Urteil des BVerwG vom 20.08.2014

Abgabepflicht, Bildträger, Vorführung, Begriff

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 6 C 14.13
OVG 6 B 1.12
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. August 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Graulich, Dr. Möller, Hahn und
Prof. Dr. Hecker
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Ober-
verwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. Juni 2013
wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e :
I
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zur Filmabgabe der Video-
wirtschaft nach dem Filmförderungsgesetz.
Die Klägerin ist ein Tochterunternehmen des Rundfunks Berlin-Brandenburg
und verwertet unter anderem das Programmvermögen des Senders. Sie ver-
treibt Bildträger (DVD-Datenträger und Videokassetten), die Fernsehfilme bzw.
jeweils mehrere Folgen bestimmter Fernsehserien enthalten (hier in Rede ste-
hend: „Drei Damen vom Grill“, „Die Koblanks“, „Molle mit Korn“, „Café Werni-
cke“, „Best of Kurt Krömer Show“, „Panda, Gorilla & Co.“, „Manne Dumke“,
„Berlin wie es war“, „Berlin how it used to be“). Die drei letztgenannten Titel
dauern als Einzeltitel 60 bzw. 87 Minuten und belegen jeweils einen Bildträger.
Bei den übrigen Titeln, die Fernsehserien darstellen, liegt die Laufzeit der ein-
zelnen Folgen zwischen 18 und 50 Minuten, wobei stets mehrere Folgen auf
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einem Bildträger mit einer Gesamtlaufzeit von jeweils weit mehr als einer Stun-
de aufgespielt sind.
Mit Bescheid vom 14. Juli 2009 zog die Beklagte die Klägerin unter Berufung
auf § 66a Abs. 1 Satz 1 FFG für die Zeit von Januar bis Juni 2009 zu einer
Filmabgabe der Videowirtschaft für die genannten Bildträger in der auf einer
Umsatzschätzung beruhenden Höhe von 1 200 € heran. Die Klägerin legte
gegen den Heranziehungsbescheid Widerspruch ein und gab darüber hinaus
an, der Umsatz aus dem Verkauf der in Rede stehenden Bildträger habe sich
im Jahr 2008 auf 87 812,87 € und für die Monate Januar bis Mai 2009 auf
24 965,33 € belaufen. Daraufhin gab die Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 13. Juli 2010 dem Widerspruch in Höhe von 550,63 € statt (1 200 € -
449,37 € <1,8 % von 24 965,33 € für Januar bis Mai 2009> - 200 €
trag für Juni 2009> = 550,63 €) und wies den Rechtsbehelf im Übrigen - in Hö-
he von 649,37 € - zurück.
Das Verwaltungsgericht hat der auf Aufhebung des Bescheids vom 14. Juli
2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Juli 2010 gerichteten
Klage stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklag-
ten zurückgewiesen: Die Voraussetzungen des § 66a Abs. 1 Satz 1 FFG für die
Erhebung der streitigen Filmabgabe der Videowirtschaft von der Klägerin als
Programmanbieterin lägen nicht vor. Zwar würden durch den weit zu verste-
henden Begriff des Films im Sinne der Vorschrift nicht nur Kinofilme, sondern
auch Fernsehfilme einschließlich einzelner Teile oder Folgen von Fernsehse-
rien erfasst. Der Abgabepflicht unterlägen jedoch nur Bildträger, die mit Filmen
bespielt seien, deren Einzellaufzeit mehr als 58 Minuten betrage. Es reiche
nicht aus, dass nur die Gesamtlaufzeit des jeweiligen Bildträgers die Zeitgrenze
von 58 Minuten überschreite, die einzelnen darauf gespeicherten Filme aber
kürzer seien, wie dies hier bei den einzelnen Folgen der von der Klägerin ver-
markteten Fernsehserien durchweg der Fall sei. Für dieses Verständnis, das
bereits durch den Gesetzeswortlaut nahegelegt werde, spreche eindeutig die
Gesetzessystematik. Die Vorschriften des § 66a Abs. 2 FFG, des § 66 Abs. 1
FFG und des § 67 Abs. 1 FFG, auf deren Grundlage die Videoabrufdienste, die
Filmtheater und die Fernsehveranstalter zur Filmabgabe herangezogen würden,
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knüpften der Sache nach nahezu ausschließlich an (einzelne) Filme mit einer
Laufzeit von mehr als 58 Minuten an. Fernsehfilme oder Teile von Fernsehse-
rien, deren einzelne Folgen diese Laufzeit nicht erreichten, würden jedenfalls
faktisch von keinem dieser Abgabetatbestände erfasst. Dass für die Abgabe-
pflicht der Programmanbieter nach § 66a Abs. 1 Satz 1 FFG nichts anderes
gelten könne, ergebe sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift.
Die Gesetzesmaterialien zu ihrer Einführung im Jahr 1986 deuteten darauf hin,
dass die Abgabe nur für solche Filme erhoben werden sollte, die programmfül-
lend und echte Spielfilme seien. Zudem hänge die verfassungsrechtliche Zuläs-
sigkeit der Filmabgabe als Sonderabgabe davon ab, dass ihr Bezugspunkt nach
allen Abgabetatbeständen jedenfalls im Grundsatz der Kinofilm sei. Dieser Um-
stand drohe aus dem Blick zu geraten und seine Wirkung zur verfassungsrecht-
lichen Rechtfertigung der Abgabe zu verlieren, wenn von § 66a Abs. 1 Satz 1
FFG hierneben nicht nur Fernsehfilme mit einer Einzellaufzeit von mehr als
58 Minuten, sondern darüber hinaus auch Fernsehproduktionen mit kürzeren
Einzellaufzeiten erfasst würden. Im vorliegenden Fall könne auch keine der in
Rede stehenden Fernsehserien unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen
Verknüpfung ihrer Folgen als einheitlicher, dann in seiner Laufzeit die Zeitgren-
ze von 58 Minuten überschreitender Film angesehen werden. Denn zum Ent-
stehen einer Abgabepflicht führe eine solche inhaltliche Verknüpfung jedenfalls
dann nicht, wenn sich - wie bei allen hier in Betracht kommenden Produktio-
nen - bei einer Addition der einzelnen Laufzeiten eine Gesamtlaufzeit ergebe,
die ein kinotaugliches Format von regelmäßig höchstens zwei Stunden und nur
in seltenen Fällen länger weit überschreite. Soweit schließlich einzelne Fern-
sehfilme („Manne Dumke“, „Berlin wie es war“, „Berlin how it used to be“) die
erforderliche Mindestlaufzeit von mehr als 58 Minuten erreichten, überstiegen
die mit dem Vertrieb der entsprechenden Bildträger erzielten Nettoumsätze
nicht den Freibetrag von 50 000 € nach § 66a Abs. 1 Satz 1 FFG.
