Urteil des BVerwG vom 31.01.2008

Waffen Und Munition, Rüge, Widerruf, Verfahrensmangel

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 B 4.08
OVG 20 A 4414/05
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 31. Januar 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn und
Dr. Graulich
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. Oktober 2007
wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 6 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
1. Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Berufungsentscheidung
von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen
Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsge-
richts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel
geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Berufungsentscheidung beru-
hen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde
angefochten, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeu-
tung dargelegt oder die Entscheidung, von der die Berufungsentscheidung ab-
weicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO). Die Prüfung des beschließenden Senats ist demgemäß auf fristgerecht
geltend gemachte Beschwerdegründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO be-
schränkt.
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a) Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur
zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revi-
siblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des
Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des
§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechts-
frage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis
auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen
soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisi-
onsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworte-
ten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann. Die von der Beschwerde auf-
geworfene Frage verleiht der Sache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung.
Der Kläger hält für klärungsbedürftig, ob der Tatbestand des nicht vorsichtigen
und des nicht sachgemäßen Umgangs mit Waffen erfüllt ist und damit die feh-
lende Zuverlässigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG a.F. begründet wird,
wenn der Waffenbesitzer in der Situation der Notwehrprävention beim Öffnen
seiner Haustür für ihm nicht erkennbare Personen vorsorglich eine Waffe in der
Hand hält, ohne sie auf diese zu richten.
Diese Frage führt nicht über die Umstände des vorliegenden Falles hinaus,
auch wenn sie abstrakt formuliert worden ist. Der Kläger legt nicht dar, worin die
fallübergreifende Bedeutung seiner Fragestellung liegt. In der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Prüfung der Zuverlässigkeit
anhand einer umfassenden Einbeziehung und Bewertung aller Tatsachen
vorzunehmen ist, die für die zu treffende zukunftsbezogene Beurteilung
bedeutsam sein können (vgl. Beschlüsse vom 2. Oktober 1981 - BVerwG 1 B
684.80 -, vom 28. Oktober 1983 - BVerwG 1 B 144.83 - und vom 12. Oktober
1998 - BVerwG 1 B 245.97 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 30, 36 und 83). Die
erforderliche Prognose hat sich am Zweck des Gesetzes zu orientieren, die Ri-
siken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, nur bei solchen Personen
hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit
Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen
(vgl. Beschluss vom 2. November 1994 - BVerwG 1 B 215.93 - Buchholz 402.5
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WaffG Nr. 71 = GewArch 1995, 73 m.w.N.). Es ist Sache der tatrichterlichen
Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, ob eine hinreichende Wahr-
scheinlichkeit für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen und Muni-
tion besteht (vgl. Beschluss vom 2. November 1994 a.a.O.). Das Berufungsge-
richt hat ausgeführt, bestimmte Vorfälle am 7. und 13. September 2001 recht-
fertigten entsprechend § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG a.F. für den maßgeblichen Zeit-
punkt der Widerspruchsentscheidung die Annahme, dass der Kläger mit Waffen
und Munition nicht sorgfältig umgehe und sie insbesondere nicht ordnungs-
gemäß aufbewahre. Es führt aus, am 7. September 2001, als der Kläger beim
Öffnen der Haustür einen Revolver bei sich getragen habe, habe eine Notwehr-
situation objektiv nicht vorgelegen und eine in der gegebenen Situation nahe-
liegende Möglichkeit der Abklärung, ob eine Gefährdung tatsächlich gegeben
gewesen sei, habe der Kläger nicht ergriffen. Bestätigend und verstärkend
komme hinzu, dass am 13. September 2001 (u.a.) zwei Kurzwaffen an ver-
schiedenen Stellen des Hauses des Klägers offen herumgelegen hätten. Das
Oberverwaltungsgericht hat die von dem Kläger so genannte Vorbereitung einer
Notwehr dabei gewürdigt und ist zu der Erkenntnis gelangt, dass dem Kläger
andere Mittel zur Eigensicherung verblieben waren. Das führt nicht auf eine
fallübergreifende und noch klärungsbedürftige Rechtsfrage. Überdies zeigt die
Beschwerdebegründung nicht auf, dass Fälle einer „Notwehrvorbereitung“
durch Öffnen der Haustür unter Mitführung einer Kurzwaffe in nennenswerter
Anzahl vorkommen und nicht durch die besonderen Umstände des jeweiligen
Sachverhalts geprägt sind.
b) Wegen eines Verfahrensmangels kann die Revision gemäß § 132 Abs. 2
Nr. 3 VwGO nur zugelassen werden, wenn ein Mangel geltend gemacht wird
und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Ein solcher Mangel ist
nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet,
wenn er sowohl in Bezug auf die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen
als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (Beschluss
vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO
Nr. 26). Diese Anforderungen sind hier nicht erfüllt.
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Die Darlegung des Verfahrensmangels ungenügender Sachaufklärung (§ 86
Abs. 1 VwGO) erfordert die substantiierte Erklärung, hinsichtlich welcher tat-
sächlicher Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet
und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht ge-
kommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der
unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären;
weiterhin muss dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsa-
chengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme
der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hinge-
wirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen
auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen
(stRspr, z.B. Beschluss vom 6. März 1995 - BVerwG 6 B 81.94 - Buchholz 310
§ 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265).
Der Kläger vermisst - abgesehen von einer nicht auf den nur noch umstrittenen
Widerruf der Waffenbesitzkarten für zwei Kurzwaffen bezogenen Rüge fehlen-
der Aufklärung hinsichtlich der Vorhaltung von Kartons für die Aufbewahrung
von Langwaffen - eine Aufklärung darüber, dass er am 13. September 2001
zwei ihn aufsuchenden Polizeibeamten erklärt habe, offen liegende Waffen in
die Kellerräume verbringen zu wollen, um sie dort sicher aufzubewahren. Der
Kläger zeigt jedoch nicht auf, dass er in der mündlichen Verhandlung vor dem
Berufungsgericht entsprechende Beweisanträge gestellt hat. Dazu hätte Anlass
bestanden, wenn er bei dem unbestrittenen Befund des offenen Herumliegens
geladener Kurzwaffen eine besondere Situation darlegen wollte, die zu einer
Annahme seiner waffenrechtlichen Zuverlässigkeit hätte führen können.
Der Kläger zeigt außerdem nicht auf, dass bei einer entsprechenden Bekun-
dung der Polizeibeamten die „Regeln der sicheren Handhabung“ von Waffen
eingehalten gewesen wären, deren Beachtung das Oberverwaltungsgericht zur
Erfüllung der Zuverlässigkeitsanforderungen einfordert. Denn auch unter
Zugrundelegung der vom Kläger angeführten „Umzugssituation“ innerhalb des
Hauses wäre der vom Berufungsgericht besorgte Zugriff Unbefugter auf die
bereitliegenden Waffen nicht ausgeräumt gewesen. Überdies lässt die Rüge
des Klägers auch nichts dafür erkennen, dass die von ihm reklamierte „Um-
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zugssituation“ es erfordert hätte, die Kurzwaffen auch noch geladen offen he-
rumliegen zu lassen.
2. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Fest-
setzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG
und berücksichtigt, dass nur noch der Widerruf der Waffenbesitzkarten für zwei
Kurzwaffen umstritten ist (5 000 € zuzüglich 1 000 €).
Dr. Bardenhewer Dr. Hahn Dr. Graulich
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