Urteil des BVerwG vom 05.10.2006
Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Unentgeltlichkeit, Studiengebühr, Bier
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 B 33.06
OVG 2 A 11274/05
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. Oktober 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier
und Dr. Bier
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
Rheinland-Pfalz vom 21. März 2006 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 4 550 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde, die sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeu-
tung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) stützt, hat keinen Erfolg.
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn eine für die
erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts im
Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher
Klärung bedarf. Die grundsätzliche Bedeutung ist gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO darzulegen; dies verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage,
die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird und einen Hinweis auf
den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen
soll (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310
§ 133 VwGO Nr. 26). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde
nicht.
Der Kläger möchte vor dem Hintergrund seiner Heranziehung zu einer (Lang-
zeit-)Studiengebühr von 650 € für das Wintersemester 2004/2005 und jedes
weitere Semester gemäß § 70 des rheinland-pfälzischen Hochschulgesetzes
- HochSchG - vom 21. Juli 2003 (GVBl S. 167) i.V.m. der Landesverordnung ü-
ber die Einrichtung und Führung von Studienkonten - StudKVO - vom 26. Mai
2004 (GVBl S. 344) geklärt wissen: „Ergibt sich aus Art. 4 des Internationalen
Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19. Dezember
1966 (BGBl II 1973, 1569) die Notwendigkeit für den Landesgesetzgeber, die
Höhe der Studiengebühren im Gesetz selbst zu regeln?“ Er meint, Einschrän-
kungen des in dem Pakt verbürgten Rechts auf Bildung (Art. 13 Abs. 1 Satz 1)
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- einschließlich der allmählich einzuführenden Unentgeltlichkeit des Hochschul-
unterrichts (Art. 13 Abs. 2 Buchst. c) - bedürften nach dessen Art. 4 einer ge-
setzlichen Regelung. Eine solche liege hier im Hinblick auf die Höhe der Stu-
diengebühr nicht vor, da diese dem Verordnungsgeber überlassen worden sei.
Die Frage, inwieweit Art. 4 des Paktes Einschränkungen der in diesem Pakt
gewährleisteten Rechte einem förmlichen Gesetz vorbehält, rechtfertigt die Zu-
lassung der Revision nicht; denn sie würde sich in einem Revisionsverfahren
nicht stellen. Zwar schließt der völkerrechtliche Charakter des Paktes nicht aus,
dass eine natürliche Person aus ihm unmittelbar Rechte ableiten kann. Die
Transformation eines völkerrechtlichen Vertrages durch ein Zustimmungsgesetz
führt zur unmittelbaren Anwendung einer Vertragsnorm, wenn diese geeignet
und hinreichend bestimmt ist, wie eine innerstaatliche Vorschrift rechtliche
Wirkung zu entfalten, also dafür keiner weiteren normativen Ausfüllung bedarf
(Urteil vom 3. Dezember 2003 - BVerwG 6 C 13.03 - Buchholz 421.2
Hochschulrecht Nr. 160). In Art. 13 Abs. 2 Buchst. c des Paktes haben sich die
Vertragsstaaten zum Zweck der vollen Verwirklichung des Rechts auf Bildung
verpflichtet, den Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere
durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedem gleichermaßen ent-
sprechend seinen Fähigkeiten zugänglich zu machen. Das vorliegende Verfah-
ren gibt keinen Anlass, den normativen Gehalt dieser Bestimmung zu erörtern.
Dieser wird durch die umstrittene Einführung einer Langzeitstudiengebühr je-
denfalls nicht eingeschränkt; daher stellt sich die Frage nach der Reichweite
des Gesetzesvorbehalts nicht.