Gegen dieses Urteil richtet sich die von dem Oberverwaltungsgericht zugelas-
sene Revision der Beklagten: Das Berufungsgericht verstehe zwar den in § 66a
Abs. 1 Satz 1 FFG enthaltenen Begriff des Films zunächst zu Recht in einem
weiten Sinne, setze diesen Begriff im Weiteren jedoch in widersprüchlicher und
gegen die Denkgesetze verstoßender Weise faktisch mit dem Kinofilm einer
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bestimmten Mindest- und Höchstlänge gleich. Das Berufungsgericht habe fer-
ner bei seiner Gesetzesauslegung, was seine Annahme anbelange, die Abga-
bepflicht werde tatbestandsübergreifend faktisch nur durch einzelne Filme mit
einer Laufzeit von mehr als 58 Minuten ausgelöst, keine hinreichende Sachver-
haltsaufklärung betrieben und durch die Verwertung seiner insoweit gleichwohl
getroffenen Feststellungen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs ver-
letzt. Nach zutreffender Normauslegung komme es für die Abgabepflicht aus
§ 66a Abs. 1 Satz 1 FFG darauf an, ob die Gesamtlaufzeit des jeweiligen Bild-
trägers mehr als 58 Minuten betrage, wogegen nicht entscheidend sei, ob ein
einzelner auf dem Bildträger aufgespielter Film bzw. eine dort befindliche Se-
rienfolge die Mindestlaufzeit erreichten. Dies ergebe sich insbesondere daraus,
dass § 66 Abs. 1 FFG als Grundtatbestand der Filmabgabe für die Abgabe-
pflicht der Filmtheater auf die Laufzeit der Vorführung, für die Eintrittskarten
verkauft würden, nicht aber auf die Laufzeit eines einzelnen vorgeführten Films
abstelle. Diesen Grundgedanken habe der Gesetzgeber auf die Filmabgabe der
Videowirtschaft nach § 66a Abs. 1 Satz 1 FFG übertragen. Ungeachtet dessen
seien jedenfalls bei denjenigen Fernsehserien, deren Folgen Teil einer fortlau-
fenden Handlung seien (nach Einschätzung der Beklagten: „Molle mit Korn“,
„Die Koblanks“ und „Café Wernicke“), die einzelnen Folgen aus inhaltlichen
Gründen zusammenzurechnen und jeweils als einheitlicher Film mit einer Lauf-
zeit von mehr als 58 Minuten zu behandeln. Durch die in diesem Zusammen-
hang erhobene Forderung eines in zeitlicher Hinsicht kinotauglichen Formats
habe das Oberverwaltungsgericht in verfahrensfehlerhafter Weise und durch
eine Rechtsfortbildung contra legem ein zusätzliches Kriterium eingeführt, das
dem Gebot der Rechtssicherheit nicht genüge.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 18. Januar
2011 und das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-
Brandenburg vom 5. Juni 2013 zu ändern und die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche
Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die zulässige Revision, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteilig-
ten nach § 141 i.V.m. § 125 Abs. 1 und § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche
Verhandlung entscheidet, ist unbegründet und deshalb gemäß § 144 Abs. 2
VwGO zurückzuweisen. Das Oberverwaltungsgericht hat, auch soweit sein
Urteil nicht in vollem Umfang im Einklang mit Bundesrecht nach § 137 Abs. 1
VwGO steht, die Berufung der Beklagten gegen das klagestattgebende verwal-
tungsgerichtliche Urteil jedenfalls im Sinne von § 144 Abs. 4 VwGO im Ergebnis
zutreffend zurückgewiesen.
Rechtsgrundlage für die Erhebung der Filmabgabe der Videowirtschaft von
Programmanbietern wie der Klägerin ist § 66a Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über
Maßnahmen zur Förderung des deutschen Films (Filmförderungsgesetz - FFG)
i.d.F. der Bekanntmachung vom 24. August 2004 (BGBl I S. 2277), für den hier
maßgeblichen Veranlagungszeitraum von Januar bis Juni 2009 zuletzt rückwir-
kend geändert durch Art. 1 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Filmför-
derungsgesetzes vom 31. Juli 2010 (BGBl I S. 1048). Danach hat, wer als In-
haber der Lizenzrechte Bildträger, die mit Filmen mit einer Laufzeit von mehr
als 58 Minuten bespielt sind, in der Bundesrepublik Deutschland zur Vermie-
tung oder zum Weiterverkauf in den Verkehr bringt oder unmittelbar an Letzt-
verbraucher verkauft, vom Nettoumsatz mit abgabepflichtigen Bildträgern eine
Filmabgabe zu errichten, wenn dieser 50 000 € im Jahr übersteigt. Die Abgabe-
sätze sind nach Maßgabe des § 66a Abs. 3 FFG nach der Umsatzhöhe gestaf-
felt.
Das Oberverwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der
an die Klägerin gerichtete Abgabebescheid der Beklagten vom 14. Juli 2009
von dieser bundesrechtlichen Rechtsgrundlage nicht getragen wird. Zwar stel-
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len nach der richtigen Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts die von der
Beklagten in den Blick genommenen Fernsehproduktionen, mit denen die von
der Klägerin an Letztverbraucher verkauften Bildträger bespielt sind, Filme im
Sinne des § 66a Abs. 1 Satz 1 FFG dar. Dies gilt nicht nur für die erfassten Ein-
zeltitel („Manne Dumke“, „Berlin wie es war“ und „Berlin how it used to be“),
sondern auch für die im Übrigen betroffenen Folgen von Fernsehserien (1.).
