Urteil des BVerwG vom 26.10.2006

Prüfer, Begriff, Bewertungsgrundsatz, Sachverhaltsfeststellung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 B 75.06
VGH 9 S 1974/05
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Oktober 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier
und Dr. Bier
beschlossen:
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Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs
Baden-Württemberg vom 16. Mai 2006 wird zurückgewie-
sen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde, die sich auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Be-
deutung der Rechtssache (1.) und des Verfahrensmangels (2.) stützt, hat kei-
nen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Grundsätz-
liche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn eine für die erstrebte
Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts im Interesse der
Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf.
Die grundsätzliche Bedeutung ist gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO darzule-
gen; dies verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Re-
visionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der
ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll (Beschluss
vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO
Nr. 26). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht.
a) Der Beklagte will geklärt wissen, „ob es einen allgemeingültigen Bewer-
tungsgrundsatz gibt, der besagt, dass von einer ungenügenden Leistung in der
Regel bereits dann nicht mehr ausgegangen werden kann, wenn der Prüfling in
einer mündlichen Abiturprüfung mehrere Prüfungsfragen zumindest im Wesent-
lichen richtig beantworten kann“. Er beanstandet, dass das Berufungsgericht
von einem solchen allgemeingültigen Bewertungsgrundsatz ausgehe und des-
sen Verletzung für gerichtlich voll überprüfbar halte; richtigerweise gehöre da-
gegen die Einschätzung, ob eine Leistung mit ungenügend oder besser zu be-
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werten sei, zum Kern des gerichtlich nicht überprüfbaren Bewertungsspielraums
der Prüfer.
Die Frage, die die Beschwerde aufwirft, rechtfertigt die Zulassung der Revision
nicht. Denn sie bedarf, soweit sie überhaupt Fragen des revisiblen Rechts an-
spricht, keiner Klärung in dem erstrebten Revisionsverfahren. Das Berufungsur-
teil beruht zwar auf der Annahme, eine ungenügende, weil völlig unbrauchbare
Leistung liege in der Regel nicht vor, wenn der Prüfling mehrere Prüfungsfragen
zumindest im Wesentlichen richtig beantworten kann. Es stützt diese Annahme
aber nicht auf einen allgemeingültigen Bewertungsgrundsatz, sondern auf die
spezielle landesrechtliche Notendefinition in § 5 Abs. 2 der (baden-württem-
bergischen) Notenbildungsverordnung. Hiernach wird die Note „ungenügend“
erteilt, wenn die Leistung den Anforderungen nicht entspricht und selbst die
Grundkenntnisse so lückenhaft sind, dass die Mängel in absehbarer Zeit nicht
behoben werden können. Als „mangelhaft“ ist hingegen eine Leistung definiert,
die den Anforderungen nicht entspricht, jedoch erkennen lässt, dass die not-
wendigen Grundkenntnisse vorhanden sind und die Mängel in absehbarer Zeit
behoben werden können. Die Anwendung von nicht revisiblem Landesrecht ist
der Überprüfung durch das Revisionsgericht grundsätzlich entzogen.
Dagegen kann die Beschwerde auch nicht mit Erfolg einwenden, das Beru-
fungsgericht habe bei der Auslegung des Landesrechts Grundsätze des prü-
fungsrechtlichen Bewertungsspielraums missachtet, die ihrerseits als Bundes-
recht revisibel seien. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungs-
gerichts vermag die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Anwen-
dung und Auslegung irrevisiblen Landesrechts die Zulassung der Revision nur
zu begründen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korri-
gierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte
Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (Beschlüsse vom 19. Juli 1995
- BVerwG 6 NB 1.95 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 104 und vom 6. Oktober
2005 - BVerwG 6 BN 2.05 - Buchholz 402.41 Allg. Polizeirecht Nr. 80). Dies ist
hier nicht der Fall. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist
geklärt, dass sich der prüfungsrechtliche Bewertungsspielraum auf das Gebot
vergleichender Beurteilung von Prüfungsleistungen bezieht, welches letztlich
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aus dem das Prüfungsrecht gemäß Art. 3 Abs. 1 GG beherrschenden Grund-
satz der Chancengleichheit herzuleiten ist. Demzufolge ist den Prüfern ein Be-
wertungsspielraum zuzubilligen, soweit komplexe prüfungsspezifische Wertun-
gen - z.B. bei der Gewichtung verschiedener Aufgaben untereinander, bei der
Einordnung ihres Schwierigkeitsgrades oder bei der Würdigung der Qualität
einer Leistung - im Gesamtzusammenhang des Prüfungsverfahrens getroffen
werden müssen (zusammenfassend: Beschluss vom 17. Dezember 1997
- BVerwG 6 B 55.97 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 385 m.w.N.). Inwie-
fern diese bundesrechtlichen Maßgaben im Hinblick auf die vom Berufungsge-
richt herangezogene landesrechtliche Regelung einer weiteren grundsätzlichen
Klärung bedürfen, wird aus der Beschwerde nicht deutlich. Ihr lässt sich allen-
falls entnehmen, dass das einschlägige Landesrecht bei zutreffender Anwen-
dung bundesrechtlicher Vorgaben hätte anders ausgelegt werden müssen; dies
kann die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen.
