Urteil des BVerwG vom 21.06.2006

Rechtliches Gehör, DDR, Bayern, Veranstaltung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Verkündet
BVerwG 6 C 19.06
am 21. Juni 2006
VGH 24 BV 03.3162
Wahl
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn,
Dr. Graulich, Vormeier und Dr. Bier
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayeri-
schen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. September 2004
wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e :
I
Die Klägerin meldete unter der Firma „Odd-GmbH“ am 24. April 2001 bei der
Beklagten die Aufnahme eines Gewerbes zum 1. Mai 2001 mit folgenden Tä-
tigkeiten an:
Sportinformationsdienst, Fachberatung für Lotto und Toto,
Vermittlung von Spielverträgen im Namen von Tippge-
meinschaften für Lotto und Toto und staatlich genehmigte
Oddsetveranstalter, Verkauf von Zeitschriften, Zeitungen,
Tabakwaren und Getränken.
Im Mai 2002 wurde der Beklagten bekannt, dass die Klägerin für die S. GmbH
Gera Sportwetten vermittelt. Diese Gesellschaft ist im Besitz einer Gewerbeer-
laubnis des Magistrats der Stadt Gera vom 19. September 1990, mit der ihr das
Gewerbe „Abschluss von Sportwetten-Buchmacher“ gestattet worden ist. Die
Beklagte wies die Klägerin darauf hin, dass die von ihr angebotenen Sportwet-
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ten Glücksspiele in Form einer Lotterie und ohne ausdrückliche Erlaubnis ver-
boten seien. Eine Erlaubnis liege nicht vor und könne auch nicht erteilt werden.
Die Annahme bzw. die Vermittlung von Sportwetten für private Veranstalter sei
unverzüglich einzustellen. Nachdem die Klägerin dem nicht nachgekommen
war, verbot die Beklagte mit Bescheid vom 24. September 2002 (hinsichtlich
der Kostenentscheidung durch Bescheid vom 26. September 2002 geändert)
die Vermittlung von Sportwetten in dem Ladengeschäft der Klägerin an in Bay-
ern nicht erlaubte Wettunternehmen, insbesondere an die Firma S. GmbH Gera
und ordnete an, den Betrieb mit Ablauf des 15. Oktober 2002 einzustellen.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Regierung von Mittelfranken
mit Bescheid vom 24. Februar 2003 zurück.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Antrag, die genannten Beschei-
de aufzuheben, mit Urteil vom 14. August 2003 abgewiesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die dagegen eingelegte Berufung mit dem an-
gefochtenen Urteil (GewArch 2005, 78) zurückgewiesen und im Wesentlichen
ausgeführt:
Rechtsgrundlage für die angefochtene Verfügung sei Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 des
Gesetzes über das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht auf dem Gebiet
der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Landesstraf- und Verordnungsgesetz
i.d.F. der Bekanntmachung vom 13. Dezember 1982, BayRS 2011-2-1)
- LStVG -. Nach dieser Bestimmung könne die Sicherheitsbehörde, soweit eine
gesetzliche Ermächtigung nicht in den Vorschriften dieses Gesetzes oder in
anderen Rechtsvorschriften enthalten sei, zur Erfüllung ihrer Aufgaben für den
Einzelfall Anordnungen treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand
eines Strafgesetzes oder einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, zu verhüten
oder zu unterbinden.
Die Anwendung dieser Vorschrift werde nicht durch Normen der Gewerbeord-
nung verdrängt. Die Anzeigepflicht nach § 14 GewO sei das Korrelat zu der in
§ 1 Abs. 1 GewO normierten Gewerbefreiheit, die jedermann die Ausübung
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eines Gewerbes gestatte, soweit nicht durch dieses Gesetz Ausnahmen oder
Beschränkungen vorgeschrieben oder zugelassen seien. Die Anzeigepflicht
nach § 14 GewO verfolge primär das Ziel, der zuständigen Behörde Aufschluss
über Zahl und Art der in ihrem Bezirk vorhandenen stehenden Gewerbe und der
sonstigen in der Vorschrift genannten Einrichtungen zu geben und eine
wirksame Überwachung der Gewerbeausübung zu ermöglichen. Wegen dieser
Zweckrichtung sei es zu kurz gegriffen, allein aus der Anzeigepflicht für Wett-
annahmestellen aller Art zu folgern, dass sich nach erfolgter Anzeige die weite-
re behördliche Prüfung darauf beschränken dürfe, ob im konkreten Einzelfall
Umstände vorlägen, die Zweifel an der persönlichen Zuverlässigkeit des Ge-
werbetreibenden begründen könnten. Die Behörde solle auch überprüfen kön-
nen, ob im Einzelfall eine genehmigungspflichtige Gewerbetätigkeit vorliege. In
der Anmeldung vom 24. April 2001 habe die Klägerin u.a. angegeben, Vermitt-
lung von Spielverträgen im Namen von Tippgemeinschaften für Lotto und Toto
und staatlich genehmigte Oddset-Veranstalter durchzuführen. Diese Erklärung
sei objektiv so zu verstehen gewesen, dass es sich um solche Wetten handele,
die staatlich genehmigt und daher in Bayern erlaubt seien. Läge eine in Bayern
rechtswirksame Erlaubnis vor, so wäre die Gewerbetätigkeit nur anzeigepflichtig
mit der Folge, dass eine Untersagung dieser Tätigkeit nur bei Vorliegen der
entsprechenden Voraussetzungen nach § 35 GewO möglich wäre. Eine solche
Erlaubnis liege jedoch nicht vor.
Die Untersagungsverfügung könne nicht auf § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO gestützt
werden. Nach dieser Vorschrift könne eine gewerberechtlich genehmigungs-
pflichtige Tätigkeit, für die die erforderliche Genehmigung nicht vorliege, unter-
sagt werden. Dies setze voraus, dass die Tätigkeit dem Grunde nach genehmi-
gungsfähig sei, es jedoch versäumt worden sei, diese einzuholen. § 15 Abs. 2
GewO sei jedoch hier nicht einschlägig, da das Veranstalten von Oddset-Wet-
ten nach der Gewerbeordnung nicht genehmigungsfähig sei.
Die angefochtene Verfügung werde zu Recht darauf gestützt, dass es sich bei
der Vermittlung von Sportwetten zu festen Quoten an private Veranstalter um
das Veranstalten eines Glücksspiels im Sinne des § 284 StGB handele. Hierauf
fänden gemäß § 33h Nr. 3 GewO die §§ 33c bis 33g GewO keine Anwendung.
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Dies habe zur Folge, dass für diese Tätigkeit eine Erlaubnis nach § 33d GewO
nicht erteilt werden könne. Sportwetten, namentlich Oddset-Wetten,
seien Glücksspiele im Sinne des § 284 StGB. Diese Strafrechtsvorschrift sei
grundsätzlich anwendbar. Sie sei insbesondere weder verfassungswidrig noch
verstoße sie gegen Gemeinschaftsrecht. Die objektiven Tatbestandsvorausset-
zungen des § 284 Abs. 1 StGB seien erfüllt. Veranstalter im Sinne dieser Straf-
rechtsnorm sei, wer verantwortlich und organisatorisch den äußeren Rahmen
für die Abhaltung des Glücksspiels schaffe und der Bevölkerung dadurch den
Abschluss von Spielverträgen ermögliche. Die Tätigkeit der Klägerin stelle sich
wie folgt dar:
Die S. GmbH Gera veranstalte Oddset-Wetten in der Weise, dass sie jeweils für
eine Spielwoche und für bestimmte sportliche Ereignisse - etwa Fußballbe-
gegnungen europäischer Fußballclubs - für den möglichen Ausgang des Spiels
(Sieg, Niederlage, unentschieden) in einer Liste bestimmte Quoten festsetze.
Die Höhe der jeweiligen Quote beruhe auf der Einschätzung der S. GmbH Gera
über den möglichen Ausgang der sportlichen Begegnung. Diese Quoten würden
in der Quotenliste niedergelegt. Der jeweilige Wettinteressent wähle aus diesem
Wettprogramm die ihn interessierenden Spielpaarungen aus, setze auf eine der
Quoten und entrichte dafür einen Wetteinsatz, dessen Höhe er selbst
bestimme. Aufgrund einer zivilrechtlichen Vereinbarung mit der S. GmbH Gera
halte die Klägerin in ihrem Geschäftslokal die Teilnahmebedingungen, das
Wettangebot und die entsprechenden Spielscheine bereit. Sie nehme den Auf-
trag des Wettinteressenten über die Platzierung der Wette entgegen, leite die-
ses Angebot nach Gera weiter und kassiere, wenn das Angebot von der S.
GmbH Gera angenommen worden sei, den Wetteinsatz, der dann unmittelbar in
bar bei der Klägerin zu entrichten sei. Im Fall der richtigen Voraussage zahle
die Klägerin dem Spielteilnehmer den Gewinn, der sich aus der Multiplikation
von Quote und Einsatz ergebe. Für ihre Vermittlungstätigkeit erhalte die Kläge-
rin eine Vermittlungsprovision von 7,5 % der Einnahmen. Da die S. GmbH Gera
die wesentlichen Entscheidungen über Wettangebot, Höhe der Quote, Annah-
me des Wettangebots usw. treffe, veranstalte sie die Oddset-Wette in Gera. Die
S. GmbH Gera verfüge über die ihr am 14. September 1990 erteilte Erlaubnis.
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Daher verstoße sie, soweit sie in Gera die Sportwette veranstalte, nicht gegen
§ 284 StGB.
