in Anspruch
genommen werden könnten. Eine Berufsausübung unter einer ständigen rechtlichen
Unsicherheit, wann die Grenze zur Rechtsberatung überschritten sei, sei nicht zu-
mutbar. Auch seien die Interessen der Rechtspflege nicht berührt, wenn wie hier die
begehrte Regelung für ein qualitativ besseres Leistungsangebot sorge.
Die mit dem Rechtsberatungsgesetz verfolgten Schutzzwecke seien auch auf einem
die Berufswahlfreiheit weniger einschränkenden Weg zu erreichen. Ebenso effektiv
sei eine Erweiterung der Sachbereichserlaubnisse in Verbindung mit einer positiv-
rechtlich gestalteten Sicherung gewisser Grundkenntnisse für Angehörige wirtschaft-
licher Berufe. Es sei nicht begründbar, weshalb an einen Insolvenzverwalter, der sei-
ne Eignung für diese Tätigkeit mit dem erfolgreichen Abschluss eines Fachanwalts-
lehrganges im Insolvenzrecht belegen könne, niedrigere Anforderungen gestellt wür-
den als an einen Insolvenzberater. Ferner stehe mit der nach § 2 der 1. Verordnung
zur Ausführung des Rechtsberatungsgesetzes möglichen Auflagenerteilung ein wei-
teres Instrumentarium zur Verfügung, um eine ausreichende Qualität der Insolvenz-
beratung sicherzustellen.
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Die Unverhältnismäßigkeit der Untersagung der begehrten Teilbereichserlaubnis er-
gebe sich auch daraus, dass Nichtjuristen mit wirtschaftswissenschaftlicher Ausbil-
dung in ihren Berufswahl- und Berufsausbildungsmöglichkeiten im Vergleich zu Ju-
risten ohne zwingenden Grund benachteiligt würden. Unverhältnismäßig sei der Ein-
griff ferner mit Blick auf die Ungleichbehandlung im Verhältnis zu juristischen Perso-
nen, denen eine nach altem Recht erteilte Rechtsberatungserlaubnis nicht entzogen
werden könne, auch wenn die jeweilige mit der tatsächlichen Ausübung betraute na-
türliche Person ausscheide. Als unverhältnismäßig erweise sich die Versagung der
Teilbereichserlaubnis schließlich vor dem Hintergrund einer aus europarechtlichen
Bestimmungen folgenden Ungleichbehandlung. Nach der Niederlassungsrichtlinie für
Rechtsanwälte (98/5/EG) könne ein Rechtsanwalt eines anderen Mitgliedstaates der
Europäischen Union auf dem deutschen Rechtsberatungsmarkt tätig sein. Nach einer
dreijährigen Tätigkeit im Recht des Aufnahmestaates werde davon ausgegangen,
dass er die notwendigen Voraussetzungen für die völlige Integration in den Be-
rufsstand der Anwaltschaft des Aufnahmestaates erfülle und von einer Eignungsprü-
fung freigestellt werden könne. Er könne damit auch als Insolvenzberater tätig sein,
ohne über die entsprechenden Kenntnisse rechtlicher und wirtschaftlicher Art zu ver-
fügen. Noch weitergehend dürfe nach der E-Commerce-Richtlinie Rechtsberatung im
gesamten Binnenmarkt betrieben werden. Da das Recht des Sitzlandes maßgeblich
sei und es in vielen EU-Mitgliedstaaten keine dem Rechtsberatungsgesetz ver-
gleichbare Regelung gebe, führe auch dies zu einer Inländerdiskriminierung. Damit
werde zwar keine Verletzung europäischen Rechts begründet. Es werde aber deut-
lich, dass das Rechtsberatungsgesetz keinen umfassenden Verbraucherschutz mehr
gewährleisten könne. Es sei mithin unverhältnismäßig, es zu Lasten derjenigen auf-
rechtzuerhalten, die am ehesten die Kenntnisse besäßen, eine qualitativ gute Bera-
tung zu leisten.
Das Rechtsberatungsgesetz könne verfassungskonform dahingehend ausgelegt
werden, dass grundsätzlich auch eine Teilbereichserlaubnis für das Insolvenzrecht
erteilt werden könne. Es lägen Umstände vor, die es rechtfertigten, von einer plan-
widrigen Regelungslücke auszugehen. Es sei zu berücksichtigen, dass das Rechts-
beratungsgesetz einem Alterungsprozess unterliege. Mit dem Wandel sozialer Ver-
hältnisse und gesellschaftspolitischer Anschauungen könne sich der Norminhalt ei-
nes Gesetzes ändern. Die Gesetzgebung zum Insolvenzrecht habe die bereits be-
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stehenden Beschränkungen des Rechtsberatungsgesetzes nicht umfänglich berück-
sichtigt und daher eine systemgerechte Anpassung unterlassen. Bei der Einführung
des Art. 1 § 3 Nr. 9 RBerG habe der Gesetzgeber die Probleme der Beratung insol-
venzgefährdeter Unternehmen nicht in den Blick genommen. Die Vorschrift sei ein-
gefügt worden, um den erwarteten Ansturm nach Einführung der Restschuldbefrei-
ung im Rahmen der Verbraucherinsolvenz zu bewältigen und durch Einbeziehung
gemeinnütziger Schuldnerberatungsstellen die Verfahrenskosten zu senken. Nicht
berücksichtigt habe der Gesetzgeber indes den mit den Änderungen im Regelinsol-
venzverfahren einhergehenden verstärkten Insolvenzberatungsbedarf. Hinzu komme
ein sprunghafter Anstieg der Unternehmensinsolvenzen in den letzten Jahren.
Das beklagte Land tritt der Revision aus den Gründen des angefochtenen Urteils ent-
gegen.
Der Vertreter des Bundesinteresses weist vor allem auf die Bestimmung des Art. 1
§ 5 Nr. 1 RBerG hin, der dem Kläger zugute komme und in weitem Umfang seine
rechtsbesorgende Tätigkeit legitimiere.
II.
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das
angefochtene Urteil beruht nicht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1
Nr. 1 VwGO).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Teilbereichserlaubnis nach dem
Rechtsberatungsgesetz für das Gebiet des Insolvenzrechts.
1. Gemäß Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG darf die Besorgung fremder Rechtsange-
legenheiten, einschließlich der Rechtsberatung und der Einziehung fremder oder zu
Einziehungszwecken abgetretener Forderungen, geschäftsmäßig - ohne Unterschied
zwischen haupt- und nebenberuflicher oder entgeltlicher und unentgeltlicher Tätig-
keit - nur von Personen betrieben werden, denen dazu von der zuständigen Behörde
die Erlaubnis erteilt ist. Nach Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 RBerG wird die Erlaubnis je-
weils für einen der dort benannten Sachbereiche erteilt.
