Urteil des BVerwG vom 24.02.2003

Innere Medizin, Prüfer, Universität, Stellvertreter

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IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 6 C 22.02
OVG 4 B 11.00
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. Februar 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundes-verwal-
tungsgericht Dr. H a h n , Dr. G e r h a r d t ,
Dr. G r a u l i c h und V o r m e i e r
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des
Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 2. Juli 2002
wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsver-
fahrens.
G r ü n d e :
I.
Der Kläger unterzog sich ohne Erfolg der zahnärztlichen Ab-
schlussprüfung. In den Prüfungsabschnitten Pharmakologie und
Innere Medizin erzielte er jeweils das Urteil "nicht genügend
(5)" und in den Abschnitten Haut- und Geschlechtskrankheiten,
Zahnersatzkunde und Kieferorthopädie jeweils das Urteil "man-
gelhaft (4)". Der Vorsitzende des Ausschusses für die zahn-
ärztliche Prüfung an der Freien Universität Berlin erklärte
mit Bescheid vom 16. Dezember 1996 die Abschlussprüfung für
nicht bestanden.
Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos
geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat zu den Einwänden des
Klägers ausgeführt: Die Prüfungen in den Fächern Innere Medi-
zin und Kieferorthopädie seien nicht im Hinblick auf die Per-
son der Prüfer verfahrensfehlerhaft. Nach § 4 Abs. 3 ZAppO
seien in der Regel der Vorsitzende des Prüfungsausschusses und
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seine Stellvertreter den ordentlichen Professoren der medizi-
nischen Fakultät, die Mitglieder und ihre Stellvertreter den
Universitätslehrern der Fächer, die Gegenstand der Prüfung
seien, zu entnehmen. Universitätslehrer sei, wer zum Lehrper-
sonal der Universität gehöre, ohne dass er habilitiert sein
müsse. Die Prüfer Dr. B. und Dr. L. erfüllten diese Vorausset-
zung. Der Kläger habe verspätet geltend gemacht, dass mündli-
che Prüfungsleistungen nicht begründet worden und er prüfungs-
unfähig gewesen sei. Im Fach Innere Medizin sei dem Kläger
zwar unter Verletzung von § 44 ZAppO kein Patient vorgestellt
worden, der Kläger habe dies jedoch nicht unverzüglich gerügt,
sondern sich auf das fehlerhafte Verfahren eingelassen.
Der Kläger stützt seine Revision auf den Vortrag in der Beru-
fungsinstanz und führt aus, dass Universitätslehrer im Sinne
von § 4 Abs. 3 ZAppO nur habilitierte Lehrende an einer Uni-
versität sein könnten. Er beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen und
des Bescheids des Vorsitzenden des Ausschusses für die
zahnärztliche Prüfung an der Freien Universität Berlin vom
16. Dezember 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 27. Oktober 1997 den Beklagten zu verpflichten, über
das Ergebnis der zahnärztlichen Prüfung unter Beachtung
der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Der Beklagte tritt der Revision entgegen.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsge-
richt hält die Auslegung des § 4 Abs. 3 ZAppO durch das Ober-
verwaltungsgericht für zutreffend.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
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II.
Die Revision bleibt ohne Erfolg. Das angefochtene Urteil steht
mit Bundesrecht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 2
VwGO).
1. Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass
die Prüfungen in den Fächern Innere Medizin und Kieferorthopä-
die nicht deshalb an einem Verfahrensmangel leiden, weil die
Prüfer Dr. B. und Dr. L., die ansonsten den Anforderungen an
die Qualifikation als Prüfer entsprechen, nicht habilitiert
gewesen sind. Nach der - gegenüber der Ursprungsfassung nach
wie vor unveränderten - Vorschrift des § 4 Abs. 3 der Approba-
tionsordnung für Zahnärzte vom 26. Januar 1955 (BGBl I S. 37),
hier anzuwenden in der Fassung nach Änderung durch Verordnung
vom 8. Januar 1987 (BGBl I S. 114) - ZAppO -, sind der Vorsit-
zende des jeweiligen Prüfungsausschusses und seine Stellver-
treter den ordentlichen Professoren der medizinischen Fakul-
tät, die Mitglieder und ihre Stellvertreter den Universitäts-
lehrern der Fächer, die Gegenstand der Prüfung sind, zu ent-
nehmen. Universitätslehrer im Sinne dieser Vorschrift können
auch nicht habilitierte Lehrkräfte sein.
