Urteil des BVerwG vom 25.02.2009

Genehmigung, Verzicht, Beitrag, Rechtsschutzinteresse

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 6 C 27.08
VG 1 K 3251/03
Verkündet
am 25. Februar 2009
Jesert
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 25. Februar 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Graulich,
Vormeier, Dr. Bier und Dr. Möller
für Recht erkannt:
Die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen ge-
gen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 3. No-
vember 2005 werden zurückgewiesen.
Die Beklagte und die Beigeladene tragen die Gerichtskos-
ten des Revisionsverfahrens sowie die außergerichtlichen
Kosten der Klägerin zu je ½; ihre eigenen außergerichtli-
chen Kosten tragen sie jeweils selbst.
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G r ü n d e :
I
Die Klägerin betreibt ein öffentliches Telekommunikationsnetz, das mit dem
Netz der Beigeladenen zusammengeschaltet ist. In der Zusammenschaltungs-
anordnung wird die Beigeladene u.a. verpflichtet, die Leistung „Telekom-B.2
(Ort)“ zu erbringen. Das dafür zu entrichtende Entgelt ist genehmigt.
Mit Bescheid vom 29. April 2003 genehmigte die Bundesnetzagentur (noch un-
ter ihrer damaligen Bezeichnung Regulierungsbehörde für Telekommunikation
und Post) auf Antrag der Beigeladenen ab 1. Juli 2003 einen sog. Anschluss-
kostenbeitrag in Höhe von 0,004 €/Verbindungsminute auf die Verbindungsent-
gelte. Der Beitrag wurde auf § 43 Abs. 6 Satz 4 TKG 1996 gestützt und mit ei-
nem Anschlusskostendefizit begründet.
Nach Erhebung der Klage gegen den Genehmigungsbescheid vom 29. April
2003 widerrief die Bundesnetzagentur diesen durch einen weiteren Bescheid
vom 23. September 2003 mit Wirkung vom 1. September 2003, da mittlerweile
kein Anschlusskostendefizit mehr bestehe.
Das Verwaltungsgericht hat antragsgemäß den Bescheid vom 29. April 2003
aufgehoben, weil das Gemeinschaftsrecht es nicht zulasse, den umstrittenen,
nicht kostenorientierten Beitrag zusätzlich zu den kostenorientierten Zusam-
menschaltungsentgelten zu erheben.
Auf die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen hat der Senat mit Be-
schluss vom 13. Dezember 2006 - BVerwG 6 C 25.05 - das Verfahren ausge-
setzt und dem Europäischen Gerichtshof Fragen zur möglichen Gemeinschafts-
rechtswidrigkeit des Anschlusskostenbeitrages und zu deren Berücksichtigung
in einem gegen die Genehmigung gerichteten Drittanfechtungsstreit zur Vorab-
entscheidung vorgelegt.
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Mit Urteil vom 17. Juli 2008 - Rs. C-152/07 u.a. - hat der Gerichtshof festge-
stellt:
1. Art. 12 Abs. 7 der Richtlinie 97/33/EG des Europäischen Parla-
ments und des Rates vom 30. Juni 1997 über die Zusammenschal-
tung in der Telekommunikation im Hinblick auf die Sicherstellung ei-
nes Universaldienstes und der Interoperabilität durch Anwendung der
Grundsätze für einen offenen Netzzugang (ONP) in der durch die
Richtlinie 98/61/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 24. September 1998 geänderten Fassung und Art. 4c der Richt-
linie 90/388/EWG der Kommission vom 28. Juni 1990 über den Wett-
bewerb auf dem Markt für Telekommunikationsdienste in der durch
die Richtlinie 96/19/EG der Kommission vom 13. März 1996 geänder-
ten Fassung in Verbindung mit den Erwägungsgründen 5 und 20 der
Richtlinie 96/19 sind dahin auszulegen, dass eine nationale Regulie-
rungsbehörde einen Betreiber eines mit einem öffentlichen Netz zu-
sammengeschalteten Verbindungsnetzes nicht verpflichten darf, für
das Jahr 2003 an den marktbeherrschenden Betreiber des Teilneh-
mernetzes einen zu einem Zusammenschaltungsentgelt hinzukom-
menden Anschlusskostenbeitrag zum Ausgleich des Defizits zu leis-
ten, das dem Teilnehmernetzbetreiber durch die Bereitstellung des
Teilnehmeranschlusses entsteht.
