Urteil des BVerwG vom 17.08.2009

Ausstattung, Rüge, Forschung, Verfügung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 B 9.09
OVG 5 B 6.08
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. August 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier und
Dr. Möller
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
Berlin-Brandenburg vom 2. Oktober 2008 wird zurückge-
wiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 7 500 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde, die sich auf die Revisionszulassungsgründe der grundsätzli-
chen Bedeutung der Rechtssache (1.) und des Verfahrensmangels (2.) stützt,
bleibt ohne Erfolg.
1. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt
einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erheb-
liche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der
Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungs-
erfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer kon-
kreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und
einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeut-
sam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwie-
fern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich
nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann.
Der Kläger möchte als grundsätzlich bedeutsam geklärt wissen, ob die Vor-
schrift des § 39 Abs. 10 Satz 3 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes
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Brandenburg (Brandenburgisches Hochschulgesetz - BbgHG) vom 20. Mai
1999 (GVBl I S. 130) in der Fassung des Dritten Änderungsgesetzes vom
11. Mai 2007 (GVBl I S. 94) (s. nunmehr § 38 Abs. 10 Satz 3 des Brandenbur-
gischen Hochschulgesetzes vom 18. Dezember 2008 ) mit
Art. 5 Abs. 3 Satz 1, Art. 33 Abs. 5 und Art. 14 Abs. 1 GG sowie - sinngemäß -
den verfassungsrechtlichen Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Ver-
hältnismäßigkeit vereinbar ist. Die umstrittene Vorschrift, die wortgleich bereits
in § 39 Abs. 5 Satz 3 BbgHG in der Fassung des Ersten Änderungsgesetzes
vom 22. März 2004 (GVBl I S. 51) enthalten war, dehnt die in § 39 Abs. 5
Satz 1 BbgHG a.F. vorgesehene Regel, dass die Ausstattung des Fachgebietes
einer Professorin oder eines Professors nur befristet gewährt wird, auf die vor
dem Inkrafttreten des Gesetzes ohne eine Befristung geschlossenen Aus-
stattungsvereinbarungen aus und ordnet an, dass die vor dem 26. Mai 1999
getroffenen (Alt-)Regelungen über die Ausstattung des Fachgebietes einer
Hochschullehrerin oder eines Hochschullehrers als bis zum 31. März 2007 be-
fristet gelten. Der Kläger wirft weiter als grundsätzlich klärungsbedürftig die
Frage auf, „welchen Inhalt die Anpassungsverpflichtung nach § 39 Abs. 10
Satz 4 Brandenburgisches Hochschulgesetz hat“. Diese Fragen zeigen keine
ungelöste Problematik des Bundesrechts auf und können daher nicht zur Zu-
lassung der Grundsatzrevision führen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 15. Ok-
tober 1980 - BVerwG 7 C 15.77 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 84
S. 265) gehören in den Hochschulgesetzen der Länder enthaltene Bestimmun-
gen über Berufungszusagen gegenüber Hochschullehrern nicht dem nach
§ 127 Nr. 2 BRRG revisiblen Landesbeamtenrecht an. Weiter vermag nach der
ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Rüge der
Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Auslegung und Anwendung von Lan-
desrecht die Zulassung der Revision allenfalls dann zu begründen, wenn die
Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab ange-
führten - bundesrechtlichen Normen ihrerseits ungeklärte Fragen von grund-
sätzlicher Bedeutung aufwirft. Die angeblichen bundesrechtlichen Maßgaben,
deren Tragweite und Klärungsbedürftigkeit im Hinblick auf die einschlägigen
landesrechtlichen Regelungen sowie die Entscheidungserheblichkeit ihrer Klä-
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rung in dem anhängigen Verfahren sind in der Beschwerdebegründung darzu-
legen (vgl. etwa: Beschlüsse vom 6. Oktober 2005 - BVerwG 6 BN 2.05 - Buch-
holz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 80 S. 85 und vom 18. Juni 2008
- BVerwG 6 B 23.08 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 164 S. 5). Die Rüge,
das maßgebliche Landesrecht verstoße gegen vorrangiges Bundesverfas-
sungsrecht, rechtfertigt als solche nicht die Zulassung der Grundsatzrevision.
Auf eine solche Rüge hin kann die Revision vielmehr nur dann zugelassen
werden, wenn zugleich dargelegt wird, gegen welche verfassungsrechtliche
Norm verstoßen wird und inwiefern sich bei der Auslegung dieser Bestimmung
Fragen grundsätzlicher Bedeutung stellen, die sich nicht aufgrund der bisheri-
gen höchstrichterlichen Rechtsprechung beantworten lassen (Beschlüsse vom
18. August 1999 - BVerwG 1 B 41.99 - Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 40
S. 2, vom 25. März 1999 - BVerwG 6 B 16.99 - juris Rn. 4, vom 11. Dezember
2003 - BVerwG 6 B 69.03 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 39 S. 33 und
vom 18. Juni 2008 a.a.O. S. 5).