Der Begriff des Universitätslehrers ist, wie auch die Revision
einräumt, nicht in einer Weise gesetzlich definiert, die Ver-
bindlichkeit auch für die Auslegung der Approbationsordnung
für Zahnärzte beanspruchen könnte. Allerdings könnte der Beg-
riff bei deren Erlass in der Rechtssprache - die Alltagsspra-
che weist im vorliegenden Zusammenhang keine hinreichende
Trennschärfe auf und scheidet deshalb als Bezugspunkt von
vornherein aus - übergreifend in einer bestimmten Weise ver-
standen worden sein, so dass anzunehmen wäre, der Verordnungs-
geber habe an ihn anknüpfen wollen. Dies ist jedoch nicht der
Fall. Aus der Verwendung des Begriffs in der § 4 Abs. 3 ZAppO
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entsprechenden Vorschrift des § 8 Abs. 3 der Bestallungsord-
nung für Ärzte vom 15. September 1953 (BGBl I S. 1334) lassen
sich keine Rückschlüsse auf seinen Inhalt ziehen. Im Hoch-
schulbeamtenrecht jener Zeit findet sich nicht der Begriff des
"Universitätslehrers", sondern derjenige des "Hochschulleh-
rers" (vgl. Gesetz über die besonderen Rechtsverhältnisse der
beamteten Lehrer an den wissenschaftlichen Hochschulen vom
9. April 1938, RGBl I S. 377 sowie Verordnung zur Durchführung
dieses Gesetzes vom 10. Juni 1939, RGBl I S. 1010; ferner
§§ 105 ff. des Rahmengesetzes zur Vereinheitlichung des Beam-
tenrechts vom 1. Juli 1957,
BGBl I S. 667; s. auch Scheven und Perschel in: Flämig u.a.,
Handbuch des Wissenschaftsrechts, 2. Auflage 1996, S. 326 ff.
bzw. 374 ff.). Hinweise darauf, dass im seinerzeitigen Hoch-
schulrecht, das im Wesentlichen aus den Satzungen der Univer-
sitäten bestand (vgl. Thieme, Deutsches Hochschulrecht,
2. Auflage 1986, Rn. 40), der Begriff des Universitätslehrers
eine prägende Rolle gespielt haben könnte, sind nicht ersicht-
lich.
Nach dem möglichen Wortsinn umfasst der Begriff des Universi-
tätslehrers alle an einer Universität eingesetzten Lehrkräfte,
also das gesamte akademische Lehrpersonal des jeweiligen Fa-
ches. Der Umstand, dass in § 4 Abs. 3 ZAppO neben den ordent-
lichen Professoren der medizinischen Fakultät in vergleichs-
weise unspezifischer Weise die "Universitätslehrer der Fächer,
die Gegenstand der Prüfung sind", aufgeführt werden und der
Verordnungsgeber nicht an die Habilitation, die Erteilung der
Lehrbefugnis oder die vorliegenden beamtenrechtliche Begriffe
angeknüpft hat, spricht dafür, dass er den möglichen Wortsinn
ausschöpfen wollte.
Für diese Auslegung spricht ferner, dass es einer zweckmäßigen
Prüfungsgestaltung, namentlich der - gerade auch im Interesse
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der Prüflinge liegenden - zügigen Durchführung der Prüfungen
dient, den Kreis derjenigen, die als Prüfer in Frage kommen,
eher weit als eng zu fassen. Demgegenüber ist ein berechtigtes
Anliegen der Prüflinge, nur von habilitierten Lehrkräften ge-
prüft zu werden, nicht erkennbar. Dies hat auch in § 4 Abs. 3
ZAppO seinen normativen Niederschlag gefunden, demzufolge aus-
nahmsweise auch andere als die erwähnten Personen in die Prü-
fungsausschüsse berufen werden können. Die Belange der Prüf-
linge werden dadurch gewahrt, dass nach allgemeinen Grundsät-
zen des Prüfungsrechts nur fachlich hinreichend qualifizierte
Personen als Prüfer eingesetzt werden dürfen (vgl. Beschluss
vom 20. November 1995 - BVerwG 6 B 66.95 - Buchholz 421.0 Prü-
fungswesen Nr. 360 m.w.N.). Die akademischen Lehrkräfte werden
in der Regel in ihrem Fach diesen Anforderungen genügen, auch
wenn sie nicht habilitiert sind und die Befugnis zu selbstän-
diger Lehre (noch) nicht erworben haben. Das in § 4 Abs. 2
ZAppO vorgesehene Auswahlverfahren unter Anhörung der medizi-
nischen Fakultät bietet die Möglichkeit einer dahin gehenden
Überprüfung.
