Urteil des BVerwG vom 23.07.2014

Verbindlichkeit, Befreiung, Verjährungsfrist, Unterhaltung

Sachgebiet:
Postrecht und Telekommunikationsrecht
BVerwGE: nein
Fachpresse: nein
Sachgebietsergänzung:
Aufwendungsersatz für die Verlegung von
Telekommunikationsleitungen
Rechtsquelle/n:
TKG § 71 Abs. 2, § 72 Abs. 1 und 3
BGB §§ 199, 257
Stichwort/e:
Öffentlichen Zwecken dienende Telekommunikationslinien; Benutzung von
Verkehrswegen; Unterhaltung des Verkehrsweges; Erschwerung der
Unterhaltung; Änderung des Verkehrsweges; Verlegung der
Telekommunikationslinie; Aufwendungsersatzanspruch des
Unterhaltungspflichtigen; Verbindlichkeit gegenüber dem bauausführenden
Unternehmen; Befreiung von einer Verbindlichkeit; Begleichung der
Verbindlichkeit; Kostenerstattung; Verjährung; Beginn der Verjährung.
Leitsatz/-sätze:
Ist der Ersatzanspruch des zur Unterhaltung des Verkehrsweges Verpflichteten
gegen den Träger der öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationslinie
nach § 71 Abs. 2 TKG zunächst auf die Befreiung von der Verbindlichkeit
gegenüber dem bauausführenden Unternehmer gerichtet, entsteht mit der
Begleichung dieser Verbindlichkeit durch den Unterhaltungsverpflichteten kein
anderer auf Kostenerstattung gerichteter Anspruch, sondern wandelt sich nur der
Anspruchsinhalt, ohne dass dies an einer einmal eingetretenen Verjährung des
Anspruchs als solchen etwas ändern könnte.
Beschluss des 6. Senats vom 23. Juli 2014 - BVerwG 6 B 49.13
I. VG Trier vom 28. November 2012
Az: VG 5 K 617/12.TR
II. OVG Koblenz vom 2. Juli 2013
Az: OVG 6 A 10310/13
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 B 49.13
OVG 6 A 10310/13
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Juli 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Graulich und Hahn
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
Rheinland-Pfalz vom 2. Juli 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 22 347,12 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde, mit der sich der Kläger allein auf den Zulassungsgrund einer
grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache stützt (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO),
hat keinen Erfolg. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn
in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer höchstrichterlich bis-
her noch nicht geklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrun-
de liegenden Einzelfall hinausgehenden entscheidungserheblichen und klä-
rungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu
erwarten ist. Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen,
dass diese Voraussetzungen hier erfüllt sind.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage, mit der der Kläger die Verurteilung
der Beklagten zur Zahlung von Kosten begehrt, die ihm im Rahmen von Siche-
rungsarbeiten an Telekommunikationskabeln entstanden sind, mit zwei selbst-
ständig tragenden Begründungen abgelehnt: Zum einen hat es schon die tatbe-
standlichen Voraussetzungen eines aus § 71 Abs. 2 TKG abgeleiteten Zah-
lungsanspruchs verneint; unabhängig davon hat es zum anderen einen auf die-
se Vorschrift gestützten Zahlungsanspruch des Klägers als jedenfalls verjährt
angesehen. Im Fall einer mehrfachen, die Entscheidung jeweils selbstständig
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tragenden Begründung des angefochtenen Urteils bedarf es für die Zulassung
der Revision eines Zulassungsgrundes in Bezug auf jede dieser Begründungen
(vgl. Beschluss vom 15. August 2011 - BVerwG 6 B 9.11 - Buchholz 442.066
§ 150 TKG Nr. 4 Rn. 3). Daran fehlt es hier jedenfalls in Bezug auf die zweite
Begründung des Oberverwaltungsgerichts.
