Urteil des BVerwG vom 02.11.2006
Verfahrensmangel, Zukunft, Rechtskraftwirkung, Absicht
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 B 90.06
OVG 6 A 10636/06.OVG
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. November 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn
und Dr. Graulich
beschlossen:
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Die Beschwerde des Gläubigers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
Rheinland-Pfalz vom 11. Juli 2006 wird zurückgewiesen.
Der Gläubiger trägt die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 557,68 € festgesetzt.
G r ü n d e :
1. Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Berufungsentscheidung
von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen
Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsge-
richts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel
geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Berufungsentscheidung beru-
hen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde
angefochten, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeu-
tung dargelegt oder die Entscheidung, von der das Berufungsurteil abweicht,
oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Die Prüfung des beschließenden Senats ist demgemäß auf fristgerecht geltend
gemachte Beschwerdegründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO beschränkt.
a) Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des
§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist nicht ordnungsgemäß dargetan. Grundsätzliche
Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisions-
entscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse
der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung be-
darf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die
Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage des revisiblen Rechts, die für die Re-
visionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der
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ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Be-
schwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung
zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergrei-
fenden Rechtsfrage führen kann. Diesen Anforderungen genügt die Beschwer-
debegründung nicht. Der Gläubiger kritisiert das angefochtene Urteil, soweit er
beschwert ist, als rechtsfehlerhaft, zeigt aber keine klärungsbedürftigen Fragen
des revisiblen Rechts auf. Soweit sich dem Vorbringen entnehmen lassen könn-
te, dass der Gläubiger auf die Klärung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer
Vollstreckungsgegenklage und in diesem Zusammenhang der Reichweite der
Rechtskraft von Verpflichtungsurteilen zielt, ist eine Klärungsbedürftigkeit nicht
erkennbar. Wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt, können die
sich unter den Umständen des Falles stellenden Fragen auf der Grundlage der
vorhandenen Rechtsprechung beantwortet werden.
b) Der Gläubiger rügt als Verfahrensmangel, dass das Berufungsgericht die
Vollstreckungsgegenklage als zulässig angesehen hat. Er meint, dass diese
Klage unzulässig sei, weil eine Vollstreckung aus dem rechtskräftigen Urteil des
Oberverwaltungsgerichts vom 15. März 2005 nicht mehr zulässig gewesen sei,
nachdem der Schuldner auf der Grundlage dieses Urteils Versorgungsbeschei-
de erlassen habe, die nunmehr Rechtsgrundlage für die Versorgungsleistungen
seien. Dieses Vorbringen geht fehl.
Ziel der in § 767 ZPO geregelten Klage ist es, Veränderungen Rechnung zu
tragen, die die Vollstreckbarkeit des Titels betreffen, sofern Umstände geltend
gemacht werden, die den durch das Urteil festgestellten sachlich-rechtlichen
Anspruch als solchen erfassen und geeignet sind, den rechtskräftig zuerkann-
ten Anspruch nachträglich zu vernichten oder in seiner Durchsetzbarkeit zu
hemmen (vgl. Urteil vom 19. September 2002 - BVerwG 4 C 10.01 - BVerwGE
117, 44 = Buchholz 303 § 767 ZPO Nr. 5). Dagegen ist die Verwaltung nicht
befugt, die Erfüllung eines rechtskräftigen Verpflichtungsurteils allein unter Be-
rufung auf eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage zu unterlas-
sen, ohne die Aufhebung des unbedingten Leistungsbefehls durch eine Voll-
streckungsgegenklage zu betreiben. Damit würde die Rechtskraftwirkung von
Leistungsurteilen verkannt und ausgehöhlt. Entfällt der durch rechtskräftigen
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Verpflichtungsausspruch zuerkannte Anspruch durch eine nachträgliche Ände-
rung der Sach- oder Rechtslage, so folgt daraus - mit Wirkung für die Zukunft -
nur, dass der mit dem Urteil zugesprochene Anspruch auf Erlass des Verwal-
tungsakts materiell nicht mehr besteht; das entbindet die Behörde aber nicht
von der in diesem Urteil ausgesprochenen Verpflichtung zum Erlass des be-
gehrten Verwaltungsakts. Ein unerfüllter Verpflichtungsausspruch bleibt deshalb
vollstreckbar, wenn und solange nicht eine Vollstreckungsgegenklage erfolg-
reich durchgeführt wird.
Der Schuldner ist zwar im vorliegenden Fall dem Verpflichtungsausspruch nach
den Feststellungen des Berufungsgerichts durch Erlass der Bewilligungsbe-
scheide vom 15. Februar 2006 nachgekommen. Damit ist aber nach den weite-
ren Ausführungen des Berufungsgerichts der Verpflichtungsausspruch nicht
vollständig erfüllt. Nach dem Verständnis des Urteils vom 15. März 2005, wel-
ches das Oberverwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, ist
dieses Urteil u.a. darauf gerichtet, dass der Schuldner auch künftig ungekürzte
Versorgungsleistungen bewilligt, weist also - ähnlich einem Unterlassungsurteil
(vgl. dazu Urteil vom 23. Juni 2004 - BVerwG 3 C 41.03 - BVerwGE 121, 115
<118> = Buchholz 115 Sonst. Wiedervereinigungsrecht Nr. 49 S. 83 - in die Zu-
kunft. Zu diesem fortwirkenden Inhalt des Urteils würde sich der Schuldner in
Widerspruch setzen, wenn er, wie es seiner Absicht entspricht, die rechtskräftig
als unzulässig beurteilte und damit zu unterlassende Kürzung der Versorgungs-
leistungen nunmehr unter Hinweis auf die zwischenzeitliche Änderung der Sat-
zung des Versorgungswerks vornehmen würde. Hat sich somit der vollstre-
ckungsfähige Inhalt des Urteils durch den Erlass der Bewilligungsbescheide
vom 15. Februar 2006 nicht insgesamt erledigt, so kann der Gläubiger weiterhin
aus dem Urteil mit dem Ziel der Aufrechterhaltung der ungekürzten Bewilligung
vollstrecken. Dem kann der Schuldner nur mit der Vollstreckungsgegenklage
begegnen. Unter diesen Umständen ist die Behandlung der Vollstreckungsge-
genklage als zulässig nicht als verfahrensfehlerhaft anzusehen.
2. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Fest-
setzung des Wertes des Streitgegenstandes in Höhe des dreifachen Jahresbe-
trags der Versorgungskürzung nach Maßgabe des Bescheides vom 25. Juli
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2005 (nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Grundbetrag der
Rente durch die Bescheide vom 15. Februar 2006 nicht geändert worden, so
dass sich auch der prozentuale Abschlagsbetrag nicht geändert hat) beruht auf
§ 42 Abs. 3 GKG in entsprechender Anwendung, § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Dr. Bardenhewer Dr. Hahn Dr. Graulich