Urteil des BVerwG vom 16.07.2014

Rechtsstaatsprinzip, Religionsfreiheit, Gleichbehandlungsgebot, Staatsvertrag

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 B 8.14
OVG 3 L 33/13
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Juli 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Graulich und Dr. Möller
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
des Landes Sachsen-Anhalt vom 23. Oktober 2013 wird
zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigela-
denen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 120 686,40 € festgesetzt.
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G r ü n d e :
I
Der Kläger, der Synagogengemeinde zu Halle e.V., begehrt von dem Beklag-
ten, dem Landesverband Jüdischer Gemeinden Sachsen-Anhalt, die Festset-
zung und Auszahlung seines Anteils an den finanziellen Zuwendungen, die das
Land Sachsen-Anhalt für das Jahr 2006 auf der Grundlage eines mit der Jüdi-
schen Gemeinschaft in Sachsen-Anhalt im Jahre 1994 geschlossenen Staats-
vertrages gewährt hatte. Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 des Staatsvertrages zahlte
das Land jährlich an den beklagten Landesverband einen Gesamtzuschuss
(Staatsleistung). Nach dem Schlussprotokoll zu dieser Bestimmung bestand
Einvernehmen darüber, dass die Staatsleistung die Zuschüsse für neu entste-
hende Gemeinden mit umfasst und dass die Mittel anteilmäßig den Gemeinden
unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zum Landesverband zufließen sollten.
Nach seiner Gründung im Jahre 1996 wandte sich der Kläger an den beklagten
Landesverband und begehrte erstmals für das Jahr 1997, anteilig an der
Staatsleistung beteiligt zu werden. Der Beklagte entschied hierüber nicht. Auf
die Klage des Klägers verpflichtete das Verwaltungsgericht Magdeburg den Be-
klagten durch Urteil vom 21. Juli 1998 - A 8 K 314/97 -, den Kläger an den
Staatsleistungen dem Grunde nach anteilig zu beteiligen. Der Beklagte setzte
durch Bescheid vom 7. März 2006 den Anteil des Klägers an den Staatsleistun-
gen für das Jahr 2006 auf 54 262,80 € fest und lehnte den weitergehenden An-
trag des Klägers ab.
Auf die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage des Klägers hat das
Verwaltungsgericht den Beklagten unter Aufhebung des entgegenstehenden
Bescheides verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Gerichts erneut zu bescheiden.
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Das Oberverwaltungsgericht hat im Berufungsverfahren das Verfahren ausge-
setzt und die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt zu
der Frage eingeholt, ob Art. 1 Abs. 1 des Zustimmungsgesetzes zum Staatsver-
trag in Verbindung mit dem Schlussprotokoll zu Art. 13 Abs. 1 des Staatsvertra-
ges mit Art. 9 Abs. 1 und 2 VerfLSA (Grundrechte der Glaubensfreiheit und der
ungestörten Religionsausübung) in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 VerfLSA
(Rechtsstaatsprinzip) vereinbar sei. Das Landesverfassungsgericht hat durch
Urteil vom 15. Januar 2013 - LVG 2/12 - Art. 1 Abs. 1 des Zustimmungsgeset-
zes zum Staatsvertrag in Verbindung mit dem Schlussprotokoll zu Art. 13
Abs. 1 des Staatsvertrages wegen Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 1 und 2
VerfLSA in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 VerfLSA für nichtig erklärt. Das Ober-
verwaltungsgericht hat in dem sodann fortgesetzten Berufungsverfahren das
Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen: Der Kläger
könne den geltend gemachten Anspruch nicht auf Art. 1 Abs. 1 des Zustim-
mungsgesetzes zum Staatsvertrag und auf das Schlussprotokoll zu § 13 Abs. 1
des Staatsvertrages stützen, weil das Landesverfassungsgericht festgestellt
habe, dass diese Regelungen nichtig seien. Der Abweisung der Klage aus die-
sem Grund stehe die Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Magde-
burg vom 21. Juli 1998 nicht entgegen.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelas-
sen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
II
Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Gründe für eine Zu-
lassung der Revision liegen nicht vor.