b) Zulassungserheblich ist auch nicht die weitere Frage, „ob die Aussage von
Prüfern, dass ‚alles falsch’ oder ‚eigentlich alles falsch’ gewesen sei, eine Tat-
sachenfeststellung oder eine Bewertung darstellt“. Die Beschwerde rügt, das
Berufungsgericht habe die betreffende Aussage als Sachverhaltsfeststellung
eingeordnet und deshalb umfassend überprüft, obwohl es sich richtigerweise
um eine Bewertung handele, die in den Bewertungsspielraum der Prüfer falle.
Damit missversteht sie zum einen das Berufungsurteil, das in der fraglichen
Aussage „nicht eine Bewertung der einzelnen Antworten, sondern eine
Sachverhaltsfeststellung für die Gesamtbewertung mit der Note ‚ungenügend’“
sieht (S. 12 BU; Hervorhebung durch den Senat). Zum anderen - und dies vor
allem - legt sie nicht dar, worin die übergreifende Bedeutung der ersichtlich an
den Besonderheiten des vorliegenden Falles ausgerichteten Fragestellung be-
stehen soll.
2. Die Revision ist auch nicht deshalb zuzulassen, weil ein Verfahrensmangel
geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann
(§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Ein Verfahrensmangel ist nur dann im Sinne von
§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn
(vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdi-
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gung substantiiert dargetan wird (Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O.). Dar-
an fehlt es hier.
a) Die Beschwerde wirft dem Berufungsgericht vor, es habe mit seiner Feststel-
lung, „dass von den Prüfern nachträglich in der mündlichen Verhandlung vor
dem Verwaltungsgericht zu den Prüfungsfragen Nr. 3, 5, 6 und 9 mindestens
die Möglichkeit einer zusätzlichen richtigen Antwort eingeräumt und eine weite-
re Antwort in ihrer Bedeutung erheblich aufgewertet wurde“, gegen den Über-
zeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verstoßen; denn es sei von
einem aktenwidrig festgestellten falschen Sachverhalt ausgegangen. Damit
kann die Beschwerde im Ergebnis nicht durchdringen. Die Verfahrensrüge ak-
tenwidriger Sachverhaltsfeststellung setzt die schlüssig vorgetragene Behaup-
tung voraus, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tat-
sächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt bestehe
ein Widerspruch; dieser muss offensichtlich sein, sodass es einer weiteren Be-
weiserhebung zur Klärung des richtigen Sachverhalts nicht bedarf (Beschlüsse
vom 16. März 1999 - BVerwG 9 B 73.99 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO
Nr. 7 und vom 4. Oktober 2005 - BVerwG 6 B 40.05 - juris). Darüber hinaus
muss dargetan werden, welche Schlussfolgerungen sich dem Tatsachengericht
- ausgehend von dessen materiellrechtlicher Auffassung - aufgrund der zutref-
fend festgestellten Tatsachen hätten aufdrängen müssen (Pietzner, in:
Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Bd. 2, Stand April 2006, § 133
Rn. 48; s.a. BFH, Beschluss vom 30. Juli 1997 - XI B 218/95 u.a. - BFH/NV
1998, 190). Ein Widerspruch im vorgenannten Sinne ist hier - jedenfalls über-
wiegend - nicht ersichtlich (aa). Soweit er bestehen könnte, legt die Beschwer-
de nicht dar, inwiefern er auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung
des Berufungsgerichts entscheidungserheblich sein kann (bb).