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a) Danach ergibt sich aus Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG kein Anspruch auf Erteilung der
begehrten Rechtsbesorgungserlaubnis. Die Erlaubniserteilung für den Sachbereich
"Insolvenzrecht" bzw. die Tätigkeit als "Insolvenzberater" ist in Art. 1 § 1 Abs. 1
Satz 2 RBerG nicht vorgesehen.
Die Aufzählung der Sachbereiche ist abschließend (vgl. BVerfG, Beschluss vom
5. Mai 1987 - 1 BvR 724/81 u.a. - BVerfGE 75, 246 <278>: "verbleibende Katalogbe-
rufe"; Chemnitz/Johnigk, RBerG, 11. Aufl. 2003, Art. 1 § 1 Rn. 245; Rennen/Caliebe,
RBerG, 3. Aufl. 2001, Art. 1 § 1 Rn. 72; Weth, in: Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl.
2004, RBerG, Art. 1 § 1 Rn. 63). Dies folgt aus dem Wortlaut der Norm und wird be-
stätigt durch die Entstehungsgeschichte. Vor seiner Änderung durch das Fünfte Ge-
setz zur Änderung der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte vom 18. August
1980 (BGBl I, 1503) unterschied das Rechtsberatungsgesetz zwischen Erlaubnisin-
habern (Rechtsbeiständen) mit einer Vollerlaubnis und Erlaubnisinhabern mit einer
auf bestimmte Rechtsgebiete beschränkten Teilerlaubnis (vgl. Art. 1 § 1 Abs. 1
RBerG a.F., der Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 der geltenden Fassung entsprach, § 2
Abs. 1 der Ersten Ausführungsverordnung). Art. 2 Abs. 6 Nr. 1 des Änderungsgeset-
zes vom 18. August 1980 bestimmte demgegenüber mit Wirkung vom 27. August
1980, dass Erlaubnisse zur geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangele-
genheiten nicht mehr unbeschränkt, sondern nur noch für die in Art. 1 § 1 RBerG ge-
nannten Sachbereiche erteilt werden dürfen (vgl. Bericht des Rechtsausschusses zur
Beschlussempfehlung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Bundes-
gebührenordnung für Rechtsanwälte, BTDrucks 8/4277, S. 20, 22; Stenographisches
Protokoll der 99. Sitzung des Rechtsausschusses vom 18. Juni 1980, 8. Wahlperio-
de, S. 14). Systematische Erwägungen lassen kein anderes Verständnis zu. Der vom
Kläger angeführte § 2 der Ersten Verordnung zur Ausführung des Rechtsberatungs-
gesetzes (1. AVO) bestimmt zwar, dass die Erlaubnis nach Art. 1 Abs. 1 RBerG, so-
fern der Nachsuchende es beantragt oder dies nach Lage der Verhältnisse sachge-
mäß erscheint, unter Beschränkung auf bestimmte Sachgebiete zu erteilen ist. Das
bedeutet aber nicht, dass danach auch nicht in Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 RBerG auf-
gezählte Sachbereiche erlaubnisfähig wären. Als Ausführungsbestimmung nimmt § 2
Abs. 1 der 1. AVO nämlich die Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz so in
Bezug, wie sie in Art. 1 § 1 RBerG geregelt ist. Der Vorrang des Gesetzes schließt
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es aus, § 2 Abs. 1 der 1. AVO einen die Erlaubnistatbestände in Art. 1 § 1 Abs. 1
RBerG erweiternden Regelungsgehalt beizumessen. § 2 der 1. AVO hat Bedeutung
daher nur für solche Fälle, in denen eine von Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 RBerG erfasste
Sachbereichserlaubnis nochmals auf ein bestimmtes Sachgebiet beschränkt werden
soll, etwa die Erlaubnis zur Rechtsbesorgung in einem bestimmten ausländischen
Recht nach Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 RBerG.
b) Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2
RBerG müsse verfassungskonform dahin ausgelegt werden, dass die Insolvenzbera-
tung zu den erlaubnisfähigen Sachbereichen gehöre. Führt die Auslegung einer Vor-
schrift, wie hier, zu einem eindeutigen Ergebnis, so kann dieses nicht durch "verfas-
sungskonforme Auslegung" erweitert werden, wenn kein Anhalt dafür besteht, dass
die Vorschrift entgegen dem nach außen erkennbar gewordenen Willen des Gesetz-
gebers einen zu engen Anwendungsbereich erhalten hat. So liegt es hier, weil die
Regelung genau dem entspricht, was Ziel der Änderung des Rechtsberatungsgeset-
zes durch das Fünfte Gesetz zur Änderung der Bundesgebührenordnung für Rechts-
anwälte vom 18. August 1980 war. Demgegenüber kann eine "verfassungskonforme
Auslegung" geboten sein, wenn ein auslegungsoffenes Gesetz bei einem bestimm-
ten Verständnis den Wertentscheidungen des Grundgesetzes besser entspricht als
bei einem anderen. Dann ist der der Verfassung näheren Auslegung der Vorzug zu
geben. Unter Heranziehung dieser Grundsätze ist Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 RBerG
nicht über seinen Wortlaut hinaus dahingehend auszulegen, dass auch die Erteilung
einer Teilbereichserlaubnis auf dem Gebiet des Insolvenzrechts in Betracht kommt.
Die Regelung ist weder mehrdeutig, noch bleibt der Wortlaut des Gesetzes hinter
dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers zurück. Im Gegenteil hat der Gesetzge-
ber die Erlaubniserteilung bewusst und gewollt auf die in Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2
RBerG genannten Sachbereiche beschränkt.
c) Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen für eine Analogie vor. Die richterliche
Rechtsfortbildung im Wege der Analogie darf nur einsetzen, wenn das Gericht auf-
grund einer Betrachtung des einfachen Gesetzesrechts eine Gesetzeslücke feststellt.
Hat der Gesetzgeber indes eine eindeutige Entscheidung getroffen, darf der Richter
diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch
eine judikative Lösung ersetzen (Urteile vom 14. März 1974 - BVerwG 2 C 33.72 -
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BVerwGE 45, 85 <90> und vom 14. März 1997 - BVerwG 8 C 22.96 -
Buchholz 448.0 § 11 WPflG Nr. 40 S. 5; BVerfG, Beschluss vom 9. März 1995
- 2 BvR 1437/93 u.a. - NStZ 1995, 399 <400>). An einer Gesetzeslücke fehlt es hier.
