Urteil des BVerwG vom 08.01.2015

Universität, Staatsprüfung, Diplom, Studienordnung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 B 44.14
OVG 2 A 520/12
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Januar 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller und Hahn
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwal-
tungsgerichts vom 25. März 2014 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 15 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
I
Der Kläger begehrt von der beklagten sächsischen Universität den Hochschul-
grad eines Diplom-Juristen.
Der Kläger bestand die Erste Juristische Staatsprüfung im Januar 2007. Am
9. März 2007 beantragte er bei der beklagten Universität, ihm einen seinem
erfolgreichen Studienabschluss entsprechenden Hochschulgrad zu verleihen.
Während des von dem Kläger durch Untätigkeitsklage anhängig gemachten
verwaltungsgerichtlichen Verfahrens hat die beklagte Universität am 12. Juni
2008 eine Ordnung zur Verleihung des akademischen Grades „Diplom-Jurist“
bzw. „Diplom-Juristin“ an ihrer Juristenfakultät erlassen. Sie hat sodann den
Antrag des Klägers durch in das Gerichtsverfahren einbezogenen Bescheid mit
der Begründung abgelehnt, dass der Kläger die in § 2 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a
der Diplomordnung - unter anderem - vorgesehene Verleihungsvoraussetzung
eines Studiums nach Maßgabe der Studienordnung der beklagten Universität
für den Studiengang Rechtswissenschaft vom 13. Juli 2007 nicht erfülle. Dem
liegt zu Grunde, dass der Kläger trotz der Rückwirkung der Studienordnung aus
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dem Jahr 2007 auf das Wintersemester 2003/2004 sein Studium auf Grund der
einschlägigen Übergangsregelungen nach den Vorgaben der Vorgängerstudi-
enordnung aus dem Jahr 1996 absolviert hat.
Vor dem Verwaltungsgericht ist der Kläger mit seiner Klage erfolglos geblieben.
Während des Berufungsverfahrens hat der Kläger die Zweite juristische Staats-
prüfung bestanden und ist im Jahr 2011 als Rechtsanwalt zugelassen worden.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und
die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Der Kläger erstrebt mit seiner
Beschwerde die Zulassung der Revision.
II
Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache
nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.) und des Verfahrensmangels im Sinne von
§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (2.) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssa-
che zuzulassen. Eine solche Bedeutung ist nur dann gegeben, wenn für die
angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und
bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Be-
deutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhal-
tung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des
Rechts geboten ist. Aus den Darlegungen der Beschwerde ergibt sich nicht,
dass diese Voraussetzungen hier erfüllt sind.
a) Der Kläger hält vor dem Hintergrund der im weiteren Verlauf seiner Be-
schwerdebegründung genannten Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 3
Abs. 1 GG die Frage für grundsätzlich bedeutsam,
„ob eine Schutzpflicht des Inhalts besteht, dass die norma-
tive Ausgestaltung eines Berufsbildes an Veränderungen
in der Berufswelt dadurch anzupassen ist, dass es zu-
gunsten der Angehörigen dieses Berufes geändert oder
um einzelne Regelungselemente ergänzt wird.“
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Dieser Frage kommt keine Grundsatzbedeutung zu, weil sie der Klärung in ei-
nem Revisionsverfahren nicht fähig, jedenfalls aber nicht bedürftig ist.
Der Frage fehlt es an der Klärungsfähigkeit, weil sie sich dem Oberverwal-
tungsgericht nicht gestellt hat und nicht stellen musste. Da die beklagte Univer-
sität unter dem 12. Juni 2008 eine Diplomordnung für ihre Juristenfakultät er-
lassen hat, ist für das Oberverwaltungsgericht allein entscheidungserheblich
gewesen, ob der Kläger in den Kreis der durch diese Ordnung Berechtigten hät-
te einbezogen werden müssen (UA S. 13).
