Urteil des BVerwG vom 12.08.2008

Ablauf der Frist, Verfahrensmangel, Umdeutung, Berechtigung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 B 50.08
VGH 9 UE 2698/07
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. August 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn
und Büge
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Hessischen Verwal-
tungsgerichtshofs vom 19. März 2008 wird zurückgewie-
sen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 12 308,86 € festgesetzt.
G r ü n d e :
1. Die Beschwerde bleibt auch bei Unterstellung der Rechtzeitigkeit der Be-
schwerdebegründung (§ 125 Abs. 2 Satz 4, § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO) - der
Kläger hat trotz zahlreicher Aufforderungen seitens des Hessischen Verwal-
tungsgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts das Empfangsbekennt-
nis über die Zustellung des angefochtenen Beschlusses nicht vorgelegt - ohne
Erfolg.
Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Berufungsentscheidung
von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen
Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsge-
richts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel
geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Berufungsentscheidung beru-
hen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde
angefochten, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeu-
tung dargelegt oder die Entscheidung, von der die Berufungsentscheidung ab-
weicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO). Die Prüfung des beschließenden Senats ist demgemäß auf fristgerecht
geltend gemachte Beschwerdegründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO be-
schränkt. Der Kläger macht allein den Revisionszulassungsgrund des § 132
Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend.
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Wegen eines Verfahrensmangels kann die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3
VwGO nur zugelassen werden, wenn ein Mangel geltend gemacht wird und
vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Ein solcher Mangel ist nur
dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn er
sowohl in Bezug auf die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in
seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (Beschluss vom
19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO
Nr. 26). Diese Anforderungen sind hier nicht erfüllt.
aa) Der angefochtene Beschluss ist nicht verfahrensfehlerhaft erlassen worden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die vom Kläger ohne Zulassung eingelegte Be-
rufung zu Recht als unzulässig verworfen. Er hat zutreffend angenommen, dass
unter den hier gegebenen Umständen das unzulässige Rechtsmittel nicht als
rechtzeitig gestellter Antrag auf Zulassung der Berufung nach § 124a VwGO
angesehen werden kann. Das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 30. Ok-
tober 2007 ergangene, am selben Tage verkündete Urteil des Verwaltungsge-
richts wurde dem Kläger am 20. November 2007 zugestellt. Aus der dem Urteil
beigefügten ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung ergab sich eindeutig,
dass als Rechtsbehelf nur der Antrag auf Zulassung der Berufung gegeben und
die Berufung ohne Zulassung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht statthaft
war. Der Kläger legte mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2007 ausdrücklich Be-
rufung ein und bat um Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist.
Mangels entsprechenden Anhalts kann die unzulässige Berufung eines an-
waltlich vertretenen Rechtsmittelführers nicht als (fristwahrender) Antrag auf
Zulassung der Berufung angesehen werden. Die Berufung umfasst nicht
zugleich auch den Antrag auf Zulassung dieses Rechtsmittels. Die beiden
Rechtsbehelfe betreffen unterschiedliche Gegenstände. Der Antrag auf Zu-
lassung der Berufung begehrt ausschließlich die Zulassung dieses Rechtsmit-
tels durch das Berufungsgericht. Die Berufung richtet sich gegen die Ent-
scheidung des Verwaltungsgerichts in der Sache. Beide Rechtsbehelfe sind
nicht austauschbar. Sie haben unterschiedliche Ziele und stehen in einem
Stufenverhältnis selbstständig nebeneinander. Erst ein erfolgreicher Antrag
auf Zulassung der Berufung eröffnet die prozessrechtliche Möglichkeit, die
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erstinstanzliche Entscheidung mit diesem Rechtsmittel anzugreifen (vgl. Be-
schluss vom 12. März 1998 - BVerwG 2 B 20.98 - Buchholz 310 § 124a
VwGO Nr. 2).
Etwas anderes kann auch nicht deshalb angenommen werden, weil der Kläger
am 29. Dezember 2007 einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt hat.
Denn dieser Antrag ist nach Ablauf der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO
gestellt worden. Den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat
der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit unanfechtbarem Beschluss vom
19. März 2008 abgelehnt.
Die von einem Rechtsanwalt gegen die Sachentscheidung des Verwaltungsge-
richts ohne Zulassung eingelegte Berufung kann nach Ablauf der Antragsfrist
des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO auch nicht in einen Antrag auf Zulassung des
Rechtsmittels umgedeutet werden. Insoweit gilt nichts anderes als für die ver-
gleichbare Frage der Umdeutung einer Revision in eine Nichtzulassungsbe-
schwerde oder umgekehrt einer Nichtzulassungsbeschwerde in eine Revision
(vgl. Beschluss vom 13. Juni 1994 - BVerwG 9 B 374.94 - Buchholz 310 § 125
Nr. 11 m.w.N.). Eine Rechtsmittelerklärung, die ein Rechtsanwalt abgegeben
hat, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
einer gerichtlichen Umdeutung grundsätzlich unzugänglich. Ein von einem An-
walt eindeutig eingelegter Rechtsbehelf kann jedenfalls dann nicht in einen an-
deren umgedeutet werden, wenn die Rechtsbehelfe unterschiedlichen Zwecken
dienen (Beschlüsse vom 15. September 2005 - BVerwG 6 B 54.05 - und vom
12. März 1998 a.a.O. S. 3). So verhält es sich hier.
bb) Die Rüge, in der Nichtzulassung der Revision liege ein Verfahrensverstoß
vor, kann ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn § 132 Abs. 2
Nr. 3 VwGO betrifft solche Verfahrensfehler, die dem Gericht auf dem Weg zu
seiner Entscheidung oder im Zusammenhang mit ihrem Erlass unterlaufen sind,
nicht den Inhalt der Entscheidung.
cc) Dass in einem anderen Verfahren (offenbar meint der Kläger das Verfahren
12 E 341/00 (V) des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main) eine Verweisung
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des Rechtsstreits erfolgt ist, stellt unter keinem denkbaren Aspekt einen Ver-
fahrensmangel des vorliegenden Verfahrens dar.
dd) Auch alles weitere Vorbringen, insbesondere zur Berechtigung zur Erhe-
bung von Säumniszuschlägen, führt nicht auf einen Revisionszulassungsgrund.
2. Sollte sich die Beschwerde auch gegen den Beschluss des Hessischen Ver-
waltungsgerichtshofs vom 25. Februar 2008 in dem Verfahren 9 UZ 2756/07
richten, wofür die Anführung auch dieses Aktenzeichens in der Beschwerde-
schrift vom 2. Mai 2008 und in der Beschwerdebegründungsschrift vom 1. Juli
2008 sprechen kann, so wäre sie unstatthaft, weil der Beschluss gemäß § 152
Abs. 1 VwGO unanfechtbar ist.
3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Fest-
setzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.
Dr. Bardenhewer
Dr. Hahn
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