Urteil des BVerwG vom 28.03.2006

Ablauf des Verfahrens, Ausschluss, Planwidrige Unvollständigkeit, Bindungswirkung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 C 13.05
VG 22 K 9610/00
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. März 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn
und Vormeier
beschlossen:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwal-
tungsgerichts Köln vom 10. Mai 2005 wird verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens
einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigela-
denen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisions-
verfahren auf 400 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Revision ist unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§ 144
Abs. 1 VwGO). Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts ist einer revi-
sionsgerichtlichen Kontrolle nicht zugänglich, so dass die Revision unstatthaft
ist (1.). Der Senat ist an die Zulassung der Revision durch das Verwaltungsge-
richt nicht gebunden (2.). Eine Verweisung der Sache an das Oberverwaltungs-
gericht kommt nicht in Betracht (3.).
1. Die Revision ist nicht statthaft.
Gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts steht den Beteiligten unter den Vor-
aussetzungen des § 124 VwGO die Berufung zu. Eine revisionsgerichtliche
Kontrolle der Urteile des Verwaltungsgerichts findet nur ausnahmsweise statt.
Abgesehen von dem hier von vornherein nicht einschlägigen Fall der vom Ver-
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waltungsgericht nach § 134 Abs. 1 Satz 1 VwGO zugelassenen Sprungrevision
steht den Beteiligten gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts die Revision an
das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn durch Bundesgesetz die Berufung
ausgeschlossen ist (§ 135 Satz 1 VwGO). Die Revision kann nur eingelegt wer-
den, wenn das Verwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas-
sung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat (§ 135 Satz 2 VwGO).
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist hier die Berufung nicht
nach § 44 des Postgesetzes (PostG) vom 22. Dezember 1997 (BGBl I S. 3294),
zuletzt geändert durch Verordnung vom 25. November 2003 (BGBl I S. 2304),
i.V.m. § 137 Abs. 3 Satz 1 des Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004
(BGBl I S. 1190) - TKG 2004 -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. Juli 2005
(BGBl I S. 1970), ausgeschlossen (Beschluss vom 31. Januar 2006 - BVerwG
6 B 78.05 - Rn. 2 ff.).
Nach § 44 Satz 1 PostG ist Regulierungsbehörde im Sinne des Postgesetzes
die auf der Grundlage des Zehnten Teils des Telekommunikationsgesetzes vom
25. Juli 1996 (BGBl I S 1120) - TKG 1996 - errichtete Behörde. § 44 Satz 2
PostG sieht die entsprechende Geltung von §§ 66 bis 71, §§ 74 bis 81, §§ 83
und 84 TKG 1996 vor. Diese Bezugnahme geht nunmehr insofern ins Leere, als
das Telekommunikationsgesetz 1996 gemäß § 152 Abs. 2 TKG 2004 am
26. Juni 2004 außer Kraft getreten ist. Die in Bezug genommenen
Bestimmungen des Telekommunikationsgesetzes 1996 enthielten auch keinen
Ausschluss der Berufung gegen Urteile des Verwaltungsgerichts.
Ein solcher Rechtsmittelausschluss findet sich hingegen in § 137 Abs. 3 Satz 1
TKG 2004. Danach ist im Falle des § 132 TKG 2004 u.a. die Berufung gegen
ein Urteil des Verwaltungsgerichts ausgeschlossen. § 132 TKG 2004 betrifft
näher aufgeführte Entscheidungen der Beschlusskammern der Regulierungs-
behörde auf der Grundlage des Telekommunikationsgesetzes 2004. Da § 44
Satz 2 PostG nicht auf § 137 Abs. 3 TKG 2004 verweist, ist diese Bestimmung
auf Regulierungsstreitigkeiten nach dem Postgesetz nicht gemäß § 44 Satz 2
PostG entsprechend anzuwenden.