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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a) Der Kläger wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,
ob es dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip, dem
Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 GG, der Religionsfrei-
heit aus Art. 4 GG sowie dem aus dem staatskirchenrecht-
lichen Paritätsgebot folgenden Beteiligungsgebot ent-
spricht, wenn ein Empfänger (hier: Landesverband Jüdi-
scher Gemeinden Sachsen-Anhalt, K.d.ö.R.) verfas-
sungswidrig Leistungen erhalten hat und behalten darf
und ein Dritter (hier: Synagogengemeinde zu Halle e.V.)
an diesen Leistungen nicht partizipieren darf, obwohl ein
bestandskräftiges Urteil vorliegt, das dem Dritten eine
Teilhabe zuspricht.
Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Sie hat sich dem
Oberverwaltungsgericht nicht gestellt und brauchte sich ihm nicht zu stellen,
weil sie in dieser Form mit Blick auf den Streitgegenstand nicht entscheidungs-
erheblich war. Sie würde sich deshalb in dem angestrebten Revisionsverfahren
nicht stellen und könnte dort nicht beantwortet werden.
Gegenstand des Rechtsstreits ist ein Anspruch des Klägers auf anteilige Teil-
habe an der Staatsleistung gegen den beklagten Landesverband. Für einen
Anspruch gerade gegen den beklagten Landesverband ist es aber von vornhe-
rein und nach jeder Betrachtungsweise unerheblich, ob es mit dem Demokratie-
und Rechtsstaatsprinzip, dem Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 GG, der Re-
ligionsfreiheit aus Art. 4 GG sowie dem aus dem staatskirchenrechtlichen Pari-
tätsgebot folgenden Beteiligungsgebot vereinbar ist, wenn der Beklagte - wie
der Kläger meint - verfassungswidrig vom Land Sachsen-Anhalt Leistungen er-
halten hat und behalten darf, er aber an diesen Leistungen nicht beteiligt wird.
Vielmehr geben das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip, das Gleichbehand-
lungsgebot aus Art. 3 GG, die Religionsfreiheit aus Art. 4 GG sowie das staats-
kirchenrechtliche Paritätsgebot unter den hier obwaltenden Umständen, näm-
lich der Nichtigkeit des Schlussprotokolls zu Art. 13 Abs. 1 des Staatsvertrages,
für einen Anspruch gerade gegen den Beklagten nichts her. Das Gleichbehand-
lungsgebot aus Art. 3 GG, die Religionsfreiheit aus Art. 4 GG sowie das staats-
kirchenrechtliche Paritätsgebot hat der Staat zu beachten, wenn er Religions-
gemeinschaften finanziell fördern will; gibt der Staat die Vergabe finanzieller
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Mittel aus der Hand und betraut er damit eine Religionsgemeinschaft, hat er
zusätzlich das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip zu wahren. Entscheidun-
gen eines Aufgabenträgers in eigener Sache sind danach nur in begrenztem
Umfang zulässig. Der Staat darf nicht mit der Verteilung von ihm zur Verfügung
gestellter Mittel eine Religionsgemeinschaft betrauen, die selbst anspruchsbe-
rechtigt ist (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2009 - 2 BvR 890/06 - BVerfGE
123, 148 <179 ff.>). Wie das Landesverfassungsgericht in Übereinstimmung mit
dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts festgestellt hat, hat das
Land seine verfassungsrechtlichen Pflichten verletzt, indem es den Beklagten
mit der Verteilung der zur Verfügung gestellten Mittel beauftragt hat, obwohl der
Beklagte selbst anspruchsberechtigt ist und sein Anteil an der Staatsleistung im
Staatsvertrag nicht festgelegt, sondern von ihm selbst zu Lasten der anderen
Berechtigten zu bestimmen ist, ohne dass hierfür und für die Verteilung an die
berechtigten Gemeinden Kriterien vorgeschrieben sind, die dem Beklagten kei-
nen Spielraum lassen und deshalb eine Abhängigkeit der berechtigten Gemein-
den von dem mit ihnen konkurrierenden Beklagten verhindern.