Wie dargelegt handelt es sich bei dem in Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 RBerG genannten
Katalog nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte eindeutig um eine abschließende
Aufzählung.
d) Es liegt auch kein Fall einer so genannten verdeckten Regelungslücke, also einer
erst aufgrund nachträglicher tatsächlicher oder rechtlicher Entwicklungen eingetrete-
nen Gesetzeslücke (vgl. Urteil vom 14. März 1997, a.a.O. S. 5 ff.; Beschluss vom
18. Mai 2004 - BVerwG 6 P 13.03 - IÖD 2004, 198 <203>), vor. Auch dieser Annah-
me steht die Entscheidung des Gesetzgebers für eine Beschränkung der Erlaubnisse
auf den Sachgebietskatalog in Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 RBerG entgegen, von deren
Fortbestand auszugehen ist. Der Gesetzgeber hat namentlich die Einführung der
Insolvenzordnung zum Anlass flankierender Regelungen im Rechtsberatungsgesetz
genommen, ohne eine Sachbereichserlaubnis zur Rechtsbesorgung auf dem Gebiet
des Insolvenzrechts vorzusehen.
Nach Abschaffung der Erteilung einer Vollerlaubnis zur Rechtsberatung und Be-
schränkung auf Erteilung einer Teilerlaubnis für wenige Sachgebiete durch Ände-
rungsgesetz vom 18. August 1980 hat der Gesetzgeber den Bereich der nach dem
Rechtsberatungsgesetz erlaubten Tätigkeiten in der Folgezeit verschiedentlich erwei-
tert bzw. Klarstellungen vorgenommen. Auf der Grundlage der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 5. Mai 1987 (- 1 BvR 981/81 - BVerfGE 75, 284) ist
mit Art. 3 des Gesetzes zur Änderung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und Pa-
tentanwälte vom 13. Dezember 1989 (BGBl I S. 2135, 2147) die Versicherungsbera-
tung als weiterer Sachbereich in den Erlaubniskatalog des Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2
RBerG aufgenommen worden. Mit Art. 5 des Dritten Gesetzes zur Änderung der
Bundesnotarordnung und anderer Gesetze vom 31. August 1998 (BGBl I S. 2585,
2596) ist Art. 1 § 5 Nr. 2 RBerG neu gefasst worden mit dem Ziel, auf der Grundlage
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Rechtsbesorgung durch Angehö-
rige der steuer- und wirtschaftsberatenden Berufe deren Befugnis klarzustellen,
rechtsberatend tätig zu werden, soweit dies zur Erfüllung ihres zulässigerweise über-
nommenen Auftrages unmittelbar erforderlich ist (vgl. Gesetzesbegründung,
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BTDrucks 13/4184, S. 40). Mit der Ergänzung des Katalogs der zulässigen Erledi-
gungen von Rechtsangelegenheiten um Art. 1 § 5 Nr. 4 RBerG durch Art. 21 a des
Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes vom 21. Juni 2002 (BGBl I S. 2010, 2072)
hat der Gesetzgeber klargestellt, dass bestimmte Finanzierungsformen nicht unter
den Anwendungsbereich des Rechtsberatungsgesetzes fallen (vgl. Gesetzesbe-
gründung, BTDrucks 14/8601, S. 30 f.). Im Zuge der Einführung der Insolvenzord-
nung vom 5. Oktober 1994 (BGBl I S. 2911) zum 1. Januar 1999 ist mit der Einfü-
gung von Art. 1 § 3 Nr. 9 RBerG durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Einfüh-
rungsgesetzes zur Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 1998
(BGBl I S. 3836) geregelt worden, dass die Tätigkeit von Schuldnerberatungsstellen
durch das Rechtsberatungsgesetz nicht berührt wird.
Vor diesem Hintergrund liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Gesetzgeber
von einer Erweiterung des Erlaubniskatalogs in Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 RBerG um
die Teilbereichserlaubnis für den Sachbereich des Insolvenzrechts bzw. der Insol-
venzberatung abgesehen hätte, weil er den Bereich der Rechtsbesorgung auf dem
Gebiet der Insolvenzberatung nicht im Blick gehabt hätte und sich nicht bewusst ge-
wesen wäre, dass der Erlaubniskatalog, wie der Kläger geltend macht, insoweit er-
gänzungsbedürftig wäre. Vielmehr lassen die vorgenannten Änderungen des Rechts-
beratungsgesetzes sowie der Umstand, dass der Gesetzgeber Rechtsbesorgungstä-
tigkeiten auf dem Gebiet des Insolvenzrechts in Art. 1 § 3 Nr. 6 und 9 RBerG einer
ausdrücklichen Regelung zugeführt und aus dem Anwendungsbereich des Rechts-
beratungsgesetzes ausgenommen hat, auf dessen Willen schließen, neben den in
Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 RBerG genannten Erlaubnissen keine weitere für den Sach-
bereich des Insolvenzrechts zu schaffen. Bestätigt wird dieser Befund durch die Ant-
wort der Bundesregierung auf die Große Anfrage - BTDrucks 14/2564 - zur Zukunft
des Rechtsberatungsgesetzes, in der zum Ausdruck kommt, dass für den Tätigkeits-
bereich der Unternehmensberater mit Blick auf Art. 1 § 5 RBerG kein Bedürfnis für
eine Ausweitung der Möglichkeit zur Rechtsbesorgung gesehen wird (BTDrucks
14/3959, S. 12 f.).
2. Dass keine Teilbereichserlaubnis für das Gebiet des Insolvenzrechts erteilt werden
kann, verstößt nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Zwar wird dadurch, dass nach dem
Katalog der nach Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 RBerG zulässigen Teilerlaubnisformen die
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Erteilung einer Rechtsbesorgungserlaubnis für den Sachbereich der Insol-
venzberatung nicht vorgesehen ist, in das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG einge-
griffen. Dieser Eingriff erweist sich jedoch selbst dann als gerechtfertigt, wenn er als
Eingriff in die Freiheit der Berufswahl anzusehen ist.
a) Das Grundrecht der Berufsfreiheit gewährt dem Einzelnen das Recht, grundsätz-
lich jede Tätigkeit als "Beruf" zu ergreifen und zur Grundlage seiner Lebensführung
zu machen, und zielt auf eine möglichst unreglementierte berufliche Tätigkeit ab
(stRspr, vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1997 - 1 BvR 780/87 -
BVerfGE 97, 12 <25> m.w.N.). Art. 12 Abs. 1 GG erfasst nicht nur Berufe, die sich in
bestimmten, traditionellen oder sogar rechtlich fixierten Berufsbildern darstellen,
sondern auch die vom Einzelnen frei gewählten untypischen (erlaubten) Betätigun-
gen, aus denen sich dann wieder neue, feste Berufsbilder ergeben mögen (BVerfG,
Beschluss vom 10. Mai 1988 - 1 BvR 482/84 u.a. - BVerfGE 78, 179 <193>; Kam-
merbeschluss vom 27. September 2002 - 1 BvR 2251/01 - NJW 2002, 3531). Nach
diesen Maßstäben fällt die von dem Kläger angestrebte Tätigkeit als Unternehmens-
insolvenzberater in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG, unabhängig davon, ob
diese Betätigung bereits mit einem festen Berufsbild verbunden ist und einen eigen-
ständigen Beruf darstellt (so für die Tätigkeit des Insolvenzverwalters BVerfG, Be-
schluss vom 3. August 2004 - 1 BvR 135/00 - WM 2004, 1781 <1782>).
b) Die Versagung der erstrebten Erlaubnis führt dazu, dass der Kläger nicht befugt
ist, über die nicht nach dem Rechtsberatungsgesetz erlaubnispflichtige Beratung in
Wirtschaftsangelegenheiten und über den Rahmen des Art. 1 § 3 Nr. 6 RBerG hinaus
Rechtsangelegenheiten im Sinne des Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG auf dem Gebiet
des Insolvenzrechts zu besorgen, insbesondere eine umfassende Rechtsberatung
vorzunehmen, ohne den Grenzen des Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG zu unterliegen.
