Urteil des BVerwG vom 24.11.2003

Einberufung, Wehrpflicht, Abkommen, Republik

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 B 37.03
VG 8 K 5210/02
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. November 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
B ü g e und Dr. G r a u l i c h
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom
12. März 2003 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 4 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist unzulässig und daher zu verwerfen. Der mit ihr allein geltend
gemachte Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung des Rechts-
streits (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht ordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3
Satz 3 VwGO). Hierzu ist es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwal-
tungsgerichts erforderlich, dass der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegrün-
dung eine bestimmte, höchstrichterlich noch ungeklärte und für die angestrebte Re-
visionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts herausarbeitet
und darüber hinaus angibt, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende
Bedeutung der Rechtsfrage bestehen soll (vgl. BVerwGE 13, 90, 91 f.; Beschluss
vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328). Diesen Anforderun-
gen wird die Beschwerde nicht gerecht.
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts steht der Wehrpflicht des Klägers, der sowohl
die deutsche als auch die französische Staatsangehörigkeit besitzt, Art. 6 des Euro-
päischen Übereinkommens über die Verringerung der Mehrstaatigkeit und über die
Wehrpflicht von Mehrstaatern vom 6. Mai 1963 (BGBl II 1969 S. 1954) nicht entge-
gen. Es sei bereits zweifelhaft, ob diese Vorschrift zugunsten des Klägers anwendbar
sei, weil die Anwendbarkeit des Übereinkommens eine Wehrpflicht gegenüber
beiden Vertragsstaaten voraussetze, deren Staatsangehörigkeit der Wehrpflichtige
besitze; hieran fehle es, da Frankreich für alle nach dem 31. Dezember 1978 gebo-
renen Franzosen und damit auch für den Kläger die Einberufung zum Wehrdienst
ausgesetzt habe. Jedenfalls habe der Kläger durch die ihm von der französischen
Botschaft in Bangkok bescheinigte Einberufung zur eintägigen Vorbereitung auf den
Verteidigungsfall noch keinen Wehrdienst i.S. von Art. 6 Abs. 1 Satz 2 des Überein-
kommens geleistet.
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Der Kläger wendet gegen diese Begründung des angefochtenen Urteils ein, das
Verwaltungsgericht habe sich nicht in der gehörigen Weise mit der vorgelegten Be-
scheinigung vom 22. Mai 2000 auseinander gesetzt. Die Bescheinigung enthalte die
Bestätigung, dass er seinen Verpflichtungen zum Wehrdienst gemäß den Anforde-
rungen des französischen Staates nachgekommen sei. Eine tragfähige Begründung,
weshalb dies kein Wehrdienst im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 2 des Übereinkom-
mens sein solle, fehle in der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Eine bestimmte
Rechtsfrage des revisiblen Rechts, die im allgemeinen Interesse der Klärung in ei-
nem Revisionsverfahren bedarf, lässt sich diesem auf die Bescheinigung vom
22. Mai 2000 und damit auf die Umstände des vorliegenden Einzelfalls bezogenen
Vorbringen des Klägers nicht entnehmen.
Der Kläger führt weiter aus, das Verwaltungsgericht habe das Abkommen allein aus
deutscher Sicht ausgelegt. Hinsichtlich des französischen Wehrdienstes sei jedoch
die Sichtweise der Republik Frankreich maßgeblich. Zwar habe Frankreich die Ein-
berufung zum Wehrdienst für alle nach dem 31. Dezember 1978 geborenen Franzo-
sen ausgesetzt. Das hindere jedoch nicht die Anwendbarkeit des Abkommens, weil
nach wie vor die Ableistung des Militärdienstes nach den französischen Anforderun-
gen auch ohne Einberufung möglich sei, wie die vorgelegte Bescheinigung beweise.
Auch mit diesem Vorbringen hat der Kläger entgegen den Darlegungsanforderungen
in § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO keine in einem Revisionsverfahren zu klärende
Rechtsfrage mit fallübergreifender Bedeutung formuliert, sondern sich darauf be-
schränkt, den Ausführungen des Verwaltungsgerichts seine eigene, abweichende
Rechtsauffassung entgegenzusetzen.
Die Beschwerde könnte selbst dann keinen Erfolg haben, wenn sie dahin verstanden
würde, dass der Kläger die Frage geklärt wissen möchte, ob Art. 6 des Übereinkom-
mens auch dann zugunsten eines deutschen Wehrpflichtigen angewendet werden
kann, wenn die Einberufung zum Wehrdienst in dem Land, dessen Staatsangehörig-
keit der Wehrpflichtige ebenfalls besitzt, generell ausgesetzt ist. Bei diesem Ver-
ständnis des Beschwerdevorbringens würde es an der Entscheidungserheblichkeit
der aufgeworfenen Frage fehlen. Denn das Verwaltungsgericht hat seine Entschei-
dung nicht auf die Unanwendbarkeit des Art. 6 des Übereinkommens wegen Fehlens
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einer Pflichtenkonkurrenz in der Person des Wehrpflichtigen gestützt; vielmehr hat es
allein entscheidungstragend angenommen, dass die Teilnahme des Klägers an
einem eintägigen Appell zur Vorbereitung des Verteidigungsfalls nicht gemäß Art. 6
Abs. 1 Satz 2 des Übereinkommens geeignet sei, den in Deutschland abzuleistenden
Wehrdienst zu ersetzen. Zu dieser die Klageabweisung tragenden Begründung im
angefochtenen Urteil enthält die Beschwerdebegründung keine hinreichende Dar-
legung. Die kurze Bemerkung, das Abkommen stelle nicht darauf ab, wo der Wehr-
dienst länger und wo er kürzer sei, genügt mit Rücksicht auf die Regelung in Art. 6
Abs. 1 Satz 2 des Abkommens zur Gesamtdauer des Wehrdienstes nicht den nach
§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO zu stellenden Anforderungen an die Darlegung der grund-
sätzlichen Bedeutung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streit-
werts beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Bardenhewer
Büge
Graulich