Das Landesverfassungsgericht hat nur das Schlussprotokoll zu Art. 13 Abs. 1
Satz 1 des Staatsvertrages für verfassungswidrig erklärt, nach welchem die
Staatsleistung durch den Landesverband an die Gemeinden einschließlich neu
entstehender Gemeinden anteilig weiterzureichen ist. Es hat hingegen nicht
Art. 13 Abs. 1 des Staatsvertrages für nichtig erklärt, in welchem sich das Land
verpflichtet hat, die jüdische Gemeinschaft in Sachsen-Anhalt durch eine finan-
zielle Zuwendung zu fördern. Dass die zunächst vereinbarte Verteilung durch
den beklagten Landesverband verfassungswidrig ist, entbindet das Land nicht
von seiner verfassungsrechtlichen Pflicht, für eine Förderung aller der jüdischen
Gemeinschaft zugehörigen Gemeinden entsprechend dem Gleichbehandlungs-
gebot aus Art. 3 GG, der Religionsfreiheit aus Art. 4 GG sowie dem staatskir-
chenrechtlichen Paritätsgebot Sorge zu tragen. Das Demokratie- und Rechts-
staatsprinzip, das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 GG, die Religionsfreiheit
aus Art. 4 GG sowie das staatskirchenrechtliche Paritätsgebot verpflichten in
der hier gegebenen Lage allein das Land. Wie das Land diese objektiv be-
stehende Pflicht erfüllt und welche subjektiven Ansprüche der Kläger aus ihr
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herleiten kann, bedurfte keiner Entscheidung durch das Oberverwaltungsgericht
und wäre in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht zu klären.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Rechtslage zutreffend zusammengefasst:
Wenn eine Verteilung der Mittel durch den Beklagten nach Maßgabe des
Staatsvertrags gegen das Rechtsstaatsprinzip und die Religionsfreiheit ver-
stößt, kann aus dem Rechtsstaatsprinzip und der Religionsfreiheit jedenfalls
solange kein Anspruch gegen den Beklagten auf Beteiligung an den Staatsleis-
tungen folgen, als das als verfassungswidrig erkannte Defizit andauert, der Be-
klagte also keinen vom Landesgesetzgeber zu verantwortenden Bindungen
unterliegt, welche eine Entscheidung in eigener Sache und eine Abhängigkeit
der anspruchsberechtigten Gemeinden von ihm ausschließen.
b) Aus letztlich denselben Gründen ist die weiter aufgeworfene Frage ebenfalls
nicht klärungsfähig,
ob es dem Rechtsstaatsprinzip entspricht, wenn ein ver-
fassungswidriger Zustand (Teilhabe an den Staatsmitteln
aufgrund bestandskräftigen Urteils, welches auf einer spä-
ter für verfassungswidrig erklärten Norm beruht) zu einem
noch verfassungswidrigeren Zustand führt (der Empfänger
der verfassungswidrigen Begünstigung, der zur teilweisen
Weitergabe der Begünstigung auf Grund verfassungswid-
rigen Normen ist, diese Gelder behalten darf).
Auf die Frage kommt es wiederum nicht entscheidungserheblich an. Zwar mag
es verfassungswidrig sein, wenn das Land Religionsgemeinschaften finanziell
fördert, der Kläger aber davon (faktisch) ausgenommen bleibt, weil die Rege-
lung über die Verteilung dieser Mittel verfassungswidrig und nichtig ist. Abhilfe
kann aber nicht dadurch geschaffen werden, dass dem Kläger ein Anspruch
gegen den Beklagten eingeräumt wird, für den es aus verfassungsrechtlichen
Gründen an einer Rechtsgrundlage fehlt. Wie das grundrechtsverpflichtete Land
dem verfassungswidrigen Zustand abzuhelfen hat, kann in dem Verfahren
gegen den Beklagten hingegen nicht geklärt werden.