Der Kläger will in diesem Zusammenhang geklärt wissen, ob „sich die Entste-
hung, die Fälligkeit und die hieran anknüpfende Verjährung eines Kostenerstat-
tungsanspruchs nach § 52 Abs. 2 TKG 1996 und § 71 Abs. 2 TKG nach dem
Entstehungs- und Fälligkeitszeitpunkt eines nach § 257 BGB bestehenden Be-
freiungsanspruchs“ richtet oder „bei einem Kostenerstattungsanspruch nach
§ 52 Abs. 2 TKG 1996 und § 71 Abs. 2 TKG für die Entstehung, die Fälligkeit
und eine hieran anknüpfende Verjährung zwischen dem unmittelbaren Aufwen-
dungsersatzanspruch und dem Befreiungsanspruch nach § 257 S.1 BGB zu
unterscheiden“ ist. Hiermit wird keine grundsätzlich klärungsfähige Rechtsfrage
aufgeworfen. Für den Fall, dass die Unterhaltung eines Verkehrsweges auf-
grund der Mitbenutzung durch eine Telekommunikationslinie erschwert wird,
sieht § 71 Abs. 2 TKG - wortgleich mit der Vorgängervorschrift des § 52 Abs. 2
TKG 1996 - vor, dass der Nutzungsberechtigte dem Unterhaltungspflichtigen
die aus der Erschwerung erwachsenden Kosten zu ersetzen hat.
Das Oberverwaltungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der Lauf der
Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 1 BGB in diesem konkreten Einzelfall spä-
testens mit dem Schluss des Jahres 2007 begonnen habe, nachdem der Kläger
mit Schreiben vom 27. April 2007 den von ihm behaupteten Ersatzanspruch
gegenüber der Beklagten geltend gemacht hatte. Zu diesem Zeitpunkt sei auch
nach seiner Auffassung ein eventuell bestehender Anspruch nach § 71 Abs. 2
TKG auf Ersatz der ihm aus der Erschwerung der Verkehrswegeunterhaltung
erwachsenen Kosten bereits entstanden und fällig gewesen. Er sei in seinem
Fall konkret auf die Befreiung von einer gegenüber einem Dritten bestehenden
Verbindlichkeit im Sinne des § 257 Satz 1 BGB gerichtet gewesen, da der Klä-
ger ausdrücklich von der Beklagten die Anweisung der festgestellten Rechnung
an die bauausführende Firma verlangt habe. Zwar habe er im weiteren Verlauf
mit Schreiben vom 21. April 2008 die Überweisung des geforderten Gesamtbe-
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trags unmittelbar auf sein Konto verlangt. Dies habe aber nichts an der Rechts-
natur des von ihm verfolgten Anspruchs geändert, da auch zu diesem Zeitpunkt
eine Zahlung seitens des Klägers an die bauausführende Firma noch nicht er-
folgt gewesen sei. Dieser Anspruch auf Befreiung von einer Verbindlichkeit sei
mit Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist Ende des Jahres 2010 verjährt.
Das Oberverwaltungsgericht hat sich dabei zur Auslegung der zivilrechtlichen
Verjährungsvorschriften, die nach § 77 TKG entsprechend anzuwenden sind,
der Rechtsansicht des Bundesgerichtshofes angeschlossen, wonach für den
Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist des Befreiungsanspruchs gemäß
§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht auf den Schluss des Jahres abzustellen sei, in
dem der Freistellungsanspruch fällig geworden sei, sondern auf den Schluss
des Jahres, in dem die Drittforderungen fällig würden, von denen zu befreien
sei (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 2010 - III ZR 209/09 - BGHZ 185, 310 Rn. 22).
Die Beschwerde zieht nicht die vom Oberverwaltungsgericht herangezogene
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Verjährungsbeginn bei gesetzli-
chen Befreiungsansprüchen aus § 257 Satz 1 BGB in Zweifel.
Der Kläger meint lediglich, dass seine Zahlung auf die Verbindlichkeit gegen-
über dem Unternehmer einen Kostenerstattungsanspruch begründet hat, der
von dem zunächst geltend gemachten Befreiungsanspruch zu unterscheiden
sei und auf den sich deshalb die Verjährung des Befreiungsanspruchs nicht
auswirken könne. Das Berufungsgericht hat hingegen angenommen, dass die
vom Kläger im März 2010 geleistete Zahlung des geforderten Rechnungsbetra-
ges an die bauausführende Firma deshalb nicht zu Änderungen an dem be-
schriebenen Ablauf der Verjährungsfrist geführt habe, weil sich der bis dahin
bestehende Befreiungsanspruch aufgrund der Zahlung lediglich in einen Erstat-
tungsanspruch umgewandelt habe. Mit Erfüllung der Drittforderung sei kein auf
unmittelbaren Aufwendungsersatz gerichteter weiterer Ersatzanspruch im Sinne
des § 71 Abs. 2 TKG entstanden. Vielmehr hätten dem Kläger die durch das
von ihm beauftragte Bauunternehmen abgerechneten Gesamtkosten nur einmal
im Sinne des § 71 Abs. 2 TKG erwachsen können. Er habe es deshalb nicht in
der Hand gehabt, den Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist gemäß § 77 TKG
bezogen auf dieselbe Unterhaltungsmaßnahme mehrfach in Lauf zu setzen.