Die Klägerin verstoße hingegen gegen die genannte Strafrechtsnorm. Zutref-
fend sei der Hinweis, dass § 284 Abs. 1 StGB lediglich von Veranstalten und
nicht von Vermitteln spreche. Eine allein am Wortlaut der Bestimmung ausge-
richtete Betrachtung stütze daher die Rechtsauffassung der Klägerin, den Straf-
tatbestand nicht zu verwirklichen. Entscheidend sei aber darauf abzustellen,
welche einzelnen Handlungsteile erforderlich seien, um das Veranstalten eines
Glücksspiels im Sinne des § 284 StGB zu bejahen. Für die Sportwette mit fes-
ten Quoten ließen sich im Wesentlichen folgende Handlungsschritte feststellen:
Auswahl der sportlichen Begegnungen und die Festsetzung der Quoten hierfür,
die Erklärung, auf dieser Grundlage Wettangebote anzunehmen und Abschluss
der Wette. Danach könne das Veranstalten einer Sportwette in einzelne Teil-
handlungen unterteilt werden. Da nach dieser Definition die verbindliche Darle-
gung der Quoten verbunden mit der Möglichkeit, auf dieser Grundlage ein
Wettangebot abzugeben, für das Veranstalten einer Oddset-Wette wesentlich
sei, stelle das Bereithalten des Wettprogramms zusammen mit den entspre-
chenden Spielscheinen eine Teilhandlung beim Veranstalten des Glücksspiels
dar. Auf die Tatherrschaft des Vermittlers komme es in diesem Zusammenhang
nicht an. Bereits die Zugänglichmachung eines Spielplans genüge schon zur
Vollendung des Straftatbestandes.
Ob allerdings die Klägerin mit ihrer Vermittlungstätigkeit ebenfalls die Oddset-
Wette mitveranstalte, könne zweifelhaft sein. Gehe man davon aus, dass Ver-
anstalter derjenige sei, der verantwortlich und organisatorisch den äußeren
Rahmen für die Abhaltung von Glücksspielen schaffe und der Bevölkerung da-
durch den Abschluss von Spielverträgen ermögliche, könne man bei Zugrunde-
legung dieses weiten Veranstaltungsbegriffs auch die Klägerin als Veranstalte-
rin ansehen. Auch wenn der Abschluss des Spielvertrages erst durch die An-
nahme des Wettangebots durch die S. GmbH Gera zustande komme, mithin die
Klägerin selbst nicht Vertragspartei sei, schaffe sie doch die organisatorischen
Bedingungen dafür, dass durch die von ihr bereits erhaltenen Spielpläne und
die Weiterleitung des Wettangebots der Abschluss von Spielverträgen tat-
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sächlich möglich werde. Folge man der Auffassung, dass auch der Vermittler
von Sportwetten ein Glücksspiel im Sinne von § 284 StGB veranstalte, habe die
Klägerin eine unter diesen Straftatbestand fallende Tathandlung vorgenommen.
Diese sei auch rechtswidrig, da die Vermittlung ohne behördliche Erlaubnis
vorgenommen werde.
Auch wenn man die Vermittlung nicht als eigenständige Tathandlung im Sinne
des § 284 StGB einstufe, sei gleichwohl Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG anwendbar,
da die Klägerin durch ihre Tätigkeit zumindest Beihilfe zum Veranstalten eines
Glücksspiels leiste. Die Klägerin habe Beihilfe zu einem rechtswidrigen Veran-
stalten eines Glücksspiels geleistet, da die S. GmbH Gera ohne die erforderli-
che behördliche Erlaubnis Sportwetten in Nürnberg veranstalte. Dass die ge-
nannte Gesellschaft im Besitz einer ihr vom Magistrat der Stadt Gera erteilten
Erlaubnis zum Veranstalten von Sportwetten sei, bedeute nicht, dass sie auch
in Nürnberg Sportwetten veranstalten dürfe. Die Erlaubnis vom 14. September
1990 enthalte allerdings keine ausdrückliche räumliche Begrenzung. Ebenso
wenig spreche Art. 19 des Einigungsvertrages (EV) den räumlichen Geltungs-
bereich von Verwaltungsakten an. Diese Bestimmung lege nur fest, dass vor
dem Wirksamwerden des Beitritts ergangene Verwaltungsakte der DDR wirk-
sam blieben. Die Wirksamkeit könne nicht vom Regelungsgehalt des Verwal-
tungsaktes und dem Rechtsbereich getrennt werden, in dem er ergangen sei.
Der fortbestehende Verwaltungsakt sei in das im gesamten Bundesgebiet gel-
tende Rechtssystem einzuordnen, das nunmehr auch in den neuen Bundes-
ländern gelte. Nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes falle die Re-
gelung des Glücksspielrechts in die Zuständigkeit der Länder. Bei Betonung des
Gesichtspunkts der Abwehr von schädlichen Auswirkungen des Glücksspiels
ergebe sich die Zuständigkeit der Länder aus der Kompetenz für das Recht der
öffentlichen Sicherheit und Ordnung nach Art. 70 GG. Bei Betonung des
wirtschaftlichen Aspekts folge dies aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG. Aus dieser
Kompetenzverteilung folge, dass die Länder nur für ihren eigenen Bereich
Regelungen zum Glücksspielrecht treffen könnten. Sehe ein Landesgesetz die
Möglichkeit der Erteilung einer Erlaubnis zum Veranstalten von Glücksspielen
vor und werde eine solche Erlaubnis nach Landesrecht erteilt, so sei deren Gel-
tungsbereich auf das jeweilige Land beschränkt. Dies folge aus der Verwal-
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tungshoheit der Länder und der Standortgebundenheit der entsprechenden
Erlaubnis. Diese Länderhoheit dürfe durch Art. 19 EV nicht ausgehöhlt werden.
Diese Vertragsbestimmung stehe nicht über, sondern unter der Verfassung. Der
konkrete räumliche Geltungsbereich des nach Art. 19 EV weiterhin recht-
wirksamen Verwaltungsaktes werde im Einzelfall von der Art des jeweiligen
Verwaltungsaktes und von dem Rechtsgebiet, in dem er ergangen sei, be-
stimmt. Betreffe er eine bundesrechtlich geregelte Materie, gelte der Verwal-
tungsakt bundesweit. Soweit Landesrecht eröffnet sei, seien Differenzierungen
möglich. Eine solche Differenzierung könne sich daraus ergeben, ob etwa ein
statusbildender Verwaltungsakt vorliege oder eine gewerberechtliche Erlaubnis.
Einer solchen Differenzierung stehe Art. 19 EV im Hinblick auf seine weite Fas-
sung nicht entgegen. Bestimme man nach dem Gesagten die territoriale Reich-
weite des fortgeltenden Verwaltungsaktes nach seiner Zuordnung zum jeweili-
gen Rechtsgebiet, so ergebe sich nicht die Unwirksamkeit der gewerberechtli-
chen Erlaubnis der S. GmbH Gera. Die Ausweitung ihres räumlichen Geltungs-
bereichs auf das ganze Bundesgebiet würde jedoch zu einer sachlich nicht ge-
botenen Privilegierung der DDR-Konzession und damit zu einer Rechtsspaltung
führen. Daraus folge, dass die S. GmbH Gera, soweit sie durch Einschaltung
der Klägerin in Nürnberg im Bereich des Freistaates Bayern Sportwetten veran-
stalte, ohne die hierfür erforderliche behördliche Erlaubnis handele und damit
gegen § 284 Abs. 1 StGB verstoße. Die Klägerin leiste hierzu mindestens Bei-
hilfe, so dass die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Untersagung nach
Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG erfüllt seien.
Die Anordnung sei auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Sie stehe insbeson-
dere mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang. Der Ausschluss
Privater vom Veranstalten und Vermitteln von Glücksspielen stehe auch mit
dem Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG in Einklang. Denn diese Be-
rufsausübungsregelung, die einer objektiven Berufzulassungsregelung sehr
nahe komme, sei durch so schwerwiegende Allgemeininteressen gerechtfertigt,
dass sie den Vorrang vor der Berufsfreiheit verdienten. Selbst wenn der Kläge-
rin rechtswidrig eine Erlaubnis zur Veranstaltung oder Vermittlung von Sport-
wetten vorenthalten werde, ändere dies nichts daran, dass gegenwärtig der
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Straftatbestand des § 284 Abs. 1 StGB wegen des Fehlens der Erlaubnis erfüllt
sei.
Zur Begründung ihrer Revision, mit der sie das Ziel der Aufhebung der vor-
instanzlichen Entscheidungen und der ergangenen Verwaltungsakte verfolgt,
macht die Klägerin unter Vorlage eines Rechtsgutachtens und einer ergänzen-
den Stellungnahme des Prof. Dr. H. und unter Berufung auf Gutachten des
Rechtsanwalts R. sowie der P´ren Dres. H., O. und G. geltend:
Die Anwendung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG verstoße gegen § 1 Abs. 1
GewO. Der Beklagten stünden auch keine anderen Rechtsgrundlagen zur Ver-
fügung.
Das Berufungsgericht habe es versäumt, die Frage näher aufzuklären, ob es
sich bei der Veranstaltung von Sportwetten der im vorliegenden Fall gegen-
ständlichen Art um Glücksspiele handele. Insoweit habe es seine Pflicht zur
hinreichenden Erforschung des Sachverhalts nicht erfüllt und seine Überzeu-
gung ohne ausreichende Kenntnis der Sachlage gewonnen. Sie sei in ihrem
Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Der Ver-
waltungsgerichtshof habe auch ihren Vortrag außer Acht gelassen, dass sie
Sportwetten in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften,
nämlich Malta, vermittle. Hinzu komme, dass das Berufungsgericht entgegen
ihrem anders lautenden Vortrag eine zivilrechtliche Vereinbarung zwischen ihr
und der S. GmbH Gera unterstelle. Die der S. GmbH Gera erteilte Gewerbeer-
laubnis habe gemäß Art. 19 EV Geltung im gesamten Bundesgebiet erlangt.
Das Berufungsgericht nehme zu Unrecht an, dass ihre Vermittlertätigkeit den
Straftatbestand des § 284 StGB erfülle. Hierin liege ein Verstoß gegen das
strafrechtliche Analogieverbot, den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit und ihr
Recht auf freie wirtschaftliche Betätigung. Das von ihr betriebene Gewerbe
verwirkliche nicht die Tathandlung des Veranstaltens von unerlaubten Glücks-
spielen. Auch liege darin keine Beihilfe zu einer rechtswidrigen Haupttat gemäß
§§ 284, 287 StGB, weil ihre Vermittlungstätigkeit weder eine Beihilfehandlung
darstelle noch einem behördlich nicht genehmigten Veranstalter zugute komme.
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Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil vom 28. März 2006
- 1 BvR 1054/01 - entschieden, dass das nach dem bayerischen Landesrecht
bestehende Verbot der Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten durch
Private dem Grundgesetz widerspreche. Sie werde daher durch das Verbot in
ihren Rechten aus § 1 Abs. 1 GewO, Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG verletzt.