Eine erlaubnispflichtige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten ist gegeben,
wenn die betreffende geschäftsmäßige Tätigkeit darauf gerichtet ist, konkrete fremde
Rechtsangelegenheiten zu verwirklichen oder konkrete fremde Rechtsverhältnisse zu
gestalten. Zur Abgrenzung erlaubnisfreier wirtschaftlicher Tätigkeit von Rechtsbe-
sorgung ist auf den Kern und den Schwerpunkt der Tätigkeit abzustellen. Es ist da-
nach zu fragen, ob die Tätigkeit überwiegend auf wirtschaftlichem Gebiet liegt und
die Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange bezweckt oder ob die rechtliche Seite der
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Angelegenheit im Vordergrund steht und es wesentlich um die Klärung rechtlicher
Verhältnisse geht (Urteil vom 16. Juli 2003 - BVerwG 6 C 27.02 - BVerwGE 118, 319
<325> m.w.N.; BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. September 2002, a.a.O.
S. 3532). Mit Rechtsberatung im Sinne von Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG ist grund-
sätzlich die umfassende und vollwertige Beratung der Rechtsuchenden gemeint
(BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Februar 2002 - 1 BvR 423/99 - NJW 2002,
1190 <1191>). Der so umschriebene Tätigkeitsbereich der Rechtsbesorgung wird
dem Kläger bezogen auf den Sachbereich des Insolvenzrechts durch die Erlaubnis-
versagung verschlossen. Es liegt mithin ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12
Abs. 1 GG vor.
c) Das Regelungssystem in Art. 1 § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 RBerG führt dazu, dass
die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten auf dem Gebiet des Insolvenzrechts
davon abhängig ist, dass der Bewerber über die Zulassung als Rechtsanwalt verfügt.
Die Aufnahme der Tätigkeit wird damit an die Absolvierung einer qualifizierten Aus-
bildung und den Nachweis erworbener Fähigkeiten in Form von Prüfungen geknüpft.
Es handelt sich mithin um eine Regelung auf der Stufe der Berufswahl durch Aufstel-
lung subjektiver Zulassungsvoraussetzungen (BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 1987
- 1 BvR 724/81 u.a. -, a.a.O. S. 275).
d) Eingriffe in die Freiheit der Berufswahl in Form subjektiver Zulassungsschranken
sind nur dann verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn sie auf einer gesetzlichen
Grundlage beruhen, geeignet und erforderlich sind, um besonders wichtige Gemein-
wohlinteressen zu sichern, und wenn sie keine übermäßige, unzumutbare Belastung
enthalten (BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 1987 - 1 BvR 724/81 u.a. -, a.a.O.
S. 266/267; Beschluss vom 29. Oktober 1997, a.a.O. S. 26).
aa) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, dass der Er-
laubnisvorbehalt für die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten gemäß Art. 1 § 1
Abs. 1 Satz 1 RBerG durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt
ist. Das Rechtsberatungsgesetz dient dem Schutz der Rechtsuchenden und be-
zweckt den reibungslosen Ablauf des Rechtsverkehrs. Zur Erreichung dieser Zwecke
ist der Erlaubnisvorbehalt erforderlich und angemessen (vgl. BVerfG, Beschluss vom
29. Oktober 1997, a.a.O. S. 26/27; jüngst Kammerbeschlüsse vom 29. Juli 2004
- 14 -
- 1 BvR 737/00 - NJW 2004, 2662 und vom 14. August 2004 - 1 BvR 725/03 -, je-
weils m.w.N.).
bb) Aus denselben Erwägungen ist es gerechtfertigt, dass der Gesetzgeber in Art. 1
§ 1 Abs. 1 Satz 2 RBerG nicht die Möglichkeit vorgesehen hat, eine Teilerlaubnis auf
dem Gebiet des Insolvenzrechts zu erhalten.
Das Verwaltungsgericht weist mit Recht darauf hin, dass das Sachgebiet des Insol-
venzrechts nicht lediglich Rechtsfragen des Insolvenzrechts im engeren Sinne um-
fasst, sondern daneben Kenntnisse in den Bereichen Handelsrecht, Vertragsrecht,
Anfechtungsrecht, Arbeitsrecht, Sozialrecht, Steuerrecht, Gesellschaftsrecht erfor-
dert. Als Teil des Wirtschaftsrechts bewegt es sich an der Schnittstelle vielfältiger
Rechtsgebiete und hat sich zu einer hochdifferenzierten Rechts- und Wirtschaftsma-
terie entwickelt (Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch zur Insolvenzordnung,
3. Aufl. 2001, Kap. 5 Rn. 5; vgl. ferner § 14 der Fachanwaltsordnung i.d.F. der Be-
kanntmachung vom 22. März 1999 , zuletzt geändert durch
Beschlüsse der 6. Sitzung der 2. Satzungsversammlung bei der Bundesrechtsan-
waltskammer am 20. März 2003 ). Entgegen der Auffassung
des Klägers ist es in diesen Bereichen auch nicht entbehrlich, sich die Materien in
einem umfassenderen Sinne zu erschließen. Zwar mögen im Rahmen der Insol-
venzberatung, soweit es die Rechtsbesorgung betrifft, lediglich mit der Insolvenz zu-
sammenhängende Rechtsfragen zu beantworten sein. Diese korrespondieren aber
mit den Rechtsverhältnissen, die im Zeitpunkt der Insolvenz vorgefunden werden und
die ihrerseits angesichts der Vielschichtigkeit von tatsächlichen und rechtlichen Sach-
verhalten von einer erheblichen Bandbreite sein können. Zudem bestimmt sich die
Komplexität der aufgeworfenen Rechtsfragen nach Umfang und Art des Unterneh-
mens. Schließlich setzt die Tätigkeit des Klägers nicht nur im Falle der Insolvenz ein,
sondern er beabsichtigt auch die Beratung zunächst "nur" insolvenzgefährdeter Un-
ternehmen. Insoweit stellen sich mithin nicht allein insolvenzrechtliche Fragen im
engeren Sinne. Vor diesem Hintergrund bedarf die Befassung mit vertrags-, han-
dels-, gesellschafts-, anfechtungs-, arbeits-, sozial- und steuerrechtlichen Fragen, die
sich im Rahmen einer Insolvenzberatung stellen können, umfassender Kenntnisse
dieser Rechtsgebiete, wie es in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat von dem
Beklagten angesprochen worden ist. Damit bewegt sich die rechtsbesorgende Insol-
- 15 -
venzberatung in Rechtsmaterien, die im Wesentlichen zu den Kerngebieten des
Rechts gehören und auf die ein erheblicher Teil der juristischen Ausbildung entfällt
(so für die Gebiete des Bürgerlichen Rechts, des Handels- und Gesellschaftsrechts
sowie des Wirtschaftsrechts BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 1987 - 1 BvR 724/81
u.a. -, a.a.O. S. 275). Sind schon diese Kernrechtsgebiete für sich genommen durch
besondere Komplexität gekennzeichnet, gilt dies nicht minder für das Insolvenzrecht,
das sich wie dargelegt an ihrer Schnittstelle bewegt und sie gewissermaßen bündelt.