Das Oberverwaltungsgericht und der Vertreter des Bundesinte-
resses beim Bundesverwaltungsgericht haben überzeugend darge-
legt, dass die Rechtslage in den anderen akademischen Heilbe-
rufen die Auffassung der Revision nicht stützt. Eher ist das
Gegenteil der Fall. § 15 Abs. 1 Satz 6 und 7 der Approbations-
ordnung für Ärzte – ÄAppO - vom 28. Oktober 1970 (BGBl I
S. 1458), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. April 2002
(BGBl I S. 1467), bestimmt für die Prüfungskommissionen, dass
als Vorsitzende, weitere Mitglieder und Stellvertreter Profes-
soren oder andere Lehrkräfte der Fächer, die Gegenstand der
Prüfung sind, bestellt werden und als Mitglieder der Prüfungs-
kommission für den Dritten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung
daneben auch dem Lehrkörper einer Hochschule nicht angehörende
Ärzte, insbesondere niedergelassene Ärzte, zu Mitgliedern be-
stellt werden können. Als Vorsitzende der Prüfungsausschüsse
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für die Tierärztlichen Prüfungen und deren Stellvertreter wer-
den Professoren der Universität, als weitere Mitglieder Pro-
fessoren oder anderes Lehrpersonal der Fächer, die Gegenstand
der Prüfung sind, bestellt (§ 3 Abs. 2 Satz 3 der Approbati-
onsordnung für Tierärztinnen und Tierärzte (TAppO) vom 10. No-
vember 1999, BGBl I S. 2162, geändert durch Verordnung vom
12. Januar 2001, BGBl I S. 119). Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 und 3
der Approbationsordnung für Apotheker (AAppO) vom 19. Juli
1989 (BGBl I S. 1489), zuletzt geändert durch Verordnung vom
14. Dezember 2000 (BGBl I S. 1714), sind zu Vorsitzenden und
Mitgliedern der Prüfungskommission für den Zweiten Abschnitt
der Pharmazeutischen Prüfung und ihren Stellvertretern Profes-
soren oder Hochschul- oder Privatdozenten der Fächer, die Ge-
genstand der Prüfung sind, zu Beisitzern Personen, die mindes-
tens die durch die Prüfung festzustellende oder gleichwertige
Qualifikation besitzen, zu bestellen; in bestimmten Fällen
können auch andere an der Hochschule in diesem Fach selbstän-
dig Lehrende bestellt werden. Zu Mitgliedern der Prüfungskom-
mission für den Dritten Abschnitt der Pharmazeutischen Prüfung
sind Professoren und Hochschul- oder Privatdozenten der Uni-
versität sowie Apotheker, die nicht dem Lehrkörper der Univer-
sität angehören, zu bestellen; daneben können auch andere ge-
eignete Prüfer bestellt werden (§ 11 Abs. 3 Satz 2 und 3
AAppO). Ungeachtet der Unterschiede im Einzelnen lässt sich
diesen Regelungen zumindest der gemeinsame Grundsatz entneh-
men, dass die Habilitation nicht Voraussetzung für die Bestel-
lung als Prüfer ist. Da keine abweichenden Sachgesetzlichkei-
ten im Bereich der Zahnmedizin ersichtlich ist, können die ge-
nannten Bestimmungen als Ausdruck eines fachübergreifenden Re-
gelungsprinzips verstanden werden, an dem sich auch die Ausle-
gung des § 4 Abs. 3 ZAppO orientieren kann. Der Umstand, dass
im Prüfungsrecht für Ärzte der ursprünglich ebenso wie in § 4
Abs. 3 ZAppO anzutreffende Begriff des Universitätslehrers
(§ 8 Abs. 3 der Bestallungsordnung für Ärzte) nicht weiter
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verwendet wurde, lässt keinen Rückschluss auf den Inhalt die-
ses Begriffes zu.