Das Berufungsgericht sei unzutreffend der Ansicht, die angefochtene Untersa-
gungsverfügung sei auch in Anbetracht der dadurch betroffenen Grundrechts-
positionen verhältnismäßig, weil sie, die Klägerin, jedenfalls derzeit nicht über
eine behördliche Erlaubnis ihrer Vermittlungstätigkeit verfüge. Diese Ansicht
verletze sie in ihrer Gewerbefreiheit in Verbindung mit den Grundsätzen des
rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes und dem Gleichbehandlungsgebot. Wenn
es verfassungswidrig sei, dass es an einer gesetzlichen Erlaubnisregelung
fehle, könne eine behördliche Verbotsverfügung nicht verhältnismäßig sein, die
gerade darauf gestützt werde, dass eine Erlaubnis tatsächlich nicht vorliege.
Die Beklagte tritt der Revision entgegen.
Die Landesanwaltschaft hält die Revision ebenfalls für unbegründet.
II
Eine Beiladung der S. GmbH Gera war im Revisionsverfahren gemäß § 142
Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht möglich. Eine Beiladung nach § 142 Abs. 1 Satz 2, §
65 Abs. 2 VwGO kam nicht in Betracht, da die der S. GmbH Gera am
14. September 1990 erteilte Erlaubnis als solche nicht Gegenstand des Rechts-
streits ist.
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III
Die zulässige Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf
einer Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO). Die Revision ist daher
gemäß § 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO zurückzuweisen.
1. Die von der Klägerin gerügten Verfahrensfehler sind nicht den Anforderungen
des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO gemäß begründet worden. Danach muss die
Begründung der Revision im Falle der Rüge von Verfahrensmängeln die
Tatsachen angeben, die den Mangel ergeben. Den Anforderungen dieser Vor-
schrift ist nur genügt, wenn sich aus der Revisionsbegründung der gerügte Ver-
fahrensmangel schlüssig ergibt (vgl. Beschluss vom 23. Oktober 1980
- BVerwG 2 C 5.80 - DVBl 1981, 493). Ein Verfahrensmangel ist nur dann hin-
reichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn begründenden Tatsachen als
auch in seiner rechtlichen Würdigung im Einzelnen dargetan wird. Daran fehlt
es.
a) Für die ordnungsgemäße Begründung einer Rüge mangelhafter Sachaufklä-
rung (§ 86 Abs. 1 VwGO), wie die Klägerin sie erhoben hat, muss dementspre-
chend substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Um-
stände, die für das Gericht entscheidungserheblich waren, Aufklärungsbedarf
bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungs-
maßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Fest-
stellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung vo-
raussichtlich getroffen worden wären und inwiefern deren Berücksichtigung auf
der Grundlage der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zu einem anderen
Ergebnis hätte führen können. Weiterhin muss entweder dargelegt werden,
dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der
mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren
Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem
Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von
sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. Beschlüsse vom 19. August 1997
- BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 n.F. VwGO Nr. 26 = NJW 1997,
3328 und vom 4. Oktober 1995 - BVerwG 1 B 138.95 - Buchholz 310 § 86
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Abs. 1 VwGO Nr. 271). Dabei müssen die Beweismittel, deren Heranziehung
sich dem Berufungsgericht hätte aufdrängen müssen, angegeben werden, also
z.B. die Zeugen und Sachverständigen genannt und die im Einzelnen in ihr
Wissen gestellten Tatsachen angeführt und dargelegt werden, inwiefern das
Urteil im Einzelnen auf der unterbliebenen Vernehmung beruht oder beruhen
kann (stRspr; vgl. u.a. Beschluss vom 26. Juni 1975 - BVerwG 6 B 4.75 -
Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 17; Urteil vom 25. Februar 1993 - BVerwG 2 C
14.91 - Buchholz 236.1 § 31 SG Nr. 24). Diesen Anforderungen wird die Revi-
sionsbegründung nicht gerecht.
Die Klägerin macht geltend, das Berufungsgericht habe versäumt, die Frage
näher aufzuklären, ob es sich bei der Veranstaltung der hier in Rede stehenden
Sportwetten um ein Glücksspiel handelt. Mit diesem Vorbringen kann der ge-
rügte Verfahrensfehler nicht aufgezeigt werden. Denn bei dem Begriff des
Glücksspiels handelt es sich um einen Rechtsbegriff. Ob seine Voraussetzun-
gen im Einzelfall vorliegen, erfordert allerdings die Ermittlung der tatsächlichen
Umstände, unter denen die Wette veranstaltet wird. Die Klägerin zeigt aber
nicht auf, inwiefern das Berufungsgericht insoweit von falschen Umständen
ausgegangen ist. Sie macht nicht deutlich, welche Sachverhaltsfeststellungen
der Verwaltungsgerichtshof im Einzelnen hätte treffen müssen. Dazu hätte be-
sonderer Anlass bestanden, weil die von der S. GmbH Gera angebotenen Ver-
anstaltungen in dem angefochtenen Urteil und auch sonst in der Rechtspre-
chung hinlänglich beschrieben sind. Namentlich war es auf der Grundlage des
Vorbringens der Klägern nicht geboten, ein Sachverständigengutachten einzu-
holen. Die Klägerin stellt lediglich pauschal eine Verpflichtung des Berufungs-
gerichts heraus, „die Glücksspieleigenschaft von Oddset-Wetten genauer, er-
forderlichenfalls anhand eines Sachverständigengutachtens, zu
überprüfen“. Sodann wird ausgeführt, dem Gericht sei es verwehrt gewesen,
„die Glücksspieleigenschaft von Oddset-Wetten zu unterstellen, ohne zur nähe-
ren Aufklärung der Sachlage, jedenfalls in der vom 4. Strafsenat des BGH auf-
gezeigten Richtung, geeignete Untersuchungen durchzuführen“. Damit wird die
notwendige Trennung von Sachverhaltserforschung und Rechtsanwendung
nicht berücksichtigt. Die Klägerin zeigt keine Tatsachen auf, aus denen sich im
Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in dem von der Klägerin an-
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geführten Strafurteil (BGH, Urteil vom 28. November 2002 - 4 StR 260/02 -
GewArch 2003, 332) ergeben würde, ob und in welchem Maße der „kenntnis-
reiche Durchschnittsspieler“ die Entscheidung über Gewinn und Verlust beein-
flussen kann, und in diesem Zusammenhang, nach welchen Maßstäben die
Gewinnquoten festgelegt werden. Insoweit lässt das Vorbringen der Klägerin
jegliche Darstellung von Sachverhalten, die ein Sachverständiger überprüfen
könnte, vermissen. Dazu hätte auch deshalb Anlass bestanden, weil der Ver-
waltungsgerichtshof in der mündlichen Verhandlung ausweislich der Nieder-
schrift darüber die Glücksspieleigenschaft der Oddset-Wette mit den Beteiligten
erörtert hatte, ohne dass die Klägerin die Gelegenheit wahrgenommen hätte,
einschlägige Beweisanträge zu stellen. Außerdem hat das Berufungsgericht
seinem Urteil die Annahme zugrunde gelegt, dass ein Glücksspiel dann vorliegt,
wenn die Entscheidung über Gewinn und Verlust nicht wesentlich von den
geistigen und körperlichen Fähigkeiten, den Kenntnissen, der Übung und der
Aufmerksamkeit des Spielers abhängt, sondern allein oder doch überwiegend
vom Zufall. Nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwal-
tungsgerichtshofs kommt es nicht auf einen bestimmten Personenkreis, etwa im
Sportgeschehen besonders kenntnisreiche Spieler an, sondern nur auf die
Kenntnisse und Fähigkeiten durchschnittlicher Adressaten. Die Klägerin legt
nicht dar, dass es unter Zugrundelegung dieser Rechtsauffassung für das Beru-
fungsgericht auf die Beeinflussung der Entscheidung über Gewinn und Verlust
durch den „kenntnisreichen Durchschnittsspieler“ ankommen konnte.
Der weitere pauschale Vortrag, das Berufungsgericht habe seine Aufklärungs-
pflicht hinsichtlich des tatsächlichen Verhaltens der „staatlichen Monopol-
Veranstalter“ verletzt, genügt ebenfalls nicht den dargestellten Anforderungen.
Auch in dieser Hinsicht fehlt es an der Darlegung der Entscheidungserheblich-
keit für das Berufungsgericht. Dieses hat die Rechtsauffassung vertreten, dass
auch bei Vorliegen eines insoweit widersprüchlichen Verhaltens des Staates die
Tatbestandsvoraussetzungen der von ihm herangezogenen Ermächti-
gungsgrundlage nicht entfallen. Unter Zugrundelegung dieser Auffassung
musste der Verwaltungsgerichtshof das Verhalten „staatlicher Monopolveran-
stalter“ nicht aufklären.
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b) Die Rüge eines Verstoßes gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO geht ebenfalls
fehl. Nach dieser Bestimmung hat das Gericht nach seiner freien, aus dem Ge-
samtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden. Die
Freiheit, die dieser sog. Überzeugungsgrundsatz dem Tatsachengericht zuge-
steht, bezieht sich auf die Bewertung der für die Feststellung des Sachverhalts
maßgebenden Umstände (Urteil vom 17. Januar 1980 - BVerwG 5 C 7.79 -
Buchholz 431.1 Architekten Nr. 5 S. 16 <17>). Sie ist nach der einen Seite hin
begrenzt durch das jeweils anzuwendende Recht und dessen Auslegung. Alles
was (noch) Rechtsfindung ist, entzieht sich - eben deshalb - einer Deckung
durch den Überzeugungsgrundsatz. Nach der anderen Seite ergibt sich die
Grenze daraus, dass der Überzeugungsgrundsatz nicht für eine Würdigung in
Anspruch genommen werden kann, die im Vorgang der Überzeugungsbildung
an einem Fehler leidet, z.B. an der Missachtung gesetzlicher Beweisregeln oder
an der Berücksichtigung von Tatsachen, die sich weder auf ein Beweisergebnis
noch sonst wie auf den Akteninhalt stützen lassen (Beschluss vom 26. Februar
2004 - BVerwG 6 B 55.03 - m.w.N.). § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verlangt, dass
das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens
zugrunde legt. Das Gericht darf also nicht in der Weise verfahren, dass es ein-
zelne erhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse nicht zur Kenntnis nimmt
oder nicht in Erwägung zieht. Danach liegt ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1
Satz 1 VwGO vor, wenn ein Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen
Sachverhalt ausgeht, es insbesondere Umstände übergeht, deren Entschei-
dungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen (Urteile vom 2. Februar
1984 - BVerwG 6 C 134.81 - BVerwGE 68, 338 = Buchholz 310 § 108 VwGO
Nr. 145, vom 25. Juni 1992 - BVerwG 3 C 16.90 - Buchholz 412.3 § 6 BVFG
Nr. 68 und vom 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <208 f.>
= Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 174 S. 27 ff.). Grundsätzlich kann jedoch
davon ausgegangen werden, dass das Gericht seiner Pflicht aus § 108 Abs. 1
Satz 1 VwGO genügt und seiner Entscheidung das Vorbringen der Beteiligten
sowie den festgestellten Sachverhalt vollständig und richtig zugrunde gelegt hat
(Urteile vom 25. März 1987 - BVerwG 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO
Nr. 183 und vom 5. Juli 1994 a.a.O.). Wenn das Gericht in seiner Entscheidung
jedoch gewichtige Tatsachen oder Tatsachenkomplexe, deren Entscheidungs-
erheblichkeit sich aufdrängt, unerwähnt lässt, so spricht dies dafür, dass es den
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entsprechenden Tatsachenstoff entweder nicht zur Kenntnis genommen oder
jedenfalls nicht in Erwägung gezogen hat. Der Überzeugungsbildung des Ge-
richts liegt dann nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens im Sinne des § 108
Abs. 1 Satz 1 VwGO zugrunde (Urteil vom 5. Juli 1994 a.a.O.).