Der Umstand, dass die Insolvenzberatung Kenntnisse auf verschiedenen Rechtsge-
bieten erfordert, legt es im Hinblick auf die mit dem Rechtsberatungsgesetz verfolg-
ten Schutzzwecke besonders nahe, als Grundlage für eine umfassende Rechtsbera-
tungsbefugnis die Vertrautheit mit der Rechtsordnung insgesamt und das Verständ-
nis übergreifender rechtlicher Zusammenhänge, so wie es in der juristischen Ausbil-
dung vermittelt wird, zu fordern. Zu Recht weist das Verwaltungsgericht auch darauf
hin, dass die Schutzbedürftigkeit der Klientel noch dadurch gesteigert wird, dass
häufig die wirtschaftliche Existenz auf dem Spiel steht. Der Ausschluss einer Teiler-
laubnis für die Tätigkeit als Insolvenzberater erweist sich danach als geeignet und
erforderlich zum Schutze hochwertiger Gemeinschaftsgüter. Unter diesen Umstän-
den erweist sich die "Risikoabschätzung" des Gesetzgebers, die Rechtsberatung auf
dem Gebiet des Insolvenzrechts umfassend ausgebildeten Rechtskundigen vorzu-
behalten, als sachgerecht und notwendig, um sowohl den von der Insolvenz (mögli-
cherweise) Betroffenen, als auch deren Geschäftspartner oder sonst betroffene Dritte
nicht durch unzutreffende oder unvollständige Rechtsberatung zu gefährden. Zudem
wird auch der weitere Gemeinwohlaspekt, der die Begrenzung der Rechtsbera-
tungserlaubnis auf die gesetzlich bestimmten Sachbereiche rechtfertigt, nämlich der
reibungslose Ablauf des Rechtsverkehrs, berührt. Mit der Rechtsbesorgung auf dem
in Rede stehenden Gebiet sind regelmäßig vorbereitende und je nach Fallgestaltung
abschließende Verfahren mit Verwaltungs- und Finanzbehörden sowie namentlich
Gerichten verbunden. Deren möglichst effektiven Ablauf zu sichern, ist ein nicht zu
vernachlässigender Gemeinwohlbelang.
cc) Die Erwägungen, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom
5. Mai 1987 (BVerfGE 75, 284) geleitet haben, die Abschaffung der Teilerlaubnis für
Versicherungsberater als mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar anzusehen, führen zu
keiner abweichenden rechtlichen Beurteilung. Das Gericht hat insoweit ausgeführt,
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dass kein Gemeinschaftsgut erkennbar sei, das durch die Schließung des Berufs des
unabhängigen Versicherungsberaters geschützt würde. Mit den Interessen der
Rechtspflege könne der Ausschluss der Teilerlaubnis nicht begründet werden, da
damit nicht für ein qualitativ besseres Leistungsangebot gesorgt werde. Diese
Schlussfolgerung zieht das Bundesverfassungsgericht aus dem Umstand, dass sich
Rechtsanwälte auf dem Gebiet der Versicherungsberatung bis dahin kaum betätigt
hätten (a.a.O. S. 297). Es handele sich bei der Versicherungsberatung um eine nicht
anwaltsähnliche Tätigkeit, die nicht einfach durch Rechtsanwälte ersetzt werden
könne (a.a.O. S. 300). Eine vergleichbare Situation lässt sich hinsichtlich der Insol-
venzberatung indes nicht feststellen, worauf bereits das angefochtene Urteil zutref-
fend hingewiesen hat. Rechtsanwälte (darunter Fachanwälte für Insolvenzrecht), zum
Teil zugleich Wirtschaftsprüfer, sind in nicht unerheblichem Maße auf dem Gebiet der
Insolvenzberatung tätig. Das Verwaltungsgericht hat ferner unwidersprochen darauf
hingewiesen, dass Insolvenzberatung in der Praxis häufig von Sozietäten geleistet
wird, in denen sich Rechtsanwälte mit Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern
zusammengeschlossen haben, und dass es mit Betriebswirten bzw. spezialisierten
Unternehmensberatungen zusammenarbeitende Anwaltssozietäten gibt.
dd) Der Kläger kann nicht mit Erfolg geltend machen, es gebe ein ihn weniger belas-
tendes, dabei aber gleichermaßen effektives Mittel, um die mit der Beschränkung der
Teilerlaubnisse verfolgten Zwecke zu erreichen. Namentlich war der Gesetzgeber
nicht gehalten, durch Eignungsanforderungen an den Erlaubnisinhaber die Qualität
der Rechtsberatung zu sichern (BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 1987 - 1 BvR 724/81
u.a. -, a.a.O. S. 269). Der Gesetzgeber muss sich nicht darauf verweisen lassen, von
einem Ausschluss der Teilerlaubnis auf dem Gebiet des Insolvenzrechts abzusehen
und gesteigerte Eignungsanforderungen unterhalb der juristischen Ausbildung zu
verlangen. Da die Insolvenzberatung Kernbereiche des Rechts berührt, auf die ein
nicht unerheblicher Teil der juristischen Ausbildung entfällt, durfte der Gesetzgeber
auch insoweit die Rechtsberatungsbefugnis von der Absolvierung der qualifizierten
und umfassenden juristischen Ausbildung abhängig machen. Mit Rücksicht auf das
besonders gewichtige Gemeinschaftsinteresse des Schutzes der Rechtspflege und
insbesondere der Rechtsuchenden vor nicht hinreichend sachkundiger Rechtsbe-
sorgung ist ein Überschuss an Ausbildungs- und Prüfungsanforderungen, die die
Monopolisierung auch dieses Rechtsgebietes bei der Anwaltschaft mit sich bringt,
- 17 -
hinzunehmen (BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 1987 - 1 BvR 724/81 u.a. -, a.a.O.