2. Art. 4c der Richtlinie 90/388 in der durch die Richtlinie 96/19 geän-
derten Fassung und Art. 12 Abs. 7 der Richtlinie 97/33 in der durch
die Richtlinie 98/61 geänderten Fassung entfalten unmittelbare Wir-
kung, und ein Einzelner kann sich vor einem nationalen Gericht un-
mittelbar auf sie berufen, um gegen eine Entscheidung der nationalen
Regulierungsbehörde vorzugehen.
Die Beklagte macht geltend, der Europäische Gerichtshof habe seinem Urteil
eine unzutreffende Auslegung des nationalen Rechts zugrunde gelegt. Er habe
zu Unrecht angenommen, dass der umstrittene Anschlusskostenbeitrag einzig
darauf ziele, den marktbeherrschenden Teilnehmernetzbetreiber zu schützen.
Demgegenüber sei der erkennende Senat im Vorlagebeschluss zutreffend da-
von ausgegangen, dass § 43 Abs. 6 Satz 4 TKG 1996 - zumindest auch - eine
mittelbare Begünstigung der alternativen Teilnehmernetzbetreiber bezweckt
habe. Daher sei es vor einer abschließenden Sachentscheidung erforderlich,
durch erneute Vorlage an den Europäischen Gerichtshof eine weitere Klärung
der gemeinschaftsrechtlichen Fragen herbeizuführen.
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Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 3. November
2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene schließt sich diesem Antrag an. Sie hat den Verzicht auf ihre
Rechte aus dem angefochtenen Bescheid vom 29. April 2003 erklärt und meint,
das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin sei entfallen, zumal diese ein von ihr,
der Beigeladenen, abgegebenes Angebot zur Begründung eines zivilrechtlichen
Rückabwicklungsschuldverhältnisses jedenfalls konkludent angenommen habe.
Die Klägerin beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen,
hilfsweise: die Revisionen mit der Maßgabe zurückzuwei-
sen, dass die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom
29. April 2003 festgestellt wird.
Sie bestreitet die Verzichtsbefugnis der Beigeladenen und ist der Ansicht, dass
ihre Beschwer bis zur rechtskräftigen Aufhebung des angefochtenen Beschei-
des fortbestehe. Schutzwürdig sei jedenfalls ihr Interesse an der Feststellung
der Rechtswidrigkeit des Genehmigungsbescheides, die aufgrund des Urteils
des Europäischen Gerichtshofs feststehe.
II
Die zulässigen Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen sind unbe-
gründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klageim Ergebnis zu Recht stattge-
geben.
1. Die Klage ist zulässig.
a) Die Klägerin kann im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen, durch
den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten verletzt zu sein. Denn die Aus-
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legung des angefochtenen Bescheides ergibt, dass die Genehmigung des um-
strittenen, als Aufschlag auf die Verbindungsentgelte genehmigten Anschluss-
kostenbeitrages unmittelbar mit der Entgeltgenehmigung verknüpft ist, deren
regulatorischen Status teilt und daher wie diese eine grundrechtsverkürzende
privatrechtsgestaltende Wirkung im Verhältnis zwischen der Klägerin und der
Beigeladenen entfaltet (s. § 39 i.V.m. § 29 Abs. 2 des auf den Streitfall noch
anwendbaren Telekommunikationsgesetzes vom 25. Juli 1996, BGBl I S. 1120
- TKG 1996 -). Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit
Bezug auf seine Ausführungen in dem Vorlagebeschluss vom 13. Dezember
2006 (Rn. 13 f.).
b) In dem für die Beurteilung der Sachentscheidungsvoraussetzungen maßgeb-
lichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ein
Rechtsschutzinteresse an der Aufhebung des angegriffenen Genehmigungsbe-
scheides.
Durch den nachträglichen Widerruf des Genehmigungsbescheides ist das
Rechtsschutzinteresse der Klägerin nicht entfallen. Denn der Widerruf wirkt, wie
der Senat in seinem Beschluss vom 13. Dezember 2006 (Rn. 15)ebenfalls be-
reits ausgesprochen hat, nicht auf den vorangegangenen Zeitraum zurück und
nimmt dem Bescheid insoweit nicht die belastende Wirkung.