Unabhängig hiervon bedarf die Frage nicht der Klärung in einem Revisionsver-
fahren, weil sie der Senat durch sein Urteil vom 22. Februar 2002 - 6 C
11.01 - (BVerwGE 116, 49 <52 ff.>) und seinen Beschluss vom 6. März
2013 - 6 B 47.12 - (Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 283 Rn. 8 ff.) bereits beantwor-
tet hat. In seinem neueren Beschluss hat der Senat sein älteres Urteil wie folgt
bekräftigt und ergänzt:
Zu der … bundesrechtlichen Anknüpfung der Berufsfrei-
heit und des allgemeinen Gleichheitssatzes hat der Senat
entschieden … , dass eine aus Art. 12 Abs. 1 GG ableitba-
re Schutzpflicht des universitären Normgebers in Gestalt
einer Verpflichtung zur Anpassung der normativen Ausge-
staltung eines Berufsbildes an Veränderungen der Be-
rufswelt allenfalls dann in Betracht zu ziehen ist, wenn das
Unterbleiben entsprechender Änderungen oder Ergän-
zungen die Wahl bzw. die Ausübung des Berufs unver-
hältnismäßig erschweren würde. Dies hat der Senat vor
allem, aber der Sache nach nicht ausschließlich für die
sog. Altfälle verneint. In Entsprechung dazu hat der Senat
eine Ungleichbehandlung der Betroffenen insbesondere
gegenüber Hochschulabsolventen in anderen Studien-
gängen, denen satzungsgemäß ein Diplom verliehen wird,
gemessen an Art. 3 Abs. 1 GG als gerechtfertigt angese-
hen.
Der Senat hat ausgeführt, nach dem herkömmlichen Bild
des „Volljuristen“ gebe es keinen Bedarf, auf das Beste-
hen der Ersten juristischen Staatsprüfung und damit den
Abschluss eines juristischen Studiums durch Verleihung
eines akademischen Titels wie den eines Diploms beson-
ders hinzuweisen. Erwägungen, die auf die Annahme hin-
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ausliefen, das Berufsbild des Juristen habe sich dergestalt
weiterentwickelt, dass die Verleihung eines Diplomgrades
nach Bestehen der Ersten juristischen Staatsprüfung den-
jenigen Absolventen, die als Juristen in der Wirtschaft tätig
sein wollten, einen schnelleren und chancenreicheren Zu-
gang zum Arbeitsmarkt als auf herkömmlichem Weg er-
laube, komme jedenfalls für sog. Altfälle, in denen die ers-
te Staatsprüfung schon mehrere Jahre zurückliege, kein
wesentliches Gewicht zu. Auch der weitere Aspekt, poten-
tielle Arbeitgeber könnten eine Vorauswahl zwischen Ar-
beitsplatzbewerbern anhand eines verliehenen Diplomti-
tels treffen, büße im Hinblick auf Personen, die bereits be-
ruflich tätig gewesen seien oder hätten sein können, an
Bedeutung ein. Selbst wenn schließlich der Diplomtitel in
der Wirtschaft grundsätzlich auch im Hinblick auf sog. Alt-
fälle gefragt sein sollte, besage dies nicht, dass die Auf-
nahme des Berufs als Jurist in der Wirtschaft nach erfolg-
reicher erster Staatsprüfung durch das Fehlen einer Dip-
lomierung spürbar beeinträchtigt werde.
Jedenfalls die letztgenannte Erwägung hat der Senat
demnach ersichtlich nicht auf sog. Altfälle beschränkt. Er
hat durch sie vielmehr ohne eine derartige Einschränkung
zum Ausdruck gebracht, dass zum Zeitpunkt seiner Ent-
scheidung das über die bestandene Erste juristische
Staatsprüfung erteilte Zeugnis die von den Absolventen
erbrachten Leistungen in hinreichender Weise bescheinig-
te, ein zusätzlicher Hochschulgrad keine rechtliche Be-
rufszugangsvoraussetzung darstellte und insgesamt kein
Anspruch der Betroffenen auf eine möglichst griffige Be-
rufsbezeichnung bestand.
Der Kläger hat in der Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde keine
Gesichtspunkte vorgetragen, die die formulierte Frage als klärungsbedürftig
geblieben oder wieder klärungsbedürftig geworden erscheinen lassen könnten.
Er hat vor allem die im Zusammenhang mit der Frage seiner Einbeziehung in
die Diplomordnung der Beklagten getroffene Feststellung des Oberverwal-
tungsgerichts, es fehle in tatsächlicher Hinsicht an einer Grundlage für den
Schluss, dass ihm der Berufszugang oder die Berufsausübung unverhältnismä-
ßig erschwert werde (UA S. 18 f.), nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen
angegriffen (dazu auch sogleich unter 2.). Der Kläger hat vielmehr dieser Fest-
stellung nur seine eigene Einschätzung entgegengesetzt, dass seit dem Jahr
2002 eine völlig veränderte Berufswelt für Juristen entstanden sei. Dies ist für
eine Darlegung der erneuten Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage
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unzureichend (vgl. näher: BVerwG, Beschluss vom 6. März 2013 - 6 B 47.12 -
Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 283 Rn. 15).
