Urteil des BVerwG vom 07.01.2003

Genehmigung, Verfahrensmangel, Unterliegen, Gestaltung

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BESCHLUSS
BVerwG 6 B 70.02
VGH 22 B 02.965
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. Januar 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundesverwal-
tungsgericht Dr. H a h n und Dr. G r a u l i c h
beschlossen:
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Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nicht-
zulassung der Revision in dem Urteil des
Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom
31. Juli 2002 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerde-
verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das
Beschwerdeverfahren auf 75 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen wer-
den, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
die Berufungsentscheidung von einer Entscheidung des Bundes-
verwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Ge-
richtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab-
weicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrens-
mangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Beru-
fungsentscheidung beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulas-
sung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muss in der
Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung dargelegt
oder die Entscheidung, von der das Berufungsurteil abweicht,
oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3
Satz 3 VwGO). Die Prüfung des beschließenden Senats ist demge-
mäß auf fristgerecht geltend gemachte Beschwerdegründe im Sin-
ne des § 132 Abs. 2 VwGO beschränkt.
Die Beschwerde wird allein auf den Revisionszulassungsgrund
der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO gestützt. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssa-
che nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erheb-
liche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse
der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgericht-
licher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten
Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein
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wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung
als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde
muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsent-
scheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht
beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann. Die
von der Beschwerde aufgeworfene Frage verleiht der Sache keine
rechtsgrundsätzliche Bedeutung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beklagte verpflichtet, über
den Antrag des Klägers auf Erteilung einer befristeten Erlaub-
nis zum Betrieb einer Spielhalle unter Beachtung der Rechts-
auffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Die Spielhalle
soll in Hauptbahnhofnähe Münchens im Geltungsbereich eines Be-
bauungsplans, der ein Kerngebiet mit ausnahmsweiser Zulässig-
keit von Vergnügungsstätten festsetzt, betrieben werden. Die
Beklagte erteilte dem Kläger 1999 die baurechtliche Genehmi-
gung zur Nutzungsänderung der betreffenden Räume von einer
Diskothek in eine Spielhalle, versagte jedoch die Spielhallen-
erlaubnis mit der Begründung, ihrer Erteilung stehe § 33 i
Abs. 2 Nr. 2 GewO entgegen. Der Betrieb solle in einem Bereich
geführt werden, der ein Brennpunkt der Betäubungskriminalität
sei. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Auffassung vertreten,
die Versagung der Spielhallenerlaubnis aufgrund eines derarti-
gen Gefahrenzustandes sei nur gerechtfertigt, wenn Auflagen
nach § 33 i Abs. 1 Satz 2 GewO zu dessen Abwehr nicht aus-
reichten. Die vorliegenden Auskünfte des Polizeipräsidiums
ließen die Feststellung nicht zu, dass die Lage der zum Be-
trieb bestimmten Räume trotz möglicher Auflagen den polizeili-
chen Anforderungen nicht genüge. Es handele sich bei dem Um-
feld zwar um ein kriminalstatistisch auffälliges Gebiet, näm-
lich um einen Schwerpunkt der "Rauschgiftszene", insbesondere
der "Heroinszene", in dem vorwiegend Anbahnungsgespräche zwi-
schen Kleinhändlern und ihren Abnehmern stattfänden. Es gebe
aber keinen Grund zu der Annahme, dass dieser Befund gerade
durch den Betrieb von Spielhallen hervorgerufen oder ver-
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schärft worden sei. Weiter heißt es in dem Urteil: "Aus den
amtlichen Auskünften der zuständigen Polizeidienststellen er-
gibt sich nicht, dass der Betrieb von Spielhallen im Münchner
Hauptbahnhofsbereich generell geeignet ist, die Begehung von
Heroindelikten zu fördern. Tatsachen, die eine solche Annahme
stützen, sind nicht ersichtlich."
Die Beklagte wirft die Frage auf, "ob ein Versagungsgrund für
die Erteilung einer Genehmigung gemäß § 33 i Abs. 2 Nr. 2 GewO
generell anzunehmen ist, wenn nach den Auskünften der Polizei
eine Spielhalle in einem 'kriminalitätsgeneigten Milieu' ins-
besondere in einem Gebiet, in dem Rauschgifthandel betrieben
wird, liegt, die Gewerberäume somit schon aus diesem Grund der
Lage nach nicht den polizeilichen Anforderungen entsprechen".
Die Beklagte führt aus, einer Klärung bedürfe, ob es überhaupt
entscheidend auf die Möglichkeit der Auflagenerteilung ankom-
me, da eine Spielhalle, die in einem solchen Gebiet gelegen
sei, grundsätzlich nicht den polizeilichen Anforderungen genü-
gen könne.