Das Rechtsschutzinteresse der Klägerin ist entgegen der Ansicht der Beigela-
denen auch nicht dadurch erloschen, dass diese im Hinblick auf das Urteil des
Europäischen Gerichtshofs vom 17. Juli 2008 auf ihre Rechte aus der Geneh-
migung verzichtet hat. Zwar trifft es zu, dass eine durch Verwaltungsakt vermit-
telte öffentlich-rechtliche Rechtsposition durch Verzicht des Inhabers unter Um-
ständen nachträglich entfallen und der Verwaltungsakt dann gemäß § 43 Abs. 2
VwVfG im Wege „anderweitiger Erledigung“ seine Wirksamkeit verlieren kann
(s. Urteil vom 15. Dezember 1989 - BVerwG 4 C 36.86 - BVerwGE 84, 209
<211 ff.> = Buchholz 406.11 § 2 BBauG/BauGB Nr. 28 S. 1 ff. für das Erlö-
schen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, ebenso VGH Mann-
heim, Urteil vom 10. November 1993 - 3 S 1120/92 - NVwZ 1995, 280 für eine
Baugenehmigung; ferner Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl.
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2008, § 43 Rn. 209, § 53 Rn. 29 ff.). Ein wirksamer Verzicht setzt allerdings
stets die Dispositionsbefugnis des Verzichtenden voraus; auch bei begünsti-
genden Verwaltungsakten ist jeweils zu prüfen, ob nach der Gesetzeslage und
der von der Behörde getroffenen Regelung ein Verzicht auf die materiellrechtli-
che Rechtsposition den Verwaltungsakt zu Fall bringen kann (so zutreffend
Ruffert, BayVBl 2003, 33 <39>).
Im Hinblick auf die Wirkungen, die die hier angefochtene Entgeltgenehmigung
nach § 39 Alt. 1 i.V.m. § 29 TKG 1996 im öffentlichen Interesse entfaltet, fehlt
es an der Dispositionsbefugnis der Beigeladenen. Wie oben bereits erwähnt,
gestaltet die Genehmigung, die sich stets auf bestimmte Entgelte als Bestand-
teile einzelvertraglicher Vereinbarungen bezieht (s. Urteil vom 16. Juli 2003
- BVerwG 6 C 19.02 - Buchholz 442.066 § 39 TKG Nr. 1 S. 5), gemäß § 29
Abs. 2 TKG 1996 die zivilrechtlichen Beziehungen der an einem Zusammen-
schaltungsverhältnis Beteiligten. Darüber hinaus verbietet § 29 Abs. 1 TKG
1996 die Forderung ungenehmigter Entgelte; dieses Verbot betrifft sowohl die
Fälle, in denen es an einer Entgeltgenehmigung fehlt, als auch diejenigen, in
denen das verlangte Entgelt von der Genehmigung abweicht (Urteil vom
21. Januar 2004 - BVerwG 6 C 1.03 - BVerwGE 120, 54 <58 f.> = Buchholz
442.066 § 33 TKG Nr. 3 S. 45). Ebenso wie die privatrechtsgestaltende Wir-
kung der Genehmigung dient ihre verfügende, das präventive Entgelterhe-
bungsverbot aufhebende Wirkung dem öffentlichen Interesse an der Förderung
chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs im Bereich der Telekom-
munikation (Urteil vom 21. Januar 2004 a.a.O. S. 62; insoweit in Buchholz
a.a.O. nicht abgedruckt).