2. Das angefochtene Urteil verstößt auch insoweit nicht gegen
Bundesrecht, als es im Fehlen schriftlicher Begründungen der
Ergebnisse der mündlichen Prüfungen in den Abschnitten Kiefer-
orthopädie und Haut- und Geschlechtskrankheiten keinen Verfah-
rensmangel erblickt hat.
Gemäß § 13 Abs. 2 ZAppO hat der Prüfer in dem Einzelzeugnis
sein Urteil kurz zu begründen, wenn es auf "nicht genü-
gend" (5) oder "schlecht" (6) lautet. Der Kläger hat in den
genannten Fächern jeweils das Urteil "mangelhaft" (4) erzielt.
Eine Begründungspflicht nach § 13 Abs. 2 ZAppO bestand danach
nicht.
Allerdings kann § 13 Abs. 2 ZAppO im Hinblick auf das aus
Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG herzuleitende Informa-
tionsrecht des Prüflings nicht als abschließende Regelung an-
gesehen werden. Die zur Konkretisierung dieses Rechts bei Feh-
len ausreichender normativer Regelungen entwickelten Grundsät-
ze sind ergänzend heranzuziehen. Damit wird zugleich den ver-
fassungsrechtlichen Bedenken Rechnung getragen, die gegen § 13
Abs. 2 ZAppO deshalb geltend gemacht worden sind, weil - wie
hier - auch das Urteil "mangelhaft" (4) in mehreren Prüfungs-
abschnitten zum Nichtbestehen der Prüfung führen kann (§ 53
Abs. 2 Satz 1 Buchst. c ZAppO; vgl. auch § 22 Abs. 2 Satz 1
Buchst. b, § 29 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c ZAppO; Zimmerling/
Brehm, Prüfungsrecht, 2. Auflage 2001, Rn. 1154).
Wie der erkennende Senat im Urteil vom 6. September 1995
- BVerwG 6 C 18.93 - (BVerwGE 99, 185 ff.) ausgeführt hat,
müssen die Prüfer die Bewertung mündlicher Prüfungsleistungen,
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sofern die Prüfungsordnung nichts anderes vorsieht, nur dann
schriftlich begründen, wenn der Prüfling dies mit der gebote-
nen Spezifizierung verlangt und zu diesem Zeitpunkt eine
schriftliche Zusammenfassung unter zumutbaren Bedingungen noch
möglich ist. Die Unaufklärbarkeit des Prüfungsgeschehens wegen
Zeitablaufs geht zu Lasten des Prüflings, wenn er es versäumt,
rechtzeitig eine schriftliche Begründung zu verlangen, es sei
denn, dass die Prüfungsbehörde ihrer diesbezüglichen situati-
onsabhängigen Hinweispflicht nicht nachgekommen ist (s. im
Einzelnen Urteil vom 6. September 1995, a.a.O., S. 193 ff. so-
wie Urteil vom 16. April 1997 - BVerwG 6 C 9.95 - Buchholz
421.0 Prüfungswesen Nr. 382 S. 189 ff.). Von diesen Grundsät-
zen ist das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgegangen. Der
Kläger hat Revisionsrügen auch nicht erhoben.
Der Kläger hat die Prüfung im Fach Kieferorthopädie am
19. Februar 1993 und im Fach Haut- und Geschlechtskrankheiten
am 18. Oktober 1993 abgelegt. Substantiierte Einwände gegen
die Bewertung hat er nicht erhoben. Vielmehr hat er - erstmals
mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 30. August 1997
zur Begründung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 16. De-
zember 1996 - lediglich vortragen lassen, seine Leistungen in
diesen Fächern seien nicht ordnungsgemäß bewertet worden und
es fehle an einer ausreichenden Begründung der Bewertung. Nach
den dargelegten Grundsätzen gab dieses Vorbringen nach Inhalt
und Zeitpunkt dem Prüfungsausschuss keinen Anlass, von den
Prüfern nachträglich eine schriftliche Begründung ihrer Urtei-
le einzuholen. Der Beklagte hat den verfassungsrechtlich ver-
ankerten Informationsanspruch des Klägers nicht verletzt.
