Urteil des BVerwG vom 05.10.2007

Fahrlehrer, Fahrschüler, Inhaber, Verkehrssicherheit

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 B 42.07
VGH 2 UE 2799/06
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. Oktober 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn und
Dr. Graulich
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungs-
gerichtshofs vom 22. Mai 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 15 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
1. Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Berufungsentscheidung
von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen
Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsge-
richts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel
geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Berufungsentscheidung beru-
hen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde
angefochten, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeu-
tung dargelegt oder die Entscheidung, von der die Berufungsentscheidung ab-
weicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO). Die Prüfung des beschließenden Senats ist demgemäß auf fristgerecht
geltend gemachte Beschwerdegründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO be-
schränkt. Diese rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.
a) Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur
zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revi-
siblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des
Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des
§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechts-
frage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis
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auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen
soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisi-
onsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworte-
ten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann. Die von der Beschwerde auf-
geworfenen Fragen verleihen der Sache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung.
aa) Der Kläger wirft sinngemäß die Frage auf, ob ein „inaktiver“ Fahrlehrer der
Fortbildungspflicht gemäß § 33a FahrlG unterliegt. Diese Frage ist zu bejahen,
ohne dass dazu die Durchführung eines Revisionsverfahrens erforderlich wäre.
Nach der Zielsetzung des Revisionszulassungsrechts ist Voraussetzung für die
Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, dass der im Rechts-
streit vorhandene Problemgehalt einer Klärung gerade durch eine höchstrich-
terliche Entscheidung bedarf. Dies ist nach der Rechtsprechung aller Senate
des Bundesverwaltungsgerichts dann nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfe-
ne Rechtsfrage auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen
Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres beantworten lässt
(vgl. z.B. Beschlüsse vom 22. Dezember 1994 - BVerwG 4 B 114.94 - Buchholz
11 Art. 28 GG Nr. 102 S. 10 und vom 11. Oktober 2000 - BVerwG 6 B 47.00 -
Buchholz 448.6 § 5 KDVG Nr. 10 S. 6 f. m.w.N.). So liegt es hier.
Nach § 33a FahrlG hat „jeder Fahrlehrer“ alle vier Jahre an einem jeweils drei-
tägigen Fortbildungslehrgang teilzunehmen. Die Vorschrift wendet sich daher
schon nach dem Wortlaut an jeden Fahrlehrer, ohne danach zu unterscheiden,
ob er gegenwärtig Fahrschüler (§ 1 Abs. 1 Satz 1 FahrlG) ausbildet oder nicht.
Das Gesetz enthält zwar keine ausdrückliche Begriffsbestimmung des „Fahrleh-
rers“. Ihm lässt sich aber ohne Weiteres entnehmen, dass Fahrlehrer derjenige
ist, dem eine Fahrlehrererlaubnis erteilt worden ist. Während die §§ 1 bis 4
FahrlG über Erfordernis und Inhalt der Fahrlehrererlaubnis, deren Vorausset-
zungen, den Antrag auf ihre Erteilung und die Fahrlehrerprüfung den Begriff des
Fahrlehrers noch nicht verwenden, wird erstmals in § 5 Abs. 1 FahrlG dieser
Begriff verwandt. In Satz 1 dieser Norm werden die Formen der Erteilung der
Erlaubnis bestimmt. Unmittelbar daran anschließend wird „der Fahrlehrer“ in
bestimmte Pflichten genommen. Daraus erschließt sich, dass Fahrlehrer der-
jenige ist, dem die Fahrlehrererlaubnis durch Aushändigung oder Zustellung
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erteilt worden ist (vgl. auch BTDrucks 13/6914 S. 85, zu § 1: „Erst mit Erteilung
der unbefristeten Fahrlehrererlaubnis wird der Fahrlehreranwärter (§ 22 Abs. 1)
Fahrlehrer“). Von diesem Zeitpunkt an unterliegt er allen Pflichten, die dem
Fahrlehrer auferlegt sind.
