Urteil des BVerwG vom 01.10.2003
Frequenz, Öffentlich, Rundfunk, Anstalten
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 B 58.03
OVG 4 Bf 646/98
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. Oktober 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. H a h n und V o r m e i e r
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsge-
richts vom 2. Juni 2003 wird verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 750 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die allein auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der
Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie
genügt nicht den Begründungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die
erstrebte Revisionszulassung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft,
die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher
Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt in-
soweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für
die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und
außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausge-
hende Bedeutung bestehen soll (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B
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261.9 - Buchholz 310 § 133 (n.F.) VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328 = DEV 1998,
117). Dem trägt die Beschwerde nicht ausreichend Rechnung.
Die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen beziehen sich auf die vom Oberverwal-
tungsgericht vertretene Auffassung, auch nach der Verlagerung des Standortes des
Senders für die Frequenz 94,2 MHz von Lauenburg/Eschem nach Hamburg-
Moorfleet dürfe die Beklagte die Frequenz nutzen, ohne dass es einer erneuten Ver-
gabe der Frequenz nach gesetzlich vorgegebenen Kriterien bedürfe. Das Oberver-
waltungsgericht geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass sich die Notwen-
digkeit einer solchen Zuweisungsentscheidung nicht aus Landesrecht ergebe, insbe-
sondere nicht aus dem Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk vom
17./18. Dezember 1991 (HmbGVBl 1992 S. 40) und dem Frequenz-Vergabegesetz
vom 20. April 1994 (HmbGVBl S. 130), und dass aus Bundesverfassungsrecht nichts
anderes folge. Die Klägerin erstrebt mit den von ihr als grundsätzlich bedeutsam be-
zeichneten Fragen die Klärung, dass die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts
mit der bundesverfassungsrechtlich verbürgten Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2
GG) nicht im Einklang steht. Die angebliche grundsätzliche Bedeutung ihrer Fragen
hat sie indes nicht einer den Begründungsanforderungen gerecht werdenden Weise
dargelegt.
Soweit die Klägerin geklärt wissen möchte, wie der Begriff der "Frequenz" verfas-
sungsrechtlich zu definieren ist, legt sie nicht die Entscheidungserheblichkeit der ge-
stellten Frage dar. In dieser Allgemeinheit würde sich die Frage in einem Revisions-
verfahren nicht stellen.
Die Klägerin wirft ferner die Frage auf, wann bei der Verlegung eines Sendestandor-
tes aus dem Hoheitsgebiet eines Bundeslandes und bei einer damit einhergehenden
erstmaligen Schaffung eines neuen Kernsendegebiets eine unter rundfunkverfas-
sungsrechtlichen Gesichtspunkten "neue" Frequenz entsteht. Diese Frage genügt
ebenfalls nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Das Oberverwal-
tungsgericht hat sich mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-
richts zu dem aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgenden Gebot, dass freie Übertra-
gungskapazitäten auf der Grundlage gesetzlicher Vorgaben zuzuordnen sind (vgl.
BVerfG, Urteil vom 5. Februar 1991 - 1 BvF 1/85, 1/88 - BVerfGE 83, 238 <319 und
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322 ff.>), mit der Frage auseinander gesetzt, ob durch die Verlagerung des Standor-
tes des Senders für die Frequenz 94,2 MHz eine freie bzw. neue Frequenz entstan-
den sei, deren Nutzung eine besondere verfassungsmäßige Zuordnungsentschei-
dung voraussetze. Es hat dies im Kern mit der Erwägung verneint, dass die in Rede
stehende Frequenz vor der Verlagerung des Sendestandortes an die Beklagte ver-
geben worden sei und durch die Standortverlagerung eine neue, freie Frequenz
deshalb nicht entstanden sei, weil die Frequenz "in dem maßgeblichen Gebiet des
Staatsvertrages über den Norddeutschen Rundfunk" nur einmal nutzbar gewesen
sei, woran sich durch die Verlagerung nichts geändert habe. Das Oberverwaltungs-
gericht hat mithin für die Frage, ob eine neue bzw. freie Frequenz entstanden ist,
entscheidend darauf abgestellt, ob durch die Standortverlagerung im Geltungsbe-
reich des Staatsvertrages eine Erhöhung der Nutzbarkeit der Frequenz im Sinne ei-
ner gleichzeitigen mehrfachen Nutzung eingetreten ist. Mit dieser Erwägung setzt
sich die Klägerin nicht auseinander. Dies wäre indes geboten gewesen. Soweit sich
die Vorinstanz mit der Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung beschäftigt
hat, ist es hinsichtlich des Gebots der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der auf-