Besondere Umstände, die ausnahmsweise zu einer anderen Ein-
schätzung führen könnten, liegen nicht vor. Der Kläger kann
sich zunächst nicht darauf berufen, im Jahr 1993 seien die
dargestellten Grundsätze zur Geltendmachung des prüfungsrecht-
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lichen Informationsanspruchs von der Rechtsprechung noch nicht
entwickelt gewesen. Diese Grundsätze beruhen nämlich auf Erwä-
gungen, die sich auf die Sachgesetzlichkeit des Prüfungsab-
laufs beziehen und den am Prüfungsgeschehen Beteiligten auch
ohne rechtliche Ausformung ohne weiteres einsichtig sein müs-
sen. Insbesondere muss es sich einem Prüfling aufdrängen, dass
er zur Vermeidung von Rechtsnachteilen unverzüglich nach der
mündlichen Prüfung darauf hinzuweisen hat, dass und aus wel-
chen Gründen er sich ungerecht behandelt fühlt. Der denkbare
Einwand, ein solcher Hinweis sei im Hinblick auf die Regelung
der Begründung von Einzelzeugnissen in § 13 Abs. 2 ZAppO
zwecklos und daher einem Prüfling jedenfalls im Jahr 1993
nicht zuzumuten gewesen, überzeugt nicht, weil die in § 13
Abs. 2 ZAppO geregelte Frage, wann ein Prüfer eine Bewertung
von sich aus schriftlich begründen muss, von der Frage zu un-
terscheiden ist, welche Schritte ein auf die Wahrung seiner
Rechte bedachter Prüfling vernünftigerweise zu unternehmen
hat.
Der Kläger könnte auch nicht darauf verweisen, er habe bei den
Prüfungen in den Abschnitten Kieferorthopädie und Haut- und
Geschlechtskrankheiten im Februar bzw. Oktober 1993 nicht mit
einem weiteren negativen, vor allem nicht mit einem krank-
heitsbedingt gestörten Verlauf der Abschlussprüfung, wie er
sich dann ergeben habe, rechnen müssen. Denn im Hinblick auf
die Möglichkeit, dass mehrere Beurteilungen mit "mangelhaft"
zum Nichtbestehen der Abschlussprüfung führen (§ 53 Abs. 2
Satz 1 Buchst. c ZAppO), war der Kläger bei jeder Einzelprü-
fung gehalten, sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob seine
Leistungen zutreffend bewertet worden sind.
3. Das angefochtene Urteil steht ferner im Einklang mit Bun-
desrecht, soweit sich der Kläger auf eine Prüfungsunfähigkeit
bei der Prüfung im Fach Innere Medizin am 18. Juni 1993 beru-
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fen hat. Auch insoweit hat der Kläger keine Revisionsrügen er-
hoben.
Das Oberverwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen,
dass der Kläger seiner Obliegenheit nicht nachgekommen ist,
sich unverzüglich nach dem Prüfungstermin auf eine krankheits-
bedingte Prüfungsunfähigkeit zu berufen (stRspr; vgl. Urteil
vom 7. Oktober 1988 - BVerwG 7 C 8.88 - BVerwGE 80, 282,
284 ff.), und deshalb den Rücktritt von der Prüfung nicht
wirksam erklärt hat. Der Kläger war von der Erfüllung dieser
Obliegenheit auch nicht etwa deshalb entbunden, weil dem Prü-
fungsausschuss die maßgeblichen Umstände bekannt waren oder
bekannt sein mussten. Dem Oberverwaltungsgericht ist darin zu
folgen, dass dies allenfalls dann in Betracht zu ziehen wäre,
wenn das Verhalten des Klägers in der Prüfung offensichtlich
und zweifelsfrei dem Prüfer den Eindruck einer psychischen Er-
krankung vermittelt hätte. Nach den das Bundesverwaltungsge-
richt bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwal-
tungsgerichts war dies jedoch nicht der Fall.
