Urteil des BVerwG vom 01.06.2010

Vorverfahren, Widerspruchsverfahren, Begründungspflicht, Rüge

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 B 77.09
VG 2 K 2856/07.F(V)
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. Juni 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Graulich und Dr. Möller
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Frank-
furt am Main vom 14. August 2009 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 3 047,48 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf die Grundsatz- (1.) und die Verfahrensrüge (2.) gestützte Beschwerde
hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache
(§ 34 Satz 1 und 2 WPflG, § 135 Satz 3 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzu-
lassen.
Grundsätzliche Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt der
Rechtssache nur zu, wenn sie eine höchstrichterlich bisher noch nicht geklärte
Rechtsfrage von grundsätzlicher, d.h. allgemeiner Bedeutung aufwirft. Dazu ist
erforderlich, dass die von der Beschwerde darzulegende (§ 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO) Rechtsfrage in einem zukünftigen Revisionsverfahren klärungsfähig und
klärungsbedürftig ist und ihre Entscheidung eine über den Einzelfall hi-
nausgehende Bedeutung besitzt. Streitgegenständlich sind die Notwendigkeit
der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts (§ 80 Abs. 2 VwVfG) und der Aufwen-
dungsersatz für ärztliche Privatgutachten (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) im isolier-
ten Vorverfahren. Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg, weil keine der drei vom
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Kläger hierzu aufgeworfenen Rechtsfragen (a) bis c)) den Darlegungsanforde-
rungen genügt.
a) Für grundsätzlich klärungsbedürftig hält der Kläger zunächst die Frage, „auf
welche Merkmale es für die Ausfüllung der ‚jeweiligen tatsächlichen und rechtli-
chen Verhältnisse’ des Einzelfalls und der ‚persönlichen Verhältnisse des Wi-
derspruchsführers’ ankommt“.
Diese Fragestellung rechtfertigt nicht die Zulassung der Grundsatzrevision. Die
Beurteilungskriterien, die sich für das Merkmal der Notwendigkeit sowohl im
Hinblick auf die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Sinne des § 80 Abs. 2
VwVfG als auch hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit von Gutachtenkosten als
Aufwendungen im Sinne des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG in verallgemeinerungs-
fähiger Weise aufstellen lassen, sind in der Rechtsprechung des Bundesver-
waltungsgerichts geklärt und bedürfen aus Anlass des zur Entscheidung ste-
henden Falles keiner Ergänzung oder Weiterentwicklung (vgl. zum Folgenden
erst kürzlich: Beschluss vom 28. April 2010 - BVerwG 6 B 46.09 - BA S. 3 ff.).
Danach ist gemäß § 80 Abs. 2 VwVfG bzw. § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO die Er-
stattungsfähigkeit von Kosten eines Bevollmächtigten im Vorverfahren - anders
als die von Anwaltskosten im gerichtlichen Verfahren (§ 162 Abs. 2 Satz 1
VwGO) - nicht automatisch, sondern je nach Lage des Einzelfalls nur unter der
Voraussetzung der konkreten Notwendigkeit anzuerkennen. Die Notwendigkeit
der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren ist unter Würdigung
der jeweiligen Verhältnisse vom Standpunkt einer verständigen Partei aus zu
beurteilen. Maßgebend ist, ob sich ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bil-
dungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sachlage eines Rechtsanwalts
oder sonstigen Bevollmächtigten bedient hätte. Notwendig ist die Hinzuziehung
eines Rechtsanwalts nur dann, wenn es der Partei nach ihren persönlichen
Verhältnissen und wegen der Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten war,
das Vorverfahren selbst zu führen. Abzustellen ist regelmäßig auf den Zeitpunkt
der Bevollmächtigung (Beschluss vom 14. Januar 1999 - BVerwG 6 B 118.98 -
Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 42 S. 1, Urteil vom 17. Dezember 2001
- BVerwG 6 C 19.01 - Buchholz 448.0 § 20b WPflG Nr. 3 S. 8, Beschlüsse vom
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21. August 2003 - BVerwG 6 B 26.03 - Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 51
S. 23 f., vom 25. Oktober 2006 - BVerwG 6 B 39.06 - juris Rn. 4, vom
1. Februar 2007 - BVerwG 6 B 85.06 - Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 52 S. 1
und vom 1. Oktober 2009 - BVerwG 6 B 14.09 - juris Rn. 5). Die Besonderhei-
ten des Musterungsverfahrens gebieten keine andere Betrachtungsweise. Denn
bei der in diesem Verfahren zu treffenden Feststellung, ob der Wehrpflichtige in
gesundheitlicher Hinsicht den Anforderungen des Grundwehrdienstes zu
entsprechen vermag, handelt es sich ungeachtet aller im Detail schwierigen
tatsächlichen und rechtlichen Abgrenzungskriterien nicht um eine Fragestellung
von schon im Ansatz besonderem Schwierigkeitsgrad (Beschluss vom 14. Ja-
nuar 1999 a.a.O. S. 2 f.).
Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig im Sinne des § 80
Abs. 1 Satz 1 VwVfG und deshalb erstattungsfähig können auch die Kosten ei-
nes in Auftrag gegebenen Privatgutachtens sein, wenn dessen Einholung zur
Vorbereitung des Verfahrens oder zur Erlangung der erforderlichen Sachkunde
geboten war. Die Frage, ob die Einholung eines - ärztlichen - Gutachtens in
diesem Sinne notwendig ist, hängt wiederum von den tatsächlichen Umständen
des jeweiligen Einzelfalls ab und entzieht sich - generell und so auch im Muste-
rungsverfahren - einer allgemein geltenden Beantwortung (vgl. Beschlüsse vom
15. März 1994 - BVerwG 8 B 207.93 - Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 35, vom
3. April 1996 - BVerwG 8 B 158.95 - Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 37 und vom
14. Januar 1999 a.a.O. S. 3).
Bei der Beurteilung der Frage, ob im konkreten Fall die Hinzuziehung des Be-
vollmächtigten des Klägers und die Einholung von drei fachärztlichen Gutachten
notwendig waren, hat das Verwaltungsgericht die beschriebenen Maßstäbe
angewandt. Die in diesen Maßstäben angelegte Maßgeblichkeit der jeweiligen
Umstände des Einzelfalls steht einer weiteren rechtsgrundsätzlichen Klärung
entgegen. Dies wird durch die aufgeworfene Frage im Ergebnis nur bestätigt.
Ein Revisionsverfahren könnte insoweit zu keinen weiteren allgemeinen Er-
kenntnissen führen. Dies gilt auch, soweit sich die Beschwerdebegründung im
Hinblick auf die von ihr für erforderlich erachtete weitere Klärung der Kriterien
zur Beurteilung der Notwendigkeit einer Bevollmächtigtenheranziehung auf den
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zu § 109a Abs. 1 OWiG ergangenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
vom 11. Februar 1994 - 2 BvR 1883/93 - (NJW 1994, 1855, 1856) und im
Zusammenhang damit auf die erforderliche Berücksichtigung des gesetzlichen
Zwecks der jeweiligen Kostennorm beruft. Denn die Gesichtspunkte, die der
Kläger hierzu anführt, können im Rahmen der dargestellten Maßstäbe für eine
Entscheidung nach § 80 Abs. 2 VwVfG Berücksichtigung finden (vgl. Beschlüs-
se vom 14. Januar 1999 - BVerwG 6 B 118.98 - juris Rn. 16 - insoweit in Buch-
holz a.a.O. nicht abgedruckt - und vom 28. April 2010 - BVerwG 6 B 46.09 -
BA S. 4).
b) Für grundsätzlich klärungsbedürftig hält der Kläger außerdem, „ob ein Wi-
derspruchsführer auch dann in der Lage ist, das Verfahren zur Anfechtung ei-
nes Musterungsbescheides ohne sachkundige Hilfe Dritter - eines Anwaltes
und/oder eines medizinischen Gutachters - alleine zu führen, wenn er von den
rechtlich maßgeblichen Umständen, die einer Heranziehung entgegenstehen,
keine Kenntnis hat und aufgrund der Eigenheit dieser Umstände keine Kenntnis
haben kann“.
