Urteil des BVerwG vom 04.05.2006

Bier, Verfahrensmangel, Anschluss, Verfahrensrecht

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 B 77.05
VGH 1 S 1133/05
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. Mai 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Graulich
und Dr. Bier
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts-
hofs Baden-Württemberg vom 25. August 2005 wird ver-
worfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 1 764,00 € festgesetzt.
G r ü n d e :
1. Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Gemäß § 125 Abs. 2 Satz 4 VwGO steht
den Beteiligten gegen den die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss
das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil ent-
schieden hätte. Das wäre die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision
nach § 133 Abs. 1 VwGO.
Die Revision kann gemäß § 132 Abs. 2 VwGO aber nur zugelassen werden,
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Berufungsent-
scheidung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Ge-
meinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundes-
verfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Ver-
fahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Berufungsent-
scheidung beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der
Beschwerde angefochten, muss in der Beschwerdegründung die grundsätzliche
Bedeutung dargelegt oder die Entscheidung, von der die Berufungsent-
scheidung abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Die Beschwerde genügt bereits nicht den vorgenannten Anforderungen, indem
sie nicht dartut, ob das Vorbringen der Begründung einer Grundsatz-, Abwei-
chungs- oder Verfahrensrüge dienen soll. Eine Beschwerdebegründung muss
nämlich gewissen Mindestanforderungen hinsichtlich ihrer Klarheit, Verständ-
lichkeit und Überschaubarkeit genügen (vgl. Beschluss vom 23. November
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1995 - BVerwG 9 B 362.95 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 20). Diesen
genügt eine Beschwerdebegründung nicht, wenn das Vorbringen keinem der
Zulassungsgründe aus § 132 Abs. 2 VwGO zugeordnet werden kann.
Des ungeachtet sei aber der Vollständigkeit halber angefügt, dass die Be-
schwerde weder Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufwirft noch Hinweise auf
eine Verletzung von Verfahrensrecht durch das Berufungsgericht enthält.
Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung auf Antrag nach § 124a Abs. 5
Satz 1 VwGO zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortge-
setzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht (§ 124a Abs. 5 Satz 5
VwGO). Die Berufung ist in diesen Fällen innerhalb eines Monats nach Zustel-
lung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen (§ 124a
Abs. 6 Satz 1 VwGO). Grundsätzlich zu klärende Fragen hat der Kläger in die-
sem Zusammenhang nicht aufgezeigt. Der 9. Senat des Bundesverwaltungsge-
richts hat bereits durch Urteil vom 30. Juni 1998 - BVerwG 9 C 6.98 -
(BVerwGE 107, 117 <121 f.>) unter ausdrücklicher Aufgabe seiner im Be-
schluss vom 25. August 1997 - BVerwG 9 B 690.97 - (DVBl 1997, 1325) geäu-
ßerten gegenteiligen Auffassung entschieden, dass der Rechtsmittelführer nach
Zulassung der Berufung in jedem Fall einen gesonderten Schriftsatz zur
Berufungsbegründung einreichen muss und dass es deshalb nicht schon ge-
nügt, wenn sich die Begründung und der Antrag dem Vorbringen im Zulas-
sungsverfahren entnehmen lassen. Dem ist der 4. Senat des Bundesverwal-
tungsgerichts in seinem Urteil vom 8. März 2004 - BVerwG 4 C 6.03 - (Buchholz
310 § 124a VwGO Nr. 26) gefolgt; er hat hierbei im Anschluss an das Urteil des
9. Senats ausdrücklich klargestellt, dass zwar eine Bezugnahme auf das
Zulassungsvorbringen im Begründungsschriftsatz zulässig ist und - je nach den
Umständen des Einzelfalles - für eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung
ausreichen kann, dass aber der Berufungsführer innerhalb der Be-
rufungsbegründungsfrist durch einen gesonderten Schriftsatz erkennbar zum
Ausdruck bringen muss, dass er die Berufung durchführen will und weshalb er
sie für begründet hält. Dass und worin ein weiterer revisionsgerichtlicher Klä-
rungsbedarf bestehe, wird von der Beschwerde nicht dargelegt. Das vom Klä-
ger als „Förmelei" bezeichnete Erfordernis einer „erneute(n) Einlegung einer
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Begründung" folgt aus § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO und ist nicht verzichtbar
(ebenso auch Beschluss vom 6. Oktober 2005 - BVerwG 5 B 26.05 - juris).
Der Zulassungsbeschluss des Berufungsgerichts vom 2. Juni 2005 ist dem
Kläger am 9. Juni 2005 zugestellt worden. Der Kläger hat sich innerhalb der
Einmonatsfrist des § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO gegenüber dem Berufungsge-
richt überhaupt nicht mehr geäußert. Erst auf den gerichtlichen Hinweis vom
13. Juli 2005 hat der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 19. Juli 2005 zu
erkennen gegeben, dass er seinen Schriftsatz vom 23. Februar 2005 als Beru-
fungsbegründung angesehen wissen wollte. Soweit darin eine die Berufungs-
begründung ersetzende Bezugnahme auf das Vorbringen im Zulassungsverfah-
ren liegen könnte, ist diese Bezugnahme aber zu spät, weil sie nach Ablauf der
Berufungsbegründungsfrist des § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO erklärt wurde.
2. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, diejenige
über den Streitwert auf § 52 Abs. 3 GKG.
Dr. Bardenhewer Dr. Graulich Dr. Bier
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