b) Der Kläger misst grundsätzliche Bedeutung ferner der Frage zu,
„ob ein universitärer Verordnungsgeber - wie die Beklag-
te - dann eine Regelung treffen darf, die rückwirkend be-
stimmte Gruppen - wie den Beschwerdeführer - aus-
schließ(t), und zeitgleich auf eine Übergangsregelung ver-
zichten darf.“
Auch diese Frage vermag, selbst wenn man ihr vergleichbar der an erster Stelle
erörterten Fragestellung einen bundesverfassungsrechtlichen Bezug beimisst,
die Zulassung der Grundsatzrevision nicht zu rechtfertigen, weil sie in einem
Revisionsverfahren nicht klärungsfähig ist. Die Problematik hat sich in der be-
schriebenen allgemeinen Form dem Oberverwaltungsgericht nicht gestellt. Das
Oberverwaltungsgericht hat vielmehr die - den Kläger letztlich nicht erfassen-
de - zeitliche Beschränkung der Rückwirkung der Diplomordnung der beklagten
Universität vom 12. Juni 2008 nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 GG und des
verfassungsrechtlichen Grundsatzes des Vertrauensschutzes wegen ihres
Gleichklangs mit den Übergangsbestimmungen der nach Einführung der uni-
versitären Schwerpunktbereichsprüfung erlassenen irrevisiblen landesrechtli-
chen Studien- und Prüfungsregelungen für gerechtfertigt erachtet (UA S. 15 ff.,
18 f.).
2. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht, dass dem oberverwal-
tungsgerichtlichen Urteil ein Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3
VwGO anhaftet.
Der Kläger macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe unter Verletzung
seiner Verpflichtung aus § 86 Abs. 1 VwGO nicht aufgeklärt,
„ob die Beklagte die Diplomordnung auch ohne die Maß-
gabe eines vorausgehenden Studiums von mindestens 2
Semestern ‚nach der Studienordnung [ ... ] vom 13.7.2007‘
und damit auch für den Fall einer Teilunwirksamkeit erlas-
sen hätte,
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ob tatsächlich keine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG und
Art. 12 Abs. 1 GG vorlag, insbesondere, ob nicht doch
durch eine seit dem maßgeblichen Urteil des Bundesver-
waltungsgerichts v. 2002 völlig veränderte Berufswelt vor-
liegt, auch im Zuge des Bologna-Prozesses, eine Wettbe-
werbs- und damit Konkurrenzsituation zwischen Juristen
und Wirtschaftsjuristen besteht, welcher die Beklagte mit
der Einführung des Titels zugunsten ihrer Juraabsolventen
gerade abhelfen wollte und zwar hinsichtlich aller Absol-
venten, d.h. der Alt- und Neufälle und ob zeitgleich nicht
auch eine Wettbewerbs- und Konkurrenzsituation zwi-
schen den eigenen Absolventen des Fachbereichs
Rechtswissenschaften und den Absolventen anderer Uni-
versitäten dieses Fachbereichs besteht, die den Titel aber
bereits verliehen bekommen, die Beklagte den Titel gera-
de auch zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der
eigenen Absolventen einführte und auch für Altfälle einfüh-
ren wollte (vgl. Mitteilung der studentischen Vertreter in
dem Sitzungsprotokoll v. 08.10.2007), mithin die Beklagte
über ihren Zuständigkeitsbereich hinaus Auswirkungen
der Diplomierung als Vorteil im beruflichen Wettbewerb
sah und zugunsten aller Absolventen, d.h. auch der frühe-
ren regeln wollte,
ob die Beklagte tatsächlich keine Übergangsregelung für
Altfälle treffen wollte.“
Durch diesen Vortrag wird eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht
aus § 86 Abs. 1 VwGO nicht dargelegt. Der Vortrag ist geprägt durch eine Be-
zugnahme auf die Motive der beklagten Universität beim Erlass untergesetzli-
cher Normen, die einer tatsächlichen Aufklärung bzw. einer Beweiserhebung
nicht zugänglich sind. Soweit der Kläger in dem zweiten Teil seiner Rüge auf
seiner Ansicht nach bestehende Aufklärungsmängel im Hinblick auf die tatsäch-
lichen Umstände der beruflichen Tätigkeit von Juristen abstellt, geschieht dies
mit Bezug auf das erstinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichts und
nicht - wie es für die Darlegung eines Verfahrensfehlers im Sinne des § 132
Abs. 2 Nr. 3 VwGO erforderlich wäre - mit Blick auf die angefochtene Entschei-
dung des Oberverwaltungsgerichts, die insoweit eigene Feststellungen enthält
(vgl. UA S. 18 f.).
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3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Fest-
setzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und
Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
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Dr. Möller
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