aa) Das Berufungsgericht stellt fest, die Prüfer hätten in der mündlichen Ver-
handlung vor dem Verwaltungsgericht entgegen ihrer Stellungnahme vom
2. September 2003 eingeräumt, dass die Klägerin bei Frage 3 die größtenteils
richtige Antwort an anderer Stelle doch noch genannt habe. Diese Feststellung
steht zum Akteninhalt jedenfalls nicht offensichtlich in Widerspruch. Sie bezieht
sich auf die Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts (S. 12), wonach
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mit Frage 9 erneut (im Anschluss an Frage 3) nach der Bedeutung von +1 für
das Schaubild gefragt und die Klägerin hierauf die im Ansatz richtige Antwort
gegeben habe, dass der y-Wert von h(x) um 1 erhöht werde. Demgegenüber
lässt sich dem Protokoll über die Beratung der Prüfer vom 2. September 2003
lediglich entnehmen, dass die Klägerin die Frage 3 nicht richtig beantwortet,
allerdings bei Frage 9 gewusst habe, „dass +1 eine Addition bedeutet“. Der Zu-
sammenhang zwischen der von der Klägerin zunächst falsch beantworteten
Frage 3 und ihrer späteren Antwort auf Frage 9 ergibt sich nicht aus dem Proto-
koll, sondern erst aus der zitierten Stelle des verwaltungsgerichtlichen Urteils.
Entsprechendes gilt für die Feststellung des Berufungsgerichts, die Prüfer hät-
ten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erstmals einge-
räumt, bei der Antwort der Klägerin auf Frage 6 könne der Begriff der x-Achse
gefallen sein, wobei allerdings der Klägerin eine fünfzigprozentige Chance zum
Raten zur Verfügung gestanden habe. Das Urteil erster Instanz (S. 12) vermerkt
dazu, nach den Aussagen der Prüfer habe die Klägerin geraten, an welcher
Achse die Kurve h im Verhältnis zu f gespiegelt sei; dabei könne der Begriff
x-Achse gefallen sein, wobei die Klägerin eine Chance von fünfzig Prozent ge-
habt habe, da lediglich die x- oder die y-Achse in Betracht gekommen sei. Dem
Protokoll vom 2. September 2003 lässt sich demgegenüber lediglich entneh-
men, dass die Klägerin zu Frage 6 nichts Zutreffendes habe sagen können.
Aktenwidrig könnte zwar die Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs sein, die
Prüfer hätten im Verhandlungstermin vor dem Verwaltungsgericht entgegen
ihrer Stellungnahme im Abhilfeverfahren eingeräumt, dass die Klägerin „bei
Frage 5 den Begriff der Spiegelung erwähnt habe“. Denn schon das Beratungs-
protokoll vom 2. September 2003 hält fest, dass die Klägerin im Zusammen-
hang mit einer von ihr gezeichneten Skizze den Begriff der Spiegelung genannt
habe. Ob dieser Widerspruch zwischen der Feststellung des Berufungsgerichts
und dem Akteninhalt in dem oben genannten Sinne offensichtlich ist, kann aber
dahinstehen. Denn die Rüge aktenwidriger Feststellung führt jedenfalls aus an-
deren Gründen nicht zur Zulassung der Revision.
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bb) Soweit das Berufungsgericht bei seiner Überzeugungsbildung Tatsachen
berücksichtigt haben sollte, die offensichtlich keine Stütze im Akteninhalt finden,
hat die Beschwerde nicht hinreichend dargelegt, welche Schlussfolgerungen
sich dem Berufungsgericht, ausgehend von dessen materiellrechtlicher Auffas-
sung, aufgrund der zutreffenden Tatsachenlage hätten aufdrängen müssen. Sie
meint, es bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Verwaltungsge-
richtshof die Berufung der Klägerin zurückgewiesen hätte, wenn er nicht davon
ausgegangen wäre, dass ihr günstigere Tatsachen nachträglich vom Verwal-
tungsgericht festgestellt worden wären. Damit wird die Beschwerde der Argu-
mentation des Berufungsurteils nicht gerecht. Dieses beruht auf der Annahme,
die Prüfer hätten die Grenzen ihres Bewertungsspielraums überschritten, weil
ihr zusammenfassendes, die Note „ungenügend“ tragendes Werturteil, es sei
bei der Klägerin „eigentlich alles falsch“ gewesen, in dem „wahren Prüfungsge-
schehen“ keine geeignete Grundlage finde.