Der schon nach dem Wortlaut des § 33a FahrlG eindeutige Befund, dass die
Pflicht des § 33a Abs. 1 FahrlG jedem Fahrlehrer, also jedem Inhaber einer
Fahrlehrererlaubnis, obliegt und nicht davon abhängt, ob und inwieweit er
Fahrschüler gegenwärtig tatsächlich ausbildet, wird durch die Gesetzessyste-
matik bestätigt. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Recht darauf hingewiesen,
dass die Übergangsvorschrift des § 49 Abs. 15 FahrlG die Verpflichtung zur
Fortbildung nach § 33a FahrlG den „Inhabern einer Fahrlehrererlaubnis“ aufer-
legt. Es wird nicht darauf abgehoben, ob der Inhaber der Fahrlehrererlaubnis
aktiv tätig ist oder nicht. Da nicht angenommen werden kann, dass die Ver-
pflichtung zur Teilnahme an einem Fortbildungslehrgang nur bei „Altfällen“ allein
von dem Innehaben der Fahrlehrererlaubnis, in allen anderen Fällen aber von
der aktiven Betätigung abhängt, muss davon ausgegangen werden, dass
allgemein die Anwendung des § 33a FahrlG nur an das Innehaben der Fahrleh-
rererlaubnis anknüpft. Hinzu kommt, dass § 34 FahrlG Ausnahmen von der
Verpflichtung aus § 33a FahrlG nicht zulässt.
Auch die Erwägungen des Gesetzgebers ergeben eindeutig, dass die Verpflich-
tung aus § 33a FahrlG allen Fahrlehrern obliegt. Bereits im einleitenden Teil der
Erwägungen zur Änderung des Fahrlehrergesetzes (BTDrucks 13/6914 S. 55)
wird ausgeführt, dass im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage „eine unbeding-
te und ausnahmslose Pflicht zur Fortbildung für sämtliche Fahrlehrer“ eingeführt
werde. Dieses gesetzgeberische Ziel wird in der Einzelbegründung zu § 33a
wiederholt (a.a.O. S. 91).
Schließlich ergeben Sinn und Zweck des § 33a FahrlG, dass die dort geregelte
Verpflichtung alle Fahrlehrer betreffen muss. Die Fortbildung ist im Interesse
der Ausbildungsqualität und der Verkehrssicherheit eingeführt worden. Sie
muss sich auf alle Fahrlehrer erstrecken, die Fahrschüler ausbilden dürfen. Die
Fahrlehrererlaubnis ist, wie sich aus einem Umkehrschluss aus § 9a FahrlG
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(vgl. auch § 30 Abs. 7 FahrlG) ergibt, auf Lebenszeit erteilt (vgl. auch § 2 Abs. 2
DV-FahrlG), kann jedoch ruhen (§ 7 Abs. 1 FahrlG), erlöschen (§ 7 Abs. 2
FahrlG), zurückgenommen (§ 8 Abs. 1 FahrlG) oder widerrufen werden (§ 8
Abs. 2 FahrlG). Gilt sie grundsätzlich auf Lebenszeit, kann der Inhaber der
Fahrlehrererlaubnis im Grundsatz unter Einhaltung seiner Verpflichtungen je-
derzeit Fahrschüler ausbilden. Es hängt im Wesentlichen von seinen Ent-
schlüssen ab, ob und wann er „aktiv“ tätig wird oder nicht. Fehlt es dann an der
notwendigen und gerade bei „inaktiven“ Fahrlehrern besonders wichtigen Auf-
frischung und Aktualisierung der Kenntnisse und Fähigkeiten, besteht eine er-
höhte Gefahr der Fehlausbildung und damit einhergehend für die Verkehrssi-
cherheit. Überdies wäre, worauf das OLG Jena (Beschluss vom 9. Juli 2004
- 1 Ss 324/03 - VRS 107 Nr. 161) mit Recht hinweist, das Abstellen auf die tat-
sächliche Ausübung der Fahrlehrertätigkeit wegen schwieriger Beweislage un-
praktikabel.