Diese Filme erreichen jedoch, wie von dem Oberverwaltungsgericht zu Recht
erkannt, mit Ausnahme der drei genannten Einzeltitel nicht die Mindestlaufzeit
von mehr als 58 Minuten, die § 66a Abs. 1 Satz 1 FFG mit Bezug auf den Ein-
zelfilm bzw. die einzelne Serienfolge und nicht auf den Bildträger als Medium
verlangt. Die Abgabepflicht für einen Film im Sinne des § 66a Abs. 1 Satz 1
FFG wird hier nicht deshalb ausgelöst, weil die einzelnen Folgen einer Serie
inhaltlich zusammenhängen, deshalb einen einheitlichen Film bilden könnten
und ihre Laufzeiten aus diesem Grund zusammenzurechnen wären. Eine sol-
che Zusammenfassung einzelner Folgen zu einem die Abgabepflicht auslösen-
den Film scheitert zwar nicht an der von dem Oberverwaltungsgericht ange-
nommenen Voraussetzung, dass die zusammengerechneten Folgen als einheit-
licher Film betrachtet in zeitlicher Hinsicht ein kinotaugliches Format aufweisen
müssten. Eine solche Zusammenfassung einzelner Folgen ist jedoch regelmä-
ßig, so auch hier, ausgeschlossen, weil der Abgabepflicht kein inhaltlicher, son-
dern ein formaler Ansatz zu Grunde liegt (2.). Der Nettoumsatz, den die Kläge-
rin aus dem Verkauf von Bildträgern erzielt hat, die - in den drei genannten Fäl-
len - mit einem die Mindestlaufzeit erreichenden Einzelfilm bespielt sind, liegt
innerhalb des durch § 66a Abs. 1 Satz 1 FFG eingeräumten Freibetrags (3.).
1. Bei allen Fernsehtiteln, mit denen die hier in Rede stehenden, von der Kläge-
rin vertriebenen Bildträger bespielt sind, handelt es sich um Filme im Sinne des
§ 66a Abs. 1 Satz 1 FFG. Das Oberverwaltungsgericht ist in Übereinstimmung
mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteil vom 23. Februar 2011
- BVerwG 6 C 22.10 - BVerwGE 139, 42 = Buchholz 451.551 FFG Nr. 11
Rn. 87) davon ausgegangen, dass der Begriff des Films als solcher im Rege-
lungszusammenhang der Vorschrift weit zu verstehen ist, so dass er insbeson-
dere nicht nur Kinofilme, sondern auch Fernsehproduktionen - einzelne Fern-
sehfilme und Folgen von Fernsehserien - umfasst und zudem keinen Raum für
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inhaltliche Differenzierungen lässt. Dies ergibt sich gesetzessystematisch im
Wege des Umkehrschlusses zum einen daraus, dass § 67 FFG die Filmabgabe
der Fernsehveranstalter nur an die Verwertung von Kinofilmen anknüpft, zum
anderen daraus, dass § 66a Abs. 1 Satz 2 FFG spezielle Filminhalte, die kei-
nem gängigen Kinoformat entsprechen, von der Filmabgabe der Videowirtschaft
freistellt. Dementsprechend ist bei Änderungen des Filmförderungsgesetzes die
Einschätzung des Gesetzgebers zu Tage getreten, dass sich die Filmabgabe
der Videowirtschaft zu einem beträchtlichen Teil aus dem Verkauf von Bildton-
trägern mit Fernsehproduktionen speise und die Videoprogramme einer inhaltli-
chen Differenzierung nicht unterliegen sollten (BTDrucks 17/1292 S. 8,
BTDrucks 13/9695 S. 29).
2. Abgesehen von den eingangs genannten, drei Einzeltitel betreffenden Aus-
nahmen sind die von der Klägerin vertriebenen Bildträger gleichwohl nicht nach
§ 66a Abs. 1 Satz 1 FFG abgabepflichtig, weil ungeachtet ihrer eigenen Ge-
samtlaufzeit die einzelnen Filme, mit denen sie in Gestalt der Folgen von Fern-
sehserien bespielt sind, nicht die Mindestlaufzeit von mehr als 58 Minuten errei-
chen (a)) und die Einzellaufzeiten von Serienfolgen unabhängig von einer etwa
bestehenden inhaltlichen Verknüpfung der Folgen nicht addiert werden dürfen
(b)).
a) Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts dauert
keine der Folgen der Fernsehserien, die die Klägerin auf einem Bildträger zu-
sammengefasst hat, länger als 58 Minuten. Für diese Bildträger wird deshalb
eine Abgabepflicht nach § 66a Abs. 1 Satz 1 FFG nicht ausgelöst. Denn die
Auslegung der Vorschrift (aa) bis dd)) ergibt, dass es für die von ihr geforderte
Laufzeit von mehr als 58 Minuten bei einem mit mehreren Filmen bespielten
Bildträger nicht auf die Gesamtlaufzeit des Trägers ankommt. Entscheidend ist
vielmehr, ob mindestens einer der auf dem Bildträger enthaltenen Filme für sich
genommen die Mindestlaufzeit aufweist.
aa) Dieses Verständnis ist bereits im Wortlaut des § 66a Abs. 1 Satz 1 FFG
deutlich angelegt. Danach werden die vertriebenen Bildträger wegen der auf
ihnen befindlichen Filme abgabepflichtig. Dementsprechend bezieht sich auch
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die geforderte Mindestlaufzeit von mehr als 58 Minuten nicht auf die jeweils
veräußerten Bildträger als solche, sondern auf die darauf befindlichen Filme.
Damit kann letztlich nur jeder einzelne dieser Filme gemeint sein. Entgegen der
Ansicht der Beklagten steht die Norm, weil sie von „Filmen“ mit einer Laufzeit
von mehr als 58 Minuten spricht, vom Wortsinn her allenfalls theoretisch, nicht
aber praktisch einer Auslegung dahingehend offen, dass bei Bildträgern, die mit
mehreren kürzeren Filmen bespielt sind, die Gesamtlaufzeit dieser Filme und
damit letztlich doch die Gesamtlaufzeit der Bildträger maßgeblich wäre. Die Be-
klagte räumt ein, dass die Programmanbieter eine derart verstandene Abgabe-
pflicht jedenfalls im Hinblick auf Folgen von Fernsehserien, die die Mindestlauf-
zeit nicht erreichen, leicht dadurch umgehen könnten, dass sie jeweils eine Fol-
ge auf einem Bildträger gesondert vertrieben. Es liegt fern, den Wortlaut der
Abgabevorschrift in einer Weise zu interpretieren, die eine derartige Handha-
bung fördert.
bb) Die Gesetzessystematik legt ebenfalls den Schluss nahe, dass sich die in
§ 66a Abs. 1 Satz 1 FFG vorgesehene Laufzeit von mehr als 58 Minuten nur
auf die einzelnen auf einem Bildträger aufgespielten Filme beziehen kann. Dies
lässt sich bereits aus den Erwägungen ableiten, die das Bundesverfassungsge-
richt (Urteil vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12 u.a. - NVwZ 2014, 646
Rn. 120 ff.) und der erkennende Senat (Beschluss vom 25. Februar 2009
- BVerwG 6 C 47.07 - BVerwGE 133, 165 = Buchholz 451.551 FFG Nr. 9
Rn. 26 ff. und Urteil vom 23. Februar 2011 a.a.O. Rn. 74 ff.) zur systematischen
Ausgestaltung und zur Verfassungskonformität der Filmabgabe angestellt ha-
ben, die gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 FFG der Förderung der Struktur der deut-
schen Filmwirtschaft und der kreativ-künstlerischen Qualität des deutschen
Films als Voraussetzung für dessen Erfolg im Inland und im Ausland dient.