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c) Gleichfalls nicht klärungsfähige bloße Varianten stellen die weiter aufgewor-
fenen Fragen dar,
ob aus dem Rechtsstaatsprinzip ein direkter, unmittelbarer
Anspruch auf Zahlung folgt und ob Anspruchsgrundlage
die Beseitigung einer verfassungswidrigen Begünstigung
ist.
Ob aus dem Rechtsstaatsprinzip ein Zahlungsanspruch folgen kann, ist nicht
entscheidungserheblich, weil es hier nur um Ansprüche des Klägers gegen den
Beklagten geht, das Rechtsstaatsprinzip aber in der hier gegebenen Lage allen-
falls Pflichten des Landes im Verhältnis zum Kläger, nicht aber Pflichten des
Beklagten im Verhältnis zu ihm begründet.
Die „Beseitigung einer verfassungswidrigen Begünstigung“ ist offensichtlich kei-
ne Anspruchsgrundlage, sondern kann allenfalls das Ziel sein, auf das eine An-
spruchsgrundlage gerichtet sein kann, wie der öffentlich-rechtliche Folgenbesei-
tigungsanspruch oder der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch.
Die Frage geht zudem von einer Voraussetzung aus, die das Oberverwaltungs-
gericht so nicht festgestellt hat. Dass der beklagte Landesverband Leistungen
verfassungswidrig erhalten hat, ergibt sich weder aus dem angefochtenen Urteil
des Oberverwaltungsgerichts noch aus dem dort in Bezug genommenen Urteil
des Landesverfassungsgerichts. Das Landesverfassungsgericht hat insbeson-
dere nicht Art. 13 Abs. 1 Satz 1 des Staatsvertrages für verfassungswidrig er-
klärt, nach dem das Land an den Landesverband einen Gesamtzuschuss
(Staatsleistung) zahlt. Für verfassungswidrig und nichtig erklärt ist nur das
Schlussprotokoll zu dieser Bestimmung, nach welcher die Staatsleistung den
Gemeinden einschließlich neu entstehender Gemeinden anteilig weiterzurei-
chen ist, ohne dass ein Maßstab für die Bemessung dieser Anteile einschließ-
lich des eigenen Anteils des Landesverbandes festgelegt wird.
Verfassungswidrig ist allenfalls der Ausschluss des Klägers mangels einer ver-
fassungsmäßigen Verteilungsregelung von einer Leistung, die andere
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möglicherweise rechtmäßig erhalten haben. Insoweit besteht aber - wie darge-
legt - jedenfalls die objektive Pflicht des Landes aus dem Gleichbehandlungs-
gebot des Art. 3 GG, der Religionsfreiheit des Art. 4 GG sowie dem staatskir-
chenrechtlichen Paritätsgebot, für eine paritätische Beteiligung des Klägers an
der staatlichen Förderung zu sorgen.
d) Damit beantwortet sich zugleich die weitere Frage,
ob der Beklagte den auf Grund seiner Beleihung erhalte-
nen Betrag behalten und für sich verbrauchen darf oder ob
der Kläger geltend machen kann, dass er gegen den Be-
klagten einen Anspruch auf Teilhabe nach Maßgabe eines
allgemeinen grundrechtlichen Verteilungsmaßstabes hat,
obwohl die zugrundeliegende Norm (hier der Staatsver-
trag) - diese verfassungswidrig - dies gerade nicht selbst
vorgibt.