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Die Anwendbarkeit des § 137 Abs. 3 Satz 1 TKG 2004 ergibt sich auch dann
nicht, wenn die Verweisungsnorm des § 44 Satz 2 PostG dahin verstanden
wird, dass die Verweisung nicht auf die dort genannten Bestimmungen des Te-
lekommunikationsgesetzes 1996 beschränkt ist, sondern sich seit dem In-Kraft-
Treten des Telekommunikationsgesetzes 2004 im Sinne einer so genannten
dynamischen Verweisung auf die inhaltlich entsprechenden Bestimmungen die-
ses Gesetzes erstreckt. § 137 Abs. 3 Satz 1 TKG 2004 findet - wie erwähnt - im
Telekommunikationsgesetz 1996 und damit auch in dem Verweisungskatalog
des § 44 Satz 2 PostG keine inhaltliche Entsprechung. Die dort genannten Be-
stimmungen des Telekommunikationsgesetzes 1996 betreffen die Errichtung,
den Sitz und die Organisation der Regulierungsbehörde (§§ 66 bis 70 TKG
1996), die Aufsicht durch die Regulierungsbehörde (§ 71 TKG 1996), das Ver-
fahren vor der Regulierungsbehörde (§§ 74 bis 79 TKG 1996), die Überprüfung
von Entscheidungen der Regulierungsbehörde in einem Vorverfahren und des-
sen Kosten (§ 80 Abs. 1 TKG 1996), den Ausschluss der aufschiebenden Wir-
kung von Rechtsmitteln gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörde (§ 80
Abs. 2 TKG 1996), die Beteiligung der Regulierungsbehörde an bürgerlichen
Rechtsstreitigkeiten, die sich aus dem Telekommunikationsgesetz ergeben
(§ 80 Abs. 3 TKG 1996), den Tätigkeitsbericht der Regulierungsbehörde (§ 81
TKG 1996), und ihre Zusammenarbeit mit anderen Stellen (§§ 83 und 84 TKG
1996). Eine das allgemeine Prozessrecht verdrängende Bestimmung über den
Ablauf des Verfahrens vor den Verwaltungsgerichten, insbesondere über den
Ausschluss der Berufung gegen Urteile des Verwaltungsgerichts in Regulie-
rungsstreitigkeiten, ist demnach in dem Verweisungskatalog des § 44 Satz 2
PostG nicht enthalten. Eine solche Regelung ist vielmehr vom Gesetzgeber erst
beim Erlass des Telekommunikationsgesetzes 2004 in dieses Gesetz aufge-
nommen worden.
Sollte es sich bei § 44 Satz 2 PostG um eine dynamische Verweisung handeln,
erstreckte sie sich nur auf Bestimmungen des Telekommunikationsgesetzes
2004, die den in der Verweisungsnorm aufgeführten Vorschriften des Tele-
kommunikationsgesetzes 1996 inhaltlich entsprechen. § 44 Satz 2 PostG ist
nicht dahin zu verstehen, dass auch andere Bestimmungen in einem das Tele-
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kommunikationsgesetz 1996 ablösenden Gesetz, wie etwa eine Vorschrift über
den Ausschluss der Berufung gegen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts
in Regulierungsstreitigkeiten, in Bezug genommen werden. Eine andere Ausle-
gung stände mit Verfassungsrecht nicht in Einklang. Eine Verweisungsnorm
genügt u.a. nur dann dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot, wenn sie hin-
reichend klar erkennen lässt, welche Vorschriften im Einzelnen gelten sollen
(vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 1. März 1978 - 1 BvR 786/70 u.a. - BVerfGE 47,
285 <311> und vom 7. März 1995 - 1 BvR 1564/92 - BVerfGE 92, 191 <197>
m.w.N.). Fehlt es an einem hinreichend engen inhaltlichen Zusammenhang
zwischen den in der Verweisungsnorm in Bezug genommenen Bestimmungen
und einer in einem später erlassenen Gesetz enthaltenen Vorschrift, ist nicht in
einer dem Bestimmtheitsgebot genügenden Weise zu erkennen, dass diese
Bestimmung von der Verweisungsnorm erfasst wird. So liegt es bei § 44 Satz 2
PostG im Verhältnis zu § 137 Abs. 3 Satz 1 TKG 2004. Der Berufungsaus-
schluss des § 137 Abs. 3 TKG 2004 weist nicht den erforderlichen Zusammen-
hang mit den in § 44 Satz 2 PostG aufgeführten Vorschriften auf. Das ist schon
deshalb nicht der Fall, weil die in dem Verweisungskatalog enthaltenen Be-
stimmungen nicht das verwaltungsgerichtliche Verfahren betreffen. Daraus,
dass vor dem In-Kraft-Treten des Telekommunikationsgesetzes 2004 das Ver-
waltungsverfahren nach dem Telekommunikationsgesetz 1996 und dasjenige
nach dem Postgesetz wegen der Verweisung des § 44 Satz 2 PostG auf ver-
fahrensrechtliche Bestimmungen des Telekommunikationsgesetzes 1996 Pa-
rallelen aufwies, kann nicht entnommen werden, dass § 44 Satz 2 PostG die
das verwaltungsgerichtliche Verfahren betreffende Bestimmung des § 137
Abs. 3 Satz 1 TKG 2004 in Bezug nimmt.
Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass sowohl das Telekommunikations-
gesetz als auch das Postgesetz der Herstellung und Sicherung von chancen-
gleichem Wettbewerb auf Märkten dienen, die von marktbeherrschenden Un-
ternehmen geprägt sind. Diese Gemeinsamkeit kann den Gesetzgeber veran-
lassen, auch das gerichtliche Verfahren bei der Anfechtung von behördlichen
Regulierungsentscheidungen gleichartig auszugestalten. Eine entsprechende
Entscheidung muss aber im Gesetz klar zum Ausdruck kommen. Dies ist hin-
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sichtlich des Ausschlusses der Berufung gegen Regulierungsentscheidungen
nach dem Postgesetz auch bei Berücksichtigung der gemeinsamen Zwecke
des Postgesetzes und des Telekommunikationsgesetzes nicht der Fall.
Die Gründe, die den Gesetzgeber zum Ausschluss der Berufung nach § 137
Abs. 3 Satz 1 TKG 2004 veranlasst haben, rechtfertigen keine andere Beurtei-
lung. Der Ausschluss der Berufungsinstanz nach § 137 Abs. 3 Satz 1 TKG 2004
beruht im Wesentlichen auf den Erwägungen, dass der bisherige verwal-
tungsgerichtliche Instanzenzug auf dem Telekommunikationssektor im Interes-
se der Förderung des Wettbewerbs in diesem Bereich durch eine möglichst
schnelle Herstellung von Rechtssicherheit zu verkürzen ist, dass dem Umstand
Rechnung zu tragen ist, dass Entscheidungen der Regulierungsbehörde oft mit
einer Frist versehen sind und dass deshalb sichergestellt werden soll, dass eine
gerichtliche Entscheidung vor Ablauf dieser Frist ergeht, sowie dass dem
gerichtlichen Verfahren ein umfangreiches, formalisiertes Beschlusskammer-
verfahren, in dem eine gerichtsähnliche Verhandlung der Angelegenheit erfolgt,
vorgeschaltet ist (vgl. BTDrucks 15/2316 S. 101). Sollte der Gesetzgeber der
Auffassung sein, dass entsprechende Gründe auch bei Regulierungsentschei-
dungen auf der Grundlage des Postgesetzes den Ausschluss der Berufung
rechtfertigen, muss dies dem Gesetz mit der gebotenen Klarheit zu entnehmen
sein. So liegt es hier nicht.
§ 137 Abs. 3 TKG 2004 kann auch nicht im Wege eines Analogieschlusses in
den Verweisungskatalog des § 44 Satz 2 PostG einbezogen werden. Voraus-
setzung wäre, dass der Verweisungskatalog hinsichtlich des Ausschlusses der
Berufung eine „planwidrige Lücke“ aufweist. Eine solche Lücke ist nicht dadurch
entstanden, dass das Telekommunikationsgesetz 2004 in § 137 Abs. 3 Satz 1
den Berufungsausschluss vorsieht, der Verweisungskatalog sich hingegen nicht
auf diese Bestimmung erstreckt. Zwar kann eine planwidrige Lücke auch durch
Rechtsentwicklung entstehen (vgl. Beschluss vom 24. April 2002 - BVerwG 6 P
3.01 - BVerwGE 116, 216 <224>). „Planwidrig“ ist eine Lücke jedoch nur, wenn
sie dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers zuwiderläuft. Dies kann hier
nicht festgestellt werden. Weder die Entstehungsgeschichte des § 44 PostG
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(vgl. BTDrucks 13/7774 S. 32) noch die aufgezeigten Gründe, die den
Gesetzgeber zur Einführung des § 137 Abs. 3 Satz 1 TKG 2004 veranlasst
haben, verhalten sich zum Berufungsausschluss bei der Anfechtung von Regu-
lierungsentscheidungen nach dem Postgesetz.
