Urteil des BVerwG vom 13.01.2010

Öffentlich, Staatsvertragsrecht, Haushalt, Empfang

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 B 79.09
OVG 4 LC 460/07
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Januar 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge und
Dr. Graulich
beschlossen:
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Ober-
verwaltungsgerichts vom 26. August 2009 wird zurückge-
wiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 145,35 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die allein auf die Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Be-
schwerde bleibt ohne Erfolg.
Der Beklagte wendet sich gegen das die Aufhebung seines Rundfunkgebüh-
renbescheids durch das Verwaltungsgericht bestätigende Urteil des Oberver-
waltungsgerichts. Mit Bescheid vom 3. Dezember 2004 setzte der Beklagte ge-
gen die Klägerin für den Zeitraum von September 2003 bis Mai 2004 Rund-
funkgebühren in Höhe von 145,35 € zzgl. Säumniszuschläge in Höhe von
5,11 € fest. Dem dagegen gerichteten Anfechtungsbegehren hat das Beru-
fungsgericht im Ergebnis entsprochen. Eine Rundfunkgebührenpflicht im Rah-
men des § 5 Abs. 1 Satz 1 RGebStV bestehe nach dessen Satz 2 nicht für
Zweitgeräte, die von Personen zum Empfang bereit gehalten würden, welche
mit dem Rundfunkteilnehmer in häuslicher Gemeinschaft lebten und deren Ein-
kommen den einfachen Sozialhilferegelsatz nicht überstiegen. Dies sei bei der
im väterlichen Haushalt lebenden Klägerin der Fall gewesen, denn sie habe im
fraglichen Zeitraum als Auszubildende zur Hotelfachfrau ein Einkommen erzielt,
welches den einfachen Sozialhilferegelsatz, der damals für Haushaltsangehöri-
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ge vom Beginn des 19. Lebensjahres an bei 237 € gelegen habe, nicht über-
schritten habe.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten bleibt ohne Erfolg, denn die
Frage der richtigen Anwendung von § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV berührt im vor-
liegenden Rechtsstreit noch irrevisibles - d.h. im Revisionsverfahren nicht klä-
rungsfähiges (§ 137 Abs. 1 VwGO) - Landesrecht. Die Bestimmungen dieses
Staatsvertrages wurden erst durch § 10 RGebStV i.d.F. des Neunten Rund-
funkänderungsstaatsvertrages mit Wirkung vom 1. März 2007 für revisibel er-
klärt (s. Gesetz vom 26. Januar 2007, Nds. GVBl S. 54). Die Revisibilität gilt
noch nicht für das Staatsvertragsrecht, das für die hier umstrittene Rundfunk-
gebührenpflicht hinsichtlich eines in der Vergangenheit abgeschlossenen Zeit-
raums maßgeblich ist. Denn unter den in § 10 RGebStV nunmehr als revisibel
bezeichneten „Bestimmungen dieses Staatsvertrags“ sind die Bestimmungen
des Rundfunkgebührenstaatsvertrags in der Fassung zu verstehen, die dieser
durch Art. 7 des Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrags erhalten hat, nicht
hingegen das - hier noch maßgebliche - bisherige Gebührenstaatsvertragsrecht
(vgl. Beschlüsse vom 5. April 2007 - BVerwG 6 B 15.07 - Buchholz 422.2 Rund-
funkrecht Nr. 42 Rn. 4 und vom 18. Juni 2008 - BVerwG 6 B 1.08 - Buchholz
422.2 Rundfunkrecht Nr. 44 = NVwZ-RR 2008, 704 Rn. 4). Die dieser Recht-
sprechung widersprechenden Ausführungen des Beklagten in der Beschwer-
debegründung geben dem Senat zu einer abweichenden Beurteilung keinen
Anlass.
Eine in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bislang ungeklärte
Rechtsfrage des Bundesrechts, etwa zur Auslegung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2
GG mit Blick auf die Finanzierungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rund-
funks, wird in der Beschwerdebegründung nicht hinreichend dargelegt (§ 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO). Dass der Beklagte ein vom Urteil des Oberverwaltungs-
gerichts abweichendes Verständnis des rundfunkgebührenrechtlichen Einkom-
mensbegriffs für verfassungsrechtlich geboten hält, reicht nicht aus.
Abgesehen davon ist in der Senatsrechtsprechung geklärt, dass ein Verstoß
gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht vorliegt, wenn eine rechtsstaatlich unbe-
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denkliche Auslegung rundfunkgebührenrechtlicher Bestimmungen zu Gebüh-
renausfällen führt. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, hierauf erforderlichenfalls
zu reagieren. Ein verfassungsrechtlicher Grundsatz des Inhalts, dass das
Rundfunkgebührenrecht von den Gerichten im Zweifel stets im Sinne des Be-
stehens der Gebührenpflicht auszulegen ist, besteht nicht (vgl. Urteil vom
29. April 2009 - BVerwG 6 C 28.08 - juris Rn. 23). Diese Erwägungen kommen
ebenfalls zum Zuge, wenn die gerichtliche Auslegung mit einer Erhöhung des
Verwaltungsaufwands auf Seiten der Rundfunkanstalten verbunden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des
Streitwertes auf § 43 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Dr. Bardenhewer
Büge
Dr. Graulich
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