Diesen Maßstäben wird das Vorbringen der Klägerin nicht gerecht. Die Klägerin
wirft dem Berufungsgericht im Wesentlichen nur pauschal vor, den beschriebe-
nen Überzeugungsgrundsatz missachtet zu haben. Das genügt nicht den dar-
gelegten Anforderungen. Soweit der Vortrag im Zusammenhang mit dem Vor-
halt unterlassener Sachverhaltsaufklärung steht, gelten die obigen Erwägungen
entsprechend. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf hinweist,
dass das Berufungsgericht einen europarechtlichen Bezug des Rechtsstreits
nicht berücksichtigt habe, fehlt es jedenfalls an einer Darlegung, dass das Be-
rufungsgericht nach seiner Rechtsauffassung überhaupt zu Erwägungen zu
diesem Komplex veranlasst war. Die Geschäftstätigkeit nach Malta ist erst im
Verlauf des gerichtlichen Verfahrens aufgenommen und offenbar auch wieder
beendet worden, wie der ergänzenden Stellungnahme des Prof. Dr. H. vom
6. Juni 2006 (S. 21) entnommen werden muss. Hielt der Verwaltungsgerichts-
hof den Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung für maßgebend, konnte es
darauf ebenso wenig ankommen wie auf die von der Klägerin vorgetragene
nachträgliche Einschaltung eines Treuhänders. Eine Verletzung des sog.
Überzeugungsgrundsatzes ist daher nicht ordnungsgemäß dargelegt.
c) Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2
VwGO), dessen Verletzung die Klägerin ebenfalls rügt, verpflichtet das Gericht,
das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entschei-
dung in Erwägung zu ziehen. Das Gericht ist allerdings nicht gehalten, sich mit
jedem Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu befassen.
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht den von ihm entgegen-
genommenen Vortrag der Beteiligten in seine Erwägungen einbezogen hat. Nur
wenn besondere Umstände den eindeutigen Schluss zulassen, dass es die
Ausführungen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis ge-
nommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen hat, wird der Anspruch auf
rechtliches Gehör verletzt (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 5. Februar 1999
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- 16 -
- BVerwG 9 B 797.98 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4 und vom
7. Januar 2003 - BVerwG 6 B 66.02 -).
Die Klägerin wirft dem Berufungsgericht vor, ihren Anspruch auf rechtliches
Gehör dadurch verletzt zu haben, dass es nicht aufgeklärt habe, ob die Oddset-
Wette ein Glücksspiel sei. Hierzu kann auf die obigen Ausführungen verwiesen
werden. Auch der Vorhalt in Bezug auf das tatsächliche Verhalten der „staatli-
chen Monopol-Veranstalter“ geht nicht über das hinaus, was dazu in Bezug auf
die Aufklärungs- und Beweiserhebungspflicht vorgetragen worden ist. Eine Ver-
sagung des rechtlichen Gehörs kann damit nicht dargetan werden. Dasselbe
gilt für die Rüge der Klägerin, der Verwaltungsgerichtshof habe ihr Vorbringen
zu Sachverhaltsänderungen nach der letzten Behördenentscheidung unberück-
sichtigt gelassen. Insoweit fehlt es - wie bereits im Zusammenhang mit der Rü-
ge eines Verstoßes gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO dargelegt - an einer aus-
reichenden Darlegung, dass diese Umstände den Verwaltungsgerichtshof auf
der Grundlage der von ihm vorgenommenen materiellen Rechtsprüfung zu ei-
ner anderen Entscheidung hätten führen können.
2. Das angefochtene Urteil ist auch in der Sache nicht zu beanstanden. Der
Verwaltungsgerichtshof hat angenommen, dass die Verbotsverfügung der Be-
klagten vom 24. September 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheids
vom 24. Februar 2003 ihre Rechtsgrundlage in Art. 7 Abs. 2 des Gesetzes über
das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht auf dem Gebiet der öffentli-
chen Sicherheit und Ordnung (Landesstraf- und Verordnungsgesetz - LStVG) in
der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Dezember 1982 (BayRS 2011-2-1)
hat. Nach dieser Vorschrift können die Sicherheitsbehörden zur Erfüllung ihrer
Aufgaben, soweit keine speziellen gesetzlichen Regelungen bestehen, u.a. für
den Einzelfall Anordnungen treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand
einer Strafgesetzes oder einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, zu verhüten
oder zu unterbinden.
a) Der Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Ver-
waltungsentscheidung zugrunde zu legen. Bei der Beurteilung der Begründet-
heit einer Klage ist auf die Sach- und Rechtslage abzustellen, auf die es nach
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- 17 -
dem Streitgegenstand und dem darauf anwendbaren materiellen Recht für die
Entscheidung ankommt. Danach ergibt sich für die Anfechtungsklage im Allge-
meinen, dass die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenent-
scheidung maßgeblich ist, es sei denn, das materielle Recht regelt etwas Ab-
weichendes (Urteil vom 28. Juli 1989 - BVerwG 7 C 39.87 - BVerwGE 82, 260
<261> = Buchholz 442.01 § 13 PBefG Nr. 29 S. 13 m.w.N.). Richtet sich der
maßgebliche Beurteilungszeitpunkt nach dem jeweils anzuwendenden Recht,
so obliegt seine Ermittlung bei anzuwendendem Landesrecht dem Berufungs-
gericht. Dem angefochtenen Urteil kann nicht entnommen werden, dass das
Berufungsgericht einen späteren Zeitpunkt als denjenigen der letzten Behör-
denentscheidung für maßgeblich gehalten hat. In der mündlichen Verhandlung
sind zum maßgeblichen Zeitpunkt gegensätzliche Ansichten vertreten worden.
Das Berufungsgericht führt zwar nicht ausdrücklich aus, von welchem Zeitpunkt
es als maßgeblich ausgeht. Aus dem Umstand, dass es die angefochtene Ver-
fügung in der Fassung des Widerspruchsbescheids als Gegenstand seiner Prü-
fung beschrieben und die seinerzeitige Ermessensausübung auf ihre Rechtmä-
ßigkeit untersucht hat, muss jedoch abgeleitet werden, dass es nicht von dem
dargestellten Grundsatz abweichen wollte, sondern den Zeitpunkt des Wider-
spruchsbescheids für maßgeblich erachtet hat. In Übereinstimmung hiermit hat
es die von der Klägerin im Verwaltungsstreitverfahren vorgetragenen späteren
Änderungen des Sachverhalts (Einschaltung eines Treuhänders, Vermittlung
von Sportwetten zugunsten eines Veranstalters in Malta) unerörtert gelassen.
Danach muss von dem Grundsatz ausgegangen werden, dass für die Beurtei-
lung der angefochtenen Polizeiverfügung die Sach- und Rechtslage im Zeit-
punkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich ist.
b) Mit der Heranziehung von Landesrecht als Prüfungsmaßstab der angefoch-
tenen Verfügungen beruht das Urteil des Berufungsgerichts auf nach § 137
Abs. 1 VwGO nicht der Revision an das Bundesverwaltungsgericht unterliegen-
dem Recht. An die Auslegung und Anwendung des irrevisiblen Landesrechts
durch das Berufungsgericht ist das Bundesverwaltungsgericht nach § 137
Abs. 1, § 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO (= § 562 ZPO a.F.) grundsätzlich ge-
bunden. Es hat aber zu prüfen, ob die dem angefochtenen Urteil zugrunde lie-
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gende Auslegung und Anwendung der landesrechtlichen Vorschrift im Einklang
mit Bundesrecht steht. Dies ist der Fall.
aa) Die Klägerin meint, Art. 7 Abs. 2 LStVG könne nicht angewandt werden,
weil das Gewerberecht und insbesondere §§ 14, 15 Abs. 2 und § 35 Abs. 9
GewO Vorrang vor der landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage hätten. Dem
kann nicht gefolgt werden.
(1) Nach § 1 Abs. 1 GewO ist der Betrieb eines Gewerbes jedermann gestattet,
soweit nicht durch die Gewerbeordnung Ausnahmen oder Beschränkungen
vorgeschrieben oder zugelassen sind. Dieser Grundsatz der Gewerbefreiheit
schließt es nicht ein, strafrechtlich verbotene Betätigungen auszuüben. Gegen
diese darf allein wegen des Verbots ordnungsrechtlich eingeschritten werden,
um weitere Straftaten zu verhindern.
(2) Die von der Klägerin angeführten einzelnen gewerberechtlichen Bestim-
mungen stehen einem Einschreiten aufgrund der landesrechtlichen General-
klausel aus dem dargelegten Grund ebenfalls nicht entgegen. Sie haben au-
ßerdem einen anderen Regelungsgehalt und zielen nicht auf die Unterbindung
weiterer Straftaten.