Sollte der Beklagte die Staatsleistung rechtswidrig oder rechtsgrundlos erhalten
haben, weil das Schlussprotokoll zu Art. 13 Abs. 1 des Staatsvertrages, das die
Zweckbestimmung dieser Leistung normiert, nichtig ist und eine zweckgerechte
Verwendung deshalb nicht möglich ist, besteht unter den weiteren hierfür gel-
tenden Voraussetzungen allenfalls ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsan-
spruch des Landes gegen den Beklagten. Sollten die Voraussetzungen eines
solchen Anspruchs vorliegen und würde das Land ihn realisieren, fiele damit
zugleich die Voraussetzung weg, unter welcher der Kläger allenfalls Ansprüche
auf Förderung durch das Land haben könnte, weil dann überhaupt keine Förde-
rung gewährt würde. Besteht hingegen kein Erstattungsanspruch des Landes
gegen den Beklagten oder realisiert das Land einen solchen Anspruch nicht,
besteht wiederum - wie dargelegt - die objektive Pflicht des Landes aus dem
Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG, der Religionsfreiheit des Art. 4 GG so-
wie dem staatskirchenrechtlichen Paritätsgebot, für eine paritätische Beteiligung
des Klägers an der dann aufrechterhaltenen staatlichen Förderung der jüdi-
schen Gemeinschaft in Sachsen-Anhalt zu sorgen. Welche subjektiven Ansprü-
che des Klägers aus dieser Pflicht folgen, bedurfte und bedarf in diesem Ver-
fahren keiner Klärung.
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e) Damit ist auch das Notwendige zu der weiteren Frage gesagt,
ob aus dem Gleichbehandlungs- und Rechtsstaatsprinzip
bei verfassungswidrig erteilten Vergünstigungen ein Aus-
zahlungsanspruch eines zu Beteiligenden folgt, wenn an-
sonsten der Auszahlungsverpflichtete verfassungswidrig
die Vergünstigungen behalten dürfte.
f) Soweit der Kläger weiter fragt,
ob aus der Verpflichtung des Landes Sachsen-Anhalt zur
gleichmäßigen Förderung vergleichbarer Religionsgesell-
schaften wegen des Grundsatzes der staatskirchenrechtli-
chen Parität für einen anspruchsberechtigten Dritten ein
öffentlich-rechtlicher Anspruch auf anteilige finanzielle
Förderung gegen den beklagten Landesverband folgt, da
er verfassungswidrig paritätisch beteiligt wurde,
ist die Antwort bereits gegeben. Aus der Verpflichtung des Landes kann allen-
falls ein Anspruch gegen das Land, nicht aber gegen den Beklagten folgen, der
gerade deshalb keine Entscheidung über die paritätische Verteilung der Mittel
treffen darf, weil es dafür in dem Staatsvertrag, der als Anspruchsgrundlage al-
lein in Betracht kommt, an dem verfassungsgebotenen Maßstab fehlt.
g) Nicht klärungsbedürftig ist die Frage,
ob aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip, dem
Gebot effektiven Rechtsschutzes, der Religionsfreiheit aus
Art. 4 GG sowie dem aus dem staatskirchenrechtlichen
Paritätsgrundsatz folgenden Beteiligungsgebot als auch
aus Art. 6 EMRK eine Verpflichtung für das angerufene
Verwaltungsgericht folgt, über den Inhalt des Anspruchs
zu entscheiden und nicht den Kläger nach 16 Jahren
durchgeführter Prozesse auf einen erneuten Prozess zu
verweisen.
