Urteil des BVerwG vom 24.09.2002

Beginn der Frist, Gesetzliche Frist, Begriff, Qualifikation

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BESCHLUSS
BVerwG 6 B 63.02
VGH 14 S 2578/01
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. September 2002
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. H a h n ,
B ü g e und V o r m e i e r
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzu-
lassung der Revision in dem Urteil des Verwal-
tungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom
21. März 2002 wird zurückgewiesen.
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Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerde-
verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
4 090 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Klägerin bietet Lehrveranstaltungen für die Ausbildung in
verschiedenen Heilberufen, u.a. zum Heilpraktiker, an. Die Be-
klagte forderte sie zur gewerberechtlichen Anmeldung auf. Die
Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Klägerin wendet
sich mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision.
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Es kann auf sich beruhen, ob der Klägerin wegen der Versäu-
mung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorherigen
Stand zu gewähren ist. Die Beschwerde ist am 23. August 2002
eingegangen, nachdem das Urteil des Berufungsgerichts vom
21. März 2002 dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin bereits
am 18. Juli 2002 zugestellt worden war. Die Geschäftsstelle
des Verwaltungsgerichtshofs hat allerdings nach Rücksprache
mit dem Senatsvorsitzenden den Prozessbevollmächtigten mit
Verfügung vom 24. Juli 2002 eine erneute Ausfertigung des Ur-
teils übersandt, weil dem Urteil zunächst nicht der Verkün-
dungsvermerk (§ 117 Abs. 6 VwGO) beigefügt worden war. Dabei
wurde gebeten, "die bereits übersandte Ausfertigung zu ver-
nichten". Zwar war das Fehlen des Verkündungsvermerks prozes-
sual ohne Bedeutung (BGHZ 8, 303 <308>) und hinderte nament-
lich nicht den Beginn der Frist des § 133 Abs. 2 VwGO. Es kann
jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Verfahrensweise
des Berufungsgerichts dazu geführt hat, dass die Klägerin ohne
Verschulden verhindert war, die gesetzliche Frist einzuhalten
(§ 60 Abs. 1 VwGO). Dem braucht nicht weiter nachgegangen zu
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werden, weil die Beschwerde aus anderen Gründen erfolglos
bleiben muss.
2. Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen
werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
die Berufungsentscheidung von einer Entscheidung des Bundes-
verwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Ge-
richtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab-
weicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrens-
mangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Beru-
fungsentscheidung beruhen kann. Wird - wie hier - die Nichtzu-
lassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muss in
der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung darge-
legt oder die Entscheidung, von der das Berufungsurteil ab-
weicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Prüfung des beschließenden Senats ist
demgemäß auf fristgerecht geltend gemachte Gründe im Sinne des
§ 132 Abs. 2 VwGO beschränkt.
Die Beschwerde wird allein auf den Revisionszulassungsgrund
der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO) gestützt. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer
Rechtssache nur zu, wenn sie eine von den Revisionsentschei-
dungen erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft,
die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts
revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserforder-
nis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung ei-
ner konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung
erheblich sein wird und einen Hinweis auf den Grund, der ihre
Anerkennung als grundsätzlich bedeutsamen Rechts fertigen
soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern
die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisions-
gerichtlich nicht beantworteten Fall übergreifenden Rechtsfra-
ge führen kann. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen
verleihen der Sache keine grundsätzliche Bedeutung. Sie sind
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in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits
beantwortet.
a) Die Klägerin hält zunächst die Klage für klärungsbedürftig,
"ob die Leistung von Diensten höherer Art (im Sinne der Defi-
nition des Gewerbes) diese Qualifikation aus der Art der zu
leistenden Dienste ableitet oder allein auf die Qualifikation
der Lehrer".
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ge-
klärt, dass das Gewerbe im Sinne des § 14 GewO jede nicht so-
zial unwertige, auf Gewinnerzielung gerichtete und auf Dauer
angelegte selbständige Tätigkeit, ausgenommen Urproduktion,
freie Berufe (freie wissenschaftliche, künstlerische und
schriftstellerische Tätigkeit höherer Art sowie persönliche
Dienstleistungen höherer Art, die eine höhere Bildung erfor-
dern) und bloße Verwaltung eigenen Vermögens ist (Urteil vom
1. Juli 1987 – BVerwG 1 C 25.85 - BVerwGE 78, 6 = Buchholz
451.20 § 14 GewO Nr. 4 = GewArch 1987, 331 und vom 26. Januar
1993 – BVerwG 1 C 25.91 - Buchholz 451.20 § 14 GewO
Nr. 5 = GewArch 1993, 196). Bei dem Ausnahmetatbestand der
persönlichen Dienstleistungen höherer Art kommt es darauf an,
ob sie, nämlich die Dienstleistungen, die das Leistungsangebot
prägen, eine höhere Bildung erfordern (Urteil vom 1. Juli
1987, a.a.O.). Von diesem Grundsatz ist auch das Berufungsge-
richt ausgegangen (Urteilsabdruck S. 7). Ob die danach erfor-
derlichen Voraussetzungen erfüllt sind, was das Berufungsge-
richt verneint hat, ist eine Problematik des Einzelfalles, die
der Sache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung verleiht.
b) Die von der Klägerin außerdem für klärungsbedürftig angese-
hene Rechtsfrage, "ob der Begriff des Gewerbes in der Gewerbe-
ordnung einen anderen Bedeutungsinhalt hat als im Gewerbesteu-
ergesetz", ist ebenfalls bereits beantwortet, nämlich dahin,
dass der Begriff des Gewerbes im Sinne der Gewerbeordnung mit
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dem Gewerbebegriff des Steuerrechts nicht identisch ist (Ur-
teil vom 24. Juni 1976 - BVerwG 1 C 56.74 - Buchholz 451.20
§ 14 GewO Nr. 2 = GewArch 1976, 293). Die Beschwerde zeigt
nicht auf, dass hierzu weiterer Klärungsbedarf besteht.
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2
VwGO, die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes auf
§ 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Hahn Büge Vormeier