Urteil des BVerwG vom 29.08.2012

Gaststätte, Begriff, Betreiber, Verfügung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 B 36.12
OVG 7 A 11323/11
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. August 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Graulich und Prof. Dr. Hecker
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
Rheinland-Pfalz vom 24. Mai 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 3 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
I
Die Klägerin wendet sich gegen eine Ordnungsverfügung, durch die die beklag-
te Verbandsgemeinde gestützt auf das rheinland-pfälzische Nichtraucher-
schutzgesetz (NRSG) der Klägerin aufgegeben hat, Räume der von ihr betrie-
benen Gaststätte rauchfrei zu halten. Die Gaststätte der Klägerin hat zwei Gast-
räume, einen sogenannten Thekenraum mit einer Ausschanktheke und einen
von der Klägerin als Speisesaal bezeichneten Raum. In der Gaststättenerlaub-
nis ist die Größe des Thekenraums mit 43,68 qm angegeben; nach Einbau
eines Kaminofens besitzt dieser Raum nach der Berechnung der Klägerin nur
noch eine Größe von 41,94 qm. Der Speisesaal ist in der Gaststättenerlaubnis
mit einer Größe von 42,52 qm ausgewiesen. Die Klägerin erlaubt im Theken-
raum das Rauchen. Sie beruft sich hierfür auf § 7 Abs. 3 NRSG. Danach kann
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der Betreiber einer Gaststätte mit mehreren Räumen unter bestimmten weiteren
Voraussetzungen das Rauchen in einzelnen Nebenräumen erlauben. Durch die
angegriffene Ordnungsverfügung ordnete die beklagte Verbandsgemeinde
unter anderem an, dass der Thekenraum als Hauptraum rauchfrei sein müsse.
Die nach insoweit erfolglos gebliebenem Widerspruch erhobene Klage hat das
Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung
der Klägerin zurückgewiesen: Selbst wenn der Thekenraum nach seiner Grund-
fläche kleiner sei als der Speisesaal, sei er nach seiner Funktion kein Neben-
raum im Sinne des § 7 Abs. 3 NRSG. Das Oberverwaltungsgericht hat die Re-
vision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwer-
de der Klägerin.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem angefochtenen
Urteil bleibt erfolglos.
Aus der Begründung der Beschwerde ergibt sich nicht, dass ein Verfahrensfeh-
ler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vorliegt, auf dem das Urteil des
Oberverwaltungsgerichts beruhen kann.
Die Klägerin hat schon nicht eindeutig herausgearbeitet, welchen Verfahrens-
fehler sie überhaupt geltend machen will. Sie erwähnt - allerdings eher beiläufig
- die Pflicht des Gerichts, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (§ 86
Abs. 1 VwGO). Die Klägerin hat aber nicht dargelegt, dass das Oberverwal-
tungsgericht diese Pflicht verletzt hätte. Inwieweit das Tatsachengericht den
Sachverhalt aufzuklären hat, richtet sich nach seiner materiellrechtlichen
Rechtsauffassung. Die Rüge einer Verletzung der Aufklärungspflicht ist deshalb
nur begründet, wenn das Oberverwaltungsgericht einen Sachverhalt nicht auf-
geklärt hat, auf den es von seiner materiellrechtlichen Rechtsauffassung aus
entscheidungserheblich ankam. Unerheblich ist für das Vorliegen eines Verfah-
rensfehlers hingegen, ob die materiellrechtliche Rechtsauffassung des Tatsa-
chengerichts zutrifft. Das Oberverwaltungsgericht hat entscheidend darauf ab-
gestellt, dass der Betreiber einer Gaststätte nach § 7 Abs. 3 NRSG das Rau-
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chen nur in einzelnen „Nebenräumen“ erlauben kann und der Begriff des
Nebenraums funktional, nicht aber ausschließlich nach seiner Größe im Ver-
hältnis zu anderen Gasträumen zu bestimmen ist. Ein Gastraum ist danach
nicht schon dann ein Nebenraum im Sinne des § 7 Abs. 3 NRSG, wenn er die
Voraussetzungen der Nr. 1 dieser Vorschrift erfüllt, der sich zur Grundfläche
und zur Anzahl der Sitzplätze in den Nebenräumen im Verhältnis zur Grundflä-
che und zur Anzahl der Sitzplätze in den rauchfreien Gasträumen verhält, son-
dern nur dann, wenn er zugleich nach seiner Funktion ein Nebenraum ist. Nach
der materiellrechtlichen Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts ist
unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Rauchverbots in Gaststätten
ein Gastraum nach seiner Funktion kein Nebenraum, wenn er zum einen - etwa
beim Betreten der Gaststätte oder beim Gang zur Toilette - von allen und damit
auch von den nicht rauchenden Gästen durchquert oder vorübergehend betre-
ten werden muss, um in einen rauchfreien Gastraum zu gelangen, oder wenn
zum anderen der rauchfreie Gastraum den nicht rauchenden Besuchern der
Gaststätte mehr als nur gelegentlich tatsächlich nicht zur Verfügung steht. Von
dieser materiellrechtlichen Rechtsauffassung ausgehend läge ein Verfahrens-
fehler nur vor, wenn das Oberverwaltungsgericht Tatsachen nicht aufgeklärt
hätte, die für die Beurteilung maßgeblich waren, ob der in Rede stehende Gast-
raum die Kriterien des Oberverwaltungsgerichts für einen Nebenraum nicht er-
füllt. Die Klägerin legt indes nicht einmal ansatzweise dar, welche hierfür maß-
geblichen Tatsachen unaufgeklärt geblieben sind, warum sich ihre Klärung dem
Oberverwaltungsgericht hätte aufdrängen müssen, welche Mittel der Sachauf-
klärung zur Verfügung gestanden hätten und welches Ergebnis die weitere
Sachaufklärung voraussichtlich gehabt hätte.
In Wirklichkeit wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde gegen den mate-
riellrechtlichen Ansatz des Oberverwaltungsgerichts. Sie hält es für fehlerhaft,
den Begriff des Nebenraums überhaupt funktional einzugrenzen, jedenfalls die
insoweit vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen Kriterien für untauglich.
Nach ihrer Auffassung hätte das Oberverwaltungsgericht stattdessen auf die
Kriterien des § 7 Abs. 3 Nr. 1 NRSG abstellen und den Sachverhalt unter diese
Norm subsumieren müssen. Mit dem Hinweis darauf, dass von einer anderen
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Rechtsauffassung aus andere Tatsachen klärungsbedürftig gewesen wären,
kann ein Verfahrensfehler indes nicht dargelegt werden.
Soweit die Klägerin die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts an-
greift, beruht diese auf einer Auslegung von Normen des irrevisiblen Landes-
rechts. Weil Fragen des Landesrechts im Revisionsverfahren nicht klärungsfä-
hig sind, kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin mit ihren Ausführungen zur
materiellen Rechtslage der Sache nach eine Frage grundsätzlicher Bedeutung
herausgearbeitet hat, die den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO
erfüllen könnte.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2
Halbs. 2 VwGO ab, weil eine weitere Auseinandersetzung mit der Beschwerde-
begründung nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen,
unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des
Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Neumann
Dr. Graulich
Prof. Dr. Hecker
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