Nach diesem Maßstab kann die Beigeladene auf ihr Recht auf den genehmig-
ten Anschlusskostenbeitrag, den sie von der Klägerin in der Vergangenheit be-
reits erhoben hat, nicht wirksam verzichten. Das folgt daraus, dass der Beitrag
als Aufschlag auf das Verbindungsentgelt genehmigt worden ist, mithin das
Gesamtentgelt ohne den Anschlusskostenbeitrag ein anderes Entgelt wäre als
das durch die Beklagte genehmigte. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Ver-
zicht unvereinbar mit der privatrechtsgestaltenden wie der verfügenden Wirkung
der Entgeltgenehmigung. Die Beigeladene kann dagegen nicht einwenden,
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dass ihr Verzicht auf den - gemeinschaftsrechtswidrigen - Anschlusskos-
tenbeitrag von vornherein nicht geeignet sei, den Wettbewerb zu verzerren. Das
Gesetz verbietet jegliche Abweichung vom genehmigten Entgelt nach oben wie
nach unten, unabhängig davon, ob von ihr im Einzelfall wettbewerbsschä-
digende Effekte ausgehen oder nicht (so zutreffend Stamm, in: Scheurle/
Mayen, TKG, 2. Aufl. 2008, § 37 Rn. 12 zu § 37 TKG 2004). Aus entsprechen-
den Erwägungen kann das Rechtsschutzinteresse der Klägerin an der Aufhe-
bung des Genehmigungsbescheides entgegen der Auffassung der Beigelade-
nen auch nicht dadurch entfallen sein, dass ein - ausdrücklich oder konkludent
abgeschlossener - Rückabwicklungsvertrag den zivilrechtlichen Rechtsgrund für
das „Behaltendürfen“ der Beitragsleistung nachträglich aufgehoben hat. Ein
derartiger Vertrag, dessen Zustandekommen die Klägerin bestreitet, wäre ggf.
wegen Verstoßes gegen die mit dem Bescheid verbundene Verbotswirkung des
§ 29 TKG 1996 gemäß § 134 BGB nichtig.
2. In der Sache hat das Verwaltungsgericht die Klage im Ergebnis zu Recht für
begründet erachtet.
Der angefochtene Bescheid der Bundesnetzagentur ist rechtswidrig und verletzt
die Klägerin in eigenen Rechten. Er findet keine hinreichende Grundlage in § 43
Abs. 6 Satz 3, 4 TKG 1996, wonach die Behörde bei Entscheidungen nach dem
dritten, vierten und sechsten Teil des Gesetzes zu gewährleisten hatte, dass
der vom Nutzer ausgewählte Netzbetreiber angemessen an den Kosten des
dem Nutzer bereitgestellten Teilnehmeranschlusses beteiligt wurde. Aus dem
Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17. Juli 2008 folgt, dass der
umstrittene Anschlusskostenbeitrag auf diese Norm nicht ohne Verstoß gegen
Gemeinschaftsrecht gestützt werden konnte. Denn danach sind die in dem
Urteil im Einzelnen genannten Bestimmungen der Richtlinie 97/33/EG vom
30. Juni 1997 und der Richtlinie 90/388/EWG vom 28. Juni 1990 dahin auszu-
legen, dass eine nationale Regulierungsbehörde einen Betreiber eines mit ei-
nem öffentlichen Netz zusammengeschalteten Verbindungsnetzes nicht - wie in
dem angefochtenen Bescheid geschehen - verpflichten darf, für das Jahr 2003
an den marktbeherrschenden Betreiber des Teilnehmernetzes einen zu einem
Zusammenschaltungsentgelt hinzukommenden Beitrag zum Ausgleich des An-
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schlusskostendefizits zu leisten. Ferner steht auf der Grundlage der Ausführun-
gen des Europäischen Gerichtshofs fest, dass diese gemeinschaftsrechtlichen
Bestimmungen unmittelbare Wirkung in dem Sinne entfalten, dass sich die Klä-
gerin darauf im Anfechtungsstreit gegen den Bescheid der Bundesnetzagentur
berufen kann.