geworfenen Frage erforderlich, dass sich die Beschwerde mit der Auffassung des
Berufungsgerichts auseinander setzt (vgl. Beschluss vom 9. März 1993 - BVerwG
3 B 105.92 - NJW 1993, 2825 <2826>).
Die Klägerin hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob die Verlagerung
der Frequenz in ein anderes Bundesland dazu führt, dass die Hoheitsgewalt des
Bundeslandes tangiert wird, in dem der neue Standort gelegen ist, oder ob die Fre-
quenz trotz Veränderung des Kernsendegebiets eine Frequenz desjenigen Landes
bleibt, zu dessen Versorgung sie bisher gedient hatte. Die Frage setzt - wie auch die
konkretisierende Zusammenfassung auf S. 28 des Beschwerdeschriftsatzes verdeut-
licht - voraus, dass durch die Verlagerung des Sendestandortes eine neue bzw. freie
Frequenz entstanden ist. Da sich die Beschwerde - wie aufgezeigt - nicht ausrei-
chend mit den Gründen auseinander setzt, aus denen aus Sicht des Oberverwal-
tungsgerichts keine neue bzw. freie Frequenz entstanden ist, erweist sich die hier in
Rede stehende, das Entstehen einer solchen Frequenz voraussetzende Frage eben-
falls als nicht ausreichend begründet.
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Nach Auffassung der Klägerin ist die Frage von grundsätzlicher Bedeutung, wann bei
"Verlagerung" einer Frequenz aus dem Hoheitsgebiet eines Bundeslandes in das
Hoheitsgebiet eines anderen Bundeslandes und bei der damit einhergehenden Auf-
gabe der Verbreitung des bisherigen Rundfunkprogramms eine Frequenz rundfunk-
rechtlich als "frei" gilt. Das Oberverwaltungsgericht hat sich in der dargestellten Wei-
se mit der Frage beschäftigt, warum aus seiner Sicht keine neue bzw. freie Frequenz
entstanden ist. Da die hier interessierende Frage das Entstehen einer solchen Fre-
quenz betrifft, hätte sich die Klägerin auch im vorliegenden Zusammenhang mit die-
sen Erwägungen auseinander setzen müssen, um den Begründungsanforderungen
gerecht zu werden. Dies ist nicht geschehen.
Die Klägerin erachtet es für grundsätzlich bedeutsam, ob öffentlich-rechtliche Rund-
funkanstalten ohne ein vorgängiges Frequenzverteilungsverfahren berechtigt sind,
Kernsendegebiete und/oder Sendefrequenzen in andere Bundesländer zu verlegen.
Diese Frage rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Die Klägerin hät-
te sich auch im Zusammenhang mit dieser Frage mit den Erwägungen auseinander
setzen müssen, aus denen das Oberverwaltungsgericht mangels des Entstehens
einer neuen bzw. freien Frequenz ein Vergabeverfahren nicht als notwendig angese-
hen hat.
Genauso liegt es bei der von der Klägerin aufgeworfenen letzten Frage. Sie möchte
insoweit geklärt wissen, ob sich im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG der im
Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk gewährte Bestandsschutz für die
vor Einführung des dualen Rundfunksystems den öffentlich-rechtlichen Anstalten
fernmelderechtlich zugewiesenen Frequenzen auf programmliche Angebote im bis-
herigen Umfang erstreckt oder ob die öffentlich-rechtlichen Anstalten unter Vermei-
dung eines Verfahrens der Frequenzoberverwaltung die medienrechtlich nicht zuge-
wiesenen Frequenzen nach deren "Verlagerung" eigenständig mit neuen Program-
men belegen dürfen. Auch in diesem Zusammenhang fehlt es an einer Auseinander-
setzung mit der Erwägung des Berufungsgerichts, warum keine neue bzw. freie Fre-
quenz entstanden und deshalb ein Verfahren zur Frequenzvergabe nicht durchzu-
führen gewesen sei.
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Die Revision ist nicht deshalb wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, weil
- wie die Klägerin darlegt - die Rechtsprechung zweier Senate des Hamburgischen
Oberverwaltungsgerichts zu der Frage, ob durch die Verlegung des Sendestandortes
für die Frequenz 94,2 MHz eine neue Frequenz entstanden ist, uneinheitlich ist. Eine
Uneinheitlichkeit in der Rechtsprechung entbindet nicht von der Notwendigkeit, eine
Frage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 1 Nr. 1 VwGO in ei-
ner Weise zu begründen, die den Anforderung des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO Rech-
nung trägt.
Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen ist die Beschwerde auch deswe-
gen nicht im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ausreichend begründet, weil sie
nicht aufzeigt, dass die aufgeworfene Problematik eine fallübergreifende Bedeutung
hat. Dazu hätte insbesondere vorgetragen und belegt werden müssen, dass in einem
überschaubaren Zeitraum weitere Fälle der Nutzung einer hergebrachten Frequenz
durch eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt nach Verlegung des Sende-
standortes in ein anderes Bundesland, das mit dem Sitzland des ursprünglichen
Sendestandortes einen Rundfunkstaatsvertrag abgeschlossen hat, zu erwarten sind.
Daran fehlt es.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung
des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 14 Abs. 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1
Satz 1 GKG.
Bardenhewer Hahn Vormeier