Durch diese Entscheidungen ist geklärt, dass die Filmabgabe systematisch an
den Kinofilm anknüpft und dass durch diese Anknüpfung - trotz der im Einzel-
nen bestehenden Lockerungen durch die Einbeziehung von Fernsehproduktio-
nen in die Abgabepflicht - in verfassungsrechtlicher Hinsicht die Erhebung als
Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion gerechtfertigt und dabei die von Art. 3
Abs. 1 GG geforderte Belastungsgleichheit gewahrt wird. Bezieht sich danach
die Filmabgabe auf den Kinofilm, stellt die Unterwerfung von Fernsehproduktio-
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nen unter die Abgabepflicht die verfassungsrechtlich rechtfertigungsbedürftige
Ausnahme dar. Deshalb verdient, sofern nach dem Wortlaut möglich, ein Norm-
verständnis den Vorzug, das den Kreis der in die Abgabepflicht einbezogenen
Fernsehproduktionen eng zieht. Dabei ist unerheblich, ob es darüber hinaus
sogar verfassungswidrig wäre, in die Filmabgabe der Videowirtschaft alle Bild-
träger mit einer Gesamtlaufzeit von mehr als 58 Minuten einzubeziehen. Im
Einzelnen:
Die mit der Filmabgabe belasteten Untergruppen der Filmtheater nach § 66
FFG, der Programmanbieter und gleichgestellten Lizenzrechteinhaber der Vi-
deowirtschaft im Sinne des § 66a FFG sowie der Fernsehveranstalter gemäß
§ 67 FFG bilden als Inlandsvermarkter von Kinofilmen und insbesondere auch
deutschen Kinofilmen gemeinsam eine homogene, durch spezifische Nähe zu
dem Sachzweck der Abgabe und eine daraus resultierende spezifische Finan-
zierungsverantwortung verbundene Gruppe. Die besondere Sachnähe und Fi-
nanzierungsverantwortung wird durch das gemeinsame Interesse an der durch
die Abgabe geförderten gedeihlichen Struktur der deutschen Filmwirtschaft und
des deutschen Films begründet. Die zwischen den Teilgruppen bestehenden
Unterschiede und Konkurrenzverhältnisse schließen die Gruppenhomogenität
nicht aus (BVerfG, Urteil vom 28. Januar 2014 a.a.O. Rn. 131 ff., vgl. auch:
BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 2009 a.a.O. Rn. 29 ff.).
Der Grundsatz der Belastungsgleichheit fordert, dass die Filmabgabepflicht der
Fernsehveranstalter, wie in § 67 FFG geregelt, ausschließlich an den Kinofilm
und nicht an die Verwertung von Filmen mit einer bestimmten Laufzeit anknüpft,
weil sonst zahlreiche Fernsehproduktionen erfasst würden, die mit dem Sach-
bereich der Filmförderung nichts zu tun haben und für deren Auswertung im
Fernsehen eine Filmabgabe nicht erhoben werden dürfte. Dass abweichend
hiervon § 66 Abs. 1 FFG für die Filmabgabe der Filmtheater nicht auf die Vor-
führung von Kinofilmen, sondern auf diejenige von Filmen mit einer Laufzeit von
mehr als 58 Minuten abstellt, ist deshalb verfassungsrechtlich hinnehmbar, weil
der Gesetzgeber davon ausgehen konnte, dass die Filmtheater faktisch eben-
falls nur Kinofilme auswerten, so dass im Ergebnis keine ins Gewicht fallenden
Unterschiede im Vergleich mit der Veranlagung der Fernsehveranstalter be-
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stehen. Der Gesetzgeber durfte im Rahmen der ihm erlaubten Pauschalierung
vernachlässigen, dass auch im Kino mitunter ursprünglich für das Fernsehen
produzierte und dort schon gezeigte Filme vorgeführt und mit den auf sie entfal-
lenden Umsätzen für die Filmabgabe der Filmtheater erfasst werden, wenn der
Film eine Laufzeit von mehr als 58 Minuten aufweist. Denn der Anteil von Fern-
sehproduktionen im Kino ist verschwindend gering. Bei der Videowirtschaft, de-
ren Abgabepflicht sich nach § 66a FFG ebenfalls nicht nur auf die Verwertung
von Kinofilmen, sondern auch auf eine solche von Fernsehfilmen bezieht, ver-
hält es sich zwar insoweit anders, als diese inzwischen auch tatsächlich in einer
nicht unerheblichen Zahl Fernsehproduktionen, namentlich Fernsehserien ver-
treibt. Der Gesetzgeber hat dem aber dadurch Rechnung getragen, dass die
umsatzbezogenen Abgabesätze der Videowirtschaft niedriger als die Abgabe-
sätze der Filmtheater sind. Deshalb konnte der Gesetzgeber auch für die Vi-
deowirtschaft den Film mit einer Laufzeit von mehr als 58 Minuten als Bezugs-
punkt des erzielten Umsatzes beibehalten, ohne die Belastungsgleichheit aller
Abgabepflichtigen zu verfehlen (vgl. Urteil vom 23. Februar 2011 - BVerwG
6 C 22.10 - BVerwGE 139, 42 = Buchholz 451.551 FFG Nr. 11 Rn. 87).
Danach muss von den mit der Filmabgabepflicht belasteten Untergruppen fak-
tisch allein die Videowirtschaft eine Filmabgabe nicht nur für die Verwertung
von Kinofilmen, sondern auch für die Nutzung von Fernsehproduktionen zahlen.
Diese Belastung kann verfassungsrechtlich überhaupt nur mit Blick auf den im
Vergleich mit den Filmtheatern günstigeren Abgabensatz gerechtfertigt werden.