Die Antwort auf diese Frage liegt unmittelbar auf der Hand und bedarf nicht der
Klärung in einem Revisionsverfahren. Wie die Begründung der Beschwerde
ergibt, erwartet der Kläger eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts da-
zu, ob ihm nicht zumindest ein Anspruch gegen das Land Sachsen-Anhalt zu-
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steht. Eine Pflicht, hierzu eine Entscheidung zu treffen, kann sich aus den he-
rangezogenen verfassungsrechtlichen Bestimmungen ebenso wenig ergeben
wie aus der Europäischen Menschenrechtskonvention. Das Gericht hat den an
ihn herangetragenen Rechtsstreit zu entscheiden. Geltend gemacht war hier
allein ein Anspruch gegen den beklagten Landesverband. Entscheiden konnte
das Gericht nur, ob ein Anspruch gegen den Beklagten besteht. Ob ein An-
spruch gegen das Land besteht und welchen Inhalt ein solcher Anspruch gege-
benenfalls hat, konnte das Oberverwaltungsgericht mangels Rechtshängigkeit
nicht entscheiden, sondern allenfalls in einer nicht entscheidungstragenden
Nebenbemerkung abhandeln. Hierzu bestand aber umso weniger Anlass, als
das Land Sachsen-Anhalt am Verfahren nicht beteiligt ist und derartige Neben-
bemerkungen deshalb gänzlich unverbindlich wären, sich allenfalls dem Vor-
wurf ausgesetzt sähen, das rechtliche Gehör zu verletzen.
h) Keine grundsätzliche Bedeutung kommt der Frage zu,
ob die Nichtigerklärung einer Norm durch ein Landesver-
fassungsgericht zu einer nachträglichen Änderung der
Rechtslage führt, wenn zuvor ein Verwaltungsgericht
(Magdeburg, nachfolgend das Oberverwaltungsgericht
und das Bundesverwaltungsgericht einschließlich eines
Nichtannahmebeschlusses des Bundesverfassungsge-
richts - 2 BvR 1348/05) von der Verfassungskonformität
der bis dahin einzig geprüften Anspruchsgrundlage
(Staatsvertrag) ausgegangen ist.
Die Frage ist von Bedeutung nur mit Blick auf die Rechtskraft des Urteils des
Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 21. Juli 1998 - A 8 K 314/97 -, durch wel-
ches das Verwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet hat, den Kläger an den
Staatsleistungen dem Grunde nach anteilig zu beteiligen. Der Kläger stellt die-
sen Zusammenhang mit der von ihm aufgeworfenen Frage im Weiteren selbst
her. Insoweit bedarf die Frage aber keiner Klärung in einem Revisionsverfahren
mehr, weil sie in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits
beantwortet ist. Danach konnte der Kläger aus dem rechtskräftigen Urteil des
Verwaltungsgerichts Magdeburg für den hier streitigen Klageanspruch nichts
mehr herleiten, nachdem das Landesverfassungsgericht die Norm, welche für
die anteilige Beteiligung des Klägers an der Staatsleistung nur einschlägig sein
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könnte (das Schlussprotokoll zu Art. 13 Abs. 1 des Staatsvertrages), für verfas-
sungswidrig und nichtig erklärt hatte.
Hat das Verfassungsgericht eines Landes die Nichtigkeit von Landesrecht fest-
gestellt oder Vorschriften des Landesrechts für nichtig erklärt, so bleiben nach
§ 183 Satz 1 VwGO vorbehaltlich einer besonderen (hier fehlenden) gesetzli-
chen Regelung durch das Land die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen
der Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit zwar unberührt, die auf der für
nichtig erklärten Norm beruhen. Die Vollstreckung aus einer solchen Entschei-
dung ist aber nach § 183 Satz 2 VwGO unzulässig. Das Bundesverwaltungsge-
richt hat zu der sachgleichen Vorschrift des § 79 Abs. 2 BVerfGG geklärt, dass
die erstrebte Vollstreckung einer rechtskräftigen Entscheidung auch nicht mit
Hilfe eines neuen Klageverfahrens zulässig ist. Die Vorschrift schränkt vielmehr
die Wirkung der Rechtskraft in der Weise ein, dass nach der Nichtigerklärung
der Norm kein staatlicher Hoheitsakt - sei es ein Verwaltungsakt oder ein Ge-
richtsurteil - mehr ergehen darf, der in Vollzug jenes rechtskräftig gewordenen
Urteils die für nichtig erklärten Normen anwendet: Dass § 79 Abs. 2 BVerfGG in
diesem Sinne zu verstehen und anzuwenden sei, folge zweifelsfrei aus dem
Zweck der Regelung, einerseits die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen
aus Gründen der Rechtssicherheit bestehen zu lassen, ihre Wirkung anderer-
seits aber - um der materiellen Gerechtigkeit willen - dahin einzuschränken,
dass sie als Instrumente zur zwangsweisen Herbeiführung der auf der nichtigen
Norm beruhenden und deshalb mit dem materiellen Recht nicht in Einklang ste-
henden Rechtsfolge nicht mehr verwendet werden dürften (Beschluss vom
23. Dezember 1983 - BVerwG 7 B 2.83 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 48
S. 5). Diese Aussagen des Bundesverwaltungsgerichts lassen sich ohne Weite-
res auf die inhaltsgleiche Vorschrift des § 183 VwGO übertragen.