Diese Frage führt nicht auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache,
weil sie sich dem Verwaltungsgericht nicht gestellt hat. Denn dessen Urteil liegt
die tragende Erwägung zu Grunde, dass von dem Kläger weder die rechtliche
Erheblichkeit, noch die wehrmedizinische Einordnung seiner gesundheitlichen
Verhältnisse, wohl aber die Mitteilung der bei ihm vorliegenden gesundheitli-
chen Einschränkungen bzw. Beschwerden als solche verlangt werden konnte.
Eine Rechtsfrage, die sich für die Vorinstanz nicht gestellt oder auf die diese
nicht entscheidend abgehoben hat, kann regelmäßig und so auch hier nicht zur
Zulassung der Revision führen (Beschlüsse vom 14. November 2008 - BVerwG
6 B 61.08 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 47 Rn. 3 und vom 5. Oktober
2009 - BVerwG 6 B 17.09 - juris Rn. 7).
c) Aus dem gleichen Grund kann der Kläger mit der dritten Frage, der er
Grundsatzbedeutung beimisst, die Revisionszulassung nicht erreichen. Diese
Frage geht dahin, ob „einem Widerspruchsführer im Musterungsverfahren zu-
gemutet werden kann, seinen Sachvortrag aus dem Ausgangsverfahren einfach
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zu wiederholen, anstatt sich fachkundiger Hilfe - sei es juristischer oder
medizinischer Art - zu bedienen“.
Eine derartige Forderung hat das Verwaltungsgericht nicht aufgestellt. Es ist
vielmehr in erster Linie davon ausgegangen (UA S. 9), von dem Kläger habe
nach seinen persönlichen Verhältnissen erwartet werden können, dass er et-
waige seit der Musterung eingetretene Veränderungen in seinen gesundheitli-
chen Verhältnissen und auch Ergänzungen im Widerspruchsverfahren ohne die
Hilfe eines Bevollmächtigten vorbringe. Nur alternativ zu dieser Erwägung und
für den Fall, dass der Kläger alle Beeinträchtigungen bereits im Musterungsver-
fahren benannt, die Beklagte hieraus jedoch keine Konsequenzen gezogen
haben sollte, hat das Verwaltungsgericht ausgeführt (UA S. 10), dem Kläger sei
es auch insoweit zumutbar gewesen, das Widerspruchsverfahren ohne Hinzu-
ziehung eines Rechtsanwalts zu führen und - dann allerdings notwendigerweise
auch teils wiederholend - auf seinen Gesundheitszustand hinzuweisen, weitere
Beschwerden vorzutragen, entsprechende Atteste vorzulegen und gegebenen-
falls Einsicht in seine Musterungsunterlagen zu nehmen.
2. Die von der Beschwerde erhobenen Verfahrensrügen (§ 34 Satz 1 und 2
WPflG, § 135 Satz 3 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) bleiben ebenfalls ohne
Erfolg. Die Beschwerde rügt zu Unrecht, das angefochtene Urteil sei in sich
nicht nachvollziehbar und widerspruchsfrei begründet. Aus dem Beschwerde-
vorbringen ergibt sich weder ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz
des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, noch ein solcher gegen die Begründungspflicht
des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO.