Diese Frage ist, soweit sie sich nach den mit der Beschwerde
nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts stel-
len kann, auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung zu
beantworten, ohne dass dazu ein Revisionsverfahren durchge-
führt werden müsste. Auf die Erteilung einer Erlaubnis zum ge-
werbsmäßigen Betrieb einer Spielhalle besteht ein Rechtsan-
spruch, wenn keiner der Versagungsgründe des § 33 i Abs. 2
GewO vorliegt (Urteil vom 27. April 1993 - BVerwG 1 C 9.92 -
Buchholz 451.20 § 33 i GewO Nr. 15 = GewArch 1993, 374). In
seinem Urteil vom 9. Oktober 1984 - BVerwG 1 C 11.83 - (Buch-
holz 451.20 § 33 i GewO Nr. 4 = GewArch 1985, 64) hat das Bun-
desverwaltungsgericht entschieden, dass bei der Prüfung der
Versagungsgründe des § 33 i Abs. 2 GewO von der einzelnen Be-
triebsstätte auszugehen ist. Vom Regelungsgehalt der einzelnen
Versagungsgründe des § 33 i Abs. 2 GewO hängt es danach ab,
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inwieweit Anforderungen genügt werden müssen, die inhaltlich
durch die Beziehung zwischen der Betriebsstätte und der Umge-
bung bestimmt werden.
Nach § 33 i Abs. 2 Nr. 2 GewO ist die Spielhallenerlaubnis zu
versagen, wenn die zum Betrieb bestimmten Räume wegen ihrer
Beschaffenheit oder Lage den polizeilichen Anforderungen nicht
genügen. Aus dem Wortlaut des § 33 i Abs. 2 Nr. 2 GewO und den
genannten Entscheidungen folgt, dass geprüft werden muss, ob
die für die Spielhalle vorgesehenen Räume ihrerseits den poli-
zeilichen Anforderungen (vgl. dazu Urteil vom 27. April 1993
a.a.O.) entsprechen. Auch den zur vergleichbaren Regelung des
§ 4 Abs. 1 Nr. 3 GastG ergangenen Entscheidungen (Urteile vom
26. Februar 1974 - BVerwG 1 C 27.72 - Buchholz 451.41 § 4
GastG 1970 Nr. 4 = GewArch 1974, 201 und vom 16. September
1975 - BVerwG 1 C 27.74 - BVerwGE 49, 154 = Buchholz 451.41
§ 4 GastG Nr. 7 = GewArch 1975, 388) lässt sich entnehmen,
dass nicht die Umgebung, sondern der Betrieb und die dafür
vorgesehenen Räume Gegenstand der Prüfung des betreffenden Er-
laubnisversagungsgrundes sind. Ein polizeiwidriger Zustand der
Umgebung kann daher nur dann von Bedeutung sein, wenn seinet-
wegen auch die Räume selbst, in denen die Spielhalle betrieben
werden soll, nicht den polizeilichen Anforderungen entspre-
chen. Unter welchen Umständen diese Voraussetzung erfüllt ist,
etwa wenn die Spielhalle in enger räumlicher Verbindung mit
einem seinerseits polizeiwidrigen Betrieb geführt wird, ist
eine Frage des Einzelfalles, der der Rechtssache keine grund-
sätzliche Bedeutung verleiht. Die Feststellungen des Beru-
fungsgerichts ergeben nicht, dass das "kriminalitätsgeneigte
Milieu" in einer die Genehmigung ausschließenden Weise auf die
Räume durchschlägt, die für die Spielhalle des Klägers vorge-
sehen sind. Im Gegenteil stellt der Verwaltungsgerichtshof
fest, dass der Betrieb von Spielhallen im Bahnhofsbereich
nicht generell geeignet ist, die Begehung von Heroindelikten
zu fördern. Ebenso wenig gibt es Feststellungen darüber, dass
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die Räume des Klägers insoweit Bedenken unterliegen, die nicht
durch Auflagen hinsichtlich der Gestaltung der Spielhalle aus-
geräumt werden können.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf
§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Bardenhewer Hahn Graulich
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Gewerberecht
Fachpresse:
ja
Spielhallenrecht
Rechtsquelle:
GewO § 33 i Abs. 2 Nr. 2
Stichworte:
Spielhalle; Räume; polizeiliche Anforderungen; Lage in einem
kriminalitätsgeneigten Umfeld.
Leitsatz:
Der Versagungsgrund des § 33 i Abs. 2 Nr. 2 GewO ist nicht al-
lein deswegen gegeben, weil die Spielhalle in einem kriminali-
tätsgeneigten Umfeld betrieben werden soll; er setzt in einem
solchen Fall voraus, dass wegen des polizeiwidrigen Zustands
des Umfeldes auch die Betriebsräume selbst nicht den polizei-
lichen Anforderungen entsprechen.
Beschluss des 6. Senats vom 7. Januar 2003 - BVerwG 6 B 70.02
I. VG München vom 05.02.2002 - Az.: VG M 16 K 00.3327 -
II. VGH München vom 31.07.2002 - Az.: VGH 22 B 02.965 -