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Diese Annahme des Oberverwaltungsgerichts wirft keinen grundsätzlichen Klä-
rungsbedarf auf. Sie entspricht vielmehr der Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofs, durch welche die damit aufgeworfene Rechtsfrage bereits geklärt ist.
Der Bundesgerichtshof hat ausdrücklich in dem vom Oberverwaltungsgericht in
diesem Zusammenhang angeführten Urteil entschieden, dass sich ein Aufwen-
dungsersatzanspruch, der ursprünglich auf die Befreiung von einer Verbindlich-
keit gerichtet ist, in einen Anspruch auf Kostenerstattung umwandelt, wenn der
Gläubiger des Befreiungsanspruchs die Verbindlichkeit begleicht, ohne dass
sich durch diese Umwandlung des Anspruchs etwas am Lauf der Verjährung
ändert (BGH, Urteil vom 28. April 1993 - VIII ZR 109/92 - NJW-RR 1993, 1227
<1228>). Hiervon ist der Bundesgerichtshof ersichtlich auch in seiner späteren
Entscheidung ausgegangen, welche das Oberverwaltungsgericht ebenfalls an-
geführt hat. Dort hat der Bundesgerichtshof hervorgehoben, die Vorschrift des
§ 257 BGB erweitere das sich aus anderen Vorschriften ergebende Recht auf
Ersatz von Aufwendungen dahin, dass dann, wenn die Aufwendung in der Ein-
gehung einer Verbindlichkeit bestehe, der Ersatzberechtigte Befreiung von der
lediglich übernommenen, aber noch nicht erfüllten Pflicht verlangen könne
(BGH, Urteil vom 5. Mai 2010 a.a.O. Rn. 20). Damit hat der Bundesgerichtshof
deutlich gemacht, dass nur ein einheitlicher Aufwendungsersatzanspruch be-
steht, sich lediglich der Anspruchsinhalt danach unterscheidet, ob die Verbind-
lichkeit getilgt ist oder nicht. Dieses Verständnis gilt, ohne dass es hierfür einer
Entscheidung in einem Revisionsverfahren bedarf, auch für den Ersatzanspruch
nach § 71 Abs. 2 TKG. Ist er zunächst auf die Befreiung von der Verbindlichkeit
gegenüber dem Bauunternehmer gerichtet, entsteht mit der Begleichung dieser
Verbindlichkeit durch den Unterhaltungspflichtigen kein anderer auf Kosten-
erstattung gerichteter Anspruch, sondern wandelt sich nur der Anspruchsinhalt,
ohne dass dies an der einmal eingetretenen Verjährung des Anspruchs als sol-
chen etwas ändern könnte.
Da der Kläger einen grundsätzlichen Klärungsbedarf in Bezug auf den Ge-
sichtspunkt der Verjährung nicht aufgezeigt hat, ist die in der Beschwerdebe-
gründung aufgeworfene weitere Frage nicht entscheidungserheblich, ob „der
einen Kostenerstattungsanspruch nach § 71 Abs. 2 TKG ausschließende An-
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wendungsbereich des § 72 Abs. 1 und 3 TKG bereits dann gegeben (ist), wenn
eine Telekommunikationslinie bei Wegeänderungen nach den üblichen Baume-
thoden entsprechend den anerkannten Regeln der Technik Probleme bereitet
oder (…) für die Abgrenzung der Anwendungsbereiche der §§ 71 Abs. 2 und 72
Abs. 1 u. 3 TKG darauf abzustellen (ist), ob es sich entweder um durch Er-
schwernisse im Zusammenhang mit einer in ihrer Lage nicht veränderten Tele-
kommunikationslinie ausgelöste Maßnahmen oder um Maßnahmen handelt, die
aus dem Erfordernis der Änderung oder Beseitigung einer Telekommunikations-
linie resultieren“.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestset-
zung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.
Neumann
Dr. Graulich
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