Die von dem Kläger aufgeworfene Frage nach der Zulässigkeit der Befristung
der vor dem 26. Mai 1999 geschlossenen Berufungsvereinbarungen, die der
brandenburgische Landesgesetzgeber - mit einer dreijährigen Übergangsfrist
bis zum 31. März 2007 - erstmals im Jahr 2004 angeordnet hat, betrifft nicht die
Auslegung der von dem Kläger als Prüfungsmaßstab angeführten Verfas-
sungsnormen, sondern die Vereinbarkeit des irrevisiblen Landesrechts mit die-
sen Normen. Dieser Frage kommt eine die Revisionszulassung rechtfertigende
grundsätzliche Bedeutung nach den beschriebenen Maßstäben deshalb nicht
zu.
Davon abgesehen sind die Voraussetzungen, unter denen vor dem Hintergrund
der genannten verfassungsrechtlichen Gewährleistungen auf gesetzlicher
Grundlage in gegenüber Hochschullehrern abgegebene Berufungszusagen
eingegriffen werden darf, in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-
richts und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt (vgl. BVerfG, Urteil vom
8. Februar 1977 - 1 BvR 79/70 u.a. - BVerfGE 43, 242 <278 ff.> und Beschluss
vom 7. November 1979 - 2 BvR 513/74 u.a. - BVerfGE 52, 303 <336>; BVerwG,
Urteile vom 15. Oktober 1980 a.a.O. S. 266 f., vom 29. April 1982 - BVerwG 7 C
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128.80 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 93 S. 42, 44 und vom 27. Februar
2001 - BVerwG 2 C 2.00 - Buchholz 232 § 65 BBG Nr. 19 S. 5). Danach ist eine
Berufungszusage selbst dann, wenn man in der Regelung der Rechtsstellung
der Hochschullehrer durch Sonderzusagen einen hergebrachten Grundsatz des
Hochschulbeamtenrechts im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG sieht, nicht
schlechthin jeder gesetzlichen Veränderung entzogen, die im Zuge einer
Reform der Organisation und der inneren Struktur der Hochschulen
vorgenommen werden soll. Allerdings muss der Gesetzgeber derartige Verein-
barungen in der Weise respektieren, dass die rechtliche Bindung nicht grund-
sätzlich abgelehnt wird. Das Gesetz darf sich nur aus sachlich gebotenen
Gründen über rechtsverbindliche Vereinbarungen mit Hochschullehrern hin-
wegsetzen, wenn seine Ziele, die sich im Rahmen der gesetzgeberischen Ge-
staltungsfreiheit halten, nur auf diese Weise verwirklicht werden können. Da es
in den hier in Rede stehenden Konstellationen nicht um die Entziehung privat-
nütziger Rechtspositionen geht, kommt Art. 14 GG neben der Sonderregelung
des Art. 33 Abs. 5 GG nicht zur Anwendung. Die in Art. 5 Abs. 3 GG gewähr-
leistete Wissenschaftsfreiheit wird durch einen Eingriff in eine Berufungsverein-
barung nicht verletzt, wenn dem Institut oder Lehrstuhl des betroffenen Hoch-
schullehrers eine für den Betrieb von wissenschaftlicher Forschung und Lehre
erforderliche Mindestausstattung erhalten bleibt. Nach den Maßstäben der ver-
fassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnis-
mäßigkeit steht dem Gesetzgeber hier wie auch sonst bei der Überleitung be-
stehender Rechtslagen, Berechtigungen und Rechtsverhältnisse ein weiter
Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Von diesen Grundsätzen ist im Wesentli-
chen auch das Oberverwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil ausge-
gangen (UA S. 13).
Die Beschwerde macht nicht deutlich, dass und unter welchem Gesichtspunkt
sich im vorliegenden Fall ein weitergehender verfassungsrechtlicher Klärungs-
bedarf ergeben könnte. Das gilt auch in Anbetracht dessen, dass das Bundes-
verwaltungsgericht es bei früherer Gelegenheit als unverhältnismäßig bezeich-
net hat, bestehende Vereinbarungen mit Hochschullehrern, namentlich mit sol-
chen, die aufgrund ihres Alters eine neue Zusage in Bleibeverhandlungen nicht
mehr erreichen können, zu brechen und die damit freiwerdenden Mittel für den
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Abschluss neuer Vereinbarungen mit anderen Hochschullehrern zu nutzen (s.
