Urteil des BVerwG vom 17.03.2008

Streichung, Verfahrensmangel, Berufsausübung, Erhaltung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 B 7.08
OVG 1 A 177/07
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. März 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn und
Dr. Graulich
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsge-
richts des Saarlandes vom 28. November 2007 wird zu-
rückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 15 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
1. Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Berufungsentscheidung
von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen
Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsge-
richts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel
geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Berufungsentscheidung beru-
hen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde
angefochten, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeu-
tung dargelegt oder die Entscheidung, von der die Berufungsentscheidung ab-
weicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO). Die Prüfung des beschließenden Senats ist demgemäß auf fristgerecht
geltend gemachte Beschwerdegründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO be-
schränkt.
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Die Rechtssache hat nicht die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeu-
tung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung kommt
einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erheb-
liche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der
Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungs-
erfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer kon-
kreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und
einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeut-
sam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwie-
fern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich
nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann. Die von der
Beschwerde aufgeworfene Frage verleiht der Sache keine rechtsgrundsätzliche
Bedeutung.
Der Kläger hält die Frage für klärungsbedürftig, „ob auf die Fälle, in denen ei-
nem Freiberufler (z.B. Architekten) aufgrund eines Insolvenzverfahrens die wei-
tere Berufsausübung untersagt wird bzw. eine Streichung aus Listen oder Be-
rufsverzeichnissen oder der Verlust einer Kammerzugehörigkeit erfolgt, § 12
GewO analog oder dem Rechtsgedanken nach oder aus Gründen des Gleich-
behandlungsgrundsatzes (Art. 3 GG) mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass
eine Untersagung der Berufsausübung (im konkreten Beruf) bzw. eine Strei-
chung aus den entsprechenden Listen nicht in der Zeit des laufenden Insol-
venzverfahrens erfolgen darf“. „Innerhalb dieser Frage“ stelle sich auch „die
Frage, wie die verschiedenen Gesetze, z.B. die Architekten- und Ingenieurge-
setze, die Insolvenzordnung und die Gewerbeordnung, jeweils im Zusammen-
hang mit Art. 3 und Art. 12 GG in Einklang zu bringen“ seien.
a) Angesichts des Streitgegenstandes des vorliegenden Verfahrens muss diese
Frage begrenzt werden auf den Fall der Löschung der Eintragung in der Archi-
tektenliste durch die Architektenkammer nach Eintragung in das Schuldnerver-
zeichnis nach § 915 ZPO, Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder Ablehnung
des Insolvenzverfahrens mangels Masse (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 4 Abs. 2
Nr. 1 des Saarländischen Architekten- und Ingenieurkammergesetzes ).
Der Rechtsstreit betrifft keine sonstigen freien Berufe. In diesem Verständnis
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führt die Frage nicht auf eine rechtsgrundsätzlich zu klärende Frage des Bun-
desrechts.
b) Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt, dass der saarländische Lan-
desgesetzgeber auf eine dem § 12 GewO entsprechende Regelung in dem
Saarländischen Architekten- und Ingenieurkammergesetz „verzichtet“ habe und
für eine analoge Anwendung des § 12 GewO kein Raum sei, weil von einer
Regelungslücke des Landesrechts nicht ausgegangen werden könne. Von die-
ser Auslegung des Landesrechts muss das Bundesverwaltungsgericht ausge-
hen. Die analoge Anwendung oder Nichtanwendung einer Norm des Bundes-
rechts im Bereich des Landesrechts führt nicht auf revisibles Recht. Denn eine
derartige Anwendung oder Nichtanwendung beruht nicht auf einem Gesetzes-
befehl des Bundesgesetzgebers, sondern einem solchen des Landesgesetzge-
bers, dessen Rechtsnorm auf das Bestehen einer Regelungslücke und ggf. de-
ren Ausfüllung zu prüfen ist (Urteil vom 27. April 2005 - BVerwG 8 C 5.04 -
BVerwGE 123, 303 <306>).