Vor dem Hintergrund dieser materiellrechtlichen Auffassung, deren Richtigkeit
der Senat auf die Verfahrensrüge hin nicht zu überprüfen hat, kommt es er-
kennbar nicht darauf an, inwieweit sich die Einzelheiten der mündlichen Abitur-
prüfung vom 1. Juli 2003 erst aus den vom Verwaltungsgericht im Verhand-
lungstermin vom 15. März 2005 getroffenen Feststellungen oder bereits aus
dem - ebenfalls nachträglich gefertigten - Ergebnisvermerk der Prüfer über ihre
Beratung vom 2. September 2003 erschließen. Für die das Berufungsurteil tra-
gende Erwägung, es sei „nicht auszuschließen, dass die Prüfer die Leistung der
Klägerin bei Zugrundelegung des wahren Prüfungsgeschehens doch noch als
‚mangelhaft’ hätten ansehen müssen“, sind der Zeitpunkt und die Umstände,
unter denen der vom Berufungsgericht als zutreffend erkannte Prüfungssach-
verhalt offenbar wurde, ohne entscheidende Bedeutung. Das Berufungsgericht
hätte auf der Grundlage seiner Überlegungen auch dann zu keinem anderen
Ergebnis gelangen können, wenn es berücksichtigt hätte, dass bestimmte von
den Prüfern angeblich im Verhandlungstermin vom 15. März 2005 erstmals ein-
geräumte Tatsachen bereits aus deren Beratungsprotokoll vom 2. September
2003 ersichtlich sind.
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b) Die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht habe mit seiner Feststellung,
„dass von den Prüfern nachträglich in der mündlichen Verhandlung vor dem
Verwaltungsgericht zu den Prüfungsfragen Nr. 3, 5, 6 und 9 mindestens die
Möglichkeit einer zusätzlichen richtigen Antwort eingeräumt und eine weitere
Antwort in ihrer Bedeutung erheblich aufgewertet wurde“, auch das rechtliche
Gehör verletzt. Denn angebliche Unterschiede zwischen den Verlautbarungen
der Prüfer im Abhilfeprotokoll und denjenigen in der mündlichen Verhandlung
vor dem Verwaltungsgericht seien weder in den Schriftsätzen noch in der
mündlichen Verhandlung erörtert, sondern erstmals im Berufungsurteil festge-
stellt worden. Dadurch sei dem Beklagten der Hinweis darauf abgeschnitten
worden, dass sich die Angaben der Prüfer nicht erheblich voneinander unter-
schieden. Diese Darlegungen deuten nicht auf eine Gehörsverletzung hin, die
die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte.
Eine gerichtliche Entscheidung stellt sich dann als unzulässiges „Überra-
schungsurteil“ dar, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen
oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht
und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit welcher der unterlegene
Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen
brauchte. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die das angefochtene Ur-
teil tragende Erwägung weder im gerichtlichen Verfahren noch im vorangegan-
genen Verwaltungsverfahren erkennbar thematisiert worden war. Allerdings
braucht das Berufungsgericht den Beteiligten nicht die möglichen Entschei-
dungsgrundlagen vorab darzulegen; vielmehr darf es grundsätzlich davon aus-
gehen, dass sich ein gemäß § 67 Abs. 1 VwGO vertretener Beteiligter mit der
maßgeblichen Sach- und Rechtslage hinreichend vertraut gemacht hat (Be-
schluss vom 25. Mai 2001 - BVerwG 4 B 81.00 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2
VwGO Nr. 34 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall ist bereits zweifelhaft, ob die von der Beschwerde wieder-
gegebene Aussage des Berufungsgerichts in dem vorgenannten Sinn „überra-
schend“ war. Denn immerhin hatte die Berufungsbegründung dem Verwal-
tungsgericht vorgehalten, dieses habe „zum Teil richtige Antworten der Klägerin
festgestellt, jedoch versäumt, die positiven Teilleistungen in ein Verhältnis zu
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den nicht oder nicht richtig gegebenen Antworten zu stellen“ (S. 3 des Schrift-
satzes vom 28. Oktober 2005, Bl. 69 GA). Jedenfalls kann die Gehörsrüge des-
halb keinen Erfolg haben, weil auch in Anbetracht der Darlegungen der Be-
schwerde nicht erkennbar ist, dass bei Berücksichtigung des unterbliebenen
Vortrags eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre. Wie bereits in an-
derem Zusammenhang ausgeführt, war es aufgrund der materiellrechtlichen
Auffassung des Berufungsgerichts letztlich unerheblich, ob sich bestimmte Ein-
zelheiten des von ihm als wahr erkannten Prüfungsgeschehens erst aus dem
Ergebnis der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts oder bereits
aus der vorangegangenen Stellungnahme der Prüfer ergaben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des
Streitwertes für das Beschwerdeverfahren auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2
GKG.
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