Sie darf deshalb nicht durch eine Normauslegung verstärkt werden, die bereits
nach dem Wortlaut des § 66a Abs. 1 Satz 1 FFG fernliegt. Dies wäre jedoch der
Fall, wenn die Klägerin eine Filmabgabe auch für die Verwertung von - auf
einem Bildträger zusammengefassten - Filmen mit Laufzeiten von jeweils nicht
mehr als 58 Minuten zu entrichten hätte.
Auf einer im Wesentlichen entsprechenden gesetzessystematischen Auslegung
des § 66a Abs. 1 Satz 1 FFG beruht das angefochtene Urteil. Die Verfahrens-
rügen, welche die Beklagte insoweit erhebt, greifen nicht durch. Es stellt weder
einen Widerspruch noch gar einen Verstoß gegen die Denkgesetze dar, son-
dern entspricht im Gegenteil der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Kon-
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zeption der Filmabgabe, wenn das Berufungsgericht den Begriff des Films im
Sinne des § 66a Abs. 1 Satz 1 FFG im Ausgangspunkt weit - das heißt vor al-
lem auch Fernsehproduktionen einschließend - versteht, und dann in einem
weiteren Schritt im Zusammenhang mit dem Merkmal der Mindestlaufzeit we-
gen der grundsätzlichen Bezogenheit der Filmabgabe auf den Kinofilm Ein-
schränkungen vornimmt. Gleichfalls erfolglos rügt die Beklagte, das Oberver-
waltungsgericht habe seine Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO
und das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG,
§ 108 Abs. 2 VwGO verletzt, weil es zum Anteil der im Kino vorgeführten Fern-
sehproduktionen, zum Anteil der im Kino vorgeführten Kurzfilme und ihrer wirt-
schaftlichen Bedeutung sowie zum Anteil und zur wirtschaftlichen Bedeutung
von mit Fernsehserien bespielten Bildträgern kein Sachverständigengutachten
eingeholt und den Beteiligten keine Gelegenheit der Stellungnahme zu den
hierzu im Urteil gleichwohl zu Grunde gelegten Annahmen gegeben habe. Für
diese Verfahrensrügen wird die Beklagte schon den Darlegungsanforderungen
des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO (dazu ausführlich m.w.N.: Urteil vom 31. Juli
2013 - BVerwG 6 C 9.12 - NVwZ 2013, 1614 Rn. 37, 43
fentlicht in BVerwGE 147, 292>) jedenfalls deshalb nicht gerecht, weil sie sich
weder - wie es die Darlegung eines Aufklärungsmangels erfordert hätte - zu
dem voraussichtlichen Ergebnis der von ihr vermissten Beweisaufnahme und
dessen Konsequenzen noch - wie es für die Geltendmachung eines Gehörsver-
stoßes notwendig gewesen wäre - zu ihrem weiteren Vortrag und prozessualen
Vorgehen im Fall der Gewährung des als versagt gerügten Gehörs eingelassen
hat. Unabhängig hiervon sind die Rügen auch unbegründet, denn die von der
Beklagten angesprochenen Umstände betreffen, soweit entscheidungserheb-
lich, allgemeinkundige Tatsachen. Auf exakte Vorführungs-, Verkaufs- oder
Umsatzzahlen kommt es dabei für die rechtliche Bewertung nicht an. Die Tat-
sachen bedurften deshalb weder - wegen Offenkundigkeit nach § 173 Satz 1
VwGO i.V.m. § 291 ZPO - eines Beweises noch traf das Oberverwaltungsge-
richt insoweit eine Hinweispflicht (vgl. zu letzterem allgemein: Urteil vom
22. März 1983 - BVerwG 9 C 860.82 - BVerwGE 67, 83 <84> = Buchholz 310
§ 108 VwGO Nr. 133 S. 20; Beschluss vom 11. Februar 1982 - BVerwG
9 B 429.81 - Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 36 S. 20).
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cc) Dass sich die Mindestlaufzeit im Sinne des § 66a Abs. 1 Satz 1 FFG auf
den einzelnen Film bezieht, findet eine weitere Stütze in der Historie der Vor-
schrift, insbesondere in dem Zusammenhang, in dem sie entstehungsgeschicht-
lich mit der in § 66 Abs. 1 FFG geregelten Abgabepflicht der Filmtheater als
dem Ursprungstatbestand der Filmabgabe steht. Wenn die Filmabgabe der
Filmtheater gemäß § 66 Abs. 1 FFG für die Veranstaltung entgeltlicher Vorfüh-
rungen von Filmen mit einer Laufzeit von mehr als 58 Minuten nach dem Netto-
umsatz aus dem Verkauf von Eintrittskarten erhoben wird, bedeutet das entste-
hungsgeschichtlich, dass der einzelne vorgeführte Film länger als 58 Minuten
dauern muss. Dieser Regelungsansatz setzt sich in § 66a Abs. 1 Satz 1 FFG
dergestalt fort, dass sich die dort identische Mindestlaufzeit gleichermaßen auf
den einzelnen Film bezieht. Anders als die Beklagte meint (ebenso im Schrift-
tum früher: v. Have/Schwarz, in: v. Hartlieb/Schwarz, Handbuch des Film-,
Fernseh- und Videorechts, 4. Aufl. 2004, 124. Kapitel Rn. 2, 5; zweifelnd nun-
mehr: dieselben, in: v. Hartlieb/Schwarz, Handbuch des Film-, Fernseh- und
Videorechts, 5. Aufl. 2011, 124. Kapitel Rn. 2, 5), ging der Wille des Gesetzge-
bers nicht dahin, die Abgabepflicht nach § 66 Abs. 1 FFG an die mehr als 58
Minuten dauernde Vorführung von gegebenenfalls auch kürzeren Filmen zu
knüpfen und entsprechend im Rahmen des § 66a Abs. 1 Satz 1 FFG auf die
Vorführdauer des Bildträgers und nicht auf die Länge des einzelnen Films ab-
zustellen.
Die Filmabgabe der Filmtheater geht zurück auf § 15 des Gesetzes über Maß-
nahmen zur Förderung des deutschen Films vom 22. Dezember 1967 (BGBl I
S. 1352) - FFG 1967 -. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 FFG 1967 hatte jeder ge-
werbliche Veranstalter einer entgeltlichen Vorführung programmfüllender Filme
für jede verkaufte Eintrittskarte eine Filmabgabe in Höhe von 0,10 Deutsche
Mark zu entrichten. Programmfüllend war nach der Legaldefinition in § 7 Abs. 2
FFG 1967 ein Film, wenn er eine Vorführdauer von mindestens 79 Minuten hat-
te. Von Filmtheaterbesitzern, die nur Wochenschauen und Kurzfilme zeigten
oder Jugendvorstellungen gaben, wurde nach § 15 Abs. 1 Satz 2 FFG 1967 nur
der halbe Abgabesatz erhoben.