2. Die Revision ist nicht wegen der Bindungswirkung der Revisionszulassung
durch das Verwaltungsgericht zulässig.
Nach § 135 Satz 3 i.V.m. § 132 Abs. 3 VwGO ist das Bundesverwaltungsgericht
an die Zulassung der Revision durch das Verwaltungsgericht gebunden. Diese
Bindung beschränkt sich auf die Zulassungsentscheidung als eine von
mehreren Zulässigkeitsvoraussetzungen der Revision. § 132 Abs. 3 VwGO ver-
folgt den Zweck, dass eine Überprüfung der Zulassungsentscheidung des Be-
rufungsgerichts durch das Revisionsgericht bei ihrer Natur nach revisionsfähi-
gen Entscheidung nicht stattfinden soll (vgl. Urteil vom 9. Oktober 1996
- BVerwG 6 C 11.94 - BVerwGE 102, 95 <99> unter Hinweis auf die Begrün-
dung des Gesetzentwurfs in BTDrucks 11/7030 S. 33). Die Bindungswirkung
der Zulassung reicht nicht weiter als ihr Entscheidungsgegenstand, der die Auf-
hebung der verfahrensrechtlichen Zugangsschranke zum Revisionsgericht
durch die Zulassung der Revision zum Gegenstand hat. Alle übrigen Anforde-
rungen an die Zulässigkeit der Revision bleiben unberührt (vgl. Pietzner in:
Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Bd. II Stand Oktober 2005, § 132
Rn. 138 m.w.N.; P. Schmidt in: Eyermann/Fröhler, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 132
Rn. 23; May, Die Revision, 2. Aufl. 1997, IV. Rn. 146; vgl. ferner zu der § 132
Abs. 3 VwGO entsprechenden Bestimmung des § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO Al-
bers in: Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 64. Aufl.
2006, § 543 Rn. 17). Hier ist die Revision - wie aufgezeigt - nicht statthaft, so
dass die Bindungswirkung des § 132 Abs. 3 VwGO die Zulässigkeit der Revisi-
on nicht zu begründen vermag.
Entgegen der Auffassung der Klägerin verlangt Verfassungsrecht nicht, § 132
Abs. 3 VwGO dahin auszulegen, dass die Zulassung der Revision in den Fällen
von der Prüfung sämtlicher Zulässigkeitsvoraussetzungen entbindet, in denen
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das Verwaltungsgericht die Revision deshalb zugelassen hat, weil es irrtümlich
vom Ausschluss der Berufung ausgegangen ist. Dies gebietet insbesondere
nicht das Gebot der Gewährung effektiven richterlichen Rechtsschutzes nach
Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG eröffnet nicht nur den
- ersten - Zugang zum Gericht, sondern verbietet darüber hinaus, den Zugang
zu einer Instanz, den die jeweilige Verfahrensordnung eröffnet hat, in unzumut-
barer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren
(stRspr, vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1978 - 2 BvR 1055/76 -
BVerfGE 49, 329 <341> m.w.N.). Bei Wahrung dieser Anforderungen ist es
verfassungsrechtlich unbedenklich, den Zugang zu einer weiteren gerichtlichen
Instanz von der Einhaltung prozessualer Zulässigkeitsvoraussetzungen abhän-
gig zu machen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 2. März 1993 - 1 BvR 249/92 -
BVerfGE 88, 118 <123 f.> und vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE
110, 77 <85>). Daran gemessen ist es im vorliegenden Fall nicht geboten,
§ 132 Abs. 3 VwGO im Sinne der Klägerin auszulegen und anzuwenden. Die
Beschränkung der Bindungswirkung auf die Zulassungsentscheidung des Ver-
waltungsgerichts erweist sich hier nicht als sachlich ungerechtfertigt und unzu-
mutbar. Sie entspricht dem im § 132 Abs. 3 VwGO zum Ausdruck kommenden
Willen des Gesetzgebers und führt auch im vorliegenden Fall nicht dazu, dass
das Urteil des Verwaltungsgerichts keiner gerichtlichen Überprüfung unterwor-
fen werden kann. So bleibt der Klägerin die Möglichkeit, nach § 124a Abs. 4
i.V.m. § 124 Abs. 2 VwGO die Zulassung der Berufung zu beantragen. Hin-
sichtlich der versäumten Monatsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO und der