Ohne dass sich für den konkreten Fall weiterer allgemeiner Klärungsbedarf er-
gäbe, folgt daraus ohne Weiteres, dass der Kläger aus der Rechtskraft des
Urteils des Verwaltungsgerichts Magdeburg für seinen Klageanspruch nichts
mehr herleiten kann. Das Verwaltungsgericht Magdeburg hatte angenommen,
der beklagte Landesverband sei auf der Grundlage des Schlussprotokolls zu
Art. 13 Abs. 1 des Staatsvertrages verpflichtet, den Kläger anteilig an der
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Staatsleistung zu beteiligen, und hatte diese Verpflichtung (nur) dem Grunde
nach festgestellt. Der Kläger hätte ohne die Entscheidung des Landesverfas-
sungsgerichts die Vollstreckung dieses Urteils - hinreichende Bestimmtheit des
Leistungsausspruchs unterstellt - versuchen können. Er hat stattdessen den
Erlass eines Verwaltungsakts durch den Beklagten beantragt, der dessen aus-
geurteilte Verpflichtung umsetzen soll, und nach Erlass des Verwaltungsaktes
Verpflichtungsklage auf Gewährung eines höheren Anteils sowie Leistungskla-
ge auf Zahlung dieses Anteils erhoben. Weder der eingeklagte Verwaltungsakt
noch das angestrebte Leistungsurteil dürfen in Vollzug des rechtskräftig gewor-
denen Urteils des Verwaltungsgerichts Magdeburg ergehen, weil dafür die für
nichtig erklärte Norm angewandt werden müsste.
Unerheblich ist, ob die Nichtigerklärung des Schlussprotokolls zu Art. 13 Abs. 1
des Staatsvertrages eine Änderung der Rechtslage darstellt. Hierauf hat zwar
das Bundesverwaltungsgericht in der erwähnten Entscheidung ergänzend für
den Fall eines Bescheidungsurteils und dessen Bindungswirkung verwiesen.
Die Auslegung des § 183 VwGO ist davon aber unabhängig.
2. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf dem gerügten Verfahrensfehler
(§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat nicht gegen § 88
VwGO verstoßen. Es ist nicht über das Klagebegehren hinausgegangen.
Der Kläger erhebt diesen Vorwurf, weil er meint, das Oberverwaltungsgericht
habe über den Anspruch dem Grunde nach entschieden und diesen verneint,
obwohl ein Anspruch dem Grunde nach nicht Gegenstand seiner Klage gewe-
sen sei. Das Oberverwaltungsgericht habe ihm mithin einen Anspruch ab-
erkannt, den er nicht zur Entscheidung gestellt habe.
Dieser Vorwurf trifft nicht zu. Das Oberverwaltungsgericht hat auf die Berufung
des Beklagten die Klage abgewiesen und damit nur (negativ) über das Klage-
begehren entschieden. Zwar mag sich aus der Begründung wegen ihrer Trag-
weite zugleich ergeben, dass nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts
schon dem Grunde nach kein Anspruch gegen den Beklagten besteht. Ent-
schieden ist damit über einen solchen Anspruch aber nicht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die
Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Neumann
Dr. Graulich
Dr. Möller
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