(2.1) Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 GewO hat u.a. derjenige, der den selbständigen
Betrieb eines stehenden Gewerbes anfängt, dies der zuständigen Behörde
gleichzeitig anzuzeigen. Diese Regelung gilt gemäß § 14 Abs. 2 GewO auch für
den Betrieb von Wettannahmen aller Art. Abgesehen von der dargelegten
grundsätzlichen Fehlvorstellung, dass das Gewerberecht der ordnungsrechtli-
chen Unterbindung strafrechtlich verbotener Betätigungen entgegenstehen
könnte, führt diese Bestimmung zu einer anderen Rechtsfolge als Art. 7 Abs. 2
LStVG und steht schon deshalb nicht in Konkurrenz zu der genannten landes-
rechtlichen Vorschrift. Sie zwingt denjenigen, der den Betrieb beginnt, zur An-
zeige und kann Rechtsgrundlage für einen Verwaltungsakt sein, durch den die
Behörde den Betroffenen zur Erfüllung der Anzeigepflicht auffordert (Urteil vom
26. Januar 1993 - BVerwG 1 C 25.91 - Buchholz 451.20 § 14 GewO Nr. 5). Sie
ermächtigt aber nicht dazu, bestimmte Betätigungen zu verbieten. Der Um-
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stand, dass die Anzeigepflicht nach § 14 Abs. 2 GewO auch für den Betrieb von
Wettannahmen aller Art gilt, führt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht
dazu, dass ein solcher Betrieb ausschließlich dem Rechtsregime der Gewerbe-
ordnung unterliegt. Das folgt aus historischen und rechtssystematischen Grün-
den. § 14 Abs. 2 GewO unterwirft den Betrieb von Wettannahmen aller Art der
gleichen Regelung wie den Handel mit Arzneimitteln, mit Losen von Lotterien
und Ausspielungen sowie mit Bezugs- und Anteilsscheinen auf solche Lose. Auf
derartige Betätigungen findet die Gewerbeordnung überwiegend nur dann
Anwendung, wenn dafür ausdrückliche Bestimmungen bestehen (§ 6 Abs. 1
Satz 2 GewO). Sie sollten dennoch der Anzeigepflicht unterworfen werden. § 14
Abs. 2 GewO ist wegen der Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 GewO erlassen
worden, um die Anzeigepflicht zu begründen. Wettannahmestellen sind bei
Erlass des Gesetzes vom 5. Februar 1960 (BGBl I S. 61), das zur Regelung
des § 14 Abs. 2 GewO geführt hat, als Verkaufsstellen von Lotterielosen
angesehen worden. Man ging im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens da-
von aus, dass sie ohne ausdrückliche Erwähnung in § 14 Abs. 2 GewO wegen
§ 6 Abs. 1 Satz 2 GewO von der Anzeigepflicht ausgenommen wären. Dies
sollte verhindert und die Anzeigepflicht durch die weite Fassung „Wettannah-
mestellen aller Art“ auf alle Wettannahmestellen bezogen werden (BTDrucks I-
II/318 S. 14). Wenn die ebenfalls von § 14 Abs. 2 GewO erfassten beruflichen
Betätigungen nicht in vollem Umfang, sondern nur hinsichtlich der Pflicht zur
Gewerbeanmeldung und hinsichtlich der eigens bestimmten Regelungen der
Gewerbeordnung unterfallen, so spricht nichts dafür, dass der Betrieb von
Wettannahmen allein durch die Erwähnung in § 14 Abs. 2 GewO ausschließlich
gewerberechtlich beurteilt werden soll.
(2.2) Gemäß § 15 Abs. 2 GewO kann die zuständige Behörde die Fortsetzung
des Betriebs verhindern, wenn ein Gewerbe, zu dessen Ausübung eine Erlaub-
nis, Genehmigung, Konzession oder Bewilligung (Zulassung) erforderlich ist,
ohne Zulassung betrieben wird. Diese Vorschrift kann auch eine Teilschließung
rechtfertigen, wenn nur in Bezug auf einen Teil des Betriebs die notwendige
Erlaubnis fehlt. Die Bestimmung setzt indessen, wie das Berufungsgericht mit
Recht ausführt, voraus, dass ein grundsätzlich nach Gewerberecht oder gewer-
berechtlichem Nebenrecht wie dem Gaststättengesetz zulassungsfähiges Ge-
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werbe betrieben wird, eine derartige Zulassung aber fehlt (vgl. Marcks, in: Land-
mann/Rohmer, Gewerbeordnung, Band 1, Stand Oktober 2004, § 15 Rn. 10;
Heß, in: Friauf, Gewerbeordnung, Stand September 2005, § 15 Rn. 11; Tettin-
ger/Wank, Gewerbeordnung, 7. Aufl. 2004, § 15 Rn. 14). Bundesrecht sieht
derzeit keinen Genehmigungstatbestand für Sportwetten vor, sondern unterwirft
derartige Veranstaltungen nach Maßgabe des § 284 StGB einem Re-
pressivverbot. Nach den irrevisiblen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs
bestehen auch keine landesrechtlichen Vorschriften über die Zulassung der
Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten mit fester Gewinnquote durch
Private. Das Gesetz über die vom Freistaat Bayern veranstalteten Lotterien und
Wetten (Staatslotteriegesetz) vom 29. April 1999 (GVBl S. 226) enthält keine
Regelung über privat veranstaltete Sportwetten; es behält vielmehr die Veran-
staltung solcher Wetten der Staatlichen Lotterieverwaltung vor (§ 2).
Im Übrigen ließe eine etwaige Schließungsbefugnis nach § 15 Abs. 2 GewO die
Zulässigkeit einer Unterbindung einzelner gewerblicher Betätigungen auf der
Grundlage des landesrechtlichen Ordnungsrechts ohnehin unberührt, wenn
damit, wie hier, kein Verbot der Gewerbeausübung insgesamt verbunden ist.
(2.3) Nach § 35 Abs. 9 GewO finden die Bestimmungen des § 35 Abs. 1 bis 8
GewO über die Gewerbeuntersagung Anwendung u.a. auf den Betrieb von
Wettannahmestellen aller Art. Danach könnte eine Gewerbeuntersagung oder
eine auf bestimmte Betätigungen zielende Teiluntersagung der Gewerbeaus-
übung in Betracht kommen. Eine Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO ver-
folgt indessen das Ziel, einen bestimmten Gewerbetreibenden an der gewerbli-
chen Tätigkeit zu hindern, weil er unzuverlässig ist. Mit der hier angefochtenen
Verfügung soll demgegenüber nicht der Ausschluss eines bestimmten Gewer-
betreibenden erreicht werden, sondern die Verhinderung einer bestimmten Be-
tätigung, welche unabhängig davon unzulässig ist, wer sie ausübt. Auch wenn
in einem solchen Fall ebenfalls eine Gewerbeuntersagungsverfügung deshalb
in Betracht kommt, weil derjenige, der eine strafrechtlich verbotene Betätigung
ausübt, aus diesem Grunde regelmäßig unzuverlässig ist, schließt dies die ord-
nungsrechtliche Unterbindung der betreffenden Straftat nicht aus.
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- 21 -
(2.4) § 14 Abs. 3 Satz 3 des Staatsvertrags zum Lotteriewesen in Deutschland
(BayGVBl 2004, 230), der die Unterrichtung der für die Gewerbeuntersagung
zuständigen Behörden über unzuverlässige Spielvermittler zum Regelungsge-
genstand hat, gehört nicht dem revisiblen Recht an und lässt auch einen Zu-
sammenhang mit der Unterbindung von Straftaten nicht erkennen. Abgesehen
davon ist der Lotterie-Staatsvertrag erst nach dem hier maßgeblichen Beurtei-
lungszeitpunkt in Kraft getreten.
bb) Das Berufungsgericht hat die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 7
Abs. 2 LStVG als erfüllt angesehen, weil die Klägerin mit der Vermittlung von
Sportwetten in ihrem Wettbüro an die S. GmbH Gera unerlaubte Glücksspiele
veranstaltet oder unterstützt und damit dem strafrechtlichen Glücksspielverbot
in § 284 Abs. 1 StGB zuwidergehandelt hat. Das verstößt nicht gegen revisibles
Recht. Namentlich hat das Verwaltungsgericht zutreffend einen Verstoß gegen
die bundesrechtliche Strafnorm des § 284 Abs. 1 StGB bejaht. Danach wird
bestraft, wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet
oder hält oder die Einrichtungen hierzu bereithält.
(1) Die Oddset-Wette ist ein Glücksspiel im Sinne der Strafnorm (Urteil vom
28. März 2001 - BVerwG 6 C 2.01 - BVerwGE 114, 92 <94 f.> = Buchholz 11
Art. 12 GG Nr. 258 S. 7 = GewArch 2001, 334 <335>). Wie der Senat in der
soeben zitierten Entscheidung, die ebenso wie der vorliegende Rechtsstreit das
Staatsmonopol für die Veranstaltung und Vermittlung von Oddset-Wetten in
Bayern betrifft, des weiteren ausgeführt hat, ist § 284 StGB eine Verbotsnorm
für unerwünschtes, weil sozial schädliches Verhalten. Die Geltung dieses Re-
pressivverbots hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom
28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - (NJW 2006, 1261), mit dem es die Verfas-
sungsbeschwerde der damaligen Klägerin, soweit sie sich gegen die genannte
Senatsentscheidung richtete, zurückgewiesen hat, nicht in Frage gestellt. Zwar
hat das Bundesverfassungsgericht im Gegensatz zu der im Urteil vom 28. März
2001 geäußerten Rechtsauffassung des Senats festgestellt, dass das bayeri-
sche Staatsmonopol für Sportwetten in seiner derzeitigen Ausgestaltung gegen
Art. 12 Abs. 1 GG verstößt, weil es nicht konsequent an dem Ziel der Bekämp-
fung von Suchtgefahren und der Begrenzung der Wettleidenschaft ausgerichtet
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ist. Es hat jedoch davon abgesehen, die Vorschriften über das staatliche Wett-
monopol und dessen Durchsetzung für nichtig zu erklären. Vielmehr hat es
(a.a.O. Rn. 146 ff.) die bisherige Rechtslage für eine Übergangszeit bis zu einer
gesetzlichen Neuregelung, für die es eine Frist bis zum 31. Dezember 2007
gesetzt hat, mit bestimmten, auf die Bekämpfung der Wettsucht gerichteten
Maßnahmen für weiter anwendbar erklärt und ausdrücklich hinzugefügt, dass
das gewerbliche Veranstalten von Wetten durch private Wettunternehmen und
die Vermittlung von Wetten, die nicht vom Freistaat Bayern veranstaltet wer-
den, weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden
werden dürfen. Das schließt die Annahme ein, dass die Veranstaltung und
Vermittlung von privaten Sportwetten in Bayern auch schon in der Zeit bis zum
Erlass des Urteils des Bundesverfassungsgerichts verboten waren und auf der
Grundlage der einschlägigen Eingriffsermächtigung des bayerischen Ord-
nungsrechts unterbunden werden durften. Dass der Freistaat Bayern im hier
maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt die vom Bundesverfassungsgericht für die
Zeit bis zum 31. Dezember 2007 (Rn. 160) geforderten Maßnahmen zur Errei-
chung eines Mindestmaßes an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung
der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung seines Monopols an-
dererseits noch nicht umgesetzt hatte, steht der behördlichen Befugnis zum
Einschreiten nicht entgegen, da diese Maßnahmen nach der Anordnung des
Bundesverfassungsgerichts ab Erlass des Urteils vom 28. März 2006 getroffen
werden müssen. Ebenso wenig kommt es für die Entscheidung des Senats
über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Ordnungsverfügungen darauf an,
ob ein Veranstalter oder Vermittler nach § 284 StGB bestraft werden kann,
wenn er das in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung verfassungswidrige Staats-
monopol missachtet hat; die Beantwortung dieser Frage hat das Bundesverfas-
sungsgericht (a.a.O. Rn. 159) den Strafgerichten überlassen.