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Durch § 66 des Gesetzes über Maßnahmen zur Förderung des deutschen
Films vom 25. Juni 1979 (BGBl I S. 803) - FFG 1979 - erfuhr die Filmabgabe
der Filmtheater ihre in wesentlicher Hinsicht bis heute gültige Ausgestaltung.
Gemäß § 66 Abs. 1 FFG 1979 unterlag nunmehr jeder Veranstalter einer ent-
geltlichen Vorführung von Filmen mit einer Laufzeit von mehr als 58 Minuten
einer Abgabepflicht, die sich auf den Umsatz aus dem Verkauf von Eintrittskar-
ten bezog. Eine dem § 15 Abs. 1 Satz 2 FFG 1967 vergleichbare besondere
Regelung für Wochenschauen, Kurzfilme und Jugendfilme war nicht mehr vor-
gesehen. Eine derartige Regelung hatte bereits in dem Gesetzentwurf der Bun-
desregierung gefehlt, der in seinem § 68 Abs. 1 allerdings noch wie zuvor § 15
Abs. 1 Satz 1 FFG 1967 Veranstalter einer entgeltlichen Vorführung von pro-
grammfüllenden Filmen als abgabepflichtig bezeichnet hatte (BTDrucks 8/2108
S. 19). Die von diesem Entwurf abweichende, in Gestalt von § 66 Abs. 1 FFG
1979 zum Gesetz gewordene Fassung entsprach einer Beschlussempfehlung
des Ausschusses für Wirtschaft des Bundestages (BTDrucks 8/2792 S. 34), die
ihrerseits auf einen Vorschlag des Bundesrates zurückging. Dieser hatte sich
für eine Abgabepflicht auch von Filmen mit einer Laufzeit von unter 79 Minuten
mit der Maßgabe ausgesprochen, dass jedenfalls eine Abgabefreiheit von Fil-
men mit einer Laufzeit von über 60 Minuten, für deren Besuch die üblichen Ein-
trittspreise zu zahlen seien, nicht vertretbar erscheine (BTDrucks 8/2108 S. 42).
Der Wirtschaftsausschuss war dem in seiner Beschlussempfehlung unter Be-
rücksichtigung der von ihm zugleich vorgeschlagenen und sodann in § 15
Abs. 1 FFG 1979 ebenfalls Gesetz gewordenen Einbeziehung von Kinder- und
Jugendfilmen mit einer Vorführdauer von mindestens 59 Minuten in den Begriff
des programmfüllenden Films - heute § 14a Abs. 1 FFG - gefolgt (vgl.
BTDrucks 8/2792 S. 12, 34, 43, 46).
Diese Zusammenhänge belegen, dass sich die Filmabgabe der Filmtheater von
Beginn an auf die Vorführung einzelner Filme mit einer bestimmten Mindest-
laufzeit bezog. Ursprünglich - das heißt nach der Regelung des § 15 Abs. 1
FFG 1967 - war das der programmfüllende Film, der definitionsgemäß eine
Mindestlaufzeit von 79 Minuten aufwies. Die außerdem noch vorgesehene
Filmabgabe für Wochenschauen und Kurzfilme betraf ersichtlich nur einen Ne-
benaspekt. Für eine Differenzierung zwischen der Dauer der Vorführung, für die
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Eintrittskarten verkauft werden, und der Dauer vorgeführter Filme gab es keinen
Anlass (in diesem Sinne auch v. Have/Schwarz, in: v. Hartlieb/Schwarz, Hand-
buch des Film-, Fernseh- und Videorechts, 4. Aufl. 2004, 124. Kapitel Rn. 2).
Entgegen der Ansicht der Beklagten erlangte der Begriff der Vorführung auch
mit der Gesetzesnovelle des Jahres 1979 keine eigenständige Bedeutung in
dem Sinne, dass es für die Abgabepflicht nicht mehr auf die Laufzeit des vorge-
führten Films, sondern auf jene der Vorführung und damit gegebenenfalls auf
die Gesamtlänge mehrerer innerhalb einer Vorführung gezeigter Filme ankom-
men sollte. Zwar fiel mit dieser Novelle die vormals in § 15 Abs. 1 Satz 2 FFG
1967 enthaltene Regelung der Filmabgabe für Wochenschauen und Kurzfilme
weg. Daraus kann aber nicht auf eine Absicht des Gesetzgebers geschlossen
werden, nunmehr sowohl programmfüllende Filme als auch Kurzfilme und Wo-
chenschauen dergestalt zusammengefasst der Filmabgabe zu unterwerfen,
dass die für die Mindestlaufzeit relevante Vorstellung nicht nur aus programm-
füllendem Filmmaterial, sondern auch aus mehreren Kurzfilmen bestehen konn-
te. Hätte der Gesetzgeber eine derartige Regelungsabsicht verfolgt, hätte er
nicht bereits in dem Regierungsentwurf zu der seinerzeitigen Gesetzesnovelle
von einer § 15 Abs. 1 Satz 2 FFG 1967 entsprechenden Bestimmung abgese-
hen, hier aber zugleich noch an der hergebrachten Anknüpfung der Abgabe-
pflicht an den programmfüllenden Film festgehalten. Der Gesetzgeber ist viel-
mehr von seinem ursprünglichen Regelungsansatz erst im Gesetzgebungsver-
fahren und nur insoweit abgerückt, als er die erforderliche Mindestlaufzeit von
bislang 79 Minuten auf dann mehr als 58 Minuten reduzierte, weil er bereits für
Filme ab dieser Länge eine Abgabepflicht für gerechtfertigt hielt. Im Übrigen
blieb ein Bezug des Abgabetatbestands zum programmfüllenden Film insoweit
erhalten, als die nun vorausgesetzte Mindestlaufzeit von mehr als 58 Minuten
erklärtermaßen mit Rücksicht auf die Grenze von 59 Minuten vorgesehen wur-
de, die den programmfüllenden Kinder- und Jugendfilm kennzeichnet. Die vor-
mals in § 15 Abs. 1 Satz 2 FFG 1967 enthaltene Regelung der Filmabgabe für
Wochenschauen und Kurzfilme ist hingegen ersatzlos entfallen.