Die Freiheit, die der Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO
dem Tatsachengericht zugesteht, bezieht sich auf die Bewertung der für die
Feststellung des Sachverhalts maßgebenden Umstände. Sie ist nach der einen
Seite hin begrenzt durch das jeweils anzuwendende Recht und dessen Ausle-
gung. Nach der anderen Seite hin ergibt sich die Grenze daraus, dass der
Überzeugungsgrundsatz nicht für eine Würdigung in Anspruch genommen wer-
den kann, die im Vorgang der Überzeugungsbildung an einem Fehler leidet,
z.B. an der Missachtung gesetzlicher Beweisregeln oder an der Berücksichti-
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gung von Tatsachen, die sich weder auf ein Beweisergebnis noch sonst wie auf
den Akteninhalt stützen lassen. Dabei ist die Sachverhalts- und Beweiswürdi-
gung selbst dem jeweils anzuwendenden sachlichen Recht zuzurechnen; Ver-
fahrensfehler können insoweit in Gestalt einer im Einzelfall willkürlichen Würdi-
gung - etwa wegen widersprüchlicher oder aktenwidriger Feststellungen oder
wegen Verstößen gegen Natur- oder Denkgesetze - vorliegen (Beschlüsse vom
27. Februar 2007 - BVerwG 6 B 81.06 - Buchholz 402.41 Allgemeines Polizei-
recht Nr. 83 Rn. 59 und vom 30. April 2008 - BVerwG 6 B 15.08 - juris Rn. 15,
insoweit in Buchholz 111 Art. 37 EV Nr. 6 nicht abgedruckt).
Die Begründungspflicht des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO verlangt, dass in den
Urteilsgründen die tatsächlichen Umstände und rechtlichen Erwägungen wie-
dergegeben werden, die das Gericht bestimmt haben, die Voraussetzungen für
seine Entscheidung als erfüllt anzusehen. Das Urteil muss erkennen lassen,
dass das Gericht den ermittelten Tatsachenstoff wertend gesichtet und in wel-
chen konkreten Bezug es ihn zu den angewandten Rechtsnormen gesetzt hat.
Dies setzt voraus, dass das Gericht zum einen seinen rechtlichen Prüfungs-
maßstab offenlegt und zum anderen in tatsächlicher Hinsicht angibt, von wel-
chem Sachverhalt es ausgeht und - sofern es den Tatsachenbehauptungen
eines Beteiligten widerspricht - warum es dessen Vortrag nicht folgt und auf-
grund welcher Erkenntnisse es eine ihm ungünstige Tatsachenlage als erwie-
sen ansieht. Aus den Entscheidungsgründen muss sowohl für die Beteiligten als
auch für das Rechtsmittelgericht nachvollziehbar sein, aus welchen Gründen
des materiellen Rechts oder des Prozessrechts das Gericht dem Vortrag eines
Beteiligten, jedenfalls soweit es sich um einen zentralen Punkt seiner
Rechtsverfolgung handelt, nicht folgt. Die Begründungspflicht ist immer dann
verletzt, wenn die Entscheidungsgründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich
inhaltslos oder sonst wie unbrauchbar sind (vgl. Beschlüsse vom 18. Oktober
2006 - BVerwG 9 B 6.06 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 66 Rn. 24,
vom 30. Juni 2009 - BVerwG 9 B 23.09 - juris Rn. 3 und vom 22. Oktober 2009
- BVerwG 5 B 51.09 - juris Rn. 24).
Ausgehend hiervon lässt das Beschwerdevorbringen, mit dem der Kläger durch
sechs Rügen (a) bis f)) einen Verfahrensmangel darzutun sucht, weder eine
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Verletzung des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, noch des § 108 Abs. 1 Satz 2
VwGO erkennen.
a) Der Kläger macht zunächst geltend, dass in den Entscheidungsgründen des
angefochtenen Urteils nicht klar zwischen der Subsumtion des Sachverhalts im
Hinblick auf die Bedingungen für die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten ei-
nerseits und die Erstattungsfähigkeit von Gutachtenkosten andererseits unter-
schieden werde.