(2) Die Klägerin hat mit ihrem Wettbüro entweder selbst Glücksspiele veranstal-
tet oder doch zumindest Einrichtungen hierfür bereitgestellt.
Veranstalter im Sinne dieser Bestimmung ist, wer verantwortlich und organisa-
torisch den äußeren Rahmen für die Abhaltung des Glücksspiels schafft und
der Bevölkerung dadurch den Abschluss von Spielverträgen ermöglicht (vgl.
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- 23 -
BGH, Urteil vom 28. November 2002 - 4 StR 260/02 - GewArch 2003, 332 = JZ
2003, 858 m. zustimmender Anm. Wohlers, JZ 2003, 860). Diese Vorausset-
zungen können dadurch erfüllt werden, dass zur Durchführung des Spielbetrie-
bes unter einer eigenen Firmenbezeichnung Räumlichkeiten angemietet werden
und die erforderliche Ausstattung bereitgestellt wird, Wettprogramme ausgelegt,
Einzahlungen der Spieler entgegengenommen und Gewinne ausgezahlt
werden. Dass Wettdaten an einen Dritten, hier die S. GmbH Gera, weitergelei-
tet werden und an diesen der Gewinnsaldo bis auf die Provision zu überweisen
ist, ändert daran nichts. Der Begriff des „Veranstaltens“ setzt nämlich nicht not-
wendig voraus, dass der Betroffene mit eigenen finanziellen Interessen am Er-
gebnis des Spielbetriebes tätig wird (zum Ganzen, BGH, Urteil vom
28. November 2002 a.a.O.; a.A. Horn, NJW 2004, 2047 <2053>). Nach den
tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts stimmt die Betätigung der
Klägerin in ihrem Wettbüro in Nürnberg in allen hiernach maßgeblichen Punkten
mit dem Sachverhalt überein, der dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom
28. November 2002 zugrunde liegt. Insbesondere hat - entgegen der Annahme
Heines (wistra 2003, 441) - auch der Bundesgerichtshof über einen Sachverhalt
entschieden, in dem ebenso wie im Fall der Klägerin ein Wettbüro mit dem Ziel
betrieben wurde, Wetten zugunsten eines anderenorts ansässigen und nicht mit
dem Betreiber des Wettbüros identischen Veranstalters zu vermitteln. Das Urteil
vom 28. November 2002 lässt erkennen, dass in Deutschland die Firma G. S.
die umschriebenen Betätigungen vorgenommen hatte und die Wettdaten an die
„Firma M, Isle of Man“ weiterreichte. Von einer Identität von Veranstalter und
Vermittler kann daher nicht die Rede sein. Daher muss das Urteil des
Bundesgerichtshofs dahin verstanden werden, dass die umschriebenen
Betätigungen auch den in Deutschland tätigen Betriebsinhaber zum „Veranstal-
ter“ machen.
Der Bundesgerichtshof hat in dem o.a. Urteil außerdem keinen Zweifel daran
gelassen, dass das seiner Entscheidung zugrunde liegende Geschehen das
Bereitstellen von Einrichtungen im Sinne der dritten Tatbestandsalternative des
§ 284 Abs. 1 StGB darstellt. Auch dieser Auffassung schließt sich der erken-
nende Senat an. Insbesondere kann er nicht der Auffassung folgen, dass die
Bereitstellung des Raumes und technischer Übermittlungsgeräte keine Bereit-
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stellung von Einrichtungen im Sinne des § 284 StGB sei (so Janz NJW 2003,
1694 <1697>). Es kommt nicht darauf an, ob die Gegenstände „bauartbedingt“
für ein Glücksspiel geeignet oder bestimmt sind. Es genügt, dass sie dafür tat-
sächlich genutzt werden (können und sollen).
(3) Nach Ansicht der Klägerin lag für ihre Betätigung jedenfalls die nach § 284
StGB erforderliche behördliche Erlaubnis vor. Sie beruft sich insoweit auf die
der S. GmbH Gera erteilte Gewerbeerlaubnis vom 14. September 1990 und
meint, diese Erlaubnis, die nach Art. 19 EV in der Bundesrepublik Deutschland
fortgelte, müsse ihr bei der Tätigkeit für die genannte Gesellschaft zugute
kommen, ohne dass es auf ihren räumlichen Geltungsbereich ankomme. Denn
der Verstoß gegen die bundesweit geltende Strafrechtsnorm entfalle bereits
dann, wenn von der Behörde irgendeines Landes der Bundesrepublik Deutsch-
land eine Glücksspielerlaubnis erteilt worden sei. Dem kann nicht gefolgt wer-
den.
§ 284 StGB knüpft die strafrechtliche Sanktionierung an das Fehlen einer Er-
laubnis und nimmt damit entsprechend der föderalen Struktur der Bundesrepu-
blik hin, dass die Veranstaltung von Glücksspielen von Land zu Land unter-
schiedlich zu beurteilen sein kann, nämlich danach, ob überhaupt eine Erlaub-
nis erteilt wird oder nicht. Die Klägerin meint, dass dies verfassungsrechtlich
unzulässig sei und verweist auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
16. März 2004 (- 1 BvR 1778/01 - BVerfGE 110, 141) zu § 143 Abs. 1 StGB.
Danach genügt die strafrechtliche Sanktionierung sehr unterschiedlicher lan-
desrechtlicher Verbote, einen gefährlichen Hund zu züchten oder Handel mit
ihm zu treiben, nicht den Anforderungen des Art. 72 Abs. 2 GG über die Inan-
spruchnahme der Gesetzgebungsbefugnis durch den Bund. Die Erwägungen
dieses Urteils können nicht auf § 284 StGB übertragen werden. § 284 Abs. 1
StGB ist nach Art. 125 GG fortgeltendes vorkonstitutionelles Bundesrecht (vgl.
zur Entwicklung der Norm v. Bubnoff, Leipziger Kommentar zum Strafgesetz-
buch, vor § 284 Rn. 3); der 1992 eingefügte § 284 Abs. 3 ist nach Art. 125a
Abs. 2 GG Bundesrecht, ohne dass die 1994 strenger gewordenen Vorausset-
zungen des Art. 72 Abs. 2 GG anzuwenden gewesen wären. Zudem werden
nicht Verstöße gegen Landesrecht sanktioniert, sondern es wird lediglich die
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bundeseinheitlich geltende Strafnorm für Glücksspiele, die vom Gesetzgeber
als generell unerwünscht und sozial schädlich angesehen werden, insoweit mit
dem Landesrecht verknüpft, als der Straftatbestand oder jedenfalls die Rechts-
widrigkeit des unter Strafe gestellten Verhaltens von dem Nichtbestehen einer
behördlichen Erlaubnis abhängig gemacht ist, so dass den Ländern ein Spiel-
raum für die Ausgestaltung der Voraussetzungen gewährt ist, unter denen von
dem Verbot der Glücksspielveranstaltung Befreiung gewährt werden soll (vgl.
Urteil vom 29. Juni 2000 - BVerwG 1 C 26.99 - GewArch 2000, 386). Das ist
nicht vergleichbar mit der bundesrechtlichen Sanktionierung unterschiedlicher
landesrechtlicher Verbote.
Hiernach kann von einer „strafrechtlichen Legalisierungswirkung“ der Gewerbe-
erlaubnis des Magistrats der Stadt Gera über ihren verwaltungsrechtlichen Gel-
tungsbereich hinaus nicht die Rede sein. Vielmehr ist die „strafrechtliche Lega-
lisierungswirkung“ der Erlaubnis mit ihrer verwaltungsrechtlichen Regelungswir-
kung identisch. Der Verstoß gegen das strafrechtliche Repressivverbot in § 284
StGB entfällt also nur, soweit die Erlaubnis reicht; im Übrigen hat es mit dem
Verbot sein Bewenden.
(4) Für die die gewerbliche Veranstaltung eines Glücksspiels durch Private be-
steht im Freistaat Bayern keine Erlaubnis. Die Klägerin ist nicht im Besitz einer
Erlaubnis. Die Erlaubnis vom 14. September 1990, die der Magistrat der Stadt
Gera der S. GmbH Gera auf der Grundlage des Gewerbegesetzes der Deut-
schen Demokratischen Republik vom 6. März 1990 (GBl DDR I S. 138) erteilt
hat, gilt zwar nach Art. 19 EV auch nach der Vereinigung der beiden deutschen
Staaten fort, hat aber keine Geltung im Freistaat Bayern. Sie kann daher der
Klägerin nicht zugute kommen.
