Urteil des BVerwG vom 13.08.2008
Einstellung des Verfahrens, Waffe, Erwerb, Hauptsache
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 C 29.07
OVG 11 LC 102/07
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. August 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn und
Büge
beschlossen:
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Urteile des Verwaltungsgerichts Hannover vom
13. November 2006 - mit Ausnahme der Entscheidung
über die teilweise Einstellung des Verfahrens - und des
Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 31. Mai
2007 sind wirkungslos.
Die Parteien tragen je die Hälfte der Kosten des Verfah-
rens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisions-
verfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für
erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 141 Satz 1, § 125
Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Die Vorentschei-
dungen sind mit Ausnahme derjenigen über die teilweise Einstellung des Ver-
fahrens wirkungslos (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Nach dieser
Vorschrift entscheidet das Gericht nach übereinstimmender Erklärung der Erle-
digung des Rechtsstreits in der Hauptsache nach billigem Ermessen unter Be-
rücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes über die Kosten des
Verfahrens.
Danach waren die Kosten hälftig zu teilen. Der Beklagte hat dem Kläger nach
Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Waffengesetzes und weiterer
Vorschriften vom 26. März 2008 (BGBl I S. 426), das hinsichtlich des für den
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vorliegenden Fall einschlägigen Art. 1 Nr. 7 am 1. April 2008 in Kraft getreten
ist, in angemessener Frist die nachgesuchte Waffenbesitzkarte erteilt.
§ 14 Abs. 4 Satz 1 WaffG ist wie folgt gefasst worden:
Sportschützen, die dem Schießsport in einem Schieß-
sportverband nach § 15 Abs. 1 als gemeldetes Mitglied
nachgehen, wird abweichend von § 10 Abs. 1 Satz 3 unter
Beachtung des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1 und Satz 3 eine
unbefristete Erlaubnis erteilt, die zum Erwerb von Einzella-
der-Langwaffen mit glatten und gezogenen Läufen, von
Repetier-Langwaffen mit gezogenen Läufen sowie von ein-
läufigen Einzellader-Kurzwaffen für Patronenmunition und
von mehrschüssigen Kurz- und Langwaffen mit Zündhüt-
chenzündung (Perkussionswaffen) berechtigt.
Die Neufassung des § 14 Abs. 4 Satz 1 WaffG hat zur Folge, dass für Sport-
schützen eine spezifische Bedürfnisprüfung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2
WaffG für den Erwerb der in § 14 Abs. 4 Satz 1 aufgelisteten Waffenarten nicht
erfolgt. Der geänderte Wortlaut des § 14 Abs. 4 Satz 1 WaffG zeigt eindeutig
auf, dass die Anforderung des § 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 WaffG hier nicht gelten
soll. Denn diese Regelung ist von der ausdrücklichen Bezugnahme auf Ab-
satz 2 ausgenommen worden. Dass keine auf die Waffenkategorien des § 14
Abs. 4 WaffG bezogene Bedürfnisprüfung erfolgen soll, entspricht dem Willen
des Gesetzgebers. Die Gesetz gewordene Formulierung des § 14 Abs. 4 Satz 1
WaffG entspricht dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (BRDrucks 838/07
S. 4). In der Begründung zu diesem Gesetzentwurf heißt es, es werde, wie sich
aus dem Verzicht auf eine Bezugnahme auf § 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ergebe,
nicht gefordert, dass die auf Gelber WBK zu erwerbende Waffe für eine Diszip-
lin der konkreten Sportordnung des Verbandes oder gar Vereins, in dem der
Sportschütze organisiert sei, zugelassen und erforderlich sein müsse. Es solle
dem Sportschützen ermöglicht werden, mit eigener Waffe Schießsport etwa als
Gastschütze auszuüben. Unberührt bleibe allerdings die Geltung des allgemei-
nen Bedürfnisprinzips nach § 8 WaffG. Das heiße zum einen, dass es sich um
eine Waffe für das sportliche Schießen nach § 15a Abs. 1 WaffG handeln müs-
se, also für das Schießen auf der Grundlage der genehmigten Sportordnung
(wegen der isolierten Genehmigungsmöglichkeit nicht zwangsläufig derjenigen
eines anerkannten Schießsportverbandes), und zum anderen, dass - schon
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durch die Geltung des Erwerbsstreckungsgebotes kanalisiert - ein schlichtes
Waffenhorten nicht abgedeckt sei. Diese Begründung macht deutlich, dass der
Verzicht auf die Bedürfnisprüfung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 WaffG aus-
drücklich gewollt war. Der Bundesrat schlug in seiner Stellungnahme vom
20. Dezember 2007 (BRDrucks 838/07 S. 2) demgegenüber vor,
in § 14 Abs. 4 Satz 1 WaffG auch auf § 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 WaffG zu ver-
weisen und wies zur Begründung darauf hin, dass das Bedürfnis eines Sport-
schützen zum Erwerb der Waffen an der Frage auszurichten sei, ob die Aus-
übung des Schießsports „mit diesen Waffen in seinem Verband möglich ist“.
Eine automatische Erweiterung des Bedürfnisses auf verbandsfremde Waffen
laufe der Intention des Bedürfnisprinzips zuwider. Der Bundesrat setzte sich mit
seinen Bedenken nicht durch. Er verzichtete auf eine Anrufung des Vermitt-
lungsausschusses und beschränkte sich auf eine Entschließung (BRDrucks
129/08 ).
Dieser Rechtslage hat der Beklagte durch Erteilung der nachgesuchten Waf-
fenbesitzkarte Rechnung getragen.
Die Rechtslage für die Zeit vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom
26. März 2008 war ungeklärt. Das Berufungsgericht hatte die Revision zugelas-
sen. Nach Erledigung des Rechtsstreits besteht im Rahmen der nur noch aus-
stehenden Entscheidung über die Kosten kein Anlass, die frühere Rechtslage
darauf zu überprüfen, ob die Erwägungen in dem Urteil des Senats zum sog.
Erwerbsstreckungsgebot (Urteil vom 14. November 2007 - BVerwG 6 C 1.07 -
GewArch 2008, 163) auch im hier gegebenen Zusammenhang Geltung hätten
beanspruchen müssen. Entgegen der Auffassung des Klägers sollte das Ände-
rungsgesetz vom 26. März 2008 insoweit nicht klarstellen, was vorher schon
gegolten hat. Die Gesetzesmaterialien geben für diese Ansicht nichts her. Nach
der Begründung des Entwurfs der Bundesregierung (BRDrucks 838/07 S. 41)
sind zwar „Klarstellungen“ hinsichtlich der Anwendung des Abs. 2 Satz 2 Nr. 1
des § 14 sowie hinsichtlich des Erwerbsstreckungsgebots vorgenommen wor-
den. In den Erwägungen der Begründung des Regierungsentwurfs zur Bedürf-
nisprüfung fehlen indessen Hinweise auf eine beabsichtigte Klarstellung.
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Daher entspricht es der Billigkeit, die Kosten des Rechtstreits zu teilen. Da hin-
sichtlich des im ersten Rechtszug erledigten Teils besondere Kosten nicht ent-
standen sind, kann eine einheitliche Kostenentscheidung ergehen.
Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 47, 52
Abs. 2 GKG.
Dr. Bardenhewer Dr. Hahn Büge
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