Der Landesgesetzgeber hat durch die Garantie eines grundsätzlich gebühren-
freien Studiums bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss, bei bestimm-
ten konsekutiven Studiengängen sogar bis zum zweiten berufsqualifizierenden
Abschluss (§ 70 Abs. 1 HochSchG), durch die Ausgestaltung eines an den Stu-
dienaufwand angepassten Studienguthabens (§ 70 Abs. 2 HochSchG) sowie
durch die Einräumung einer mehr als einjährigen Übergangsfrist für bei Inkraft-
treten des Gesetzes bereits immatrikulierte Studierende an Universitäten (§ 70
Abs. 8 HochSchG) das Angebot eines unentgeltlichen Studiums in einem Um-
fang aufrechterhalten, der die Gewährleistungen des Art. 13 des Paktes auch
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bei der für die Betroffenen günstigsten Auslegung nicht beeinträchtigt. Dies hat
der Senat für die vergleichbare Regelung des baden-württembergischen Lan-
deshochschulgebührengesetzes vom 5. Mai 1997 (GBl S. 173) bereits ent-
schieden (Urteil vom 25. Juli 2001 - BVerwG 6 C 8.00 - BVerwGE 115, 32 <49>
= Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 158); ein zusätzlicher Klärungsbedarf
bezüglich der für die Studierenden insgesamt nicht ungünstigeren rheinland-
pfälzischen Regelung wird von der Beschwerde nicht hinreichend dargelegt und
ist auch nicht ersichtlich. Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht daraus,
dass die Landesverordnung, die die Gebührenpflicht - auch für die bereits vor-
handenen Studierenden - zum Wintersemester 2004/2005 einführte, ihrerseits
ohne Übergangsfrist in Kraft trat. Entscheidend ist demgegenüber, dass § 70
Abs. 8 HochSchG bereits am 5. August 2003 verkündet worden war; die Stu-
dierenden an Universitäten hatten nach dieser gesetzlichen Regelung fast
14 Monate Zeit, sich auf die neue Gebührenregelung einzustellen, und damit
ähnlich lang, wie es der Senat in seinem Urteil vom 25. Juli 2001 (a.a.O.) für mit
den Gewährleistungen des Art. 13 des Paktes vereinbar gehalten hat.
Die Beschwerde stellt außerdem die Frage: „Verpflichtet Art. 13 Abs. 1 Satz 1
des Sozialpaktes den Gesetzgeber dazu, bei der Erhebung von Langzeitstu-
diengebühren die soziale (gemeint ist: die wirtschaftliche) Leistungsfähigkeit der
Studierenden zu berücksichtigen?“ Diese Frage lässt sich, soweit sie überhaupt
entscheidungserheblich ist, ohne weiteres beantworten und rechtfertigt daher
nicht die Zulassung der Revision. Da die in Rede stehende Langzeitstu-
diengebühr die Gewährleistung des Art. 13 des Paktes - bei für die Betroffenen
günstigster Auslegung - nicht beeinträchtigt, lassen sich dieser Vertragsnorm
auch keine verpflichtenden Maßstäbe dafür entnehmen, auf welche Weise bei
der Erhebung der Gebühr sozialen Belangen Rechnung zu tragen ist. Diese
Belange sind im Übrigen in dem hier angegriffenen Landesrecht keineswegs
unberücksichtigt geblieben. Der Landesgesetzgeber hat in § 70 Abs. 6
HochSchG das Nähere hinsichtlich der Erhebung von Studiengebühren, insbe-
sondere auch zur Berücksichtigung sozialer Belange, der Regelung durch
Rechtsverordnung überlassen. In § 14 Abs. 1 StudKVO ist vorgesehen, dass
u.a. solche Studierende, die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförde-
rungsgesetz erhalten, von der Gebührenpflicht ausgenommen sind. Außerdem
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kann die Gebühr, die regelmäßig 650 € je Semester beträgt (§ 14 Abs. 3
StudKVO), auf Antrag von der Hochschule gestundet, ermäßigt oder erlassen
werden, wenn die Einziehung aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls
eine unbillige Härte darstellt. Der Senat hat in seinem bereits mehrfach erwähn-
ten Urteil vom 25. Juli 2001 (a.a.O.) ausgesprochen, dass die auch insoweit
vergleichbare baden-württembergische Gebührenregelung sowohl mit verfas-
sungsrechtlichen als auch mit völkerrechtlichen Anforderungen insgesamt in
Einklang steht. Daran ist auch im Hinblick auf die hier in Rede stehende landes-
rechtliche Regelung festzuhalten, ohne dass insoweit ein zusätzlicher allgemei-
ner Klärungsbedarf hervortritt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung
des Streitwertes aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG i.V.m. Nr. 3.1 des
Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dr. Bardenhewer Vormeier Dr. Bier
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