Der räumliche Geltungsbereich (auch) eines nach Art. 19 EV in die Rechtsord-
nung der Bundesrepublik Deutschland übergeleiteten Verwaltungsaktes richtet
sich zunächst nach seinem Inhalt und den auf den geregelten Lebenssachver-
halt anzuwendenden Rechtsvorschriften und muss, soweit erforderlich, durch
Auslegung ermittelt werden (Beschluss vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 6 B
52.05 - GewArch 2006, 149 <151>). Der Regelungsgehalt ist entsprechend den
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zu §§ 133, 157 BGB entwickelten Regeln zu ermitteln. Die Auslegung auch ei-
nes Verwaltungsaktes richtet sich dabei nicht nach den subjektiven Vorstellun-
gen des Adressaten oder der erlassenden Behörde. Maßgebend ist entspre-
chend der Auslegungsregel des § 133 BGB der erklärte Wille, wie ihn der Emp-
fänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Auch für die Auslegung ei-
nes Verwaltungsaktes sind nur solche Umstände indiziell zu berücksichtigen,
die dem Empfänger bei Zugang der Willenserklärung erkennbar waren. Nicht
der innere, sondern der objektiv erklärte Wille ist maßgebend, wie ihn der Emp-
fänger verstehen kann. Der nach diesen Regeln tatrichterlich ermittelte Erklä-
rungsinhalt ist als Tatsachenfeststellung im Sinne des § 137 Abs. 2 VwGO
grundsätzlich nur eingeschränkt überprüfbar (vgl. Urteil vom 19. Februar 1982
- BVerwG 8 C 27.81 - BVerwGE 65, 61 <68> = Buchholz 406.11 § 131 BBauG
Nr. 45 S. 41; Beschluss vom 24. Januar 1991 - BVerwG 8 B 164.90 - Buchholz
316 § 54 VwVfG Nr. 6 = NVwZ 1991, 574 <575>). Dem Revisionsgericht ist
eine eigene Auslegung dann möglich, wenn das Tatsachengericht in seiner
Entscheidung nichts Näheres ausgeführt und insbesondere sein Auslegungser-
gebnis nicht näher begründet hat (Urteil vom 9. Juli 1982 - BVerwG 7 C 54.79 -
Buchholz 451.171 AtG Nr. 12 = DVBl 1982, 960; vgl. auch Urteile vom 9. Juni
1983 - BVerwG 2 C 34.80 - BVerwGE 67, 222 <234> = Buchholz 238.5 § 26
DRiG Nr. 1 S. 8 f. und vom 23. Mai 1984 - BVerwG 2 C 41.81 - Buchholz 316
§ 51 VwVfG Nr. 14 = NVwZ 1985, 181).
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich zur Begrenzung des Geltungsbereichs der
Gewerbeerlaubnis auf das Gebiet des Freistaats Thüringen im Wesentlichen
nicht durch Auslegung dieser Gestattung veranlasst gesehen, sondern durch
Einordnung in das nunmehr „im ganzen Bundesgebiet geltende Rechtssystem“.
Dies gestattet es dem Senat nach den dargestellten Grundsätzen, die Gewer-
beerlaubnis auszulegen und nach Maßgabe des Art. 19 EV über seine Reich-
weite zu entscheiden, soweit dies für das vorliegende Verfahren erheblich ist.
Die Gewerbeerlaubnis vom 14. September 1990 enthält keine Regelung über
ihren räumlichen Geltungsbereich. Mit Blick auf die Grenze der Hoheitsmacht
einer Behörde der DDR kann von vornherein nicht angenommen werden, dass
sie eine darüber hinaus reichende Wirkung entfalten sollte und konnte. Zu den
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bei der Auslegung zu berücksichtigenden Umständen können darüber hinaus
auch die Regelungen des Gewerbegesetzes der DDR sowie die historischen
Verhältnisse im Zeitpunkt der Bescheiderteilung berücksichtigt werden. Hinwei-
se für den Geltungsbereich der gewerberechtlichen Gestattung lassen sich aus
den gesetzlichen Versagungsgründen ableiten. Nach § 3 Abs. 6 des Gewerbe-
gesetzes der DDR durfte die Erlaubnis nur versagt werden, „wenn der Schutz
des Gemeinwohls der Bürger und Gemeinschaften sowie Hygiene und Umwelt
die Ausübung nicht zulassen …“. Dienen die Versagungsgründe dem Schutz
der Verhältnisse und der Bewohner der früheren DDR, so spricht dies dafür,
dass der Geltungsbereich gewerberechtlicher Erlaubnisse auch nur auf das
Gebiet der ehemaligen DDR bezogen sein sollte. Der Hygiene und Umwelt
betreffende Versagungsgrund betrifft tendenziell einen engen räumlichen Be-
reich, lässt jedenfalls einen Bezug über das damalige Staatsgebiet der DDR
hinaus nicht deutlich werden. Der Schutz des Gemeinwohls der Bürger und
Gemeinschaften ist auf das Staatsgebiet der früheren DDR bezogen. Der Be-
griff „Bürger“ greift den entsprechenden Begriff der Verfassung der DDR auf
(vgl. etwa Art. 3 Abs. 2 Satz 2, Art. 5 Abs. 1 VerfDDR). Nach dem gewerbe-
rechtlichen Zusammenhang dürften als „Gemeinschaften“ vor allem in der DDR
auf dem Gebiet der Wirtschaft tätige Zusammenschlüsse rechtsfähiger oder
nicht rechtsfähiger Art angesprochen sein, wie sie in §§ 10 und 11 des Gewer-
begesetzes angesprochen sind, möglicherweise auch solche Gemeinschaften,
die sich in der DDR namentlich zur gemeinsamen Verwirklichung betrieblicher
Funktionen und Tätigkeiten entwickelt hatten, beispielsweise Kooperationsge-
meinschaften, Konsortien, Warenzeichenverbände (vgl. dazu Heuer u.a.,
Sozialistisches Wirtschaftsrecht - Instrument der Wirtschaftsführung, Berlin
1971, S. 149 ff.). Einen deutlichen Bezug zum Staatsgebiet der DDR weist auch
§ 6 des Gewerbegesetzes über den Missbrauch wirtschaftlicher Macht aus. Er
knüpft an die „Marktbeherrschung“ von Gewerbetreibenden an, was nur den
Markt der DDR betreffen kann. Nichts spricht dafür, dass im März 1990 bei
Erlass des Gewerbegesetzes ein staatsgebietsübergreifendes Verständnis die-
ser Begriffe angenommen werden könnte. Der Staatsvertrag über die Schaffung
einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik wurde erst am
18. Mai 1990 vereinbart. Der Einigungsvertrag kam erst am 31. August 1990
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zustande. Nichts spricht dafür, dass ein Hoheitsträger der DDR eine das sei-
nerzeitige Staatsgebiet übergreifende Regelung treffen wollte, geschweige
denn, dass er staats- und völkerrechtlich so hätte verfahren dürfen. Ein solches,
nicht über das Gebiet der ehemaligen DDR hinausgehendes Verständnis der
Erlaubnis musste sich der S. GmbH Gera bei Erhalt der Erlaubnis aufdrängen.
Art. 19 EV hat nicht, wie die Klägerin meint, „im Wege der Maßstabsvergröße-
rung“ zur Erstreckung auf die gesamte Bundesrepublik geführt. Nach Art. 19
Satz 1 EV, der die Überschrift „Fortgeltung von Entscheidungen der öffentlichen
Verwaltung“ trägt, bleiben vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangene
Verwaltungsakte der Deutschen Demokratischen Republik wirksam. Sie können
aufgehoben werden, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder Re-
gelungen dieses Vertrages unvereinbar sind (Art. 19 Satz 2 EV). Im Übrigen
bleiben die Vorschriften über die Bestandskraft von Verwaltungsakten unberührt
(Art. 19 Satz 3 EV).
Durch Art. 19 EV ist grundsätzlich keine inhaltliche Änderung von Verwaltungs-
akten der DDR-Behörden eingetreten (insoweit zutreffend Horn, NJW 2004,
2047 <2050>). Diese Vertragsbestimmung bezweckte zum einen, dem Gedan-
ken des Vertrauensschutzes bei begünstigenden Verwaltungsakten dahin ge-
hend Rechnung zu tragen, dass die betreffende Einzelentscheidung in ihrer
regelnden Wirkung grundsätzlich erhalten bleibt. Zum anderen verfolgte sie den
Zweck, die mit dem Einigungsvertrag insgesamt angestrebte Rechtseinheit zu
fördern. Um dieses Zieles willen kommt daher Verwaltungsakten der DDR ge-
mäß Art. 19 Satz 1 EV je nach ihrer regelnden Wirkung grundsätzlich ebenso
Geltung im gesamten (erweiterten) Bundesgebiet zu, wie dies auch für Verwal-
tungsakte zutrifft, die bis zum 3. Oktober 1990 von der Behörde eines alten
Bundeslandes erlassen worden sind (vgl. für einen statusbegründenden Ver-
waltungsakt Urteil vom 15. Oktober 1997 - BVerwG 7 C 21.96 - BVerwGE 105,
255 <261> = Buchholz 11 Art. 140 GG Nr. 62, S. 43). Die nach Art. 19 EV als
bundesdeutsche Verwaltungsakte fortgeltenden Verwaltungsakte der Deut-
schen Demokratischen Republik erfordern also im Blick auf die Frage nach ihrer
bundesweiten Geltung eine hypothetische Prüfung: kommt einem inhaltlich
entsprechenden Verwaltungsakt der Behörde eines alten Bundeslandes bun-
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desweite Geltung zu, so ist dasselbe für den nach Art. 19 EV fortgeltenden
Verwaltungsakt anzunehmen; anderenfalls ist eine solche Geltung zu vernei-
nen, weil die für die angestrebte Rechtseinheit maßgebliche Rechtsordnung der
(erweiterten) Bundesrepublik Deutschland durch deren föderale Struktur und
die damit verbundenen unterschiedlichen Regelungsbefugnisse mitgeprägt ist,
so dass sie nicht selten Regelungsverschiedenheiten in den einzelnen Bundes-
ländern hervorbringt. Eine weiter reichende, weder durch den Grundsatz des
Vertrauensschutzes noch durch den so verstandenen Gedanken der Rechts-
einheit gebotene „Maßstabvergrößerung“ ist in der Vertragsbestimmung nicht
angelegt. Im hier gegebenen Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass auch
in den Ländern der alten Bundesrepublik Erlaubnisse für die gewerbliche Ver-
anstaltung von Wetten auf Sportveranstaltungen (mit Ausnahme von Pferde-
wetten, dazu Urteil vom 4. Oktober 1994 - BVerwG 1 C 13.93 - BVerwGE 97,
12 <13> = Buchholz 11 Art. 12 Nr. 232, S. 36 = GewArch 1995, 63) nur nach
dem jeweiligen Landesrecht erteilt werden konnten und demzufolge in den alten
Bundesländern, hätten sie erteilt werden dürfen, nur Wirkung im Gebiet des
betreffenden Bundeslandes hätten beanspruchen können. Die Gewerbeerlaub-
nis traf mit der Wiedervereinigung auf den bundesweit geltenden § 284 StGB,
dem bundesrechtlich ein Repressivverbot für Glücksspiele zugrunde liegt, von
dem, soweit hier von Interesse, nur nach Maßgabe des jeweiligen Landesrechts
Befreiung im Rahmen der Kompetenz des jeweiligen Landes erteilt werden
kann. Eine außerhalb des Freistaats Bayern erteilte Glücksspielerlaubnis
berechtigt also, solange es dafür keine bundeseinheitliche Rechtsgrundlage
gibt, nicht dazu, in Bayern Glücksspiele zu veranstalten oder Einrichtungen da-
für bereitzustellen. Für die hier in Rede stehende Gewerbeerlaubnis gilt daher
Entsprechendes. Mit dem Fehlen ihrer Erstreckung auf den Freistaat Bayern
teilt die Gewerbeerlaubnis der S. GmbH Gera das Schicksal aller vergleichba-
ren Gestattungen und führt weder zu einer dem Gedanken des Vertrauens-
schutzes widerstreitenden Benachteiligung des Erlaubnisnehmers noch zu einer
Gefährdung der nach Maßgabe der föderalen Grundordnung bestehenden
Rechtseinheit in der Bundesrepublik Deutschland. Daher kann nicht davon
ausgegangen werden, dass die Erlaubnis auch Wirkung im Freistaat Bayern in
dem Sinne hat, dass mit ihr dort die Betätigung „Abschluss von Sportwetten
- Buchmacher“ gestattet ist.