S. 276).
ee) Der Einwand des Klägers, die Heranziehung auch von Nichtjuristen als Insol-
venzverwalter zeige, dass der Erlaubnisvorbehalt des Art. 1 § 1 RBerG im Hinblick
auf die Tätigkeit als Insolvenzberater nicht erforderlich sei, greift nicht durch.
Soweit die Tätigkeit als Insolvenzverwalter nach Art. 1 § 3 Nr. 6 RBerG erlaubnisfrei
zulässig ist, mag dies zwar die Einschätzung des Gesetzgebers belegen, diese Betä-
tigung bedürfe nicht der Qualifikation und Pflichtenbindung von Rechtsanwälten
(BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. September 2002, a.a.O. S. 3533). Daraus folgt
indes nicht, dass Entsprechendes für eine rechtsbesorgende Tätigkeit außerhalb des
Betätigungsfeldes des Insolvenzverwalters anzunehmen wäre. Die Ausnahme von
der Erlaubnispflicht nach Art. 1 § 1 RBerG in Art. 1 § 3 Nr. 6 RBerG rechtfertigt sich
vor dem Hintergrund, dass zum einen der Tätigkeitsumfang gesetzlich vorgegeben
und damit zugleich begrenzt ist und der Insolvenzverwalter zum anderen vom Insol-
venzgericht bestellt und dessen Aufsicht unterworfen ist (vgl. Weth, a.a.O., Art. 1 § 3
Rn. 1). Die Bestellung des Insolvenzverwalters geschieht nach Prüfung seiner Eig-
nung für den konkreten Insolvenzfall, § 56 Abs. 1, § 57 Satz 3 InsO. Das heißt, der
Verwalter muss die Fähigkeiten mitbringen, das bestimmte Insolvenzverfahren
pflichtgemäß und bestmöglich abzuwickeln (Delhaes, in: Nerlich/Römermann, Insol-
venzordnung, Stand: März 2004, § 56 Rn. 8). Die an den Insolvenzverwalter zu stel-
lenden Eignungsanforderungen sind mithin unterschiedlich je nach Unternehmen und
seiner Branche, Größe etc. (Haarmeyer/Wutzke/Förster, a.a.O., Kap. 5 Rn. 7, 14).
Die rechtsbesorgende Tätigkeit beschränkt sich insoweit auf das, was im Rahmen
des Aufgabenbereiches als Insolvenzverwalter (vgl. §§ 148 ff., §§ 103 ff., §§ 129 ff.
InsO) im jeweiligen Einzelfall erforderlich ist (Chemnitz/Johnigk, a.a.O., Art. 1 § 3
Rn. 432 f.). Schließlich hat das Insolvenzgericht dessen Tätigkeit zu prüfen und zu
überwachen und kann dazu jederzeit einzelne Auskünfte oder Berichte anfordern, §
58 Abs. 1 Satz 2 InsO. Erfüllt der Insolvenzverwalter seine Pflichten nicht, hat das
Gericht die Befugnis einzuschreiten, § 58 Abs. 2, § 59 InsO.
Die von dem Kläger angestrebte Tätigkeit als Insolvenzberater unabhängig von einer
Bestellung als Insolvenzverwalter ist damit nicht vergleichbar. Da es insoweit an ei-
- 18 -
ner Aufgabenbegrenzung, individuellen Auswahl und Beaufsichtigung fehlt, ist es mit
Rücksicht auf die Schutzzwecke des Rechtsberatungsgesetzes gerechtfertigt, für
diese rechtsbesorgende Tätigkeit keine Freistellung von dem Erlaubnisvorbehalt vor-
zusehen.
ff) Der Ausschluss der Teilerlaubnis unterliegt auch unter dem Gesichtspunkt der
Zumutbarkeit der Regelung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dem Kläger
bleibt auch ohne eine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz ein Betätigungs-
feld, das in beachtlichem Umfang eine Rechtsberatung auf dem Gebiet des Insol-
venzrechts ermöglicht.
aaa) Der Kläger geht selbst davon aus, eine überwiegend wirtschaftliche Beratung zu
leisten. Die Besorgung von Wirtschaftsangelegenheiten wird durch das Rechtsbe-
ratungsgesetz nicht berührt (Weth, a.a.O., Art. 1 § 1 Rn. 3; Rennen/Caliebe, Art. 1
§ 1 Rn. 19). Dies gilt auch, soweit die Besorgung wirtschaftlicher Belange zwar mit
rechtlichen Vorgängen verknüpft sein mag, die Wahrnehmung wirtschaftlicher Be-
lange aber im Vordergrund steht. Um eine erlaubnispflichtige Rechtsbesorgung han-
delt es sich (erst) dann, wenn die rechtliche Seite der Angelegenheit im Vordergrund
steht und es wesentlich um die Klärung rechtlicher Verhältnisse geht (BVerwG, Urteil
vom 16. Juli 2003, a.a.O. S. 325; BGH, Urteil vom 6. Dezember 2001 - I ZR 316/98 -
NJW 2002, 2877 f. m.w.N.; BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. September 2002,
a.a.O. S. 3532). Maßgebend ist, ob der Auftraggeber eine besondere rechtliche Prü-
fung von Geschäftsinhalt und Geschäftsrisiken ausdrücklich wünscht oder zumindest
erkennbar erwartet. Danach wird etwa eine unterstützende Dienstleistung für Dritte,
die auf Sachverhaltsermittlungen, die Einholung von Auskünften und Stellvertretung
in einem bestimmten wirtschaftlichen Bereich gerichtet ist, nicht allein deshalb zur
Rechtsbesorgung, weil ohne Kenntnis des maßgebenden Rechts jede sachange-
messene und wirksame Hilfeleistung unmöglich wäre (BVerfG, Kammerbeschluss
vom 27. September 2002, a.a.O. S. 3532).
bbb) Soweit die insolvenzberatende Tätigkeit des Klägers nach vorstehenden Ab-
grenzungskriterien als Rechtsbesorgungsangelegenheit im Sinne des Rechtsbera-
tungsgesetzes zu qualifizieren ist, unterliegt sie dem Erlaubnisvorbehalt dennoch
nicht, sofern die Voraussetzungen des Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG gegeben sind. Darauf
- 19 -
weist der Vertreter des Bundesinteresses mit Recht hin. Nach dieser Bestimmung
stehen die Vorschriften des Rechtsberatungsgesetzes dem nicht entgegen, dass
kaufmännische oder sonstige gewerbliche Unternehmer für ihre Kunden rechtliche
Angelegenheiten erledigen, die mit einem Geschäft ihres Gewerbebetriebes in un-
mittelbarem Zusammenhang stehen. Der Kläger ist von der Ausnahmeregelung nicht
deshalb ausgeschlossen, weil es sich bei ihm nicht um einen kaufmännischen bzw.