c) § 12 GewO ist nicht kraft Bundesrechts auf das Berufsrecht der saarländi-
schen Architekten anwendbar. Die Vorschrift ist eine Bestimmung, die das Ge-
werberecht und dessen Nebenrecht regelt. Die von dem Kläger angeführte
Passage aus der Begründung des Gesetzes (BTDrucks 12/3803 S. 103
Art. 75 Nr. 1 des Entwurfs zum Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung>),
dass der Anwendungsbereich des § 12 GewO nicht auf die Gewerbeordnung
selbst beschränkt sei, bezieht sich, wie aus dem Begründungszusammenhang
folgt, auf die sog. Nebengesetze zur Gewerbeordnung wie das Gaststättenge-
setz und die Handwerksordnung.
d) Die Ziele der Insolvenzordnung, wie sie in § 1 InsO umschrieben sind, for-
dern ebenfalls nicht, dass auch im Berufsrecht der Architekten eine dem § 12
GewO entsprechende Regelung enthalten ist. Zwar gehört zu diesen Zielen
auch die Erhaltung des (insolventen) Unternehmens. Nach den Ausführungen
des Berufungsgerichts zum Landesrecht betrifft die Löschung der Eintragung in
die Architektenliste jedoch nur die Bezeichnung, unter der der Kläger seinen
Beruf ausüben kann, und hindert ihn nicht, weiterhin die in § 1 Abs. 1, 5 und 6
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SAIG umschriebenen Berufsaufgaben zu erfüllen. Danach wird dem Architek-
ten, anders als bei der Gewerbeuntersagung, nicht die Ausübung seiner Tätig-
keit untersagt. Die Zielsetzung der Insolvenzordnung erfordert daher nicht die
Fortdauer der Eintragung in die Architektenliste während des Insolvenzverfah-
rens. Unter diesen Umständen kann auf sich beruhen, ob die Zielsetzung der
Insolvenzordnung überhaupt bewirken könnte, dass das landesrechtliche Be-
rufsrecht entsprechend angepasst werden müsste.
e) Der Hinweis des Klägers auf Art. 3 GG begründet ebenfalls keine grundsätz-
liche Bedeutung der Rechtssache. Nach ständiger Rechtsprechung des Bun-
desverwaltungsgerichts vermag die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht
bei der Anwendung und Auslegung von Landesrecht eine Beschwerde gegen
die Nichtzulassung der Revision nur dann zu begründen, wenn die Auslegung
der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten -
bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Be-
deutung aufwirft (s. Beschlüsse vom 9. März 1984 - BVerwG 7 B 238.81 -
Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 49, vom 15. Dezember 1989
- BVerwG 7 B 177.89 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 277, vom 1. September
1992 - BVerwG 11 B 24.92 - Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 171 und vom
11. Dezember 2003 - BVerwG 6 B 69.03 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht
Nr. 39). Die angeblichen bundesrechtlichen Maßgaben, deren Tragweite und
Klärungsbedürftigkeit im Hinblick auf die einschlägigen landesrechtlichen Rege-
lungen sowie die Entscheidungserheblichkeit ihrer Klärung in dem anhängigen
Verfahren wären in der Beschwerdebegründung darzulegen (vgl. Beschluss
vom 19. Juli 1995 - BVerwG 6 NB 1.95 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 104).
Dem Erfordernis einer Darlegung dieser Voraussetzungen wird nicht schon da-
durch genügt, dass die maßgebliche Norm als verfassungsrechtlich bedenklich
angesehen wird. Vielmehr ist im Einzelnen darzulegen, gegen welche verfas-
sungsrechtlichen Normen verstoßen wird und ob sich bei der Auslegung dieser
Normen alsdann Fragen grundsätzlicher Bedeutung stellen, die sich noch nicht
aufgrund bisheriger oberstgerichtlicher Rechtsprechung - insbesondere des
Bundesverwaltungsgerichts - beantworten lassen. Daran fehlt es.
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f) Die weiteren Ausführungen des Klägers führen nicht auf einen Revisionszu-
lassungsgrund, sondern stellen, soweit sie sich nicht ohnehin vom Streitge-
genstand des vorliegenden Verfahrens entfernen, in der Art der Begründung ei-
ner zugelassenen Revision umfassend die Rechtsansichten des Klägers dar.
Damit kann die grundsätzliche Bedeutung nicht dargelegt werden.
2. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Fest-
setzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.
Dr. Bardenhewer
Dr. Hahn
Dr. Graulich
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