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Mit einem derartigen Verständnis setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu
dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11. Oktober 2001 - I ZR 172/99 -
(GewArch 2002, 162). Darin hat der Bundesgerichtshof nicht entschieden,
dass eine nach dem Gewerbegesetz der DDR erteilte Gewerbeerlaubnis nach
Art. 19 EV Geltung im gesamten Bundesgebiet hat, sondern lediglich die bis
dahin von Behörden und Gerichten vertretene Auffassung dazu referiert und
daraus geschlossen, dass der seinerzeitige Beklagte sich nicht wettbewerbs-
widrig verhalten hatte.
Welche Reichweite die Erlaubnis in dem Gebiet der neuen Bundesländer hat,
ist aus Anlass dieses Rechtsstreits nicht zu entscheiden. Soweit die Frage in
Anwendung des nicht revisiblen Rechts zu entscheiden ist, haben grundsätzlich
die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Ländern darüber zu befin-
den. Soweit revisibles Recht betroffen sein kann, ist zu berücksichtigen, dass
seinerzeit der Freistaat Thüringen noch nicht bestand, der erst zum 3. Oktober
1990 errichtet worden ist (Verfassungsgesetz zur Bildung von Ländern in der
Deutschen Demokratischen Republik - Ländereinführungsgesetz - vom 22. Juli
1990, GBl DDR I S. 955, i.V.m. Kapitel I Art. 1 Abs. 1 EV und Kapitel II Sach-
gebiet A Abschnitt II der Anlage II). Im Hinblick auf Art. 19 Satz 2 und 3 EV hat
der Senat bereits in seinem Beschluss vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 6 B
52.05 - (GewArch 2006, 149 <152>) auf die Möglichkeit hingewiesen, die nach
Art. 19 EV Satz 1 EV fortgeltenden Verwaltungsakte nach den Sätzen 2 oder 3
derselben Vorschrift aufzuheben; diese Befugnisse stehen der Behörde oder
den Behörden zu, die nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland nun-
mehr für die betreffende Regelungsmaterie zuständig ist oder sind.
(5) Erstreckt sich die Reichweite der Gewerbeerlaubnis vom 14. September
1990 jedenfalls nicht auf Bayern, kann auch auf sich beruhen, ob sie überhaupt
die Veranstaltung von Oddset-Wetten erlaubt, was vorrangig in Anwendung
nicht revisiblen Rechts der ehemaligen DDR zu entscheiden ist (vgl. auch OLG
Köln, Urteil vom 1. September 2000 - 6 U 53/99 - VIZ 2001, 165).
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cc) Da im maßgeblichen Zeitpunkt ein grenzüberschreitender Bezug der Betäti-
gung der Klägerin nicht vorliegt, stellen sich keine Fragen zum Gemeinschafts-
recht. Die von der Klägerin angesprochene „Inländerdiskriminierung“ liegt nicht
vor. Führt eine mangelnde Übereinstimmung von nationalem Recht und Ge-
meinschaftsrecht, die unter Zugrundelegung des Urteils des Bundesverfas-
sungsgerichts vom 28. März 2006 ohnehin nicht besteht, dazu, dass Deutschen
nach nationalem Recht weniger weitgehende Rechte zustehen als Ausländern
nach Gemeinschaftsrecht, so stellt die darin liegende Inländerdiskriminierung
eine solche des nationalen Rechts, nicht des Gemeinschaftsrechts, dar und ist
folglich an denjenigen nationalen Normen zu messen, die eine Diskriminierung
verbieten, also vor allem an Art. 3 Abs. 1 GG. Eine danach unzulässige Diskri-
minierung liegt vor, wenn gleiche Sachverhalte ohne sachlichen Grund ungleich
behandelt werden. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes ist hier jedoch zu
verneinen, selbst wenn unterstellt würde, dass ein Gemeinschaftsbürger auf der
Grundlage einer in einem anderen Mitgliedstaat erteilten Erlaubnis in
Deutschland Sportwetten veranstalten oder vermitteln dürfte. Denn im Unter-
schied zu einem derartigen Hineinwirken der in einem anderen Mitgliedstaat
erteilten Erlaubnis in den (gesamten) nationalen Rechtsraum gilt die der S.
GmbH Gera erteilte Erlaubnis vom 19. September 1990 nicht in Bayern, und die
Klägerin selbst verfügt nicht über eine in einem anderen Mitgliedstaat erteilte
Erlaubnis zur Veranstaltung von Oddset-Wetten. Im Übrigen hat das Bun-
desverfassungsgericht entschieden, dass während der Übergangszeit bis zum
31. Dezember 2007 die Veranstaltung und Vermittlung von nicht durch den
Freistaat Bayern angebotenen Oddset-Wetten durch gewerbliche Veranstalter
ordnungsrechtlich unterbunden werden können. Das schließt ein, dass in einem
solchen Vorgehen kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt.
dd) Auch sonstige vom Revisionsgericht zu prüfende Rechtsfehler der ange-
fochtenen Verfügungen liegen nicht vor. Namentlich mussten die Verwaltungs-
behörden bei ihrer Ermessensbetätigung nicht den Umstand berücksichtigen,
dass das Bayerische Staatslotteriegesetz in der derzeitigen Ausgestaltung ver-
fassungswidrig ist (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 a.a.O.). Da das Gesetz
nicht für nichtig erklärt worden ist, vielmehr das Staatsmonopol bis zum 31. De-
zember 2007 nach Maßgabe der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts
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durchgesetzt werden darf, war die Verfassungswidrigkeit des Bayerischen
Staatslotteriegesetzes auch im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwal-
tungsentscheidung nicht in die Ermessenserwägungen einzustellen. Ob die
Behörden überhaupt insoweit eine „Normverwerfungskompetenz“ haben (vgl.
dazu Urteil des Senats vom 31. Januar 2001 - BVerwG 6 CN 2.00 - BVerwGE
112, 373 <381 f.> = Buchholz 406.401 § 1 BNatSchG Nr. 5, S. 6 f.) kann daher
auf sich beruhen. Eine Befristung der Untersagungsverfügung auf den 31. De-
zember 2007 brauchte den angefochtenen Verfügungen entgegen der Auffas-
sung der Klägerin nicht beigefügt zu werden. Die Klägerin verfügt über keine
Erlaubnis im Sinne des § 284 Abs. 1 StGB. Soweit ersichtlich, hat sie eine sol-
che Erlaubnis bisher gar nicht beantragt. Sollte sie eine solche Erlaubnis nach-
folgend, etwa nach einer Neuregelung des Sportwettenrechts, auf Antrag erhal-
ten, wäre die Untersagungsverfügung dadurch überholt.
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Dr. Bardenhewer Dr. Hahn Dr. Graulich
Vormeier Dr. Bier
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 20 000 €
festgesetzt.
Dr. Bardenhewer Dr. Hahn Dr. Graulich
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Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Spielbanken-, Wett- und Lotterierecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
GG
Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 70 Abs. 1, Art. 72 Abs. 1,
Art: 74 Abs. 1 Nr. 11
StGB
§§ 9, 284
GewO § 33h
Gesetz über die vom Freistaat Bayern veranstalteten Lotterien und Wetten vom
29. April 1999
Stichworte:
Sportwette; Oddset-Wette; Repressivverbot; Erlaubnisvorbehalt; Gefahren; Spiel-
leidenschaft; Ausnutzung der Spielleidenschaft; Gewerbeerlaubnis der DDR.
Leitsatz:
Das gewerbliche Veranstalten von Sportwetten durch private Wettunternehmen
und die Vermittlung derartiger Wetten, die nicht vom Freistaat Bayern veranstaltet
werden, dürfen derzeit in Bayern ordnungsrechtlich unterbunden werden. Eine von
einem Hoheitsträger in der früheren DDR erteilte gewerberechtliche Erlaubnis zur
Veranstaltung von Sportwetten rechtfertigt es nicht, in Bayern solche Wetten zu
veranstalten oder zu vermitteln.
Urteil des 6. Senats vom 21. Juni 2006 - BVerwG 6 C 19.06
I. VG Ansbach vom 14.08.2003 - Az.: VG AN 5 K 03.00443 -
II. VGH München vom 29.09.2004 - Az.: VGH 24 BV 03.3162 -