Urteil des BVerwG vom 05.01.2006

Beweislast, Unternehmen, Genehmigung, Beweisführungslast

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 B 80.05
VG 21 K 7123/03
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. Januar 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. H a h n und V o r m e i e r
beschlossen:
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom
10. August 2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 50 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der
Rechtssache gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision wegen grundsätzli-
cher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor.
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie
eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen
Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisi-
onsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch un-
geklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen
Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall
hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl. Beschluss vom 19. August 1997
- BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 m.w.N.). Dar-
an gemessen kommt die Zulassung der Revision nicht in Betracht.
a) Die Klägerin möchte geklärt wissen, "ob das regulierte Unternehmen
im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt,
dass die mit einem Genehmigungsantrag geltend gemachten Kosten dem Maßstab
des § 24 Abs. 1 Satz 1 TKG 1996 i.V.m. § 3 Abs. 2 TEntGV genügen, wenn die Re-
gulierungsbehörde nach den Gegebenheiten des Einzelfalls entsprechend der Prü-
fung substantiiert darlegt, dass die geltend gemachten Kosten nicht in vollem Umfang
notwendig für die Leistungsbereitstellung sind und damit letztlich nicht dem Maßstab
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der effizienten Leistungsbereitstellung entsprechen". Diese Frage rechtfertigt nicht
die Zulassung der Revision.
Sie betrifft die Darlegungs- und Beweislast im Verfahren der Entgeltge-
nehmigung nach dem Telekommunikationsgesetz vom 25. Juli 1996 (BGBl I S. 1120)
- TKG 1996 - und der Telekommunikations-Entgeltregulierungsverordnung (TEntgV)
vom 1. Oktober 1996 (BGBl I S. 1492). Beide Regelungswerke sind gemäß § 152
Abs. 2 des Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004 (BGBl I S. 1190) - TKG
2004 -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. Juli 2005 (BGBl I S. 1970), am
26. Juni 2004 außer Kraft getreten. Es kann dahinstehen, ob die Revisionszulassung
bereits deshalb ausscheidet, weil Rechtsfragen des ausgelaufenen Rechts regelmä-
ßig keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und eine Ausnahme von diesem
Grundsatz hier nicht vorliegt (vgl. Beschluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B
35.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziffer 1 VwGO Nr. 9 S. 11 m.w.N.). Die Zulassung
der Revision scheidet jedenfalls deshalb aus, weil die Frage ohne Durchführung
eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann.
Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 TKG 1996 hatten sich die für Telekommunikati-
onsdienstleistungen erhobenen Entgelte u.a. an den Kosten der effizienten Leis-
tungsbereitstellung zu orientieren. Die Genehmigungsbehörde genehmigte der Re-
gulierung unterliegende Entgelte auf der Grundlage der auf die einzelne Dienstleis-
tung entfallenden Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung (§ 27 Abs. 1 Nr. 1
TKG 1996). Mit einem Entgeltantrag hatte das beantragende Unternehmen die in § 2
Abs. 1 und 2 TEntgV aufgeführten Kostennachweise vorzulegen. Die Regulierungs-
behörde hatte die von dem beantragenden Unternehmen vorgelegten Nachweise
dahingehend zu prüfen, ob und inwieweit die beantragten Entgelte sich an den Kos-
ten der effizienten Leistungsbereitstellung orientierten (§ 3 Abs. 1 TEntgV). Nach § 3
Abs. 2 TEntgV ergaben sich die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung aus
den langfristigen zusätzlichen Kosten der Leistungsbereitstellung und einem ange-
messenen Zuschlag für leistungsmengenneutrale Gemeinkosten, jeweils einschließ-
lich einer angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals, soweit diese Kosten
jeweils für die Leistungsbereitstellung notwendig waren. Das Verwaltungsgericht hat
angenommen, dass das die Genehmigung eines Entgeltes beantragende Unterneh-
men die Darlegungs- und Beweislast auch dafür trägt, dass die Kosten dem Maßstab
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der effizienten Leistungsbereitstellung entsprechen, wenn die Beklagte nach den
Gegebenheiten des Einzelfalls entsprechend der gebotenen Prüfung substantiiert
darlegt, dass die geltend gemachten Kosten nicht in vollem Umfang notwendig für die
Leistungsbereitstellung sind und damit nicht dem Maßstab der effizienten Leis-
tungsbereitstellung entsprechen. Das Verwaltungsgericht ist in diesem Zusammen-
hang davon ausgegangen, dass die Beklagte zu Recht angezweifelt habe, dass die
geltend gemachten Kosten nicht in vollem Umfang notwendig für die Leistungsbe-
reitstellung seien und der Klägerin der ihr deshalb obliegende Nachweis der Not-
wendigkeit der Kosten nicht gelungen sei. Das Verwaltungsgericht hat diesen Stand-
punkt geteilt und auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren übertragen. Darauf zielt
die von der Klägerin als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage, die zu bejahen ist.