Urteil vom 29. April 1982 a.a.O. S. 45). Ein derartiger Zweck liegt der durch
§ 39 Abs. 10 Satz 3 BbgHG nachträglich eingeführten Verfallsfrist nicht zu
Grunde. Wie das Oberverwaltungsgericht in Auslegung irrevisiblen Landes-
rechts dargelegt hat, verfolgt das Gesetz vielmehr das Ziel, eine bedarfs- und
leistungsgerechte Mittelverteilung insgesamt sicherzustellen und dabei nachhal-
tige Leistungsanreize in Forschung und Lehre für die vorhandenen wie für neu
hinzutretende Hochschullehrer zu schaffen; die Hochschulen sollen die ent-
sprechende Ausstattung dann - aber auch nur dann - über den Fristablauf hin-
aus zur Verfügung stellen, wenn die Evaluation der Lehr- und Forschungsleis-
tungen dies rechtfertigt (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2004
- 1 BvR 911/00 u.a. - BVerfGE 111, 333 <358 ff.>). Dieses Ziel, dem sich ange-
sichts knapper verfügbarer Haushaltsmittel die Sachgerechtigkeit nicht abspre-
chen lässt, konnte erkennbar nicht ohne einen - durch eine mehrjährige Über-
gangsfrist ausreichend gemilderten - Eingriff in die bestandsgeschützten Beru-
fungszusagen verwirklicht werden.
Die von dem Kläger formulierte weitere Frage zum Inhalt der in § 39 Abs. 5
Satz 4 bzw. Abs. 10 Satz 4 BbgHG a.F. enthaltenen Verpflichtung, Berufungs-
vereinbarungen der neuen Rechtslage anzupassen, bezieht sich auf die Ausle-
gung des nach § 137 Abs. 1 VwGO irrevisiblen Landesrechts. Auch diese Frage
kann mithin nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision führen.
2. Die von dem Kläger erhobene Verfahrensrüge greift ebenfalls nicht durch.
Wegen eines Verfahrensmangels kann die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3
VwGO nur zugelassen werden, wenn ein Mangel geltend gemacht wird und
vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Ein solcher Mangel ist nur
dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ordnungsgemäß bezeichnet,
wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in
seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird.
Der Kläger macht geltend, durch die insgesamt nahezu vierjährige Dauer von
Berufungszulassungs- und Berufungsverfahren seien seine Rechte verkürzt
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worden, weil das Oberverwaltungsgericht, hätte es vor Ablauf der in § 39 Abs. 5
Satz 3 bzw. Abs. 10 Satz 3 BbgHG a.F. bestimmten Frist entschieden, den
Fortbestand der von den Beteiligten geschlossenen Berufungsvereinbarung
festgestellt und das erstinstanzliche Urteil nicht zu seinem, des Klägers, Nach-
teil abgeändert hätte.
Unabhängig von der Frage, ob der Kläger mit diesem Vortrag einen Verfah-
rensmangel in Gestalt einer nicht mehr angemessenen Verfahrensdauer hinrei-
chend dargelegt hat (vgl. zu den dafür geltenden Anforderungen: Beschlüsse
vom 17. Oktober 2002 - BVerwG 1 B 353.02 - juris Rn. 3 und vom 19. Oktober
2006 - BVerwG 1 B 175.06 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 347 S. 47),
scheitert eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO jedenfalls
daran, dass das angefochtene Urteil nicht auf der als überlang gerügten Ver-
fahrensdauer beruhen kann. Zwar hat das Oberverwaltungsgericht den Haupt-
antrag des Klägers bereits deshalb für unbegründet erachtet, weil die umstritte-
ne Berufungszusage infolge Zeitablaufs am 31. März 2007 unwirksam gewor-
den sei (UA S. 12). Es hat jedoch den Hilfsantrag, der den Hauptantrag lediglich
insofern modifiziert hat, als die damit begehrte Feststellung auf den in der
Vergangenheit liegenden Zeitraum bis zum 31. März 2007 bezogen worden ist,
wegen des Eingreifens des auf Landesrecht beruhenden Haushaltsvorbehalts
als unbegründet angesehen (UA S. 19 ff.). Nach dieser auch auf den Hauptan-
trag anwendbaren und für die Frage der Erheblichkeit eines etwaigen Verfah-
rensfehlers allein maßgeblichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts hätte
eine vor dem 31. März 2007 getroffene Entscheidung nicht zu einem sachlich
günstigeren Ergebnis für den Kläger führen können.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52
Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 18.10 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsge-
richtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327).
Dr. Bardenhewer
Dr. Bier
Dr. Möller
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Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Hochschulrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
GG
Art. 5 Abs. 3, Art. 33 Abs. 5
Stichworte:
Berufungsvereinbarung; Bestandsschutz; grundsätzliche Bedeutung der
Rechtssache im Fall der Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der
Auslegung und Anwendung von Landesrecht.
Leitsatz:
Berufungsvereinbarungen über die Ausstattung von Lehrstühlen genießen bun-
desverfassungsrechtlich gegenüber Eingriffen auf gesetzlicher Grundlage kei-
nen absoluten Bestandsschutz.
Beschluss des 6. Senats vom 17. August 2009 - BVerwG 6 B 9.09
I. VG Cottbus
vom 25.08.2004 - Az.: VG 1 K 2269/03 -
II. OVG Berlin-Brandenburg vom 02.10.2008 - Az.: OVG 5 B 6.08 -