gewerblichen Unternehmer handelte. Dabei kann dahinstehen, ob dies bereits des-
halb gilt, weil er seine Dienstleistungen als Vorstandsmitglied einer Kapitalgesell-
schaft erbringt, die gemäß § 3 AktG, § 6 Abs. 1 HGB als Handelsgesellschaft und
damit als (Form-)Kaufmann gilt. Auch ungeachtet dessen unterfällt der Kläger als
Unternehmensberater dem personalen Anwendungsbereich der Norm. Die Ausnah-
meregelungen des Art. 1 § 5 Nr. 1 bis 3 RBerG bezwecken, die Ausübung eines Be-
rufes nicht deshalb unmöglich zu machen, weil damit gleichzeitig eine rechtliche Tä-
tigkeit verbunden ist. Berufe, die sich sachgemäß nicht immer ohne gleichzeitige
rechtliche Beratung ausüben lassen, sollen von dem Erlaubniszwang des Art. 1 § 1
RBerG freigestellt werden (BGH, Urteile vom 4. November 1987 - IVa ZR 158/86 -
BGHZ 102, 128 <132> und vom 13. März 2003 - I ZR 143/00 - NJW 2003, 3046
<3048>; Chemnitz/Johnigk, a.a.O., Art. 1 § 5 Rn. 501). Ausgehend davon und im
Lichte der sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden verfassungsrechtlichen Anforde-
rungen ist eine Auslegung des Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG geboten, wonach auch die
Gruppe der Unternehmensberater von dem Normanwendungsbereich erfasst wird.
Wie der Vertreter des Bundesinteresses mit Recht ausgeführt hat, gestattet die Vor-
schrift Rechtsberatungsleistungen für alle Berufe, die nach ihrer Eigenart mit einer
rechtsbesorgenden Tätigkeit verbunden sind und deren Ausübung sonst unmöglich
gemacht oder wesentlich erschwert werden würde. Unter Berücksichtigung der "Le-
benswirklichkeit" ist hier ein eng am Wortlaut der Bestimmung haftendes Verständnis
nicht mehr angezeigt, so dass auch freie Berufe von ihr erfasst sein können. Es ist
kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, Unternehmensberater als freiberuflich Tätige
anders als die in Art. 1 § 5 RBerG genannten Berufsgruppen zu behandeln.
Für den Tätigkeitsbereich des Klägers bedeutet dies, dass er auf dem Gebiet der
Sanierung/Insolvenzberatung auch rechtsberatend tätig werden darf, sofern ein un-
mittelbarer Zusammenhang mit der unternehmensberatenden Berufstätigkeit besteht.
Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang liegt vor, wenn die Berufsausübung ohne
- 20 -
die Rechtsbesorgung nicht sachgemäß bzw. sinnvoll möglich ist. Es muss sich um
eine Hilfs- oder Nebentätigkeit handeln, die sich im Rahmen der eigentlichen Be-
rufsaufgabe vollzieht und deren Zweck dient, ohne dass sie untergeordnet zu sein
braucht. Die Rechtsbesorgung darf jedoch nicht selbstständig neben die anderweiti-
gen Berufsaufgaben treten (BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. Dezember 2000
- 1 BvR 717/97 - NZA 2001, 631 <632>: Annextätigkeit). Eine kleinliche Sicht er-
scheint hier angesichts der Verflechtung rechtlicher und wirtschaftlicher Aspekte nicht
angezeigt. Nach diesen Maßstäben sieht der Senat beispielsweise die auch die
Beantwortung von Rechtsfragen einschließenden Beurteilungen, ob ein Insolvenz-
grund gegeben ist, ob das Unternehmen verpflichtet ist, Insolvenzantrag zu stellen
oder ob eine außergerichtliche Sanierung noch in Betracht kommen kann, noch als
zur Unternehmensberatung gehörende Nebentätigkeiten an.
ccc) Angesichts der auch jenseits der Erlaubnispflicht zulässigen unternehmensbera-
tenden Tätigkeit erweist sich die von dem Kläger angestrebte Teilerlaubnis nicht als
"wesensnotwendig" für seine unternehmensberatende Berufsausübung (vgl. zu die-
sem Kriterium BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 1987 - 1 BvR 724/81 u.a. -, a.a.O.
S. 276 f.). Unberührt bleibt zudem die Tätigkeit als Insolvenzverwalter, die gemäß
Art. 1 § 3 Nr. 6 RBerG keiner gesonderten Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsge-
setz bedarf. Etwaige Unzuträglichkeiten, die aus Abgrenzungsschwierigkeiten zwi-
schen erlaubnispflichtiger und erlaubnisfreier Insolvenzberatertätigkeit erwachsen
könnten, sind mit Rücksicht auf die durch das Rechtsberatungsgesetz geschützten
Gemeinwohlbelange hinnehmbar. Abgrenzungsprobleme im Einzelfall können im
Übrigen der gerichtlichen Klärung zugeführt werden.
3. Der Ausschluss der Teilerlaubnis auf dem Gebiet des Insolvenzrechts unterliegt
auch hinsichtlich Art. 3 Abs. 1 GG keinen Bedenken.
a) Die unterschiedliche Behandlung im Verhältnis zu den nach Art. 1 § 1 Abs. 1
Satz 2 RBerG zulässigen Teilerlaubnissen verletzt das Gleichbehandlungsgebot
nicht. Zwischen den beiden Gruppen bestehen Unterschiede von solcher Art und
solchem Gewicht, dass eine ungleiche Behandlung nicht als sachwidrig erscheint.
Der Katalog des Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 RBerG ist vom Gesetzgeber damit begrün-
det worden, dass Teilerlaubnisse nur noch für bestimmte Sachbereiche erteilt werden
sollten, auf denen ein praktisches Bedürfnis für die Erlaubniserteilung bestehe und
- 21 -
auf denen sich Berufe herausgebildet hätten, deren Angehörige für die genannten
Sachbereiche besonders qualifiziert seien. Hinsichtlich der Rentenberater und
Inkassobüros wird darauf verwiesen, sie hätten sich als unentbehrlich erwiesen, hin-
sichtlich der Frachtführer und vereidigten Versteigerer auf ihren hohen Spezialisie-
rungsgrad (BTDrucks 8/4277, S. 22). Mit diesen Gesichtspunkten bewegt sich der
Gesetzgeber innerhalb des ihm im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 GG zukommenden
Beurteilungsspielraums. Hinsichtlich der Versicherungsberater ist zu berücksichtigen,
dass sich bis zur (vorübergehenden) Schließung dieses Betätigungsbereichs über
Jahrzehnte hinweg ein Beruf entwickelt hatte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Mai
1987, a.a.O. S. 292 ff.), der als "traditionsreicher Beruf" bezeichnet worden ist
(BVerfG, a.a.O. S. 300). Vergleichbare Umstände liegen bezüglich der Tätigkeit des
Insolvenzberaters nicht vor. Weder besteht insoweit ein entsprechend traditionelles
Berufsbild noch, wie dargelegt, ein praktisches Bedürfnis für eine Teilerlaubnis (vgl.