Das seit der Gesetzesnovelle von 1979 unveränderte Regelungsmodell der
Filmabgabe der Filmtheater, das an die Laufzeit des einzelnen Films anknüpft,
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hat der Gesetzgeber auf die seit dem 1. Januar 1987 nach § 66a FFG erhobene
Filmabgabe der Videowirtschaft übertragen.
Durch das Erste Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgesetzes vom
18. November 1986 (BGBl I S. 2040) - FFG 1986 - eingeführt, stellte der Abga-
betatbestand in § 66a Abs. 1 FFG 1986 ursprünglich auf den erzielten Umsatz
aus dem Verkauf, aus der Vorführung oder Vermietung von Bildträgern, die mit
Filmen mit einer Laufzeit von mehr als 58 Minuten bespielt sind, an Letztver-
braucher ab. Unbeschadet späterer Änderungen der Vorschrift, durch die ins-
besondere die Abgabenerhebung von den Videotheken auf die Programman-
bieter verlagert wurde (Zweites Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgeset-
zes vom 21. Dezember 1992 ), blieb stets der Bezug auf Bild-
träger erhalten, die mit Filmen mit einer Laufzeit von mehr als 58 Minuten be-
spielt sind.
Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung sollte die Videowirtschaft ent-
sprechend den Filmtheatern zu einer Abgabe auf Filme herangezogen werden,
die programmfüllend und echte Spielfilme seien; Musik-, Dokumentar-, Kultur-
und Bildungsfilme sollten abgabefrei bleiben (BTDrucks 10/5448 S. 16). Der
Gesetzentwurf knüpfte die Abgabepflicht dementsprechend an die Verwertung
von Bildträgern, die mit Spielfilmen (Filmen mit fortlaufender Spielhandlung) mit
einer Laufzeit von mehr als 58 Minuten bespielt sind (BTDrucks 10/5448 S. 6).
Im Gesetzgebungsverfahren entfiel zwar, zurückgehend auf eine Empfehlung
des Ausschusses für Wirtschaft des Bundestages (BTDrucks 10/6108 S. 13),
die Beschränkung auf genuin definierte Spielfilme. Damit war indes nicht das
auch von dem Wirtschaftsausschuss akzeptierte (BTDrucks 10/6108 S. 17, 27)
Bestreben aufgegeben, den Grundgedanken aus der Regelung für die Filmab-
gabe der Filmtheater in dem bereits dargelegten Sinne auf die Videowirtschaft
zu übertragen. Vielmehr erlangte die von dem Gesetzentwurf vorgesehene, mit
dem Regelungsansatz der Filmabgabe der Filmtheater übereinstimmende Be-
schränkung auch der Filmabgabe der Videowirtschaft auf Filme mit einem - im
untechnischen Sinne - programmfüllenden Format von mehr als 58 Minuten
Laufzeit Gesetzeskraft.
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Auch im Zuge späterer Gesetzesänderungen ist - wenn auch nur beiläufig - die
Vorstellung zum Ausdruck gebracht worden, dass Bezugspunkt der in § 66a
Abs. 1 Satz 1 FFG vorausgesetzten Mindestlaufzeit der einzelne Film ist. So
findet sich in den Materialien zum Sechsten Gesetz zur Änderung des Filmför-
derungsgesetzes, durch das auch § 66a FFG seine für den vorliegenden
Rechtsstreit maßgebliche Fassung erhalten hat, mit Blick auf die im Vergleich
zu den Filmtheatern niedrigeren Abgabesätze der Videowirtschaft der Hinweis,
dass die Videowirtschaft die Filmabgabe auf alle Filme mit mehr als 58 Minuten
Laufzeit zu zahlen habe (BTDrucks 17/1292 S. 8).
dd) Teleologische Erwägungen führen zu keinem der bisherigen Normausle-
gung widersprechenden Ergebnis. Der Sachzweck der wirtschaftlichen Filmför-
derung, der mit der Filmabgabe nach § 1 Abs. 1 Satz 1 FFG über den Zweck
der bloßen Mittelbeschaffung hinaus verfolgt wird, ist bereits im Rahmen der
obigen gesetzessystematischen Erwägungen berücksichtigt worden und hat
deren Ergebnis untermauert.
Der Einwand der Beklagten verfängt nicht, es komme zu einer zweckwidrigen
und vom Gesetzgeber nicht gewünschten Erschwerung der Abgabenerhebung,
wenn für die Mindestlaufzeit im Sinne des § 66a Abs. 1 Satz 1 FFG nicht auf die
Gesamtlaufzeit eines Bildträgers, sondern auf die Laufzeit der auf ihm aufge-
spielten einzelnen Filme abgestellt werde. Sollten die von der Beklagten be-
fürchteten Schwierigkeiten auftreten, die Laufzeit der einzelnen Filme im Inter-
net zu ermitteln, ist die Beklagte auf anderweitige Aufklärungsmaßnahmen ver-
wiesen; sie kann insbesondere die den Abgabepflichtigen nach § 70 FFG oblie-
gende Auskunftspflicht geltend machen, auf die sie vor Beginn des Internetzeit-
alters ohnehin beschränkt war. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber durch
die bereits erwähnte Änderung des § 66a Abs. 1 FFG im Jahr 1992 einen neu-
en Erhebungsmodus für die Filmabgabe der Videowirtschaft auch mit dem Ziel
der Verminderung des Verwaltungsaufwands eingeführt hat (BTDrucks 12/2021
S. 22), kann entgegen der Annahme der Beklagten nicht gefolgert werden, dass
der Abgabetatbestand auch in anderen Zusammenhängen stets in einer Weise
ausgelegt werden müsste, die mit Blick auf den Gesetzesvollzug mit dem ge-
ringsten administrativen Aufwand verbunden ist.