Entgegen dem Ansinnen der Beklagten besteht keine Veranlassung, das Ver-
fahren erneut auszusetzen, um eine ergänzende Vorabentscheidung des Euro-
päischen Gerichtshofs herbeizuführen. Ein Urteil des Gerichtshofs, in dem die-
ser über die Auslegung über die Gültigkeit der Handlung eines Gemeinschafts-
organs befindet, entscheidet mit Rechtskraft über die vorgelegten Fragen des
Gemeinschaftsrechts und bindet das nationale Gericht im Hinblick auf dessen
Entscheidung im Ausgangsrechtsstreit. Diese Bindungswirkung schließt zwar
eine erneute Anrufung des Gerichtshofs nicht von vornherein aus. Eine wieder-
holte Vorlage kann gerechtfertigt sein, wenn das nationale Gericht beim Ver-
ständnis oder bei der Auslegung des Urteils Schwierigkeiten hat, wenn es dem
Gerichtshof eine neue Rechtsfrage stellen oder ihm neue Gesichtspunkte un-
terbreiten will, die diesen dazu veranlassen könnten, eine schon beantwortete
Frage abweichend zu beantworten. Mit einer erneuten Vorlage kann aber die
Gültigkeit des früheren Urteils nicht in Zweifel gezogen werden. Zudem ist es
allein Sache des innerstaatlichen Gerichts, darüber zu befinden, ob es sich
durch die auf sein Ersuchen ergangene Vorabentscheidung für hinreichend un-
terrichtet hält oder ob ihm die erneute Anrufung des Europäischen Gerichtshofs
erforderlich erscheint (s. EuGH, Beschlüsse vom 5. März 1986 - Rs. 69/85,
Wünsche - Slg. 1986, 947 Rn. 13 ff. und vom 28. April 1998 - Rs. C-116/96
REV, Reisebüro Binder - Slg. 1998, I-1891 Rn. 8 f.; Urteil vom 6. März 2003
- Rs. C-466/00, Kaba - Slg. 2003, I-2219 Rn. 39).
Danach kommt die von der Beklagten begehrte (weitere) Vorlage an den Euro-
päischen Gerichtshof hier nicht in Betracht. Wie die Beklagte selbst nicht ver-
kennt, gibt es keine rechtlich oder tatsächlich neuen Gesichtspunkte, die dem
Gerichtshof erstmals unterbreitet werden könnten. Vielmehr lagen ihm mit dem
ausführlich begründeten Vorlagebeschluss alle maßgeblichen Gesichtspunkte
bereits vor. Darüber hinaus bereitet auch das Verständnis oder die Anwendung
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des Urteils vom 17. Juli 2008 keine Schwierigkeiten, die eine zweite Vorlage
rechtfertigen könnten. Zwar trifft es zu, dass die Annahme des Europäischen
Gerichtshofs, die einzige Wirkung eines Anschlusskostenbeitrages wie des hier
umstrittenen Beitrages bestehe in dem Schutz des marktbeherrschenden Teil-
nehmernetzbetreibers (a.a.O. Rn. 29), hinsichtlich der Einordnung des umstrit-
tenen Beitrages an der Bindungswirkung des Urteils nicht teilnimmt und im Wi-
derspruch zu der Auffassung des Senats steht, wonach es dem Gesetzgeber
mit § 43 Abs. 6 Satz 4 TKG 1996 - zumindest auch - darum gegangen ist, die
sogenannten alternativen Teilnehmernetzbetreiber zu begünstigen (Beschluss
vom 13. Dezember 2006, Rn. 31). Aus diesem Auffassungsunterschied folgen
aber keine Unklarheiten bei der Anwendung der ergangenen Vorabentschei-
dung. Insbesondere verbietet sich ein Verständnis dahin, dass sie sich nur auf
Anschlusskostenbeiträge bezieht, die einzig den Schutz des marktmächtigen
Netzbetreibers bezwecken, nicht aber auf solche, die daneben auch dem
Schutz anderer Interessen dienen. Vielmehr ist der Tenor des Urteils des Euro-
päischen Gerichtshofs unter Berücksichtigung der tragenden Entscheidungs-
gründe klar und ohne Einschränkung dahin zu verstehen, dass - bezogen auf
das Jahr 2003 - Anschlusskostenbeitrag den gleichen Festsetzungs-
bedingungen wie das Zusammenschaltungsentgelt im engeren Sinne unterliegt,
also den Grundsatz der Kostenorientierung der Tarife zu beachten hat (s.
Rn. 22 des Urteils), was bei dem hier umstrittenen Beitrag nicht der Fall war.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO.
Dr. Bardenhewer
Dr. Graulich
Vormeier
Dr. Bier
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B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren, soweit es
noch anhängig ist, auf 980 941,58 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 GKG).
Dr. Bardenhewer
Dr. Bier
Dr. Möller