bb) Außerdem hält der Kläger es für klärungsbedürftig, ob die Entziehung der
Fahrlehrererlaubnis bzw. die Auferlegung von Fortbildungsverpflichtungen mit
Art. 14 Abs. 1 GG in Einklang steht. Auch diese Frage rechtfertigt nicht die Re-
visionszulassung. Der Kläger legt nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3
Satz 3 VwGO gemäß die Notwendigkeit ihrer Klärung im vorliegenden Verfah-
ren dar. Er führt lediglich aus, dass die Teilnahme an Fortbildungslehrgängen
und die Wiedererlangung der Fahrlehrererlaubnis Geldmittel erforderten, lässt
aber jegliche Auseinandersetzung mit der Frage vermissen, ob hierdurch der
Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG betroffen ist. Das ist nicht selbstverständ-
lich der Fall. Es spricht alles dafür, dass die Auferlegung von Fortbildungsver-
pflichtungen nicht den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG berührt, weil sie
nicht das Eigentum des Fahrlehrers, sondern sein Vermögen betrifft. Sie stellt
eine Berufsausübungsregelung dar, die am Maßstab des Art. 12 GG zu messen
ist. Gleiches gilt für den Erwerb und die Notwendigkeit der Innehabung der
Fahrlehrererlaubnis (abgesehen von dem hier nicht weiter interessierenden Ei-
gentum an der Urkunde, die der Kläger selbst bereits vor Erlass der Widerrufs-
verfügung der Behörde übergeben hatte). Sie erlaubt die Ausbildung von Fahr-
schülern und eröffnet damit eine Chance zur Erwirtschaftung von Vermögens-
werten. Da der Kläger zudem nicht als Fahrlehrer tätig ist, hätte er darlegen
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müssen, dass und warum bereits allein die öffentlich-rechtliche Zugangsvor-
aussetzung zum Beruf des Fahrlehrers dem Eigentumsschutz unterliegt (vgl.
auch BGH, Urteil vom 27. September 1989 - VIII ZR 57/89 - BGHZ 108, 364
<371>; Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog, GG, Stand Juni 2002, Art. 14 Rn. 100;
Wieland, in: Dreier (Hrsg.) Grundgesetz, 2004, Art. 14 Rn. 64).
b) Wegen eines Verfahrensmangels kann die Revision gemäß § 132 Abs. 2
Nr. 3 VwGO nur zugelassen werden, wenn ein Mangel geltend gemacht wird
und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Ein solcher Mangel ist
nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet,
wenn er sowohl in Bezug auf die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen
als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (Beschluss
vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO
Nr. 26). Diese Anforderungen sind hier nicht erfüllt.
aa) Der Kläger rügt, dass über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand wegen einer Versäumung der Frist zur Begründung des Antrags auf Zu-
lassung der Berufung nicht durch eigenständigen Beschluss, sondern zusam-
men mit der Entscheidung über den Zulassungsantrag entschieden worden sei.
Darin liegt jedoch kein Verfahrensfehler. Vielmehr sind gemäß § 173 VwGO in
Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Verfahren über die Wiedereinset-
zung und über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden und gemäß
§ 173 VwGO in Verbindung mit § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO auf die Entscheidung
über den Wiedereinsetzungsantrag die Vorschriften anzuwenden, die in dieser
Beziehung für die nachgeholte Prozesshandlung gelten (vgl. Beschluss vom
26. Juni 1986 - BVerwG 3 C 46.84 - BVerwGE 74, 289 <290>). Das bedeutet,
dass über einen Wiedereinsetzungsantrag, der die Zulässigkeit eines Beru-
fungszulassungsantrags betrifft, zusammen mit der Entscheidung über die Zu-
lassung der Berufung befunden werden darf.
bb) Der Kläger sieht zudem einen Verfahrensverstoß darin, dass seinem Pro-
zessbevollmächtigten die Schriftsätze des Beklagten nicht in beglaubigter Ab-
schrift überstellt worden seien. In diesem Umstand ist jedoch ein Verfahrens-
fehler nicht zu sehen. § 81 Abs. 2 VwGO fordert (übrigens wie § 133 Abs. 1
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Satz 1 ZPO) nicht die Beifügung beglaubigter Abschriften. Im Übrigen kann das
angefochtene Urteil, wie der Beklagte zutreffend ausführt, darauf nicht beruhen.
2. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Fest-
setzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.
Dr. Bardenhewer Dr. Hahn Dr. Graulich
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Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Wirtschaftsverwaltungsrecht
Fachpresse: ja
Fahrlehrerrecht
Rechtsquelle:
FahrlG § 33a
Stichworte:
Fahrlehrer; „inaktiver“ Fahrlehrer; Fahrlehrererlaubnis; Fortbildungslehrgang.
Leitsatz:
Auch ein Fahrlehrer, der derzeit keine Fahrschüler ausbildet, ist verpflichtet, alle
vier Jahre an einem Fortbildungslehrgang teilzunehmen.
Beschluss des 6. Senats vom 5. Oktober 2007 - BVerwG 6 B 42.07
I. VG Giessen vom 21.09.2005 - Az.: VG 8 E 397/03 -
II. VGH Kassel vom 22.05.2007 - Az.: VGH 2 UE 2799/06 -