Dem vom Amtsermittlungsgrundsatz geprägten Verwaltungsprozess ist
eine formelle Beweislast (Beweisführungslast) fremd. Ist eine anspruchsbegründende
Tatsache nicht feststellbar, bestimmt sich die Verteilung der Rechtsfolgen nach den
Grundsätzen der materiellen Beweislast. Wer diese Beweislast trägt, ergibt sich aus
dem materiellen Recht und ist in Auslegung der im Einzelfall einschlägigen Norm zu
ermitteln. Enthält diese keine besonderen Regelungen, so greift der allgemeine
Rechtsgrundsatz ein, dass die Nichterweislichkeit von Tatsachen, aus denen eine
Partei günstige Rechtsfolgen herleitet, zu ihren Lasten geht (stRspr, vgl. z.B. Urteil
vom 29. Juni 1999 - BVerwG 9 C 36.98 - BVerwGE 109, 174 <190> m.w.N.). Es
kann hier dahinstehen, ob eine Auslegung des materiellen Rechts, insbesondere der
Telekommunikations-Entgeltgenehmigungsverordnung, ergibt, dass das die Geneh-
migung eines Entgelts beantragende Unternehmen die materielle Beweislast für die
Notwendigkeit der von ihm geltend gemachten Kosten für die effiziente Leistungsbe-
reitstellung im Sinne von § 3 Abs. 2 TEntgV traf. Aus dem materiellen Recht folgte
jedenfalls nicht, dass der Regulierungsbehörde die materielle Beweislast für die
Notwendigkeit dieser Kosten oblag. Dass diese Beweislast das die Genehmigung
begehrende Unternehmen traf, ergibt sich jedenfalls aus der allgemeinen Regel,
nach der im Fall nicht feststellbarer anspruchsbegründender Tatsachen diejenige
Partei die Beweislast trägt, die sich auf ihr günstige anspruchsbegründende Tatsa-
chen beruft. Die Notwendigkeit der geltend gemachten Kosten für die effiziente Leis-
tungsbereitstellung im Sinne von § 3 Abs. 2 TEntgV war Voraussetzung für die Ge-
nehmigungserteilung. Nur wenn die geltend gemachten Kosten für die effiziente
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Leistungsbereitstellung im Sinne von § 3 Abs. 2 TEntgV notwendig waren, konnte ge-
prüft werden, ob das zur Genehmigung gestellte Entgelt sich an den Kosten der
effizienten Leistungsbereitstellung im Sinne von § 24 Abs. 1 TKG 1996 und § 3
Abs. 1 TEntgV orientierte. Da die Orientierung an den Kosten der effizienten Leis-
tungsbereitstellung anspruchsbegründend war, gilt dies gleichermaßen für die Not-
wendigkeit der geltend gemachten Kosten für die effiziente Leistungsbereitstellung im
Sinne von § 3 Abs. 2 TEntgV. War die Notwendigkeit der Kosten nicht feststellbar, et-
wa weil das Gericht die insoweit von der Regulierungsbehörde vorgebrachten
Bedenken teilte und diese sich auch im gerichtlichen Verfahren nicht ausräumen lie-
ßen, ging dies zu Lasten des die Genehmigung begehrenden Unternehmens, weil
eine anspruchsbegründende Tatsache nicht festgestellt war.
b) Die Revision ist auch nicht zur Klärung der Frage zuzulassen, "ob die
Regulierungsbehörde von der Notwendigkeit einer Begründung ihrer Entscheidung
befreit ist, wenn sie trotz - unterstellter - Beweisfälligkeit des regulierten Unterneh-
mens hinsichtlich der Notwendigkeit der von ihm nachgewiesenen tatsächlichen Kos-
ten gleichwohl eine Festsetzung über die Kostenposition trifft". Auch diese Frage
kann - soweit sie einer über den Einzelfall hinausgehenden Klärung zugänglich ist -
beantwortet werden, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens be-
darf.
Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 VwVfG ist u.a. ein schriftlicher Ver-
waltungsakt mit einer Begründung zu versehen, in der die wesentlichen tatsächlichen
und rechtlichen Gründe mitzuteilen sind, die die Behörde zu ihrer Entscheidung be-
wogen haben. Einer Begründung bedarf es nicht, wenn die Voraussetzungen von
§ 39 Abs. 2 VwVfG vorliegen. Eine behördliche Entscheidung über einen Entgeltge-
nehmigungsantrag muss den Anforderungen von § 39 VwVfG genügen. Es ist eine
Frage des Einzelfalls und deshalb keiner grundsätzlichen Klärung zugänglich, ob der
hier streitige Bescheid der Regulierungsbehörde den Anforderungen von § 39 VwVfG
Rechnung trägt.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Fest-
setzung des Wertes des Streitgegenstandes folgt aus §§ 47, 52 GKG.
Bardenhewer Hahn Vormeier