die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Teilerlaubnis für
Versicherungsberater, Beschluss vom 5. Mai 1987, a.a.O. S. 298 ff.).
b) Eine Art. 3 Abs. 1 GG verletzende Ungleichbehandlung ergibt sich auch nicht, so-
weit eine Berufstätigkeit als Insolvenzberater auf der Grundlage von Rechtsbesor-
gungserlaubnissen alten Rechts ausgeübt wird, weil das Fünfte Gesetz zur Änderung
der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte vom 18. August 1980 die nach der
alten Fassung erteilten bzw. nach der Übergangsvorschrift des Art. 3 Ände-
rungsgesetz noch zu erteilenden Rechtsbesorgungserlaubnisse unberührt gelassen
hat. Die durch das Innehaben einer Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz be-
gründeten Grundrechtspositionen sind ein sachlicher Grund dafür, den Erlaubnisin-
habern alten Rechts ihre Erlaubnis zu belassen. Dies gilt auch im Fall der einer juris-
tischen Person erteilten Rechtsbesorgungserlaubnis alten Rechts (vgl. § 3 der
1. AVO) und soweit ein Auswechseln des Ausübungsberechtigten durch einen ande-
ren, in gleichem Umfange Ausübungsberechtigten bzw. die Aufnahme eines weite-
ren, in gleichem Umfange Ausübungsberechtigten rechtlich in Betracht kommen
sollte, was offen ist (bejahend: VG Köln, Beschluss vom 18. Februar 2000 - 6 K
2203/95 - Rbeistand 2000, 34; verneinend: VG Leipzig, Urteil vom 13. August 1998
- 5 K 408/96 - Rbeistand 1998, 51).
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c) Soweit die von dem Kläger geltend gemachte "Inländerdiskriminierung" zu bejahen
sein und darauf Art. 3 Abs. 1 GG anwendbar sein sollte (offen gelassen von BVerfG,
Kammerbeschluss vom 8. November 1989 - 1 BvR 986/89 - NJW 1990, 1033), wäre
die dadurch bestehende Ungleichbehandlung jedenfalls als auf sachgerechten
Gründen beruhend gerechtfertigt.
aa) Die "Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
16. Februar 1998 zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberu-
fes in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde"
(ABl EG Nr. L 77 S. 36) ist durch das Gesetz über die Tätigkeit europäischer
Rechtsanwälte in Deutschland - EuRAG - vom 9. März 2000 (BGBl I 2000, 182), zu-
letzt geändert durch Gesetz vom 26. Oktober 2003 (BGBl I 2003, 2074) umgesetzt
worden. Von der Personengruppe, die die Richtlinie und das Umsetzungsgesetz er-
fassen, unterscheidet sich der Kläger derart, dass für eine Differenzierung sachliche
Gründe sprechen. Die europäischen Rechtsanwälte haben regelmäßig eine berufli-
che Qualifikation erworben, die vom Grad der Qualifizierung derjenigen der juristi-
schen Ausbildung in Deutschland vergleichbar ist. Vor diesem Hintergrund erweist es
sich nicht als ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber dem Kläger, wenn
einem europäischen Anwalt unter den Voraussetzungen der §§ 2, 3 EuRAG erlaubt
ist, in Deutschland die Tätigkeit eines Rechtsanwaltes auszuüben, und er nach drei-
jähriger effektiver und regelmäßiger Tätigkeit als niedergelassener europäischer
Rechtsanwalt zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden kann, §§ 11 ff. EuRAG.
Entsprechend ergibt sich keine sachwidrige Ungleichbehandlung, soweit der europä-
ische Anwalt unter bestimmten Voraussetzungen in Deutschland vorübergehend
dienstleistend tätig werden darf, § 25 ff. EuRAG.
bb) Soweit nach der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informa-
tionsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnen-
markt (ABl EG Nr. L 178 S. 1) Rechtsberatung durch Nichtanwälte im Wege des
elektronischen Rechtsverkehrs, das heißt als Online-Tätigkeit, betrieben werden darf,
unterscheidet sich auch dieser Sachverhalt angesichts der Art der Dienstleistungs-
erbringung von der von dem Kläger angestrebten rechtsbesorgenden Tätigkeit der-
art, dass keine sachwidrige Ungleichbehandlung gegeben ist. Hinzu kommt, dass auf
dem Gebiet der Insolvenzberatung, die auf eine Tätigkeit vor Ort ausgerichtet ist,
- 23 -
kaum damit zu rechnen ist, dass inländische Dienstleistungsempfänger in relevantem
Umfang eine Insolvenzberatung im elektronischen Rechtsverkehr durch im Ausland
ansässige, nichtanwaltliche Dienstleistungserbringer nachfragen werden.
cc) Eine Ungleichbehandlung gegenüber dem Kläger ergibt sich auch nicht im Hin-
blick auf ausländische Rechtsbeistände, die wie der Kläger im Bundesgebiet nieder-
gelassen sind und eine Teilerlaubnis auf dem Gebiet des Insolvenzrechts anstreben.
Auf sie finden die Regelungen des Rechtsberatungsgesetzes unterschiedslos An-
wendung (vgl. Weth, a.a.O., Einl Rn. 65 ff., 81; Schönberger, NJW 2003, 249 <251>
m.w.N.).
4. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Bardenhewer Hahn Büge
Graulich Vormeier
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Berücksichtigung der Bedeutung der
Sache für den Kläger für das Revisionsverfahren sowie unter Änderung der vor-
instanzlichen Wertfestsetzung für den ersten Rechtszug auf jeweils 25 000 € festge-
setzt.
Bardenhewer Hahn Graulich
Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Recht der freien Berufe
Fachpresse: ja
Rechtsberatung
Rechtsquellen:
RBerG Art. 1 § 1 Abs. 1, § 3 Nr. 6, § 5 Nr. 1
1. AVORBerG § 2 Abs. 1
Stichworte:
Insolvenzberatung, Insolvenzverwaltung, Rechtsberatung, Sachbereichserlaubnis,
verfassungskonforme Auslegung.
4. Leitsatz:
Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 RBerG enthält eine abschließende Aufzählung der für die Er-
laubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten in Betracht kommenden
Sachbereiche; eine Erlaubnis für die Insolvenzberatung ist nicht zulässig. Dies be-
gegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Urteil des 6. Senats vom 27. Oktober 2004 - BVerwG 6 C 30.03
I. VG Mainz vom 01.10.2003 - Az.: VG 4 K 233/03.MZ -