Diese Rüge geht fehl, denn das Verwaltungsgericht hat nicht verkannt, dass es
- wie ausgeführt - für beide hier umstrittenen kostenrechtlichen Aspekte auf die
persönlichen, tatsächlichen und rechtlichen Umstände des Einzelfalls ankommt.
Wenn das Verwaltungsgericht, was diese Umstände anbelangt, in den Gründen
seines Urteils im Zusammenhang mit der Frage der Erstattungsfähigkeit der
Kosten für die von dem Kläger eingeholten ärztlichen Gutachten teilweise auf
seine vorhergehenden Ausführungen zur Notwendigkeit der Hinzuziehung eines
Bevollmächtigten verweist, beeinträchtigt dies die Nachvollziehbarkeit seiner
Erwägungen nicht. Soweit der Kläger diese Erwägungen darüber hinaus unter
Verweis auf die Vorschrift des § 19 Abs. 5 WPflG (auch) inhaltlich angreift,
beschreibt er keinen Verfahrensmangel der verwaltungsgerichtlichen Entschei-
dung, sondern legt im Stil einer Berufungsbegründung dar, dass ihn das Urteil
nicht überzeugt.
b) Weiterhin hat sich das Verwaltungsgericht entgegen der Ansicht der Be-
schwerde durch seinen Verweis darauf (UA S. 9), dass allein gesundheitliche
Einwendungen des Klägers zu dessen Erfolg im Widerspruchsverfahren geführt
hätten und rechtliche Ausführungen nicht erforderlich gewesen seien, nicht in
Widerspruch zu dem von ihm angewandten Grundsatz gesetzt, dass maßgebli-
cher Beurteilungszeitpunkt für die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Be-
vollmächtigten dessen Beauftragung ist. Das Verwaltungsgericht stellt in der
bezeichneten Passage der Urteilsgründe keine ex post-Betrachtung an, son-
dern verleiht seiner die gesamte Entscheidung tragenden Erwägung Ausdruck,
der Kläger sei im Verlauf des Verwaltungsverfahrens stets gehalten gewesen,
die gesundheitlichen Beschwerden als solche mitzuteilen, die nach den Er-
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kenntnismöglichkeiten, die von ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen
hätten erwartet werden müssen, potentiell erheblich gewesen seien.
c) Von diesem Ausgangspunkt der Vorinstanz her gibt es entgegen der Rüge
des Klägers auch keinen Widerspruch zwischen der Erwägung des Verwal-
tungsgerichts (UA S. 9), er sei nicht gehindert gewesen, Anhaltspunkte für ge-
sundheitliche Mängel innerhalb des Widerspruchsverfahrens selbst und ohne
Bevollmächtigten vorzubringen, und seinem unter Beweis gestellten und von
dem Verwaltungsgericht als wahr unterstellten Vortrag (UA S. 11 f.), er habe bis
zu der ersten Besprechung mit seinem Bevollmächtigten die Bedeutung seiner
Beschwerden für seine Belastbarkeit nicht gekannt. Für das Verwaltungsgericht
war nicht erheblich, ob der Kläger die Bedeutung seiner gesundheitlichen Ein-
schränkungen tatsächlich erkannt hat, sondern es hat auch hier entscheidend
darauf abgestellt, dass er seine potentiell erheblichen Beeinträchtigungen nach
seinen persönlichen Verhältnissen jedenfalls selbst hätte erkennen und vor-
bringen können.