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b) Die Laufzeiten einzelner auf einem Bildträger aufgespielter Folgen von Fern-
sehserien können entgegen der Ansicht der Beklagten nicht unter Berufung da-
rauf addiert werden, sie seien wegen einer zwischen ihnen bestehenden inhalt-
lichen Verknüpfung als einheitlicher Film anzusehen, der in seiner Gesamtheit
die in § 66a Abs. 1 Satz 1 FFG vorgesehene zeitliche Grenze von mehr als
58 Minuten überschreite. Unerheblich ist, ob zwischen einzelnen Serienfolgen
tatsächlich eine inhaltliche Verknüpfung in der Sache festgestellt werden könn-
te. Dies folgt zwar nicht daraus, dass ein derart anzunehmender einheitlicher
Film eine Laufzeitobergrenze im Sinne eines kinotauglichen Formats überschrit-
te. Eine solche zeitliche Obergrenze für die Abgabepflicht existiert nach dem
Regelungszusammenhang des § 66a Abs. 1 Satz 1 FFG nicht. Die gegenteilige
Auffassung des Oberverwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (aa)). Das ange-
fochtene Urteil erweist sich insoweit jedoch deshalb im Sinne von § 144 Abs. 4
VwGO als im Ergebnis zutreffend, weil dem Abgabetatbestand des § 66a
Abs. 1 Satz 1 FFG überhaupt kein inhaltlicher, sondern ein rein formaler Ansatz
zu Grunde liegt (bb)).
aa) Das Oberverwaltungsgericht durfte nicht offenlassen, ob die Addition von
Einzellaufzeiten durch eine inhaltliche Verknüpfung von Serienfolgen zu einem
einheitlichen Film gerechtfertigt ist, weil ein solcher Film in jedem Fall eine zeit-
liche Obergrenze überschritte, jenseits derer eine Abgabepflicht aus § 66a
Abs. 1 Satz 1 FFG nicht entstehen könne. Die Beklagte rügt zu Recht, dass
dieses Gesetzesverständnis des Oberverwaltungsgerichts den Rahmen einer
zulässigen Auslegung des § 66a Abs. 1 Satz 1 FFG verlässt.
Für die von dem Oberverwaltungsgericht befürwortete zeitliche Obergrenze gibt
es im Wortlaut der Vorschrift keinen Anhalt. Dieser bietet im Gegenteil durch
den Umstand, dass er ausdrücklich nur eine Mindestlaufzeit von mehr als
58 Minuten vorsieht, in systematischer Hinsicht eine sichere Basis für den Um-
kehrschluss, dass es für die Abgabepflicht auf eine maximale Laufzeit in keiner
Weise ankommt. Hieraus ergibt sich zugleich, dass den gesetzessystemati-
schen Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts zu dem Kinofilm als Bezugs-
punkt der Filmabgabe in dem hier in Rede stehenden Zusammenhang der er-
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forderliche Anknüpfungspunkt fehlt. Schließlich mangelt es der von dem Ober-
verwaltungsgericht angenommenen zeitlichen Obergrenze in Gestalt eines ki-
notauglichen Formats an jedweder Bestimmtheit. Die Annahme des Berufungs-
gerichts, diese Grenze liege entsprechend der üblichen Dauer eines Kinofilms
bei regelmäßig höchstens zwei Stunden und nur in seltenen Fällen darüber, ist
ersichtlich unpraktikabel.
bb) Ungeachtet der gewählten fehlerhaften Begründung trifft die Einschätzung
des Oberverwaltungsgerichts im Ergebnis zu, dass unabhängig von einer etwa
bestehenden inhaltlichen Verknüpfung hier betroffener Serienfolgen die An-
nahme eines einheitlichen Films und damit eine Addition der Laufzeiten einzel-
ner Folgen bereits aus Rechtsgründen ausscheidet. Denn § 66a Abs. 1 Satz 1
FFG lässt keinen Raum für eine inhaltliche Beurteilung der für die Abgabepflicht
relevanten Filme.
Wie eingangs dargelegt, ist der Begriff des Films im Rahmen des § 66a Abs. 1
Satz 1 FFG aus gesetzessystematischen und entstehungsgeschichtlichen
Gründen weit zu verstehen. Er umfasst danach insbesondere neben Kinofilmen
auch alle Arten von Fernsehproduktionen und lässt inhaltliche Differenzierun-
gen generell nicht zu. Dem entspricht es, dass der Abgabetatbestand - abgese-
hen von Fällen der unzulässigen Rechtsausübung bzw. des Rechtsmiss-
brauchs - den Beginn und das Ende eines Films und damit auch der Folge einer
Fernsehserie so hinnimmt, wie sie formal präsentiert werden, und ihre Überprü-
fung unter inhaltlichen Kriterien ausschließt.
Dieses Normverständnis ist zudem aus Gründen der Rechtssicherheit und
Rechtsklarheit geboten, denn die Beurteilung einer inhaltlichen Verbundenheit
einzelner Folgen von Fernsehserien wäre mit erheblichen Unsicherheiten be-
haftet, weil sich hinreichend bestimmte, namentlich in der täglichen Vollzugs-
praxis der Beklagten handhabbare Kriterien dafür - wenn überhaupt - nur sehr
schwer finden ließen. Dies wird noch deutlicher, wenn man weitere, von dem
Format des Einzelfilms abweichende Formen von Fernsehproduktionen in die
Betrachtung mit einbezieht. Die Bandbreite reicht dann von Mehrteilern, in
denen eine zusammenhängende Geschichte zu Ende erzählt wird, über Fern-
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sehserien mit inhaltlich in sich abgeschlossenen Einzelfolgen - aber auch gele-
gentlichen Doppelfolgen - sowie mehr oder weniger stark ausgeprägter folgen-
übergreifend erzählter Fortsetzungsgeschichte, Fernsehserien mit durchgehend
fortgesetzter Handlung (sog. Soaps) bis hin zu Filmreihen und Dokumentatio-
nen zu mehr oder weniger weit gefassten etwa historischen, politischen, wis-
senschaftlichen oder kulturellen Themen. Diese Aufzählung ist weder kategorial
trennscharf noch abschließend. Die soziale Wirklichkeit ist vielgestaltig sowie
fortlaufend Wandlungen unterworfen. Sie kann mit ihren inhaltlichen Veräste-
lungen bereits im Ansatz nicht in der Erhebung der Filmabgabe nach § 66a
Abs. 1 Satz 1 FFG detailgetreu abgebildet werden.
3. Aus dem Verkauf von Bildträgern, die mit einem die Mindestlaufzeit von mehr
als 58 Minuten erreichenden Film bespielt sind („Manne Dumke“, „Berlin wie es
war“ und „Berlin how it used to be“), hat die Klägerin nach den tatsächlichen
Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts lediglich Nettoumsätze erzielt, die
für den hier relevanten Zeitraum unterhalb der durch § 66a Abs. 1 Satz 1 FFG
vorgesehenen Freibetragsgrenze von 50 000 € im Jahr liegen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Neumann
Dr. Graulich
Dr. Möller
Hahn
Prof. Dr. Hecker
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 649,37 €
festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 3 GKG).
Neumann
Dr. Graulich
Dr. Möller
Hahn
Prof. Dr. Hecker
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