Begründungsfrist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO kann sie Wiedereinset-
zung in den vorigen Stand i.S.v. § 60 Abs. 1 VwGO beantragen. Die Frist des
§ 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO wird mit der Zustellung dieses Beschlusses in Lauf
gesetzt. Mit Blick auf die Frage, ob die Frist unverschuldet versäumt worden ist,
wird das Verwaltungsgericht in Rechnung zu stellen haben, dass es irrtümlich
vom Ausschluss der Berufung ausgegangen ist und dadurch die Klägerin ver-
anlasst hat, Revision einzulegen, statt den Antrag auf Zulassung der Berufung
zu stellen. Die Klägerin hat auch die Möglichkeit, unter Wahrung der Voraus-
setzungen von § 134 Abs. 1 Satz 3 VwGO die Zulassung der Sprungrevision zu
beantragen. Hinsichtlich der Wiedereinsetzung in die Frist des § 134 Abs. 1
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Satz 2 VwGO gilt das zu der Wiedereinsetzung in die Fristen des § 124a Abs. 4
VwGO Dargelegte entsprechend. Da die Klägerin eine Überprüfung des Urteils
des Verwaltungsgerichts herbeizuführen vermag, erweist es sich trotz der irr-
tümlichen Zulassung der Revision durch das Verwaltungsgericht nicht als un-
zumutbar, sie auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung dafür vorgesehenen
Weg zu verweisen.
3. Entgegen der Anregung der Klägerin kommt eine Verweisung der Sache an
das Oberverwaltungsgericht nicht in Betracht.
Nach § 144 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Bundesverwaltungsgericht nach
seinem Ermessen die Sache auch an das Oberverwaltungsgericht zurückver-
weisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre, wenn die Sache bei der
Sprungrevision zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzu-
verweisen ist. Die Bestimmung ist hier nicht einschlägig. Zum einen handelt es
sich hier nicht um eine Sprungrevision, zum anderen kommt eine Zurückver-
weisung deshalb nicht in Betracht, weil die Revision aus den dargelegten Grün-
den unzulässig ist, so dass sie nach § 144 Abs. 1 VwGO durch Beschluss zu
verwerfen ist. Eine von der Klägerin angeregte analoge Anwendung von § 144
Abs. 5 Satz 1 VwGO scheidet aus. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür er-
sichtlich, dass der Gesetzgeber beabsichtigte, auch den hier vorliegenden Fall
der Unzulässigkeit einer Revision trotz (irrtümlicher) Revisionszulassung durch
das Verwaltungsgericht von § 144 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu erfassen, so dass
der Wortlaut der Bestimmung hinter dieser Regelungsabsicht zurückbleibt. Mit-
hin ist eine „planwidrige“ Unvollständigkeit der Norm als Voraussetzung eines
Analogieschlusses nicht festzustellen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO
sowie auf § 21 Abs. 1 Satz 3 GKG. Die Festsetzung des Streitwertes findet ihre
Grundlage in § 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 1 GKG.
Dr. Bardenhewer Dr. Hahn Vormeier
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Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Postrecht
Fachpresse:
ja
Rechtsquellen:
VwGO
§§ 124, 132 Abs. 3, § 134 Abs. 1 Satz 1, §§ 135, 144 Abs. 5
Satz 1
TKG 2004
§§ 132, 137 Abs. 3 Satz 1
PostG
§ 44
Stichworte:
Streitigkeit nach dem Postgesetz; Urteil des Verwaltungsgerichts; Ausschluss
der Berufung; Zulassung der Revision; Bindungswirkung der Revisionszulas-
sung; Statthaftigkeit der Revision.
Leitsätze:
1. In Regulierungsstreitigkeiten nach dem Postgesetz ist die Berufung gegen
das Urteil des Verwaltungsgerichts nicht durch Gesetz ausgeschlossen.
2. Die Bindungswirkung der Revisionszulassung nach § 132 Abs. 3 VwGO be-
schränkt sich auf die Zulassungsentscheidung und erstreckt sich nicht auf die
übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Revision.
Beschluss des 6. Senats vom 28. März 2006 - BVerwG 6 C 13.05
I. VG Köln vom 20.05.2005 - Az.: VG 22 K 9610/00 -