d) Widersprüchlich sind deshalb entgegen der Beschwerdebegründung ferner
nicht die in den Entscheidungsgründen (UA S. 9) enthaltene Erwägung, der
Wehrpflichtige wisse im Allgemeinen selbst, ob er unter gesundheitlichen Be-
schwerden leide, die seiner Heranziehung zum Wehrdienst entgegenstehen,
und die Wahrunterstellung der Beweisbehauptung des Klägers (UA S. 11 f.), die
ganz überwiegende Zahl der von Symptomen pathologischer Allergie- und
Skeletterkrankungen betroffenen Menschen könne diese nicht ohne fachkundi-
ge Hilfe als Indizien für einen pathologischen Zustand einordnen, solange das
Allgemeinbefinden dadurch nicht unerheblich beeinträchtigt werde. Das Verwal-
tungsgericht hat - worauf es zutreffend hinweist (UA S. 12) - dem Kläger keine
Einordnung pathologischer Zustände angesonnen. Es hat ihn vielmehr für ver-
pflichtet erachtet, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen anzugeben, deren
potentielle Erheblichkeit er nach der Einschätzung des Verwaltungsgerichts
erkennen musste.
e) Wegen dieser die Entscheidung des Verwaltungsgerichts tragenden Erwä-
gung fehlt es weiter an dem von dem Kläger angenommenen Widerspruch zwi-
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schen einerseits der Annahme (UA S. 9), von dem Wehrpflichtigen könne - bei
bestehender Unsicherheit über den für eine Heranziehung (richtig: Nichtheran-
ziehung) zum Wehrdienst erforderlichen Leidensdruck gegebenenfalls nach
Konsultierung eines Facharztes - die Mitteilung aller gesundheitlichen Be-
schwerden, unter denen er leide, und etwaige seit der Musterung eingetretenen
gesundheitlichen Veränderungen erwartet werden, und andererseits der als
wahr unterstellten Behauptungen des Klägers über seine Unkenntnis, worauf es
bei den von ihm für normal gehaltenen körperlichen Reaktionen ankomme, und
über das Nichtbestehen eines Leidensdrucks.
f) Schließlich ist das Verwaltungsgericht nicht auf der Grundlage eines Verfah-
rensfehlers zu der Überzeugung gelangt (UA S. 4), es sei dem Kläger ohne
Weiteres zumutbar gewesen, die Angaben über seine Beschwerden auf neuro-
psychiatrischem Gebiet, die er gegenüber dem Gutachter Dr. S. geäußert habe,
ergänzend zu den ihm bereits im Rahmen des Erstuntersuchungsverfahrens
geltend gemachten gesundheitlichen Verhältnissen im Widerspruchsverfahren
gegenüber der Beklagten vorzubringen. Zum einen stellt diese Einschätzung
entgegen der Ansicht des Klägers entsprechend den obigen Ausführungen (un-
ter 2.b)) keine in Widerspruch zu den allgemeinen Grundsätzen für die Not-
wendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten stehende ex post-
Betrachtung dar. Zum anderen geht der Vorwurf fehl, das Verwaltungsgericht
habe in aktenwidriger Weise nicht berücksichtigt, dass der Kläger bereits in der
Musterungsuntersuchung vom 15. Januar 2007 zu den in der gutachterlichen
Stellungnahme des Nervenarztes Dr. S. vom 22. Juli 2007 erwähnten Be-
schwerden vorgetragen habe, diese Stellungnahme also keine neuen Feststel-
lungen enthalte, sondern nur die bereits vorgetragenen Umstände anders be-
werte. Denn der Untersuchungsbogen vom 15. Januar 2007 verhält sich unter
den Nummern 31 und 32 lediglich zu dezenten Hinweisen für musisch-sensible
Persönlichkeitsmerkmale und einer Neigung zu migränoidem Kopfschmerz.
Demgegenüber referiert die Stellungnahme von Dr. S. vom 24. Juli 2007 we-
sentlich ausführlichere Angaben des Klägers zu Kopfschmerzattacken und En-
gegefühlen im Hals beim Essen.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52
Abs. 3 GKG und folgt der von den Beteiligten nicht in Frage gestellten berichtig-
ten Wertfestsetzung in der ersten Instanz.
Neumann
Dr. Graulich
Dr. Möller
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