4. Die Revision hat schließlich die Ausführungen des Oberver-
waltungsgerichts zur Rüge des Klägers, ihm sei bei der Prüfung
im Fach Innere Medizin entgegen § 44 ZAppO kein Patient vorge-
stellt worden, nicht angegriffen. Das Berufungsurteil ist zu-
mindest im Ergebnis auch insoweit nicht zu beanstanden.
Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass ihm in der
Prüfung im Fach Innere Medizin entgegen der Regelung in § 44
ZAppO keine Möglichkeit gegeben wurde, seine Kenntnisse "an
einem für sein Gebiet in Frage kommenden Kranken" nachzuwei-
sen. Seinem Vorbringen steht bei Würdigung aller Umstände des
Einzelfalls der Einwand unzulässiger Rechtsausübung (Verwir-
kung) entgegen (zur Anwendung dieses Grundsatzes im Prüfungs-
recht vgl. Urteil vom 18. September 1970 - BVerwG 7 C 26.70 -
Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 42; Urteil vom 7. Oktober
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1988, a.a.O., S. 286; Beschluss vom 29. Oktober 1996
- BVerwG 6 B 45.96 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 375).
Dem Kläger war bekannt, dass die Prüfung nach langjähriger
allgemeiner Praxis im Interesse der Prüflinge entsprechend ih-
rer Ausbildung im Fach Innere Medizin ohne die Erhebung von
Befunden am Kranken durchgeführt wurde. Der Kläger hat sich
der so ausgestalteten Prüfung unterzogen, ohne den absehbaren
Rechtsmangel bei der Anmeldung zur Prüfung oder zu einem ihm
zumutbaren späteren Zeitpunkt vor dem Prüfungstermin geltend
zu machen. Zu diesem einem Einverständnis mit den Prüfungsbe-
dingungen nahe kommenden früheren Verhalten des Klägers steht
es im Widerspruch, wenn er sich nach dem ungünstigen Prüfungs-
verlauf - erstmals im erwähnten Schriftsatz vom 30. August
1997 - auf den Mangel der Prüfung berufen hat. Jedenfalls bei
einer solchen Sachlage widerspräche es dem Grundsatz der Chan-
cengleichheit im Prüfungsrecht, einem Prüfling eine "zweite
Chance" einzuräumen.
Dem Einwand treuwidriger Rechtsausübung durch den Kläger ste-
hen auch keine rechtsstaatlichen Bedenken entgegen. Solche Be-
denken kämen etwa dann zum Tragen, wenn sich die Prüfungsbe-
hörde und die Prüflinge gewissermaßen einvernehmlich über we-
sentliche Vorschriften der Prüfungsordnung hinwegsetzten und
damit insbesondere der Zweck der Prüfung verfehlt würde. Um
einen solchen Fall handelt es sich hier jedoch nicht. Es geht
um die Ausgestaltung der Prüfung in einem Nebenfach, bei der
an die Stelle der Erhebung von Befunden am Kranken deren
Schilderung durch den Prüfer tritt. Es besteht kein Anlass für
die Annahme, dass die Abweichung vom vorgeschriebenen Prü-
fungsablauf die Eignung der Prüfung in Frage stellen könnte,
zu klären, ob die Kandidaten die erforderlichen - auch praxis-
bezogenen - Kenntnisse im Fach Innere Medizin haben.
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5. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2
VwGO.
Bardenhewer Hahn Gerhardt
Graulich Vormeier
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfah-
ren auf 10 000 € festgesetzt.
Bardenhewer Gerhardt Vormeier
Sachgebiet:
BVerwGE: nein
Prüfungsrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquelle:
ZAppO § 4
Stichworte:
Habilitation; Lehrbefugnis; mündliche Prüfung; zahnärztliche
Abschlussprüfung.
Leitsatz:
Universitätslehrer im Sinne von § 4 Abs. 3 ZAppO können auch
nicht habilitierte Lehrkräfte des Prüfungsfaches sein.
Urteil des 6. Senats vom 24. Februar 2003 - BVerwG 6 C 22.02
I. VG Berlin vom 09.02.2000 - Az.: VG 12 A 1570.97 -
II. OVG Berlin vom 02.07.2002 - Az.: OVG 4 B 11.00 -